Überlegungen zum Coronavirus – 6.: Italiens Gesundheitswesen

WARUM ITALIEN? – TEIL 6
Hier wird die Serie der Erklärungen fortgesetzt:
1. Der Mailänder Flughafen ist der wichtigste europäische Flughafen für Ostasienflüge
2. Die italienische Mode wird seit geraumer Zeit von Chinesen in Sweatshops in Norditalien hergestellt
3. Der Karneval in Venedig + die Kreuzfahrten nach Venedig haben als Verteiler gewirkt
4. Es gibt halt so viele alte Leute dort
5. Die Einrichtungs-Messe Homi in Mailand im Jänner wurde vor allem von chinesischen Arbeitern aufgebaut
6. Das Gesundheitswesen in Italien war auch vor der Epidemie schlecht beinander
1. Gesundheit
Was als „Gesundheit“ angesehen wird, hängt von der Gesellschaft ab, in der man lebt.
Die alten Griechen trieben Sport, um fit für den Krieg zu sein. Gesund war, wer seine Feinde aufgrund seiner körperlichen Verfassung bezwingen konnte, und diesem Ziel war zumindest die körperliche Betätigung untergeordnet.
In den indigenen Gesellschaften gab es Medizinmänner, die mit Wissen über Pflanzen und Rauschzustände dafür sorgten, daß der Stamm halbwegs fit für Jagd, gegebenenfalls Ackerbau, und Reproduktion blieb.
In der heutigen Marktwirtschaft ist das Wichtigste, daß jemand arbeitsfähig ist. Sowohl nach körperlicher als auch nach geistiger Verfassung wird das Individuum dazu erzogen, sich an seinem Arbeitsplatz zu bewähren. Das heißt, daß sich bereits Kinder oder Jugendliche darauf vorbereiten sollen, andere gegebenenfalls auszustechen – im Sport, bei schulischen Leistungen, im Ergattern eines Partners. Gesund sein im weitesten Sinne heißt: bestmöglich gerüstet für die Konkurrenz.
Die Volksgesundheit, die modernen Staaten ein Anliegen ist, soll den ganzen Volkskörper möglichst für dieses Ziel befähigen. D.h., möglichst viele Individuen sollen nach dem Ideal der Gesundheitspolitiker möglichst sportlich, ehrgeizig und fleißig sein, um die möglicherweise nicht so gut vorbereiteten Untertanen fremder Herrschaften auf allen Gebieten – Kultur, Produktivität, Sport, usw. – auszustechen. Dieses Ziel geht auch in Form rassistischer Witze über andere Nationen in das Denken der jeweiligen Staatsbürger ein.
Der Herstellung und Aufrechterhaltung dieser Art von Gesundheit dienen die Bildungseinrichtungen eines Landes und das Gesundheitssystem. Wenn letzteres untersucht wird, sollte man sich jedenfalls vor Augen halten, wie die Gesundheit definiert wird: Nicht als allgemeines Wohlbefinden, Abwesenheit von Krankheiten und Schmerzen und allumfassende Fertigkeiten, Geschicklichkeit und Frohsinn, sondern um die Funktionalität für die kapitalistische Klassengesellschaft.

