AUF KREDIT GEGRÜNDET
Über allen möglichen Großereignissen und Stürmen im Wasserglas ist der Schuldenberg, den die EU vor sich herschiebt, etwas in den Hintergrund gerückt. Dabei wächst er nach wie vor und entfernt sich immer weiter von den Gewinnen, die in Europa im Umsatz von Waren und Dienstleistungen (noch) gemacht werden.
Nur am Rande klingt das Thema noch an:
Italien erhält einen zusätzlichen Verschuldungsrahmen von 20 Milliarden Euro, um seinen Banksektor vor dem Kollaps zu retten.
Die EZB verlängert ihr Anleihen-Aufkaufprogramm (für Staats- wie für Betriebsanleihen, angeblich sogar für Aktien).
Schäuble warnt vor dem Zerbrechen des Euro.
Griechenland erfüllt seine Hilfspaket-Vorgaben nicht und wird unter Druck gesetzt, weitere Kürzungen von Pensionen und Sozialleistungen vorzunehmen. Griechische Obdachlose und Flüchtlinge erfrieren, und die Medien machen die griechische Regierung dafür verantwortlich.
In Spanien muß wieder einmal eine Bank gerettet werden, und die spanischen Banken müssen nach Höchstgerichtsurteilen unrechtmäßig kassierte Zinsen zurückerstatten.
usw.
Teil 1: Die Staatsschulden in absoluten Zahlen
Die höchste Staatsverschuldung der gesamten EU weist heute Italien auf. Sie beträgt 2250,4 Milliarden, oder 2 Billionen 250,4 Milliarden Euro. (Dagegen nehmen sich die jetzt für die Bankenrettung bewilligten 20 Mrd. sehr winzig aus.) Wenn man einen Zins von nur 1% jährlich annimmt – was sicher zu niedrig ist, da ja Italien immer höhere Zinsen als z.B. Deutschland oder Holland anbieten mußte, um seine Anleihen loszuwerden – so kommt man auf einen Schuldendienst von 22,5 Mrd. Euro pro Jahr. Bei doppeltem Zins von 2% müßte Italien also 45 Mrd. Euro pro Jahr nur für Zinszahlungen aufwenden. Das wiederum heißt, daß es auf jeden Fall diese Summe als Neuschuld aufnehmen müßte. Dazu kommen noch Tilgungen der Altschuld, die ebenfalls durch Neuschulden beglichen werden müssen. Es ist also klar, daß Italiens Schuld nur wachsen kann, es fragt sich nur, bis wann? Es handelt sich immerhin um die 4-tgrößte Volkswirtschaft der EU und die 3-tgrößte der Eurozone.
Mit geringem Abstand hinter Italien folgen Frankreich und Deutschland mit 2170,8 und 2168,2 Milliarden Euro Schuld. Mit Modifikationen nach unten gilt natürlich auch für diese Staaten die Belastung durch Zinszahlungen und Tilgungen, wobei Deutschland eindeutig in der besseren Position ist, da die Bundesanleihe inzwischen als Referenzpapier am Wertpapiermarkt gilt, als eine Art sicherer Hafen, und Deutschland sich daher heute zum Nullzins, manchmal sogar zu Negativzinsen neu verschulden kann.
An 4. Stelle kommt Großbritannien mit 2044,5 Milliarden Euro. Vor einem Jahr lag GB in absoluten Zahlen noch an erster Stelle der gesamten EU. Das Brexit-Referendum und der Fall des Pfundes gegenüber dem Euro haben GBs Schuld verringert. Daran sieht man, was für ein Vorteil es für ein Land ist, sich in seiner eigenen Währung zu verschulden.
Der Schuldendienst ist natürlich auch hier gewaltig. Bisher war es für GB kein Problem, sich Kredit zu günstigen Bedingungen verschaffen. Es bleibt abzuwarten, ob das auch in Zukunft so bleibt – ob vielleicht sogar das Pfund als Fluchtwährung gegenüber dem Euro punkten kann, und dadurch der Brexit vom Finanzkapital honoriert wird. Eine umgekehrte Entscheidung ist genauso denkbar – nämlich daß der Verfall der Eurozone das Pfund mit sich reißen wird.
