Pressespiegel EL País, 17.3.: „Ausländischer Agent“ – der Begriff, mit dem der Kreml besonders kritische Russen bekämpft

DER RUSSISCHE INQUISITIONS-UMHANG

„Das Etikett, das seit 2012 zur Kennzeichnung von NGOs mit ausländischer Finanzierung verwendet wird, ist inzwischen zu einer Hürde für Dissidenten geworden. Die Aktivitäten von bedeutenden Akteuren der russischen Presselandschaft sind von dieser Maßnahme betroffen.

Die Pestglocke, die Spitzkappe und der charakteristische Umhang der von der Inquisition Verurteilten: zu diesen und anderen historischen Methoden zur Kennzeichnung unbequemer Gruppen und potenzieller Quellen physischer oder ideologischer Ansteckung hat Russland seinen eigenen Beitrag geleistet, nämlich die Bezeichnung „ausländischer Agent“.

Das 2012 in die russische Gesetzgebung eingeführte Konzept des »ausländischen Agenten« diente dem von Wladimir Putin gelenkten System dazu, die Rechte politischer Aktivisten einzuschränken, die seine Richtung in Frage stellen oder lästige Träger verschiedener Alternativen zu seiner (…) Politik sind.

Die Gesetzgebung zu „ausländischen Agenten“ begann als eine Möglichkeit, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) öffentlich als solche mit politischen Aktivitäten und ausländischer Finanzierung zu identifizieren.“

Hierzu muß bemerkt werden, daß die meisten NGOs – nicht nur in Rußland – aus internationalen Quellen finanziert werden, die oft nicht sehr transparent sind.
Die Bezeichnung des „ausländischen Agenten“ stammt aus der Gesetzgebung der USA, Rußland hat sich von dort inspirieren lassen und diese Kategorie bzw. diesen Rechtsbegriff schöpferisch weiterentwickelt:

„Im Laufe der Zeit und durch aufeinanderfolgende Änderungen wurde der Geltungsbereich der Gesetzgebung erweitert und heute ist der Begriff »ausländischer Agent« ein verbindliches Zeichen für juristische Personen, natürliche Personen und als solche bezeichnete Medienunternehmen, das nicht nur für Empfänger von ausländischer finanzieller oder materieller Unterstützung gilt (wie gering sie auch sein mag), sondern auch auf diejenigen angewendet wird, die angeblich »unter dem Einfluss des Auslandes« stehen.

Natürliche und juristische Personen sind daher genötigt, sich überall dort, wo sie auftreten, als »ausländische Agenten« zu bekennen (bzw. als solche identifiziert zu werden). Ob sie einen kurzen Kommentar abgeben, einen Artikel oder ein Buch veröffentlichen oder auf der Bühne auftreten, ihre Namen dürfen in der Öffentlichkeit nur mit dem demütigenden Etikett erwähnt werden.

»Ausländische Agenten« haben keinen Zugang zu offiziellen Stellen, dürfen keine Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, keine Mittel vom Staat erhalten oder an Schulen unterrichten.“

Das alles erinnert sehr an den „Radikalenerlaß“ in Deutschland aus dem Jahr 1972 und den vorhergegangenen Adenauer-Erlaß von 1950, die sich allerdings ausdrücklich nur auf den öffentlichen Dienst bezogen. Diese Erlässe hatten allerdings Folgen für die Privatwirtschaft, vor allem für Medien, wo die von diesen Erlässen betroffenen Personen auch keine Jobs fanden.

„Darüber hinaus unterliegen sie einer besonderen Finanzkontrolle und müssen vierteljährlich und halbjährlich Berichte über Finanz- und Verwaltungsangelegenheiten vorlegen sowie über alle ihre öffentlichen Aktivitäten Rechenschaft ablegen.“

Damit wird natürlich auch klargestellt, daß private Spenden oder Finanzierungen innerhalb Rußlands unerwünscht sind, weil ja die etwaigen Finanziers dieser »ausländischen Agenten« offengelegt werden müssen.