2. Das Gesundheitssystem
a) Gesundheit im Sozialismus

Als der junge Medizinstudent Ernesto Guevara in den Ferien mit dem Motorrad durch Lateinamerika fuhr, fielen ihm bei den Leuten, die er kennenlernte, Bergarbeitern in der Atacama-Wüste oder Leprakranken in Ecuador, zwei Dinge auf: Erstens, daß unser Gesellschaftssystem Leute krank macht, vernutzt und Schäden und Gefahren aussetzt, weil es hier wie dort legal ist, daß die Reichen die Armen ausnützen, für sich arbeiten lassen und so noch reicher werden.
Zweitens, daß diesen solcherart Beschädigten dann auch noch wegen ihrer Armut die ärztliche Hilfe verweigert wird und im 20. Jahrhundert Menschen an Krankheiten leiden und sterben, die längst heilbar sind.
Er zog daraus den Schluß, daß er an dieser Gesellschaftsstruktur etwas ändern will, und sich nicht damit abfinden will, als Arzt diejenigen zu betreuen, die sich das eben leisten können.
Er wollte eine Gesellschaft errichten, in der Leute erstens nicht mutwillig krank gemacht, und zweitens ihre Krankheiten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geheilt werden.
Auf diesen beiden Prinzipien beruht das heutige kubanische Gesundheitssystem, das in diesen schweren Zeiten als besonders vorbildlich hervorsticht und Ärzte-Brigaden in die Zentren des Kapitalismus schickt, weil deren Gesundheitssysteme mit dem Coronavirus nicht mehr fertig werden.
b) Gesundheit im Kapitalismus
Der fundamentale Unterschied unseres Gesundheitssystems zum kubanischen besteht darin, daß Punkt 1 nie angedacht wurde. Das sehr gerühmte sozialstaatliche Gesundheitssystem Mitteleuropas beruht auf der Überzeugung, daß die Leute die Arbeit, die Umweltverschmutzung, den Streß und die Konkurrenz aushalten müssen, zumindest mehrheitlich.
Die Denkmäler dieser Auffassung sind Berufskrankheiten und Grenzwerte.
Bei ersteren ist anerkannt, daß gewisse Berufe krank machen. Diese Art von Beruf wird aber nicht eliminiert, oder so umgestaltet, daß er der Gesundheit nicht schadet. Die bereits Erkrankten werden, wenn sie Glück haben und ihre Beschädigung anerkannt wird, mit einer Invalidenrente ausgestattet.
Bei Grenzwerten wird festgestellt, daß verschiedene Stoffe nachteilige Folgen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben. Sie werden aber nicht aus dem Verkehr gezogen, sondern lediglich mengenmäßig beschränkt.
Eine Kritik an unserem Gesundheitswesen lautet, daß sie Symptome behandle, nicht Ursachen. Das ist zwar nicht immer richtig, hat aber natürlich in der Ausgangslage des ganzen Gesundheitswesens ihre Grundlage. Eigentlich könnten viele Ärzte angesichts der Lage ähnlich Schlüsse ziehen wie Che Guevara, aber irgendwie scheint sich diese Denkweise nicht so richtig durchzusetzen.
Ein schönes Beispiel für den Zustand unseres Gesundheitswesens ist die Krebsforschung. Es sind alle möglichen Stoffe bekannt, die krebsfördernd wirken. Die werden eben dann beschränkt und mit Grenzwerten versehen.
In andere Richtungen – wie sehr der Streß, die Existenzangst, das Mobbing, andere Formen der Konkurrenz und die zeit- und geldbedingte Mangelernährung breiter Volksmassen zur Folge haben, daß einige Zellen im Körper einfach kippen und zu Killern werden – wird gar nicht geforscht. Stattdessen suchen gutdotierte Institutionen nach Mitteln, diese Killerzellen wiederum zu killen. Auch alle Folgekosten, wie Chemotherapie, Rehab und Frühpensionierungen und Invalidenrenten, werden vom Gesundheitssystem in Kauf genommen. So sieht eben die Reparaturarbeit in unserer Gesellschaft aus.
Dem Gesundheitswesen entstehen außerdem beachtliche Kosten nicht aus der großartigen Entlohnung der dort Angestellten – viele Berufe im Gesundheitswesen streifen bereits die Prekariatsgrenze –, sondern daraus, daß die pharmazeutische und sonstige Medizinindustrie auch ihre Kosten kommen soll. Gerade solche Staaten leisten sich ein flächendeckendes Krankenhausnetz und behandeln ihre Bevölkerung großzügiger als andere Staaten, die damit auch ihrer Medizinindustrie eine zahlungsfähige Nachfrage und daneben ein Experimentierfeld für neue Behandlungsmethoden und Medikamente sichern.
Man kann das Gesundheitssystem unter diesem Gesichtspunkt durchaus auch als eine Art Standort- und Wirtschaftsförderung betrachten.
Wenn also die Neoliberalismus-Kritiker rufen: „Gesundheit darf kein Geschäft sein!“ und eine höhere Dotierung dieses Sektors fordern, so übersehen sie sehr geflissentlich, welchen Geschäften das ganze Gesundheitssystem von Anfang an dient: Sowohl den gesundheitsschädlichen nämlich als auch den heilenden.