Es folgt Spanien mit 1106,7 Milliarden, also fast der Hälfte Großbritanniens. Hier muß bemerkt werden, daß Spanien lange relativ hohe Zinsen bezahlen mußte, da es als Wackelkandidat galt, bis das Aufkaufprogramm der EZB den Zinsfuß drückte und die Kreditaufnahme sicherte. Man muß daher für Spanien einen höheren Zinsendienst annehmen als für D, Fr oder GB.
Hinzu kommt, daß Spanien bei statistischen Daten gerne jongliert mit dem, was es als „öffentliche Schuld“ einbekennt. Daher sind die Schulden der autonomen Provinzen und der Gemeinden kaum bis gar nicht erfaßt. Das gilt übrigens für die ganze EU, wenngleich in geringerem Ausmaß: Die öffentliche Schuld ist überall geschönt bzw. unvollständig aufgelistet, objektiv erfaßt ist nur die in Anleihen und Schatzscheinen vorliegende eigentliche Staatsschuld.
Als nächstes folgen beinahe Kopf an Kopf Belgien mit 455,3 Mrd. und Holland mit 436,6 Schulden. Hier ist nur festzuhalten, daß die Schuld Hollands als „solide“, die Belgiens als problematisch gilt.
Die nächsten in der Reihe sind Griechenland mit 315,3 Mrd. und Österreich mit 298,8 Mrd. Euro Schulden. Hier liegen ein Problemstaat und ein Staat mit AAA-Rating beinahe Kopf an Kopf, wo aufgrund der unterschiedlichen Bevölkerungsanzahl die Pro-Kopf-Verschuldung Griechenlands mit 28.576,7 € deutlich unter der von Österreich mit 34.345,9 € pro Einwohner liegt.
Bei den folgenden Staaten Portugal mit 239,8 Mrd. und Polen mit 220,4 Mrd. ist festzuhalten, daß sich hier ein Eurozonen-Land und ein Land mit eigener und gleichzeitig abhängiger Währung miteinander vergleichen. Abgesehen von der Pro-Kopf-Verschuldung – bei Portugal 23.188 €, bei Polen 5.715 € pro Einwohner, also weniger als ein Viertel der von Portugal – handelt es sich bei der Schuld Polens um eine Schuld in zweierlei Währungen. Ein Teil der Schuld liegt in Euro vor, ein Teil in Zloty.
Um den Wechselkurs zum Euro stabil und ihre Währung konvertibel zu halten, müssen Staaten wie Polen regelmäßig auf Euro lautende Anleihen auf Börsen der Eurozone begeben. Ein Teil ihrer Staatsschuld ergibt sich daher bloß aus der Währungspflege. Mit anderen Worten: sie müssen sich verschulden, um überhaupt am Weltmarkt teilnehmen zu können.
Damit unterscheiden sie sich von Staaten wie Schweden oder Großbritannien, deren Währung als Hartwährung anerkannt ist und die sie nicht durch Stützungskäufe kontrollieren müssen.
Sackt nämlich der Wechselkurs von Zloty, Forint usw. gegenüber dem Euro ab, ab, so verteuern sich nicht nur die Importe, sondern die Staatsschuld wächst im Verhältnis zur eigenen Ökonomie.
Als nächstes folgen Irland und Schweden mit 200,1 Mrd. und 196,4 Mrd.
Irland weist hier die größte Pro-Kopf-Verschuldung der Eurozone auf, mit 42.034 €. Die Schuld Irlands rührt hauptsächlich aus der Bankenrettung her, die nach dem Verfall der Immobilienpreise und der Hypothekarkredite den irischen – und in Folge auch deutschen – Banksektor bedrohte. Man kann sagen, Irland mußte sich verschulden, um die Spekulationsgewinne kontinentaler Banken zu retten. Die Staatsschuld Irlands stieg von 47,2 Mrd. € im Jahr 2007 auf 215, 3 Mrd. im Jahr 2013, also um mehr als das Vierfache. Seither stabilisierte sie sich um die 203 Mrd., aber auch nur deshalb, weil Irland die Rückzahlung der Schuld aus dem Rettungsschirm bis 2038 gestundet wurde. (FAZ, 7.2. 2013) Dadurch erspart sich Irland den Schuldendienst gegenüber den Rettungsfonds. Ansonsten würde seine Staatsschuld weiter anwachsen.