„Eine Liste, die jeden Freitag erweitert wird

Auf einer Liste, die jeden Freitag um neue Namen erweitert wird, erscheinen unter anderem Künstler, Journalisten, Nichtregierungsorganisationen und deren Mitglieder, Schriftsteller, Sänger, Politikwissenschaftler.
Mit Stand vom 15. März umfasste das Register, für das das Justizministerium zuständig ist, 781 Namen, von denen 199 als ausgenommen“ (d.h., nicht mehr unter diese Kategorie fallend) „aufgeführt waren, was bedeutet, daß in 582 Fällen die Bezeichnung »ausländischer Agent« in Kraft ist. Bei den aus dem Register entfernten Namen handelt es sich überwiegend (134) um aufgelöste Körperschaften, etwa Schwulen- und Lesbenvereine. Nur in fünf Fällen erkennt das Ministerium seinen Fehler bei der Einstufung als »ausländische Agenten« an.

Ursprünglich verfügten die russischen Behörden über vier verschiedene Register (entsprechend den verschiedenen Kategorien ausländischer Agenten).
Die erste registrierte Organisation (im Jahr 2013) war die Eurasische Antimonopol-Vereinigung (aus Juristen mit Wurzeln in Kasachstan).“

Dieser Verein wurde offenbar verdächtigt, irgendwelche mafiösen Praktiken aus mittelasiatischen Staaten zu decken, bestand aber trotz des Etiketts des „ausländischen Agenten“ bis 2023.
Daraus kann man erkennen, daß diese rechtliche Kategorie ursprünglich keineswegs bloß aus Gründen der Gesinnungskontrolle eingeführt wurde, sondern um jegliche Aktivitäten zu kontrollieren, die der russischen Gesetzgebung verdächtig erschienen.
Man kann daraus auch ersehen, daß der Status des „a.A“ nicht mit einem Verbot dieser Aktivitäten gleichzusetzen ist.

„Im Jahr 2014 folgten die NGO Golos (Stimme) zum Schutz des Wahlrechts und weitere, insgesamt waren es damals 29.
Im Jahr 2015 gab es 80 Neuzugänge, darunter die internationale Organisation Memorial und das Komitee gegen Folter.

Bei den letzten sieben Namen, die am vergangenen Freitag zur Liste hinzugefügt wurden, handelt es sich um einen Wirtschaftswissenschaftler, einen Gemeindevertreter, einen Schauspieler, einen Theaterregisseur, zwei Journalisten und einen ehemaligen Polizisten. In fünf Fällen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten sich der »militärischen Sonderoperation« (Krieg) des Kremls in der Ukraine widersetzt, und in mindestens drei Fällen würden sie »unzuverlässige Informationen« über die offizielle Politik verbreiten. Von den sieben neuen Agenten befinden sich sechs außerhalb Russlands.“

Das heißt, diese Leute haben sich ins Ausland abgesetzt und verbreiten ihre Ansichten über das Internet.

„Eine der jüngsten Maßnahmen, die diesen Monat in Kraft getreten ist, verbietet russischen Bürgern die Plazierung von Anzeigen in Medien, die als ausländische Agenten gelten. Dadurch werden große Persönlichkeiten des russischen Journalismus wie Jekaterina Gordejeva (1,64 Millionen Abonnenten auf YouTube) oder Alexej Pivovarov (4 Millionen Abonnenten auf YouTube und mehr als eine Million auf Telegram) ihrer Ressourcen beraubt. Beide Journalisten haben angekündigt, daß sie ihre Aktivitäten einschränken müssen.“

Pivovarov hat eigentlich andere Probleme, er wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

„Neben dem öffentlichen Register ausländischer Agenten gibt es ein weiteres Register von Personen, die »mit ausländischen Agenten verbunden« sind, das den Verantwortlichen des russischen Wahlsystems über Wahlteilnehmer dient, die mit ausländischen Agenten in Verbindung stehen. Die Kategorie der „Verbundenen« unterliegt nicht den Einschränkungen ausländischer Agenten und wurde bereits bei den Parlaments- und Regionalwahlen 2021 verwendet. Im Jahr 2023 erschienen mehr als 800 Namen in diesem Register.“

Diese Personen unterliegen also der Beobachtung, sind aber nicht mit den Einschränkungen der „a.A“ konfrontiert.

