„JORDANIEN – DAS EINZIGE ARABISCHE LAND, DAS DEN IRANISCHEN ANGRIFF BEKÄMPFTE, TROTZ SEINES ÄRGERS ÜBER ISRAEL
Seine Abhängigkeit von den USA und sein Misstrauen gegenüber Teheran überwogen die Proteste gegen das Abkommen mit dem jüdischen Staat über die Invasion des Gazastreifens.“
Der Ärger und die Proteste spielen sich in der Bevölkerung Jordaniens ab, nicht in der Führung, die mit den USA gut Freund ist.
„In den frühen Morgenstunden des Sonntags tauchten in den sozialen Medien am Stadtrand von Amman Videos des Metallgerüsts von einer der mehr als 100 Raketen auf, die der Iran gegen Israel abgefeuert hatte.
Diese Rakete war von der jordanischen Armee abgeschossen worden, die als einzige in der arabischen Welt an der Abwehr des iranischen Angriffs beteiligt war, – obwohl sich ihre Beziehungen zum benachbarten Israel aufgrund des Gaza-Krieges auf einem ihrer tiefsten Punkte seit der Unterzeichnung des Friedensvertrags vor 3 Jahrzehnten befinden.
Eine Nachricht, die 6.000 Retweets und 19.000 Likes gesammelt hat, zeigte das Video mit einem sarkastischen Kommentar auf Arabisch, der die Gefühle eines Teils der Bevölkerung auf den Punkt brachte: »Der jordanische König feuert iranische Raketen gegen seine Bürger ab, um Israel zu schützen.«
Die Beteiligung des Haschemitischen Königreichs an der Eindämmung des iranischen Angriffs hat für viel Gesprächsstoff gesorgt. Er zeigte, daß die jordanische Regierung – in einem entscheidenden Moment – seinem unverbrüchlichen Bündnis mit den USA und seiner geringen Wertschätzung für den Iran gegenüber der Kritik am Krieg in Gaza (die schärfste in demjenigen Teil der arabischen Welt, die den jüdischen Staat anerkennt) den Vorzug gab.“
Auch im Original ist das sehr kompliziert ausgedrückt.
Soll heißen: Obwohl es in Jordanien genug Abneigung gegen Israel gibt, ist das Bündnis mit den USA so wichtig, daß Amman in den sauren Apfel beißen und Israel verteidigen mußte.
„Ebenso stellte sie das Misstrauen gegenüber dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hintan, das seit den 1990er Jahren besteht; und auch die Unbeliebtheit des Friedensabkommens in vielen Bereichen der jordanischen Gesellschaft.
Millionen seiner Bürger sind tatsächlich palästinensische Flüchtlinge und Hunderte Menschen demonstrieren seit Wochen täglich vor der israelischen Botschaft in Amman.“
Nicht nur 60% der Bewohner, auch die Frau des jordanischen Königs, Rania, ist palästinensischer Abstammung. Ihre Eltern emigrierten aus Tulkarem nach Kuweit.
„Die der Macht am nächsten stehenden Medien führen die Proteste auf das Interesse »ausländischer Agenten« zurück, ein Land zu destabilisieren, das an Israel, das Westjordanland, Syrien, den Irak und Saudi-Arabien grenzt, und projizieren gerne das Bild einer Oase des Friedens in einer turbulenten Region.
Eines der von Jordaniern meistbenutzten Wörter ist Istiqrar (Stabilität). Amman schoss in einer gemeinsamen Operation mit dem Vereinigten Königreich, Frankreich und den USA Dutzende Drohnen in Richtung Israel ab, die sein Territorium überflogen, und erlaubte diesen Staaten die Nutzung seines Luftraums.
Zwei weitere arabische Länder – die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien – übermittelten die Informationen über den Angriff, die Teheran selbst an sie weitergegeben hatte, an Washington, wie das Wall Street Journal am Montag enthüllte.
Es sind die »anderen« Länder, die der israelische Militärsprecher Daniel Hagari erwähnte, als er ihnen für ihre Hilfe dankte, ohne sie in Schwierigkeiten zu bringen.“
Alles sehr eigenartig.
Der Iran übermittelt an die VAE und Saudi-Arabien seine Absichten bzw. seine Strategie – damit die die dann weitergeben? Oder warum?
Iran, die große schiitische Macht, erweckt bei der sunnitischen Bevölkerung am Golf wenig Sympathie, aber Israel zu helfen, während die palästinensischen »Brüder« seit sechs Monaten in Gaza sterben und verhungern, bringt den Regierungen dieser sunnitischen Staaten wenig Pluspunkte.
Genau für seine aktive Teilnahme und deren öffentliche Bekanntmachung wurde Amman von Israel und den USA ebenso gelobt, wie es vom Iran und seinen Verbündeten kritisiert wurde.