Der Grund für diesen ungewöhnlichen Schritt war, daß die EU und EZB nach heftiger Kritik von innen und außen (IWF) an den Rettungspaketen und Austeritätsprogrammen einen Erfolg und Beweis präsentieren wollte, daß die Maßnahmen „greifen“ und der richtige Weg sind, um ein Land und seinen Bankensektor wieder zu sanieren.
(Als der Effekt verpufft war und die restlichen Staaten weiter konkursgefährdet waren, wurde Anfang 2015 das EZB-Programm zum Ankauf von Anleihen begonnen, das bis heute läuft.)
Bei Schweden läßt sich keine annähernd so krisenhafte Entwicklung der Staatsschuld feststellen. Dabei war Schwedens Banksektor von 2008 bis 2014 aufgrund der im Baltikum vergebenen Fremdwährungskredite ausgesprochen gefährdet. Der schwedische Staat mußte aber seinen Kredit nicht strapazieren, um einen Crash zu verhindern: Der IWF-Kredit zur Stützung Lettlands im Jahr 2008 und der spätere Euro-Beitritt dieses Landes 2014 halfen Schweden aus der Bredouille – aber auch Schweden ist ein Land, wo die Staatsverschuldung seit Jahren kontinuierlich wächst.
Soweit zu den Top 14 der EU-Staatsverschuldung.
(Quelle für die Schuldensummen: de.statista.com, für die Bevölkerungszahlen: Wikipedia)
Fortsetzung: die relative Staatsverschuldung
siehe dazu auch:
WIE GEHT ES EIGENTLICH PORTUGAL? (19.9. 2016)
SPANIENS ÖFFENTLICHE SCHULD WÄCHST UND ERREICHT IHREN HÖCHSTEN STAND SEIT MEHR ALS EINEM JAHRHUNDERT (18.8. 2016)
DIE LANGE GRIECHISCHE AGONIE (7.6. 2016)
GRIECHENLAND UND DER EURO (6.6. 2015)
FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND VON WUNSCHDENKEN BESTIMMTE PROGNOSEN (1.2. 2014)
EIN MUSTERBEISPIEL FÜR BUDGETSANIERUNG UND VOLKSARMUT (12.1. 2014)
WARUM ITALIEN? (4.1. 2013)
AUFGESCHOBEN IST NICHT AUFGEHOBEN (9.12. 2012)
Kategorie: Geld & Kredit
Das Märchen vom Steuerzahler
DER BANKENRETTER
Steuern sind eine Notwendigkeit des modernen bürgerlichen Staates. Der Staat nimmt sie seinen Bürgern weg, weil er sich an ihrer Tätigkeit bereichern will. Die Staatsgewalt betreibt mit ihrem Gewaltmonopol eine Klassengesellschaft und verpflichtet seine Bürger auf die Konkurrenz, damit sie sich aneinander bereichern – als Fabrikanten, als Kaufleute, als Landwirte, usw. Die, die nichts haben, müssen für andere nützlich sein und von ihrem Gehalt auch etwas an den Staat abliefern.
Über die verschiedenen Steuern kann man hier was nachlesen.
Es wird also keinem Staatsbürger freigestellt, ob er Steuern zahlen will und wieviel – das sind Vorschriften, die er zu befolgen hat und ihre Verweigerung, die Steuerhinterziehung, wird gesetzlich geahndet.
Hier hört sich also das ganze Herumgerede um demokratische Mitbestimmung und Interessensausgleich auf. Steuern sind zu zahlen und basta – denn
„Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschinerie und von sonst nichts.“ (K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 30.)