„Das Konzept des »ausländischen Agenten« ist eine der Säulen des gegenwärtigen russischen Regimes und ist mit kulturellen Stereotypen verbunden, die seit der Zeit Ivans des Schrecklichen (16. Jahrhundert) im Land verankert sind, sowie mit der stalinistischen Repression, deren Opfer oftmals der Spionage für ausländische Mächte beschuldigt wurden.“

Nur ein Schritt noch bis zum GULAG.

surprise

„Diese historischen Assoziationen haben in Russland großes Gewicht und ein Beispiel dafür war Michail Gorbatschows kategorische Weigerung, als ausländischer Agent bezeichnet zu werden, als die entsprechende Gesetzgebung in Kraft trat.
Um nicht mit dem demütigenden Etikett des »ausländischen Agenten« belastet zu werden, mußte die Stiftung des ehemaligen Präsidenten der UdSSR ihre Pläne zur internationalen Zusammenarbeit aufgeben und ihre Öffentlichkeitsarbeit (…) drastisch einschränken.“

Die rechtliche Kategorie des „a. A.“ wirkt also sowohl im Vorfeld als auch im Nachhinein.

„Im Jahr 2012“ (als dieser Begriff eingeführt wurde) „stellten russische Behörden die verpflichtende Identifizierung von »Agenten« als Maßnahme zur Aufdeckung von Lobbyismus vor und behaupteten, daß es in den USA seit den 1930er Jahren ähnliche Gesetze gebe.“

Das ist keine leere „Behauptung“, sondern stimmt.

„Aber das russische Konzept hatte seine eigene Entwicklung. Zunächst mit sich überschneidenden und verwirrenden Regelungen und ab 2022, nach dem Einmarsch in die Ukraine, systematisch. Das Gesetz, das die Politik gegenüber a.A. klar regelte, trat im Dezember 2022 in Kraft.“

Eine etwas eigenartige Beschreibung. Offenbar war es 10 Jahre lang eine Art Gummiparagraph, lax angewendet und leicht zu umgehen. Erst jetzt ist es eine wirklich einschränkende Maßnahme.

„Bis zu 6 Jahre Gefängnis

Derzeit kann ein »ausländischer Agent«, der seinen Pflichten nicht nachkommt, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 2 Jahren (falls innerhalb eines Jahres 2x gegen Vorschriften verstoßen wurde) oder bis zu 5 Jahren (wegen des Sammelns militärischer Daten, auch wenn diese öffentlich zugänglich sind) bestraft werden. Mit Haft bis zu 6 Jahren wird bestraft, wenn der a.A. die Durchführung von Aktivitäten organisiert, die von der Verwaltung verboten sind.“

Etwas unklar formuliert. Entweder die Aktivitäten sind verboten oder nicht. Was heißt hier „Verwaltung“?

„Im zweiten Fall“ (d.h., Bekanntgabe militärischer Daten, das bezieht sich wahrscheinlich auf Hochrechnungen von Verlusten an Menschen und Material im Zuge des Ukraine-Kriegs, aus Todesanzeigen und Daten von Bestattungsunternehmen) „kann es Journalisten und Analysten betreffen und im dritten Fall Leute, die Organisationen gründen, um sich der offiziellen Politik zu widersetzen (z. B. um sich der Einberufung zum Militär zu entziehen, oder um Menschen zur Teilnahme an Kundgebungen aufzufordern).

Die Gesetzgebung zu ausländischen Agenten kann als Teil einer Politik der „Archaisierung“ (Entwicklung zum Archaischen) betrachtet werden, die darin besteht, einflussreiche und aktive Personen zu neutralisieren, die Verbindungen zu einer unabhängigen Zivilgesellschaft sein könnten.“

Das Fehlen einer demokratisch agitierten „Zivilgesellschaft“ wird von der Autorin offenbar als „archaisch“, also der fernen Vergangenheit, vielleicht sogar der Zeit der Höhlenmenschen angehörig, betrachtet.

