Argentinien schifft wieder ab

RICHTUNGSWECHSEL IN ARGENTINIEN: MAURICIO MACRI, EIN HELD AUF ABRUF

Die internationalen Medien waren in den letzten Jahren immer mehr von Kritik am „Regierungsstil“ von Frau Kirchner erfüllt, die durch alle möglichen Eingriffe in die Wirtschaft die Investoren verschreckte, die Schulden Agentiniens nicht zahlte, sich den Chinesen an den Hals warf, und ihre Bevölkerung mit bevormundenden Subventionen „kaufte“, nur um ihres Machterhaltes willen natürlich, unnötige Geschenke an die Armen machte, die Inflationszahlen fälschte (im Unterschied zur EU, deren Statistiken von kristallklarer Wahrhaftigkeit sind) usw. usf.

Endlich, endlich kam die Erlösung in Form von Mauricio Macri, der sehr zur Freude der internationalen Beweihräucherer der Marktwirtschaft entschlossen war, den kirchnerschen Augiasstall auszukehren.
Ein paar Lobmeldungen:

„Kurz und sachlich – ein neuer Stil für Argentinien … Mit knappen und sachlichen Worten umriss er seine Ziele. Dazu gehört die Stärkung des Handels – was der Vertreter aus Deutschland gerne hört.“ (Tagesschau, 11.12.)

Die NZZ kann sich fast nicht einkriegen über die wirtschaftliche Vernunft, die sich endlich auch in Argentinien durchsetzt:

„Das interventionistische Korsett und die populistische Subventionspolitik des Kirchnerismus hatten zur Stagnation der Wirtschaft und zu Rekorddefiziten im Staatshaushalt geführt. Macri verfügte deshalb die Freigabe des Dollarkurses, entlastete die Agrar- und Industrieproduzenten von Exportsteuern und strich die Verbilligungen für bedürftige Konsumenten bei der Energie.“

ähnlich euphorisch der „Spiegel“:

„Die Argentinier haben für einen radikalen Wechsel gestimmt, nicht nur von links nach rechts, sondern auch und vor allem in der Kultur der Macht.“

Macri versprach auch, die Verhandlungen mit den Geierfonds wieder aufzunehmen, und gab als erstes einmal den Wechselkurs zum Dollar frei.

Man muß an dieser Stelle erklären, warum die Regierungen Kirchner eine Devisenbewirtschaftung einführten und bis zum Ende ihrer Amtszeit beibehielten.
Vor 2002 herrschte in Argentinien die Politik des „currency boards“, der 1:1-Bindung des Peso an den Dollar, die mit dem IWF ausgehandelt worden war. Sie wurde aufrechterhalten durch strikte Austeritätspolitik und der Möglichkeit, sich an internationalen Börsen in Devisen zu verschulden. Das Zusperren fast der gesamten Industrie – weil nicht effizient, nicht profitabel! – kippte Argentiniens Handelsbilanz, und die steigenden Importe konnten nur durch immer höhere Verschuldung bezahlt werden. Der IWF entzog Argentinien 2001 seine Gunst, damit auch die internationalen Kreditgeber. Argentinien konnte seine Schulden nicht mehr begleichen und meldete Zahlungsunfähigkeit an.
Seither ist Argentinien von den (traditionellen) internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und der Staat kann sich nur aus der internen Reichtumsproduktion des Landes finanzieren, durch Steuern, Abgaben, Zölle und die unter diesen Umständen unvermeidlichen Schmiergelder.
Weiters können Importe – die unumgänglich notwendig sind, da die produktive Basis des Landes in Folge der IWF-Auflagen bis 2001 ziemlich geschrumpft war und sich bis heute unter den Bedingungen des Kapitalmangels nicht wirklich erholt hat – können also diese Importe nur mit denjenigen Devisen bezahlt werden, die durch Export erlöst werden. Da aber viele Devisenexporteure, vor allem im Agrarbereich, ihr Geld lieber im Ausland parken, sofern es möglich ist, gab es an dieser Front ständig Streit zwischen der Regierung und den exportierenden Unternehmen.