Die der iranischen Revolutionsgarde nahestehende Nachrichtenagentur Fars zitierte eine »gut informierte Quelle« und wies darauf hin, daß Teheran gedroht habe, Jordanien als nächstes ins »Visier zu nehmen«, wenn es mit Israel »zusammenarbeite«. (…)
Für Hasni Abidi, Direktor des in Genf ansässigen »Zentrums für Studien und Forschung zur arabischen Welt und zum Mittelmeer«, hatte Jordanien »keine andere Wahl«, als die Projektile abzuschießen. »Seine Luftverteidigung ist mit den USA verbunden, von denen es erhebliche militärische und finanzielle Hilfe erhält, und es hat ein Friedensabkommen mit Israel mit Sicherheitsverpflichtungen«, fügt er in einer E-Mail-Nachricht hinzu.
Hinzu kämen seine »schlechten Beziehungen zum Iran« und seine »Angst vor einer Destabilisierung« des Landes, betont Abidi.“
Versicherungen wie die letztere und der gebetsmühlenartig wiederholte Hinweis, daß das Verhältnis mit dem Iran schlecht ist, wirken wir fertige Textbausteine.
Das Verhältnis mit dem Iran ist eben deshalb schlecht, weil Jordanien sich mit Haut und Haar den USA verkauft hat – und sich dadurch im Großen und Ganzen ein eigenes Militär und eine eigene Luftabwehr erspart. Das jordanische Militär ist eher protokollarisch und wird für Katastrophenhilfe und Polizeiaufgaben eingesetzt.
„Vor kurzem, am 3. April, meinte Abu Ali al Askari, ein Oberbefehlshaber der Kataeb Hisbollah, der mächtigen pro-iranischen Miliz im Irak: Sie könnten ihre Verbündeten in Jordanien mit »leichten und mittleren Waffen, taktischen Raketen, Panzerabwehrprojektilen und Tonnen Sprengstoff für 12.000 Kämpfer« zur Verteidigung der „palästinensischen Brüder“ versorgen.
Schwarzer September
Nur wenige Ideen erzeugen mehr Gänsehaut in einem Land, das in Teilen der arabischen Welt seit jeher als eine Art Verräter gilt.
Und zwar für seine Zusammenarbeit – sowohl offiziell als auch heimlich – mit dem jüdischen Staat und für den Schwarzen September 1970, in dem die jordanische Armee Tausende von Milizionären der Palästinensischen Befreiungsorganisation tötete, weil sie einen Aufstand vorbereiteten und versuchten, eine Art Parallelstaat zu errichten.
Tuqa Nusairat, Expertin für US-Politik im Nahen Osten und in Nordafrika beim US-Think Tank Atlantic Council, erinnert telefonisch daran, daß Jordanien – ein Land, das 1921 von den Briten als Transjordanien in einer strategischen Position mit wenig Wasser und viel Wüste gegründet wurde – ohne den Schirm Washingtons »sehr verletzlich« sei.“
Zu dieser Gründungsgeschichte gehört auch, daß dieser unattraktive Flecken Erde herhalten mußte, um die während des I. Weltkriegs mit den Briten verbündeten Haschemiten mit irgendeinem Amtl auszustatten. Der mittlere Sohn des letzten Scherifen von Mekka, Abdallah, wurde mit dem schnell geschaffenen Jordanien abgespeist, sein Bruder Faisal im ebenso geschwind zusammengekleisterten Irak als König implantiert.
„»Es ist kein sehr reiches Land, und es unterhält diplomatische und sicherheitspolitische Beziehungen zu den USA, die es aufrechterhalten möchte.« Die Entscheidung vom Samstag sei Teil dieser »Gegenleistung«, sagt sie. Jordanien erhält Geld, Sicherheitsgarantien und Ausbildung für seine Truppen als Gegenleistung dafür, »die Lage ruhig zu halten und die Interessen der USA in der Region zu schützen«.“
Jordanien hat also eine etwas andere Karriere hinter sich als Israel: Um als Staat überhaupt aufrecht zu bleiben, muß es sich an die USA anlehnen. Sein Bündnis mit den USA beruht also nicht darauf, wie Israel die vorherrschende Macht und der Brückenkopf der USA in der muslimischen Welt zu sein, sondern Jordanien ist eher eine Art Türsteher und Flüchtlings-Abstellplatz als Gegenleistung für Anerkennung und Aufrechterhaltung als Staat durch die USA.
Jordanien wird daher offensichtlich in der arabischen Welt verachtet, als US-Vasall.
„Nusairat weist auf zwei Elemente hin. Jordanien wollte sich »nicht vorwerfen lassen, einen Angriff auf ein anderes Land in irgendeiner Weise zu unterstützen oder wegzuschauen« … und befindet sich in einer sehr heiklen Lage, mit Spannungen an allen seinen Grenzen«.“
Man sollte sich vielleicht auch das problematische Verhältnis zum Irak vor Augen halten, das bereits unter Saddam Hussein bestand (die Baath-Partei betrachtete bereits Jordanien als un-arabischen Verräterstaat) und sich nach dem US-Einmarsch verschärfte. Im Sommer 2003 wurde die jordanische Botschaft in Bagdad gesprengt, 2005 verübten irakische Islamisten eine Reihe von Anschlägen im Amman.