„Der andere Teil dieser gerade skizzierten Politik besteht in der Förderung einer neuen Art von Elite im Einklang mit dem militaristischen Modell, das Putin in der Gesellschaft zu etablieren versucht.
Am 29. Februar kündigte der Präsident in seiner Rede vor dem Parlament den Start eines von ihm erfundenen Programms an, das er »Heldenzeit« nennt, um die Leistungen von Kriegsveteranen im Ukraine-Krieg zu glorifizieren. Die Konzepte für dieses Projekt, das an die chinesische Kulturrevolution erinnert, werden »in den kommenden Monaten« gebildet, wie der russische Führer ankündigte.“

Man muß da nicht nach China gehen. Solche Programme von Helden der Arbeit, der Kollektivierung oder des Großen Vaterländischen Krieges gab es in der Sowjetunion mehrere.
Generell ist der Artikel zwar eine Beschreibung der fortschreitenden Gesinnungskontrolle in Rußland, wirkt aber für ein Land, das sich immerhin im Krieg befindet, relativ gemäßigt.

Zur Debatte um die Taurus-Marschflugkörper

VORWÄRTSVERTEIDIGUNG

Angesichts des politischen Aufruhrs um die Taurus-Marschflugkörper ist es einmal angemessen, sich anzusehen, worum es bei diesen Apparaten geht, was sie leisten, wofür sie angeschafft wurden usw.

1. Die Taurus selber

„Während des Kalten Krieges wollte die Bundesrepublik ursprünglich die französischen Apache-Marschflugkörper beschaffen, um im Verteidigungsfall Start- und Landebahnen des Warschauer Paktes zerstören zu können.“ (Wikipedia, Taurus)

Man merkt, was „Verteidigung“ hier und heute – oder auch gestern – heißt: Dem Gegner seine Lufthoheit zu nehmen. Alle Kriege sind in diesem Sinne „Angriffskriege“, als die Zerstörung der gegnerischen Kampffähigkeit erstes Ziel ist.
Die BRD orientierte sich hierbei an ihrem Vorgängerstaat, von dem im Zuge des „Unternehmens Barbarossa“ 1941 als erstes die Zerstörung von sowjetischen Flughäfen und den dort herumstehenden Flugzeugen in Angriff genommen wurde:

„Die den Heeresgruppen zugeteilten Kampfflugzeuge führten einen massiven Luftschlag gegen die sowjetischen Flugplätze, der durch die Aufklärungsergebnisse des Kommandos Rowehl ermöglicht wurde, und zerstörten allein am ersten Kriegstag etwa 1200 Flugzeuge am Boden.“ (Wikipedia, Deutsch-Sowjetischer Krieg)

Da wollten die deutschen Politiker einmal Maß nehmen und nicht hinter ihren historischen Vorbildern zurückbleiben.

„Mit dem Fall der Mauer änderten sich die Prioritäten, die nun auf der Bekämpfung von gepanzerten Punktzielen lagen.“ (Wikipedia, Taurus)

Was soll man sich darunter vorstellen? Ein ganzer Marschflugkörper gegen einen Panzer?
Oder einfach alle Unterstände, Bunker und sonstigen Gebäude militärischer Nutzung bis weit ins Hinterland des Feindes?

„2005 bestellte die Bundeswehr 600 Flugkörper zum Gesamtpreis von 570 Millionen Euro. Die Lieferung an die Luftwaffe begann offiziell mit der Übergabe des ersten Flugkörpers an das Jagdbombergeschwader 33 in Büchel im Dezember 2005 und wurde im November 2010 abgeschlossen.“ (Wikipedia, Taurus)

Die Reichweite der Taurus-Raketen ist mehr als 500 km.
Wenn man jetzt an Deutschlands Grenzen Zirkel einsetzt und rundherum 500 km abdeckt, so kommt man von dort nach Weißrußland, in die Ukraine und nach Serbien und Bosnien. Außerdem in die russische Kaliningrad–Enklave. Der Rest der potentiellen Ziele liegt in anderen NATO- bzw. EU-Staaten und der Schweiz.

Man könnte also diese Marschflugkörper als eine Art Rückversicherung betrachten, falls einmal ein Staat aus einem der beiden Bündnisse ausscheren möchte, was Deutschland nicht genehm wäre – z.B. Ungarn oder die Slowakei. Oder als ein Mittel für die Wiedereroberung Ostpreußens.
Sie könnten aber auch als ein Mittel zur Disziplinierung oder Unterwerfung widerspenstiger Balkan-Staaten eingesetzt werden. Man denke hier z.B. nicht nur an Serbien, sondern auch an Griechenland, das seine Teilnahme am NATO-Krieg 1999 verweigert hat.
Deutschland könnte sie auch einsetzen, um Österreich zu bedrohen, falls es opportun ist, – weil hier die Neutralität zu ernst genommen wird, wenn Deutschland Parteilichkeit fordert.