Das hatte mehrerlei Folgen: erstens eine Devisenbewirtschaftung zur Eindämmung der Kapitalflucht, und einen offiziellen Wechselkurs, der durch Interventionskäufe gestützt wurde, neben einem Dollar-Schwarzmarkt, der gegen entsprechendes Bakschisch geduldet wurde.

Eine weitere Folge war der Abschluß umfangreicher Handelsabkommen mit China, das im Gegenzug gegen Importe von Energie und LW-Produkten, vor allem Soja, Argentinien einen Kreditrahmen in Dollar sowie unmittelbaren Warentausch auf Verrechnungsbasis, ohne faktische Geldflüsse eröffnete.
Macri interpretierte in braver nationalökonomischer Manier diese Versuche, den Warenumlauf in Argentinien überhaupt am Laufen zu halten, als eine schädliche Knebelung der Wirtschaft, die Investoren verschrecke und deshalb das Gedeihen der Wirtschaft behindere. Er vertauscht also Ursache und Wirkung. Die Maßnahmen der Vorgängerregierung waren für ihn nicht Reaktionen auf ein Scheitern der Wirtschaft, sondern sind die Ursache dafür, daß sie nicht vorankommt. Er selber zeigt damit ein sehr kurzes Gedächtnis und setzt dieses auch bei seinen Landsleuten voraus, weil er die Ursachen und Folgen des Staatsbankrotts mehr oder weniger aus dem Bild herausretuschiert, und alle Mißstände in „schlechtes Regieren“ auflöst.

Sein erster großer Schritt in ökonomischer Hinsicht war das Ende der Devisenbeschränkungen und die Freigabe des Wechselkurses.
Auch das wurde begrüßt:

„Was die Freigabe des Peso für Argentinien bedeutet … Für die unternehmerische Mittel- und Oberschicht ist Macris Kurswechsel deshalb eine lange erwartete Glücksnachricht.“ (SZ, 17.12.2015)

„Er macht die Währung frei handelbar und reduziert Handelsbarrieren – ein Hoffnungsschimmer für Anleger und Unternehmen.“ (Wirtschaftswoche, 18.12.)

Die Folgen waren zwar irgendwie unerfreulich:

„Schon am Donnerstag (Ortszeit) rutschte der Peso um mehr als 40 Prozent zum Dollar ab,“ – gehen aber zweifelsohne in Ordnung: „Die neuen Notierungen entsprechen ungefähr den vorherigen Schwarzmarktkursen,“ also hat sich eigentlich ohnehin nicht viel geändert, oder?

Ausgerechnet das Handelsblatt hält sich weniger beim Geschimpfe auf die Vorgängerregierung und der Nährung des Prinzips Hoffnung auf, sondern redet Klartext:

„Die Regierung hofft, so die Exporte anzutreiben. Doch die Abwertung könnte die galoppierende Inflation weiter antreiben.“

Einfache Logik: Im Rahmen der Devisenbewirtschaftung konnten die Importeure bisher zum offiziellen Wechselkurs importieren. Jetzt müssen sie 40% – oder mehr – über dem vorigen Preis berappen und das an ihre Kunden weitergeben. Entweder die Gehälter in Argentinien werden erhöht, oder die meisten Leute können sich das Zeug nicht mehr kaufen, was den inneren Markt drastisch reduziert und Argentinien für Investoren sehr unattraktiv macht. Die Freigabe des Wechselkurses wird also zwangsläufig eine neuerliche Verelendung der Bevölkerung und einen Anstieg der Kapitalflucht zur Folge haben.