Dennoch, und vielleicht gerade deswegen hält sich hartnäckig die Vorstellung, Steuern seien eine Art freiwillige Abgabe, die dem Ablieferer derselben jede Menge imaginäre Rechte verschaffen, die er dann empört fordert – ohne diesen Forderungen je Nachdruck verleihen zu können.
Jede Menge Staatsausgaben wird bejammert, weil „unsere“ Steuergelder dabei verpulvert werden. Dabei gehört die Steuer ja nie dem, der sie zahlt, sondern immer dem, der sie kassiert. Kein Steuerzahler, nicht einmal ein großer Unternehmer, kann auf sein abgeliefertes Geld ein Mascherl geben und verfügen, wie es zu verwenden sei. Die Steuer ist ein Souveränitätsrecht, über ihre Verwendung entscheidet allein die Staatsgewalt.
Bezüglich der Höhe sind dem Souverän jedoch Grenzen gesetzt, wenn er die Quelle, aus der die Steuer sprudelt, nicht ruinieren will. Die Staatsgewalt kann sich nicht unbegrenzt am Vermögen der Bürger bedienen, nicht die gesamten Einkünfte der Menschen einkassieren.
Deswegen sind die Staatsgewalten schon in vorbürgerlichen Zeiten darauf verfallen, Zahlungsversprechen auszugeben, in denen sie ihre zukünftigen Steuereinnahmen verpfändeten. Das Anleihensystem ist alt, hat sich aber in neuerer Zeit sehr gründlich von den Steuereinnahmen emanzipiert, wie Staatsbankrotte und Währungskrisen jedem deutlich vor Augen führen.
Anläßlich der Wirtschaftskrise 2008 ff. ging erst recht das Gezeter los, daß Banken, womöglich sogar ausländische! und nichtsnutzige fremde Völker mit „unseren“ Steuergeldern gerettet werden. Dieses treu-dumme Geschwätz, dessen Protagonisten sich als Kritiker gebärden, ist derartig staatsnützlich, daß die Politik inzwischen gerne darauf zurückgreift, wenn sie irgendwelche Ausgaben nicht tätigen will: für italienische Banken oder griechische Beamtengehälter oder deutsche Sozialfälle darf das Geld der Steuerzahler nicht verpulvert werden!
Dabei ist das auch noch darin verlogen, daß die staatlichen Garantien und das Geld der EZB, mit denen Banken und Staaten gerettet und Anleihenstützungsprogramme durchgeführt werden, gerade nicht die Steuergelder sind, die eifrig für „richtige“ Ausgaben wie Bildungssystem oder Militär verwendet werden. Der moderne Staat findet an den Steuereinnahmen nicht sein Genügen, deswegen verschuldet er sich.
Mit der Konstruktion des Euro und der Einrichtung der EZB wurden Verfahren und Institutionen geschaffen, die die Abkoppelung der Geldschöpfung und staatlichen Finanzierung von den Steuern und der eigenen Ökonomie eigenständig repräsentieren. So war das ursprünglich auch gedacht: frei von den Schranken und Fesseln der eigenen Micker-Produktion sollten auch die weniger erfolgreichen Staaten mittels des Zauberstabes des Kredits zu prosperierenden Wirtschaftsstandorten werden. Daß das Gegenteil davon eingetreten ist, liegt am Kredit und der kapitalistischen Konkurrenz, die unter dem Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“ nach wie vor hohes Ansehen genießt.
Es liegt im Bewußtsein des modernen Untertanen, des Staatsbürgers begründet, sich die Welt verkehrt zu erklären und die eigene Bedeutungslosigkeit in eine wichtige Rolle umzudeuten, die er für das Gemeinwesen erfüllt. Das läßt die armselige Figur des Steuerzahlers in einem moralisch glänzendem Licht erscheinen: als die des ewig Betrogenen, des eigentlichen Subjektes der ganzen Veranstaltung, das von dunklen Mächten immer und immer mißbraucht wird.