An all das muß gedacht worden sein, als sich Deutschland diese 600 Stück der nicht gerade billigen Geschoße angeschafft hat.
Man kann sich also an diesen 600 in militärischen Depots schlummernden Taurus-Raketen einiges über die Berechnungen deutscher Militärs und Politiker erschließen.

Wer hat diese Entwicklung mitgetragen und diesen Kauf beschlossen, mit dem ja ein Stück nationales Vermögen in dieser aggressiven Form gebunden ist? Und einiges über die politische Ausrichtung, die außenpolitischen Ambitionen Deutschlands ausgesagt ist?

Ganz anders allerdings präsentiert sich die Lage mit der Reichweite, wenn man diese Dinger bis in die Ukraine bringen könnte. Es ist natürlich möglich, daß seit Anfang dieses Milleniums die Eingliederung der Ukraine von deutschen Strategen nur als eine Frage der Zeit betrachtet wurde.
Von der nordöstlichen Ecke der Ukraine – die nach wie vor in ukrainischem Besitz ist – könnte man einen guten Teil des europäischen Rußlands, inklusive Moskaus, mit den Taurus bombardieren. Wenn man jetzt noch das Baltikum dazunähme, so hat man mit diesen Taurus viel von Rußland im Visier.

Man merkt, wie hier Waffenbeschaffung und die Erweiterung der imperialistischen Ansprüche Hand in Hand miteinander gehen und die EU-Erweiterung auch den strategischen Zielen Deutschlands dient.

„Der Taurus (…) ist ein deutsch-schwedischer Luft-Boden-Marschflugkörper.“ (Wikipedia, Taurus)

Er wurde also zusammen mit Schweden entwickelt und kann nur mit der Zustimmung dieses Landes eingesetzt werden.
Man merkt daran, daß die Integration Schwedens in die NATO schon von langer Hand geplant und der russische Einmarsch in die Ukraine nur der Anlaß bzw. Vorwand war, um der schwedischen Bevölkerung die Aufgabe der Neutralität – mit der Schweden in 2 Weltkriegen ja sehr gut gefahren ist – leichter verkaufen zu können.

Rußland verfolgt die Diskussion um diese Marschflugkörper schon länger und seine Militärs meinen, sie würden darauf schon eine Antwort finden.

Das wäre natürlich ein Risiko – festzustellen, daß diese Geschosse, ähnlich wie die Leopard-Panzer – gegen ein auf allen Ebenen hochgerüstetes Rußland gar nicht so besonders viel taugen und ihr erster Einsatz dann womöglich auch ihr letzter wäre.

2. Die Bemannung

Um diese High-Tech-Geschosse richtig zu programmieren, damit sie nicht womöglich in einem russischen Rübenacker oder in befreundetem Gebiet (Ukraine selbst, Moldawien, Georgien) in einem Wohnhaus landen, müßte Deutschland seine eigenen Fachleute mitschicken.
(Sogar dann könnte es zu den obigen Fehl-Landungen kommen – die Tücken der Technik! – aber die Chance dazu ist deutlich geringer.)

Deutschland müßte also hochspezialisierte Berufssoldaten mitschicken – die dann in der Ukraine natürlich ein Ziel russischer, wie man weiß, relativ treffsicherer Artillerie und Marschflugkörper werden würden.
Das sähe nicht gut aus, wenn man nach einiger Zeit Einsatz – ohne besondere Durchbrüche – auf einmal deutsche Soldaten in Holzschachteln aus der Ukraine ankommen würden.
(Schon die Heimkehr der lebenden Soldaten aus Afghanistan 2021 war kein besonderes Highlight der deutschen Militärgeschichte.)