Aber der „Reformwille“ des neuen Besens ist ungebrochen und vorige Woche räumte er mit einer weiteren Altlast des „Kirchnerismus“ auf, den beschränkten und subventionierten Energiepreisen, zumindest für den Großraum Buenos Aires:

„Marcri nimmt seine erste große Preisanpassungs-Maßnahme in Angriff, die Erhöhung der Elektrizitätspreise auf bis zu 300%, wenngleich die Details erst am 1. Februar bekanntgegeben werden.“

Der Artikel befaßt sich im weiteren mit den erwarteten positiven Effekten: Die Energie-Unternehmen können endlich wieder marktwirtschaftliche Preise festsetzen (stillschweigend wird unterstellt, daß die Kunden sie auch bezahlen können) und das Netz verbessern und ausbauen, und die Regierung ist einen Subventionsposten los. Ein Win-Win-Effekt wie im Bilderbuch.
Man muß hier hinzufügen, daß in Argentinien derzeit Sommer ist und zwar Klimaanlagen in Betrieb sind, aber das Heizproblem nicht aktuell ist. Wenn bei uns der Sommer einzieht und dort der Winter, kann man mit Meldungen über Erfrierungstote rechnen, sofern die marktwirtschaftsgeile Presse das überhaupt für berichtenswert hält.

Während sich die deutschsprachigen Medien über das nach wie vor virulente Schulden- und Devisenproblem Argentiniens eher bedeckt geben, und der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß sich bei entsprechendem guten Willlen schon eine Lösung finden lassen wird, meldet El País, daß sich die Regierung Macri bereits im December, anläßlich der Peso-Freigabe, in der Finanzwelt umgehorcht hat:

„In der argentinischen Presse wurde spekuliert, daß die argentinische Zentralbank ein Abkommen zum Währungsaustausch mit der US-Fed oder den Zentralbanken Mexikos oder Brasiliens aushandeln könnte, aber bisher hat sich nur China in Sachen Aushilfe bereit erklärt.“

Nebenbei bemerkt wird der neue Wind zur Liberalisierung in den restlichen Staaten des Mercosur nämlich übel aufgenommen, weil er den Bestrebungen nach Schaffung eines gemeinsamen Marktes zuwiderläuft.

Die Perspektiven Argentiniens sind also:
weitere Verelendung der Bevölkerung, Tote durch Verhungern und Erfrieren
galoppierende Inflation, wie unter der Regierung Alfonsín
Bankrotte von Importfirmen und Energieversorgern
infolgedessen Streiks und Aufstände, und ein Anstieg der Gewaltverbrechen
und Händezusammenschlagen der Jubelpresse, wie jemand wie Macri in so kurzer Zeit sein „Kapital“ so habe verspielen, die in ihn gesetzten Erwartungen so sehr enttäuschen können! Nötigenfalls kann man noch die Schuld dem „Bremsern“ in Behörden und Parlament zuschreiben, die immer noch dem „Kircherismus“ verpflichtet sind und alles behindern.

Leichte Vorahnungen gibt es, manche Medien warnen vor der „Durststrecke“, die die argentinische Regierung und ihr Oberhaupt noch vor sich haben.

Frühere Beiträge zu Argentinien

Zum Prozeß der Gläubiger in New York:

Der Countdown läuft
https://nestormachno.alanier.at/der-argentinien-krimi-neueste-folge/ – 11.7. 2014

Das weltweite Kreditsystem wackelt wieder einmal
https://nestormachno.alanier.at/argentinien-am-scheideweg – 19.6. 2014

Aasgeier kreisen über Argentinien – 24.2. 2013

Der IWF und Argentinien:
Argentiniens Zahlungsunfähigkeit 2001/2
https://nestormachno.alanier.at/die-weltfinanzbehoerde-laesst-einen-musterschueler-durchfallen/– 2.8. 2011
______
Argentinische Bankiers zur Euro-Schuldenkrise
https://nestormachno.alanier.at/ein-grosses-pyramidenspiel – 15.5. 2011