3. Das Gesundheitswesen Italiens

„Zu Beginn der 1970er Jahre gab es in Italien noch rund 100 Krankenkassen. Dieses System wurde 1978 mit Einführung des nationalen Gesundheitsdienstes abgeschafft. Mit einem einheitlichen Leistungsangebot wollte die Regierung dem starken Gefälle zwischen reichem Norden und armen Süden entgegenwirken. In der Praxis hat dies nicht so ganz funktioniert, sodass es mittlerweile bereits vier größere Reformen gab.“ (Krankenkassenvergleich)
Ein Ergebnis dieser Reform von 1978 ist, „dass die medizinische Grundversorgung für alle Bürger kostenlos ist.“ (ebd.)
Was als Grundversorgung definiert, und was darüber hinaus geleistet ist, hängt von der Dotierung der Spitäler ab, und das wiederum hat mit dem Steueraufkommen derjenigen Region zu tun, in der sich die medizinische Einrichtung befindet.
Was im Mezzogiorno in medizinischen Einrichtungen als Grundversorgung angeboten wird, unterscheidet sich daher aufgrund der finanziellen Mittel sehr von Regionen wie Rom oder den reicheren Provinzen des Nordens. Die wirtschaftliche Entwicklung Italiens spiegelt sich also in der Ausstattung seiner Krankenhäuser, und auch in der Anzahl derselben: „Auf lokaler Ebene gibt es die Unita Sanitarie Lokale (USL). Pro USL werden zwischen 50.000 und 200.000 Einwohner betreut.“ (ebd.)
Man kann sich also vorstellen, was in solchen USL (= Krankenhaus, Notfallambulanz oder auch nur Ordination) los ist, wenn auf einmal massenhaft Leute krank werden.
„37,5 Prozent der Kosten werden mit Steuergeldern finanziert. Weitere 40,8 Prozent stammen aus den Versicherungsbeiträgen, die komplett vom Arbeitgeber übernommen werden.“ (ebd.) Der Rest kommt aus Selbständigen-Beiträgen und Selbstbehalten – für Medikamente oder Behandlungen, die über die Grundsicherung hinausgehen.
Dieses italienische Gesundheitswesen funktionierte zu Zeiten der Scala Mobile bis 1992, als die Gehälter hoch waren, halbwegs gut. Erstens war die allgemeine Gesundheit besser, zweitens war der Altesdurchschnitt niedriger, und auch die Steuern und Abgaben deckten die Anforderungen des Gesundheitswesens besser ab.
Sogar 8 Jahre später, nach sehr großen Veränderungen in Sachen Arbeitsmarkt, individuelle Einkommen und Abgaben erhielt Italien ein großes Lob der WHO: „Trotz der regionalen Unterschiede stand das Gesundheitssystem Italiens im Jahr 2000 an zweiter Stelle der Weltrangliste der Weltgesundheitsorganisation … Italien gibt knapp 10 Prozent seines BIP für das Gesundheitswesen aus und liegt damit im OECD-Durchschnitt.“ (Wikipedia, Servizio Sanitario Nazionale)
Als die Finanz- und Eurokrise die Eurozone erschütterte, trat die Regierung Berlusconi zurück, nachdem sie bereits das erste von EU-Beamten in Brüssel verordnete Sparpaket unterzeichnet hatte. Ihm folgte der Wirtschaftswissenschaftler Mario Monti als Übergangspräsident. Obwohl er gar nicht gewählt, also nach der italienischen Verfassung gar nicht zu solchen einschneidenden Maßnahmen berechtigt war, setzte er weitere Sparmaßnahmen durch. Die betrafen auch das Gesundheitswesen: „Unter anderem sollen 50 der insgesamt 100 Provinzverwaltungen verschwinden; im Gesundheitswesen sollen mittelfristig 18 000 Krankenhausbetten wegfallen.“ (Tagesspiegel, 7.7. 2012)
„Wegfallen“ – das klingt ganz so, als seien diese Betten bisher überflüssig gewesen, ein reines Dekor sozusagen.
Weitere Einsparungen nahm sich 3 Jahre später die Regierung Renzi vor: „Italiens Gesundheitswesen wird milliardenschweren Sparmaßnahmen unterzogen. Einsparungen in Höhe von zehn Milliarden Euro stehen dem Gesundheitssektor in den kommenden fünf Jahren bevor. … Schon im kommenden Jahr will die Regierung 2,3 Milliarden Euro an Gesundheitsausgaben kürzen. Die Einsparungen werden jedoch nicht die Dienstleistungen für die Bürger belasten, versicherte Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin. … Maßnahmen seien auf lokaler Ebene mit Hilfe der Regionen geplant. Kleinere Krankenhäuser sollen geschlossen werden. … Der Präsident des Veneto, Luca Zaia, meinte, in seiner Region seien nach den beträchtlichen Einsparungen der vergangenen Jahre keine weiteren Ausgabenkürzungen mehr möglich.“ (Salzburger Nachrichten, 29.7. 2015)
Das solchermaßen verkleinerte Gesundheitswesen Italiens mit überlastetem Personal, das aufgrund der Kürzungen seit 2012 eigentlich schon seit Jahren an der Grenze seiner Kapazitäten operiert, setzte ähnlich wie die Ärzte und Spitäler in den USA auf Entlastung: Statt aufwendiger stationärer oder auch ambulanter Behandlungen verschrieben die Ärzte vor allem älteren Patienten und solchen mit chronischen Krankheiten lieber Medikamente und schickten sie nach Hause.
Damit schufen sie eine zusätzliche Verschärfung der Situation, weil diese Patienten waren wenig widerstandsfähig, als das Coronavirus bei ihnen anklopfte.
Fortsetzung (Bonus Track): Der Smog

Überlegungen zum Coronavirus – 5.: Eine Messe als Europas Virenverteiler?

WARUM ITALIEN? – TEIL 5
Hier wird die Serie der Erklärungen fortgesetzt:
1. Der Mailänder Flughafen ist der wichtigste europäische Flughafen für Ostasienflüge
2. Die italienische Mode wird seit geraumer Zeit von Chinesen in Sweatshops in Norditalien hergestellt
3. Der Karneval in Venedig + die Kreuzfahrten nach Venedig haben als Verteiler gewirkt
4. Es gibt halt so viele alte Leute dort
5. Die Einrichtungs-Messe Homi in Mailand im Jänner wurde vor allem von chinesischen Arbeitern aufgebaut
6. Das Gesundheitswesen in Italien war auch vor der Epidemie schlecht beinander
Ob es wirklich eine Messe in Mailand war, die sich ähnlich dem Tiermarkt in Wuhan als besonderer Springbrunnen für Infektionen erwiesen hat, soll hier näher untersucht werden.