„Tatsächlich hat Washington letztes Jahr beeilt, Patriot-Raketen an Jordaniens Grenzen zu stationieren, als Amman befürchtete, daß sich die Spannungen im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg letztendlich auch auf das Land auswirken würden.“
Ah, hier sind diese teuren und raren Patriot-Systeme also stationiert, weswegen die Ukraine leer ausgeht.
„Im Januar tötete eine pro-iranische Miliz drei amerikanische Soldaten in Jordanien nahe der syrischen Grenze.
Im Bewusstsein dieser Gleichgewichte und der Tatsache, daß viele Jordanier jeden Tag Bilder von Gaza sehen, begründete der Außenminister die Entscheidung zum Abschuß der iranischen Flugkörper mit der »realen Gefahr, daß iranische Drohnen oder Raketen im eigenen Land einschlagen könnten« – derselbe Ayman Safadi, der seit Monaten gegen Israel wettert. »Die Streitkräfte sind mit dieser Bedrohung umgegangen«, genau wie sie mit einem Angriff »von Israel umgegangen wären«, verteidigte er den Einsatz.
Die Behörden versuchen, ein heikles Gleichgewicht zu finden, von der Befürchtung getrieben, daß die am stärksten islamistischen oder israelkritischen Kreise Jordaniens die Monarchie und die Macht der Familienclans beduinischer Herkunft offen in Frage stellen könnten.
Einerseits hat das Parlament dafür gestimmt, die Abkommen mit Israel zu »überarbeiten«, und die Exekutive hat ein laufendes Abkommen über Wasser- und Solarenergie gestoppt. Andererseits hat er Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas unterdrückt und die Entfernung des Schildes mit dem von ihm gewählten Namen von einem Restaurant in Amman angeordnet: »7. Oktober«. Es ist das Datum des Hamas-Angriffs, bei dem fast 1.200 Israelis getötet wurden, der die Invasion in Gaza auslöste und den viele in der arabischen Welt als verdiente blutige Rache an Israel für seine Behandlung der Palästinenser betrachten.
Auf jeden Fall ist es schwer, die historische Symbolik zu ignorieren, wenn man sieht, wie ein Angriff auf Israel von demselben Land unterbunden wird, das zwischen 1948 und 1973 vier Kriege mit ihm geführt hat.
»Besonders bemerkenswert ist das für eine Generation von Israelis, die sich daran erinnern, wie sie selbst einst vor den Angriffen Jordaniens Zuflucht gesucht haben«, erinnerte sich Mairav Sonszein, leitender Israel-Analyst der Denkfabrik International Crisis Group, am Sonntag.
Die Schlussfolgerung für ein Israel, in dem der militaristische und isolationistische Diskurs zunehmend triumphiert, ist, daß »diplomatische Vereinbarungen für die Stabilität von entscheidender Bedeutung sind«.
Eine religiöse Stiftung unter der Schirmherrschaft der jordanischen Monarchie verwaltet die Esplanade der Moscheen in Jerusalem, aber die ultranationalistischen Sektoren haben immer mehr Gewicht in der israelischen Regierung und fordern bei immer häufigeren Besuchen, das Abkommen zu annullieren und sogar den Komplex abreißen lassen wollen, um einen dritten Tempel zu bauen.
Noa Landau, stellvertretende Herausgeberin der israelischen Zeitung Haaretz, schrieb an diesem Montag, daß »Netanyahu und seine Anhänger sich am Sonntag bei Biden, aber auch bei Jordanien hätten entschuldigen sollen.« Nach dem iranischen Angriff veröffentlichten einige Gegner des Premierministers eines der ikonischsten Fotos in der modernen Geschichte des Nahen Ostens, auf dem König Hussein lächelnd eine Zigarette für Isaac Rabin anzündet, nachdem er 1994 das Friedensabkommen unterzeichnet hatte.
Die Beziehung hatte seither einige Höhen und Tiefen. In 30 Jahren hat Jordanien sechs Mal seinen Botschafter in Tel Aviv abberufen. Der bekannteste Grund dafür ist ein großes Fiasko beim Mossad, Israels ausländischem Spionagedienst. Eine weitere Verstimmung folgte im Jahr 2017, als ein israelischer Sicherheitsbeamter zwei Jordanier auf dem Botschaftsgelände tötete und von Netanjahu wie ein Held empfangen wurde.
Die letzte Abberufung eines Botschafters ist auf den Krieg in Gaza zurückzuführen, der Königin Rania dazu veranlasste, zwei Interviews zu geben, ohne sich dabei ein Blatt vor den Mund zu nehmen.
Amman gleicht die Unruhen unter seiner Bevölkerung aus, indem es zwar die diplomatischen Beziehungen zu Israel aufrechterhält, aber gleichzeitig mit öffentlich bekannt gemachten Abwürfen humanitärer Hilfe über Gaza – bei denen König Abdullah selbst porträtiert wurde – und Lastwagen mit Lebensmittel-Lieferungen für sich Stimmung macht.“