Daß das Risiko hoch ist, sieht man schon daran, daß im Verlauf der letzten 2 Jahre schon öfter westliche Militärs durch russischen Beschuß ins Jenseits befördert wurden und es zwar gelungen ist, das vor der breiten Öffentlichkeit zu verbergen – dieser Umstand aber beim Militär sicher bekannt ist.

Es ist aus diesen Gründen auch möglich, daß sich in der Heeresführung Gegner dieses Einsatzes finden und die Abhöraktion gar nicht so besonders zufällig zustande gekommen ist, – weil damit signalisiert werden sollte, daß die Profis selbst kalte Füße kriegen bei dem Gedanken, den nächsten Ostfeldzug anzugehen.

Solches ist ja schon öfters schiefgegangen.

Wirtschaft heute: Vorne Investitionen und Gewinne, hinten Subventionen

DER UMGANG MIT DEN BAUERNPROTESTEN

Zunächst fällt auf, daß die Landwirte bei ihren Protestaktionen, die ja einiges durcheinanderbringen, weitaus sanfter behandelt werden als Klimakleber, Gelbwesten, ganz zu schweigen von G20-Gegnern.

Erstens handelt es sich um einen nicht unwichtigen Teil der Wirtschaft. Wie man an den Energieträgern gesehen hat, gibt es noch andere Faktoren als den quantitativen Beitrag zur Nationalökonomie und zum Wachstum.

Immerhin sorgen die Landwirte zunächst dafür, daß wir etwas zum Essen – und Trinken! – haben.

Bei der Nahrungsaufnahme handelt es sich um ein notwendiges Bedürfnis, das nicht rein durch Import bedient werden kann – selbst wenn man dafür die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung hat, die erst einmal durch andere wirtschaftliche Tätigkeit zustande kommen müssen.

Zweitens baut auf der Landwirtschaft die Lebensmittelindustrie und der Lebensmittelhandel auf, und diese beiden Wirtschaftszweige machen einen bedeutenden Teil des Wachstums und der Beschäftigung der Industrienationen aus, deren Ökonomen auf die Landwirtschaft etwas verächtlich herabblicken.
Die Wirtschaftswissenschaftler in ihrer unendlichen Dummheit, die auf der Fixiertheit auf den Tauschwert beruht, betrachten den Agrarsektor nämlich als einer Art krankes Kind der (potenziellen) blühenden Gewinn-Landschaften, das sie möglichst klein halten möchten.

Schließlich ist klar, daß es sich bei den protestierenden Bauern nicht um „Extremisten“ handelt, mit denen man nach Belieben verfahren kann, sondern das ganze Agrarium und die darauf aufbauenden Wirtschaftszweige relativ geschlossen hinter ihnen stehen.

Das heißt, es gibt nur eine Möglichkeit: ihnen möglichst entgegenzukommen, und das kostet einen Haufen Geld.

Die Forderungen der Bauern kann man in 2 Gruppen zusammenfassen: gesetzliche Regelungen und Subventionen.

1. Umweltauflagen

Nachdem die Landwirtschaft jahre-, jahrzehntelang vor allem unter der Vorgabe gestanden ist, möglichst viel möglichst billig zu produzieren, um das Proletariat mit billigen Lebensmitteln zu versorgen, damit sie mit den vorhandenen Löhnen irgendwie über die Runden kommen, haben sich die Landwirte darauf eingestellt. Die Bauern bzw. Agrarunternehmer, die weiterhin in dem Sektor tätig sein wollten, haben investiert, um genau dieser Vorgabe genügen zu können.

Dazu kam eine Bio-Schiene für das gehobene Publikum, das beim Einkaufen nicht so sehr auf den Preis schauen muß. Die Bio-Bauern sind am erfolgreichsten dort, wo es auch Tourismus gibt und sie ihre Produkte frei Hof verkaufen können. Es ist also weder nach Lage noch nach Betriebsgröße einem jeden möglich, in der Bio-Kategorie mitzuspielen.

Der Rest produziert eben mit viel Treibstoff und Chemie und gegebenenfalls Erntearbeitern aus den ehemals sozialistischen Staaten, die in eher abgefuckten Unterkünften untergebracht werden und deren Ausfall ganze Gemüsesorten vom Markt verschwinden lassen könnte, wie die Pandemie gezeigt hat.