1. Was ist eigentlich eine Messe?

Das Abhalten von Messen hat sich mit der Einrichtung der EU seit den 90-er Jahren sehr weit verbreitet. Abgesehen von den traditionellen Messestädten versuchen viele Städte, sich neu als Messestädte zu positionieren – mit wechselndem Erfolg. Die bereits etablierten Messestädte wiederum versuchen ihr Spektrum auszuweiten, um ihren bereits vorhandenen Grundstock als Messezentrum auszubauen.
Seit ungefähr 2 Jahrzehnten ist eine richtige Messe-Konkurrenz losgegangen, innerhalb derer sich die Veranstalter und Aussteller gegenseitig in Preis- und Lohndumping unterbieten.
Die Messen reihen sich damit in die Reihe der Großveranstaltungen ein, ähnlich wie kulturelle Spektakel, Wanderausstellungen und MEGA-Konzerte, Freilichtbühnen, Sport-Events usw., wo versucht wird, über die möglichst große Zahl der anreisenden Besucher die Gastronomie und die Geschäfte für Souvenirs, Kleidung, und lokale Produzenten mit zusätzlichen Einnahmen zu versorgen. Nach diesen Großveranstaltungen aller Art werden regelmäßig entweder Besucherrekorde gemeldet, oder mit bangen Mienen nach Faktoren gesucht, warum der Rekord des Vorjahres oder der vorigen Fußball-WM nicht erreicht wurde.
Solche Events sind natürlich geeignet, genauso wie der Karneval in Venedig, eine Art Drehscheibe für Ansteckungen zu werden.
Ursprünglich entstanden die Messen aus Märkten, die sich auf bestimmte Produkte spezialisierten. Damit sollte die regionale Produktion angekurbelt werden, indem Kaufleute von woanders angezogen wurden, die diese speziellen Waren dann quer durch die Lande vertrieben. Messen waren also immer schon eine Art großes Schaufenster, in dem regionale Spezialitäten für internationale Kundschaft dargeboten wurden. (So geht z.B. die Frankfurter Buchmesse auf die Erfindung des Buchdrucks im nahegelegenen Mainz zurück, die Frankfurt mitsamt seinen Märkten zu einem Zentrum für Druckereiprodukte werden ließ.)
Weil der Markt möglichst viele Leute anziehen sollte, wurde er mit einem religiösen Festtag verbunden, einem Schutzheiligen unterstellt und somit Gott und der Mammon vereint – daher stammt auch der Name „Messe“, der dem Schacher den Segen Gottes verlieh.
Eine weitere Attraktivität der Messe war, daß die Landesfürsten sich zu ihren Schutzherren machten und die anreisenden Kaufleute für diesen Anlaß von den Abgaben und Zöllen befreiten, die ansonsten bei Marktplätzen gebräuchlich waren. Die örtliche Kaufmannschaft erstattete ihnen diesen Verdienstentgang nach Ablauf der Messe überreichlich zurück und war deshalb zusätzlich interessiert, möglichst viel Publikum anzuziehen, um bei dieser Gelegenheit die eigene Schatulle kräftig zu füllen und sich auch noch beim Landesfürsten Liebkind zu machen.