Europas Bankensektor 2016
DIE BANKENKRISE KEHRT ZURÜCK, BZW. WIRD WIEDER MANIFEST
Sie war ja eigentlich nie weg, sondern wurde nur seit 2008 erstens mit Geldspritzen von Regierungen und EZB behandelt und zweitens von den Medien schöngeredet, die einzelne ins Strudeln geratene Geldinstitute als Ausnahmefälle hinstellen wollten. Dazu kam noch die Propaganda der EU-Behörden und übernationalen Organisationen, die dem p.t. Publikum weismachen wollten, es habe bisher nur an den richtigen Regeln gefehlt, und durch neue Gesetze und Vorschriften käme das ganze Geld- und Kreditwesen wieder ins Lot.
Da ist einmal die Frage von Italiens Banken, die aus verschiedenen Gründen auf einem Haufen entwerteter Aktiva sitzen, und niemand will für diese gradestehen: weder die EZB, noch irgendwelche EU-Rettungsfonds, noch die Staatskasse Italiens. Die italienische Regierung ist schon froh, ihre Anleihen mit Hilfe des Anleihen-Aufkaufprogramms der EZB plazieren zu können und kann es sich nicht leisten, ihren ohnehin prekären Staatskredit für Rettungsaktionen ihres Banksektors zu strapazieren. Die Zeichner der Bankanleihen für diese Schuldenstreichung heranzuziehen, würde hingegen ein nicht nur politisches, sondern auch ökonomisches Erdbeben auslösen und das Vertrauen der Bevölkerung in den Banksektor sehr gründlich untergraben – es handelt sich durchwegs um Leute, die seinerzeit von den Banken selbst dazu überredet wurden, ihre Spareinlagen für höher verzinsliche Bankanleihen einzutauschen.
In Spanien ist dergleichen teilweise über die Bühne gegangen und beschäftigt heute die Gerichte. Das eine war die Ausgabe von Partizipationsscheinen, zu deren Kauf die Sparer von diversen Sparkassen überredet wurden. Beim großflächigen späteren Konkurs dieser Sparkassen und ihrer Fusion verfielen diese Anteilsscheine. Diese de-facto-Enteignung beschäftigt heute die Gerichte, da den Zeichnern dieser Anteilsscheine seinerzeit beim Kauf versichert worden war, sie seien absolut sicher und jederzeit einlösbar – die Gefoppten haben sich jetzt zu Sammelklagen wegen Betrugs zusammengeschlossen.
Ein weiterer Fall ist der Börsengang von Bankia, einer Fusion aus 7 maroden Sparkassen, der damals – 2011 – groß beworben wurde. Der Wert der Aktien sank innerhalb eines Jahres beträchtlich, schließlich wurde die Bank notverstaatlicht. Das Angebot an die Aktionäre, ihnen einen Bruchteil des Wertes der Aktie rückzuerstatten, wurde von denen ausgeschlagen. Einer Sammelklage der Aktionäre wegen Betrugs und Bilanzenfälschung wurde voriges Jahr von einem Gericht stattgegeben. Bankia bzw. der sie inzwischen finanzierende staatliche Rettungsfonds FROB muß also wahrscheinlich hohe Entschädigungszahlungen leisten.
Die spanischen Banken Santander und Caixa sind im Laufe dieses Jahres in Portugal auf Einkaufstour gegangen und haben verschiedene kleinere Pleitebanken um einen symbolischen Preis gekauft. Es ist angesichts der ökonomischen Situation Portugals nicht zu erwarten, daß sich hier große Geschäftsfelder auftun werden bzw. daß die Einkäufer sich solche erwarten würden. Eher liegt die Vermutung nahe, daß sich diese Banken innerhalb des EU-Banksektors mehr noch als bisher unentbehrlich machen wollen: too big to fail. Möglicherweise sind sie sogar in Absprache mit Politik und Währungshütern losgeschickt worden, um Portugals Kreditsektor vor dem Kollaps zu bewahren, und dabei den Schein zu wahren, es handle sich um eine gewöhnliche kommerzielle Transaktion.