Irgendwie hat sich über das Gesundheitswesen herumgesprochen, daß viele dieser höchst günstig angebotenen Lebensmittel gesellschaftliche Folgekosten haben, die manche Politiker zum Handeln bewogen haben. Dazu kommen noch Tierschutz-Maßnahmen, die bei der Wertegemeinschaft EU hoch im Kurs stehen. Elend verreckte oder mit Unmengen von Antibiotika abgefüllte Tiere werfen abgesehen von den häßlichen Bildern auch die Frage auf, wie viel Gift die ärmeren Gesellschaftsschichten eigentlich vertragen.

Aus einer Mischung aus Tier- und Menschenschutz wurden Umweltauflagen erlassen, die die Investititionen der letzten 2 Jahrzehnte ein Stück weit entwerten und die Masseproduzenten zur Änderung ihrer gesamten Ackerbau- und Viehhaltungspraktiken nötigen würden, was wiederum nur mit beträchtlichen Investitionen überhaupt machbar wäre.

Dazu kommen noch auf der anderen Seite Großhändler, die die Agrarproduzenten möglichst billig abfertigen wollen, weil die infolge Inflation zurückgegangene Kaufkraft ihnen bereits herbe Verluste beschert hat und sie nicht weitere Preissteigerungen dadurch verursachen wollen, daß sie womöglich den Landwirten ihre gestiegenen Kosten angemessen abgelten.

Die Forderungen der Landwirte gehen also einerseits dahin, ihnen nicht gesetzlich Praktiken und Techniken vorschreiben zu wollen, für die sie weder Gerät noch Geld haben.

2. Subventionen

Um die gestiegenen Preise für Treibstoff irgendwie stemmen zu können, verlangen die Bauern eine Verringerung der Mineralölsteuer – zumindest auf Diesel. Das ist aus ihrer Sicht der Dinge durchaus begreiflich, bringt aber den Staat als Steuereintreiber in eine mißliche Lage.

Man kann schwer die Mineralölsteuer nur für Landwirte senken, für den Individualverkehr und die Transportindustrie jedoch bestehen lassen.

Der Staat würde sich also auf einen Schlag um bedeutende Konsumsteuer-Einnahmen bringen, während seine Ausgaben steigen und die Kreditwürdigkeit fast jeden Staates vor allem auf der Wirtschaftsleistung und dem Steueraufkommen beruht.

Auch bei Lebensmitteln wurde EU-weit gefordert, die Mehrwertsteuer zu senken. In manchen Staaten ist diese Maßnahme auch ergriffen worden.

Aber das Senken von Konsumsteuern reißt große Löcher in die staatlichen Budgets. Diese scheinbar alle betreffenden Steuern waren bis zur jetzigen Inflation gar nicht so recht im Bewußtsein der Staatsbürger verankert. Das große Geschrei von „Wir Steuerzahler!“ oder „Meine Steuern!“ bezieht sich nämlich stets auf die Einkommenssteuer, die aber im heutigen Steueraufkommen gar keine so prominente Rolle einnimmt. Die Konsumsteuern oder indirekten Steuern machen jedoch – zumindest in Österreich – die Hälfte des Steueraufkommens aus. Die restliche Hälfte teilen sich Grund- und Körperschaftssteuer, Einkommens- und Kapitalertragssteuer, KFZ- und Hundesteuer, und was es sonst noch alles an direkten Steuern gibt.

Also bleibt als einzige Möglichkeit das Locker-Machen von Geld in Form von Subventionen und Stützungen, wie es ja auch schon bei anderen Sektoren in der Pandemie geübt wurde.

So entsteht langsam ein seltsames Wirtschaftssystem: Vorne wird verkündet, Kapital, Gewinn, Markt und Wachstum seien alles, ohne das wäre die Menschheit heute noch im finsteren Mittelalter.
Bei der Hintertür wird Geld in Kübeln und Gießkannen an verschiedene Sektoren der Wirtschaft ausgeschüttet, von Wohn- und Heizbeihilfen für die Minderbemittelten über Agrarsubventionen und Stützungsgeldern für den Immobiliensektor (werden gerade vehement gefordert) bis hin zu den gewaltigen Bankenrettungspaketen.