2. Messestadt Mailand

Die Hauptstadt der Lombardei und das wirtschaftliche Herz Italiens verdankt seine Entwicklung seiner Lage als Knotenpunkt der Handelsstraßen – von Nord nach Süd, und auch von Ost nach West. Nach der Einigung Italiens bildete sie den Gegenpol zu Rom, was auch von der damaligen Staatsführung gefördert wurde. Wirtschaftlich hat Mailand Rom schon lange überholt – nach Wirtschaftsleistung, und nach Einwohnerzahl des Großraums. Nur an Besuchern liegt es noch hinter Rom:
„In der Rangliste der meistbesuchten Städte der Welt im Jahr 2018 belegt Mailand den fünften Platz in Europa für die Anzahl der internationalen Touristen. Laut Mastercards Global Destination Cities-Ranking in Bezug auf die Anwesenheit von Touristen und Arbeitern liegt Mailand mit rund 9,1 Millionen als 16. meistbesuchte Stadt der Welt, 5. in Europa und 2. in Italien nach Rom.“ (Wikipedia, Milano)
Mailand ist Sitz der italienischen Börse und konzentriert verschiedene Industriezweige: Neben Mode aller Art ist es auch das italienische Zentrum der Medien und des Verlagswesens.
Als Messestadt präsentiert sie die gesamte Wirtschaft Italiens:
„Die Mailänder Messe organisiert, veranstaltet und verwaltet seit 1920 internationale Veranstaltungen in ihren Pavillons und weltweit.“ (Fiera Milano – Die Geschäfts-Plattform des „Made in Italy“)
In den 90-er Jahren etablierte sie sich als Messe für Branchen und erweiterte sowohl ihr Spektrum als auch ihr Gelände. Seit 2002 notiert sie an der Mailänder Börse. 2005 bezog sie ein neues Gelände nordwestlich des Zentrums, im Vorort Rho. (Heute wurde dort, wie in anderen Messehallen in Europa, ein Lazarett für Coronyvirus-Patienten eingerichtet.)
2008 schloß sie ein Kooperationsabkommen mit der Hannoveraner Messe, um sich gemeinsam mit Hannover im Ausland betätigen und ihre jeweiligen nationalen Wirtschaftszweige präsentieren zu können, und 2015 organisierte sie die Weltausstellung „Expo 2015“ zum Thema Ernährung, eine 6 Monate dauernde Veranstaltung, die mehr als 22 Millionen Besucher anzog.
Diese fieberhafte Aktivität ist ein Ergebnis der EU-Gründung. Seither gibt es einen Wettlauf der Mitgliedsstaaten, ihre Wirtschaft zu präsentieren und international gut zu plazieren. Viele Hauptstädte oder Metropolen bauten Messegelände aus und versuchen sich als Messezentren zu etablieren. Hier gibt es auch eine Rivalität zwischen alten und neuen Messestädten.
Mailand versucht dabei, die Nase vorne zu behalten und sowohl nach Umfang als auch nach Frequenz andere Messezentren hinter sich zu lassen.

3. Die Einrichtungs-Messe

„Die HOMI Milano ist eine internationale Fachmesse für Inneneinrichtung und gehobene Wohnkultur, die halbjährlich in der Messe von Mailand in Rho stattfindet. Sie richtet sich ausschließlich an Fachbesucher.“
Sie findet 2x jährlich, im Januar und im September statt und dauert jeweils 4 Tage. Im Januar 2017 wurden 85.000 Besucher gezählt, davon 20 % aus dem Ausland. In diesem Jahr fand sie vom 22. bis 25. 1. statt.
Wenn man bedenkt, daß ein Sektentreffen mit 2500 Mitgliedern im Elsass oder Schiorte in Tirol sich inzwischen als Zentren der Verbreitung des Virus herausgestellt haben, so kann eine solche Messe natürlich auch dazu beigetragen haben.
Allerdings fand sie bereits im Jänner statt, während die ersten Coronavirus-Todesfälle einen Monat später registriert wurden. Und die fanden nicht in Mailand statt, sondern in anderen Teilen der Lombardei, im Veneto und in der Emilia-Romagna.
Es finden sich auch im Internet keine Hinweise darauf, daß die Messestände mit Hilfe von chinesischen Arbeitern aufgebaut wurden. Möglich ist es natürlich – die Kooperation der Mailänder Messe mit Hannover erstreckt sich auch auf gemeinsame Projekte in China.
Und schließlich ist die Messe-Logistik eine sehr spezialisierte und relativ junge und dynamische ökonomische Aktivität, deren Akteure sich ungern in die Karten schauen lassen.
Die Mailänder Messe könnte also ein ein Faktor für die Verbreitung des Virus gewesen sein, Beweise dafür gibt es keine.
Fortsetzung folgt: Italiens Gesundheitswesen

Überlegungen zum Coronavirus – 4.: Zu viele Alte?

WARUM ITALIEN? – TEIL 4

Hier wird die Serie der Erklärungen fortgesetzt:
1. Der Mailänder Flughafen ist der wichtigste europäische Flughafen für Ostasienflüge
2. Die italienische Mode wird seit geraumer Zeit von Chinesen in Sweatshops in Norditalien hergestellt
3. Der Karneval in Venedig + die Kreuzfahrten nach Venedig haben als Verteiler gewirkt
4. Es gibt halt so viele alte Leute dort
5. Die Einrichtungs-Messe Homi in Mailand im Jänner wurde vor allem von chinesischen Arbeitern aufgebaut.
6. Das Gesundheitswesen in Italien war auch vor der Epidemie schlecht beinander

1. Vom Altern in der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft

Unser – europäisches – Gesundheitssystem, das stets gepriesen wird als flächendeckende Versorgung, kennt eine breite Liste der Berufskrankheiten. „Typische Berufskrankheiten sind Lärmschwerhörigkeit, Hautkrankheiten, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats sowie Erkrankungen durch anorganische Stäube (Asbestose und Silikose).“ (Wikipedia, Berufskrankheit)