Die Krise der Banken ist aber von der Südflanke der EU, die ja auch wegen ihrer ausufernden Staatsschulden im Gerede war, längst in die Zentren der EU und zu den sogenannten Gewinnern von Binnenmarkt und Euro übergeschwappt. Vielleicht ist sie sogar von hier ausgegangen, es gelang nur lange, die Verluste auf andere Staaten und deren Banksektor und Staatskredit abzuwälzen.
So hat die Deutsche Bank vorige Woche 3 Anleihen begeben.
„Damit sind Zweifel an der Liquidität des Geldinstituts vorerst ausgeräumt – die Geldgeber verlangen jedoch hohe Risiko-Prämien für die Anleihen.
Für eine neue fünfjährige US-Dollar-Anleihe im Umfang von etwa 3 Milliarden musste die Deutsche Bank vergangenen Freitag einen Kupon von 4,25 Prozent bieten.“ (DWN, 17.10. 2016)
4,25% sind in einer Zeit der Null- und Negativzinsen sehr viel. Das Flaggschiff des deutschen Banksektors kann seine Anleihe überhaupt nur begeben, weil alle Käufer wissen, daß dieses Institut durch den deutschen Staat gestützt wird und seine Anleihen deshalb relativ sicher sind.
Weiters ist interessant, daß die Deutsche Bank einen 3 Mrd. Dollar-Kredit aufnimmt. Mit diesem Kredit wird also nicht nur die Liquidität der Bank erhöht, sondern auch der Euro gestützt. Es mag sein, daß dergleichen Fremdwährungsanleihen seit geraumer Zeit üblich sind. Sie zeugen jedoch von einer Krise des Euro, dem man gar nicht mehr die Attraktivität zutraut, derer es zu einer solchen Emission bedarf.
Auch die Commerzbank muß einiges an Zinsen bezahlen, falls sie eine Anleihe begibt. Dazu kommen noch die berühmten CDS, die Kreditausfallsversicherungen, die seinerzeit den griechischen Staatskredit versenkt haben:
„In Europa gehören deutsche und britische Banken mittlerweile zur Spitzengruppe bezüglich des Misstrauens der Investoren. »Absolut betrachtet, misst der Kapitalmarkt, wie bereits Mitte August, deutschen Kreditinstituten das größte Ausfallrisiko zu – sieht man von der Eurobank Ergasias einmal ab. Nach der Deutschen Bank (220) folgt die nach einem neuen Eigentümer suchende Landesbank HSH Nordbank (170) auf dem zweiten Platz. Die Schweizer Credit Suisse komplettiert das Treppchen mit einem CDS-Spread von 141. Es folgen Royal Bank of Scotland (134), die Commerzbank (128), die spanische Santander (128), die österreichische Erste Group (122) und die britische Barclays (101)«, schreibt das Finance Magazin.“ (ebd.)
Die Frage ist auch noch, wofür alle diese Banken heute Geld aufnehmen?
Um Verluste abzuschreiben und abzudecken? Also als eine Art Konkursverschleppung?
Um noch größer in den Handel mit EU-Anleihen der südlichen Wackelstaaten einzusteigen und aus der Zinsdifferenz zwischen dem, was sie für diese Anleihen bezahlen und dem, wofür sie diese an die EZB weiterverkaufen, Gewinne zu machen?
Um Aktien und Firmenanleihen an der Börse einzukaufen und dann in Zusammenarbeit mit Stützungskäufen der EZB die Kurse in die Höhe zu treiben und darüber Gewinne einzustreifen?
Mit einem Wort, um in eine Art geschlossenen Kreislauf zwischen Staatskredit, EZB, Börse und Bankenwelt einzusteigen?
Als einziger Bezug zur „Realwirtschaft“ bleibt dann noch die Beteiligung an Immobilienspekulation und Hypothekarkrediten, wo über Wertzuwachs von Immobilien Bilanzen aufgebessert werden können … Das war der Weg, den die gekrachte österreichische Hypo Alpe Adria seinerzeit eingeschlagen hat. Und großflächig erinnert es an die subprime-Kredite der USA, die seinerzeit die gegenwärtige Weltwirtschaftskrise ausgelöst haben.