Der Staat muß sich mehr und mehr verschulden, damit sich seine Gesellschaft die Marktwirtschaft überhaupt noch leisten kann.

3. Polen

Eine Besonderheit sind die Proteste in Polen. Dort und in anderen osteuropäischen Staaten gingen die Landwirte schon vor einiger Zeit gegen ukrainische Billigimporte auf die Straße. Es folgten die Transportunternehmen gegen billige Konkurrenz aus der Ukraine. Wenn man sporadisch wieder etwas aus Polen hört, so scheinen dort alle Ost-West-Verbindungen permanent blockiert zu sein.

Dazu gehört, daß die abgetretene PiS-Regierung die Landwirtschaft nach Kräften gefördert hat, weil sie Polen auch auf diesem Gebiet zu einem wichtigen Player in der EU machen wollte.

Die jetzige Regierung weiß offenbar nicht, wie sie mit den Bauernprotesten umgehen soll. Das Importverbot gegen ukrainische Agrarimporte zu bekräftigen, ist einerseits gegen die EU-Linie, auf die Tusk & Co. unbedingt einschwenken wollen. Aufheben wollen sie es auch nicht, weil dann wäre endgültig die Hölle los. Hinter den Bauern steht nämlich ein guter Teil des Gewaltapparates und der Bevölkerung, die es nach 2 Jahren satt ist, „für die Ukraine“ Opfer bringen zu müssen.

Zwischen der Ukraine und Polen ist außerdem seit geraumer Zeit kein gutes Einvernehmen – Stichworte Massaker von Wolhynien und stehende Ovationen im kanadischen Parlament für einen der Teilnehmer an ihnen.
Hinzu kommt der für die Ukraine unvorteilhafte Gang des Kriegsverlaufes.

Von Moskau unterwandert?

Ähnlich steht es mit den Subventionen. Die Kaczyński-Regierung hat die Bauern offenbar gestützt. Nach ihrem Abgang stehen ein Haufen Schulden im Raum (u.a. für große Waffenbestellungen in den USA und Südkorea) und die EU betrachtet bestimmte Bereiche mit Argusaugen, um sicher zu gehen, daß jetzt wieder eine EU-konforme Regierung am Ruder ist.
Tusks Mannschaft kann weder die vorherigen Verträge kündigen, noch die Kreditaufnahmen – teilweise in $ –, dazu kommt noch die Energiefrage, die auch nicht gelöst ist, und die Bauern fordern u.a. verbilligten Diesel …

Die EU ist auch praktisch gelähmt angesichts der polnischen Proteste und Blockaden.

1. hat sie in anderen Staaten ein ähnliches Problem. Die sind aber weniger heikel, weil sie keine Anrainerstaaten der Ukraine sind. Die Blockaden betreffen ja direkt die Waffenlieferungen des Westens in die Ukraine. Die müssen praktisch alle durch Polen durch.

2. Die Frage der Subventionen. Die EU hält seit geraumer Zeit wegen Rechtsstaatlichkeit u.a. Geld zurück, das Polen aus den gemeinschaftlichen Töpfen eigentlich zustünde. Seit der Regierungsbildung Tusks wird damit gewunken, dieses Geld auszuzahlen – es ist aber bisher nicht geschehen, warum wohl? Offenbar ist es der neuen Regierung gar nicht so einfach möglich, die Vorgaben der EU zu erfüllen.
Außerdem: Polen hat auf Dollar-Börsen Schulden aufgenommen, um seine Waffenkäufe zu finanzieren. Da sind jede Menge Verbindlichkeiten entstanden, die die jetzige Regierung nicht ignorieren kann.

Mit welchem Geld soll sie also Bauern subventionieren? Woher nehmen und nicht stehlen?

Die Lage wird noch dadurch kompliziert, daß der derzeitige Verteidigungsminister Polens gleichzeitig der Vorsitzende der Bauernpartei PSL ist. Er muß also das Verteidigungsbudget irgendwie zusammenkriegen, kann aber nicht gut gegen die Bauern vorgehen und will das vermutlich auch nicht.

Das alles dürfte auch für feste Spannungen in der Regierungskoalition sorgen. Sie kann weder vor noch zurück.