Die Anerkennung dieser Krankheiten bedeutet zweierlei: Erstens ist anerkannt, daß diverse Tätigkeiten krank machen. Zweitens werden sie dennoch nicht verboten oder durch mechanisierte Abläufe ersetzt, sondern weiterhin werden Menschen diesen schädigenden Tätigkeiten ausgesetzt. Und drittens, wenn es sie dann erwischt hat, so haben sie Anspruch auf Entschädigung, Frühpension, Invalidenrente oder andere Einkünfte, die nicht besonders berauschend sind. Den Nachweis muß das Individuum aber erst einmal erbringen, mit Arztbesuchen, Untersuchungen, Amtswegen usw.
Damit ist natürlich keineswegs alles erfaßt, was krank macht: „Psychische Erschöpfungszustände, wie das Burnout-Syndrom, psychische Störungen oder psychiatrische Erkrankungen zählen bislang nicht zu den Berufskrankheiten.“

Dazu kommt, daß oftmals aus Angst um den Arbeitsplatz und das daraus erzielte und oftmals sehr knapp verplante Einkommen trotz Krankheit weiter dort gearbeitet wird. Auch normale Infektionskrankheiten werden nicht einfach mit Abwarten und Teetrinken auskuriert, weil das verlängert den Krankenstand, sondern mit Antibiotika aller Art bekämpft. Andere Schädigungen, wie Schmerzen, Verdauungs- und Schlafstörungen werden ebenfalls mit Pillen beschossen. Zu den legalen Tabletten gesellen sich Alkohol und Drogen, die oft auch noch zu Mangelernährung führen, weil die Konsumenten dann beim Essen sparen, um sämtliche Rechnungen zahlen zu können.

In Zeiten der prekären Beschäftigung und der Ich-AGs ist überhaupt die Ernährung ein beliebter Sparposten, weil das Immobilienkapital fordert immer höhere Teile des Gehaltes, und sich kleiden und heizen muß man in unseren Breiten ja auch noch. Die Lebensmittelindustrie hat sich darauf eingestellt und produziert jede Menge Billigfutter, in dem Nährstoffe und Vitamine durch dubiose Zusätze und Reste von Unkrautvertilgungsmittel und Kunstdünger ersetzt werden. Und mit viel Zucker, der Glücksdroge der Armen.
Die regelmäßig eingenommenen Medikamente und das miese Essen führen dann zu Nebenwirkungen und anderen Beschwerden, die auch wieder mit Medikamenten bekämpft werden, und so erreicht der arbeitende Mensch sein Pensionsalter meistens in einem Zustand, der nicht als beneidenswert eingestuft werden kann. Zur möglicherweise steigenden Lebenserwartung gesellt sich dadurch eine schlechte Lebensqualität, die sich aufs Gemüt schlägt und zur Einnahme weiterer Pillen führt, die einem das Leben rosiger erscheinen lassen und einen guten Teil der Lebensrealität ausblenden helfen.

Zu dem allen kommt auch noch eine sehr gesteigerte Geschwindigkeit des täglichen Lebens, alle möglichen flotten Fortbewegungsgeräte auf dem Gehsteig, Telefone, mit denen man immer und überall erreichbar ist und jede Menge weiterer Streß, ob man mit der Pension über die Runden kommt und nicht womöglich dem noch mehr gestreßten Nachwuchs zur Last fällt. Sofern man überhaupt einen hat und sich nicht mit Katzen und Hunden über die Vereinsamung hinwegtröstet.

Es gibt zwar jede Menge Ratgeber, wie man gesund und fit bleibt. Was immer man davon halten mag: Es ist bemerkenswert, daß sie sich alle auf das Funktionieren des Körpers beziehen. Weitaus weniger Wert wird darauf gelegt, wie man seinen Verstand fit halten und gezielt einsetzen könnte. Im Gegenteil, in den Medien gibt es jede Menge Verblödungsangebote, genannt „Unterhaltung“, die aus den oben genannten Gründen auch gerne angenommen werden, um sich von der tristen Wirklichkeit abzuwenden.

Die Demenz ist dann die Endstation, das endgültige Abschalten von Menschen, die einen Weltkrieg erlebt und den Wiederaufbau bewerkstelligt haben – und nicht begreifen können, wie sich Menschen um I-Phones über Nacht anstellen oder in einer Schlange stehen, um auf den Mount Everest zu kommen, während sie selbst schon froh sind, wenn sie sich hin und wieder einen Ausflug mit dem Seniorenklub unternehmen.
Dazu gibt es noch eine Menge öffentliche Schelte, daß sie der Gesellschaft auf der Tasche liegen, über das Umlagesystem der Pensionskasse.

2. Die Bevölkerungspyramide und das Pensionssystem

Immer wieder erklingt das Wehgeschrei der Demographen (= Bevölkerungswissenschaftler), daß die Graphik, die die Altersverteilung anzeigt, zusehends kopflastig und instabil ist. Das ist deshalb, weil das Pensionssystem über die Einzahlungen der Arbeitenden, die sogenannten Arbeitgeberbeiträge, über die die Unternehmer klagen, finanziert wird. Obwohl sie formell als Zahlung des Unternehmers abgewickelt werden, sind sie tatsächlich ein Teil des Gehalts. Die Arbeitenden zahlen ein, um einmal in den Genuß einer Pension einer Pension zu kommen, und das Geld tropft auf der anderen Seite auf diejenigen, die bereits in Pension sind. Es ist klar, daß da ein Mißverhältnis eintritt, wenn auf der einen Seite immer weniger in das Gefäß hineingeleert und auf der anderen Seite immer mehr entnommen wird.

Die Bevölkerungswissenschaftler, die das in ein reines Problem der mangelhaften Reproduktion – zuwenig Kinder! – verwandeln, lassen dabei einen wichtigen Umstand weg: In Zeiten großer Jugendarbeitslosigkeit gibt es gar kein Deckungsverhältnis der Arbeitsfähigen mit den tatsächlich Arbeitenden und Einzahlenden. Die kapitalistische Wirtschaft kann immer weniger Menschen im arbeitsfähigen Alter brauchen, und das Mißverhältnis ist dadurch noch größer, weil auf Pensionsberechtigte aus Zeiten der Fast-Vollbeschäftigung treffen Prekäre, Niedriglohnsektoren und auch immer weniger tatsächlich Einzahlende.

Dieses Mißverhältnis sollte durch die Schaffung von privaten Pensionsfonds ausgeglichen werden, in die die besser Verdienenden einen Teil ihres Gehalts einzahlen sollten. Die Idee war von Haus aus rein arithmetisch nicht sehr gut, weil damit wurden der staatlichen Pensionskasse erst einmal Gelder entzogen.

Diese Pensionsfonds sollten, so die Idee, mit Spekulationen auf dem Wertpapiermarkt eine wundersame Geldvermehrung erzielen und damit dann ihrer Kundschaft ein sorgenfreies Alter ermöglichen. Dieser schöne Plan wurde spätestens durch die Finanz- und Eurokrise 2008 ff. in ganz Europa (und auch außerhalb) zunichte. Wertpapiere wurden entwertet, sichere Anlagen sind mit Null- und Negativzinsen belastet, aus den Einnahmen der privaten Pensionsfonds wurde nichts, und sie müssen jetzt oft wie die staatliche Pensionskasse bezuschußt werden, um nicht den Geist aufzugeben und damit womöglich einen Bankencrash auszulösen.
Das schafft eine mißliche Lage für viele Staatshaushalte, die ihrerseits ein Problem haben, sich zu finanzieren und sich und anderen Schuldenbremsen verordnet haben, um nicht durch muntere Verschuldungstätigkeit wieder eine Neuauflage der Eurokrise von 2012 ff. hervorzurufen.

Manche Staaten, wie Nachfolgestaaten Jugoslawiens oder Rumänien müssen Kredite aufnehmen, um ihre Pensionsfonds zu stützen.

Diese eigentlich ausweglose Lage wird mit ständigen besorgten Artikeln, Belangsendungen und Interviews immer wieder thematisiert: Wie werden wir die Pensionen weiter zahlen? – was eine sehr unerfreuliche Stimmung für die Betroffenen erzeugt. Erstens erfahren sie in einem fort, daß sie zu viele sind, zu lange leben, lästig sind, unnütz sind, und den kommenden Generationen die Butter vom Brot essen. Zweitens schwebt über ihnen auch das Damoklesschwert, daß eines Tages das Konto leer sein könnte, weil die Überweisung der Pensionskasse nicht mehr kommt.

Immerhin wurden z.B. in Griechenland die Pensionen seit 2014 zehnmal oder noch öfter gekürzt, und auch in Spanien stehen die Pensionsfonds kurz vor dem Kollaps, weil durch die Finanzkrise eine große Abwanderung eingesetzt hat, die Arbeitslosigkeit gestiegen ist und immer weniger an Einzahlungen hereinkommt.
Obwohl also die Überalterung der Gesellschaft nicht der wichtigste Grund für die Schwierigkeit der Finanzierung des Pensionssystems ist, ist sie doch eine Tatsache.
Wie kam es dazu?

3. Italien: Von der Bambinifreudigkeit zum Großelternüberhang

a) Die „Scala Mobile“

In Italien war bis 1990 die Kommunistische Partei sehr stark, vor allem in der 1944 im Pakt von Rom gegründeten Einheitsgewerkschaft CGIL. Ihrem Einfluß, und auch dem Entgegenkommen der italienischen Eliten war es zu danken, daß 1945 die „Scala Mobile“ eingeführt wurde. Die Gegenseite, Industrielle und Politiker, sahen damals ein, daß die Lohnpolitik einen entscheidenden Einfluß auf den „sozialen Frieden“, also den Gehorsam der Arbeiterklasse haben würde.
Nach der Scala (ww.: Rolltreppe) wurden den Arbeitern jährlich die Preissteigerungen durch eine nationale Lohnerhöhung abgegolten. Zunächst war das ein höchst kompliziertes Verfahren, wo sich diese Erhöhungen nach Berufsgruppe, Alter, Geschlecht und Qualifikation unterschieden. In den Jahren 1975-77 wurde das Verfahren vereinfacht. Unter der sozialistischen Regierung Craxi fand 1984 per Dekret eine Verringerung der Lohnsteigerung statt, und 1992 wurde sie unter der ebenfalls sozialistischen Regierung Amato abgeschafft. Die Sozialdemokraten bewährten sich hier, ähnlich wie Schröder & Co. in Deutschland, als die wahren Diener des Kapitals, indem sie die Arbeiterklasse auf einen Schlag verbilligten.
Die Scala Mobile spielte eine bedeutende Rolle in den Klassenkämpfen der 60-er und 70-er Jahre. Die militanten Organisationen der Linken, die wilde Streiks organisierten, proletarische Einkäufe veranstalteten und sich Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, wurden in den späten 70er und 80-er Jahren durch die Justiz aufgerieben. Es gelang ihnen nicht, das italienische Proletariat zu mobilisieren, weil es u.a. durch die Lohnpolitik von Staat und Kapital bei der Stange gehalten wurde.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhanges fiel der italienische Eurokommunismus in sich zusammen. Obwohl sie sich als nationalstaatlich orientierte Sozialisten im Schulterschluß mit der herrschenden Klasse gegen den Ostblock präsentierte, hatte die PCI ihre Bedeutung doch nur als Schwesterpartei des Realen Sozialismus gehabt. Damit fiel jeder Widerstand gegen die Ansprüche des Kapitals und die Scala Mobile wurde abgeschafft.
Dank der im europäischen Vergleich hohen Löhne war es in Italien bis in die 80-er Jahre nicht üblich, daß beide Elternteile arbeiten gingen. Die Mamma war Hausfrau und versorgte Mann und Kinder, und oft auch noch die im Haushalt mitlebenden und mithelfenden Eltern. Unter diesen Bedingungen war es üblich, daß in Italien mehr Kinder pro Familie geboren und aufgezogen waren, im Unterschied zur Zweikinderfamilie, die damals in Mitteleuropa Standard war.

Das Reproduktionsverhalten einer Gesellschaft hängt nämlich von den Einkommen ihrer Mitglieder ab.

b) Das Pensionssystem

Ein allgemeines Pensionssystem wie oben beschrieben, mit Einzahlungen der arbeitenden und Berechtigung einer Alterspension wurde in Italien erst 1969 eingeführt. Vorher gab es zwar allgemeine Pensionskassen, wo Alterspensionen beantragt werden konnten, und spezielle Pensionskassen für einige Berufe. Im Großen und Ganzen war es aber bis dahin die Aufgabe des Familienverbandes gewesen, die Alten und Arbeitsunfähigen zu erhalten.

Damals war die Arbeitsmarktsituation gut, die Löhne und Gehälter vergleichsweise hoch und es gab viele Einzahlungen, die einen Grundstock für die Pensionskasse schufen, die die damals geringfügigen Auszahlungen locker verkraften konnte.
Die damaligen (zahlreichen) Einzahler sind jedoch die Pensionisten, also die Bezieher von heute.

c) schwindende Einnahmen

Ab dem Jahr 1992, dem ersten Jahr der EU und nach dem Zerfall der Sowjetunion, wurde das ganze Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit neu definiert, was Löhne, Gehälter und Sozialauszahlungen betraf. Das Kapital hatte gewonnen, die Arbeitermacht gab es nicht mehr, die Unternehmer mußten keine Rücksicht mehr nehmen, weil auch die ausgesteuerten Staatsbürger der ehemals sozialistischen Staaten auf den Arbeitsmarkt drängten und die industrielle Reservearmee schier unendlich anwuchs.

Italien war zudem Vorreiter der Ausweitung des informellen Sektors. Um die per Scala Mobile geregelten Löhne zu umgehen, war Schwarz- und Teilzeitarbeit dort seit den 70-er Jahren üblich und verhinderte auch viele Familiengründungen.

Das heißt auch, daß die Einzahlungen in die Pensionskasse nicht nur nach Höhe, sondern auch nach Anzahl zurückgegangen sind.

Als dann die Löhne und Gehälter der Fix-Angestellten auch noch fielen – seit 1996 stagnieren sie, bei gleichzeitig bedeutenden Preisanstiegen, vor allem nach der Einführung des Euro – blieb nur mehr die Verschuldung, um z.B. überhaupt zu Wohnraum zu kommen, und die Geburtenrate fiel noch schneller als in anderen europäischen Staaten, da sie ursprünglich von einem höheren Niveau ausgegangen war.
Italien hat heute die niedrigste Geburtenrate der EU.

Daß in Italien heute häufig mehrere Generationen unter einem Dach leben, hat nicht nur mit Traditionen zu tun, sondern vor allem damit, daß die meisten Menschen sich getrennte Haushalte gar nicht mehr leisten können.

Fortsetzung folgt: Messestadt Mailand