Pressespiegel: El País, 23.1. 2016

ITALIEN FÜRCHTET EINEN ZUSAMMENBRUCH DER BANKEN DURCH NOTLEIDENDE KREDITE
Matteo Renzi versucht, eine Finanzkrise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zu vermeiden
Die italienische Wirtschaft birgt eine Zeitbombe, die die von Premierminister Matteo Renzi eingeleiteten geschickten Ablenkungsmanöver nicht mehr verstecken können. Seit Anfang dieses Jahres (also innerhalb von 3 Wochen) haben Italiens Banken im Durchschnitt 20% ihres Börsenwertes verloren – im Fall des Monte dei Paschi (MPS) sogar 40%. Das fällt besonders schwer ins Gewicht, wenn man zwei damit zusammenhängende Aspekte berücksichtigt:
Einerseits entfallen 30% der Mailänder Börse auf den Banksektor, andererseits sind die Banken erste Anlaufsstelle für die Finanzierung der Klein- und Mittelbetriebe, noch lange vor dem Kapitalmarkt. Es ist daher nicht überraschend, daß die Krise es vielen Schuldnern verunmöglicht, ihre Kredite zurückzuzahlen, wenn man in Betracht zieht, daß Italiens BIP seit 2008 um 8% zurückgegangen ist und die Industrieproduktion um ein Viertel eingebrochen ist.
Die Summe der geplatzten Kredite wird auf 200 Milliarden geschätzt – 16,7% der gesamten Kreditmenge, und damit mehr als doppelt so hoch wie in Spanien (7%) oder Frankreich (4%). Hinzu kommen weitere 160 Milliarden, deren Rückzahlung laut italienischer Nationalbank unwahrscheinlich ist. Teil einer Lösung – oder des Löcherstopfens – wäre die Schaffung einer Bad Bank. Als Spanien oder Irland eine solche einrichteten, verwehrte sich Italien dagegen, aber derzeit verhandelt der italienische Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan in Davos unter Zeitdruck die Bedingungen für die Errichtung einer solchen Institution. Seine wichtigste Trumpfkarte ist der Umstand, daß die Explosion der italienischen Banken-Bombe die gesamte Eurozone schwer treffen würde.
Es ist bemerkenswert, daß Renzi den Bankencrash in Italien – der teilweise durch eine Anfrage der EZB bei einigen Instituten betreffend ihr Kreditrisiko ausgelöst wurde – mit einer scharfen, wenngleich inhaltsleeren Polemik mit Jean Claude Juncker verbunden hat. Die solcherart gezündeten Nebelgranaten verflüchtigten sich innerhalb von 48 Stunden, es gelang aber, von dem entscheidenden Problem abzulenken, dem sich Renzi seit seinem Amtsantritt gegenübersieht.
Die Reform des Banksektors erweist sich inzwschen als Fiasko. Einige Banken, wo wichtige Mitglieder der Regierung in irgendeiner Form involviert sind, wurden im letzten Augenblick vor dem Zusammenbruch bewahrt. Ein gutes halbes Dutzend Banken steht zum Verkauf, es ist aber weit und breit kein Käufer in Sicht. Am schwersten wiegt der Umstand, daß es keine verläßlichen Daten über den Zustand des Banksektors gibt und sich die Lage dadurch kaum einschätzen läßt. …
Die Attacke auf Juncker und die EU kann als Versuch Renzis gewertet werden, vor einem euroskeptischen Publikum zu punkten und sich dadurch an der Regierung zu halten.
______________________________
Angesichts der solcherart drastisch geschilderten Situation des italienischen Banksektors sei daran erinnert, daß Italiens Rating bei BBB liegt und der Verlust des dritten Bs laut EU-Vorschriften für Finanzdienstleister alle institutionellen Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen sowie Treuhänder in der EU zum Verkauf der Papiere nötigt, die damit Ramsch-Status erlangen.
Der italienische Staat refinanziert sich nur dank des Anleihen-Aufkaufs-Programms der EZB. Die Einrichtung einer Bad Bank würde den italienischen Staatskredit belasten, es sei denn, die EZB übernimmt deren Finanzierung gleich selbst. Die in Frage stehenden Summen sind, wie man dem obigen Artikel entnehmen kann, jedenfalls gewaltig.

Armenhaus EU

Die RÜCKKEHR DES WUCHERS

Während der gewöhnliche Konsumentenkredit in der EU merklich an Schwung verloren hat und die Banken unter faulen Krediten aus der Zeit des Kredit-Booms schwächeln und manchmal sogar eingehen, ist im Schatten der offiziellen Geldhäuser eine andere Art von Firmen entstanden, die sich der Kreditnöte des kleinen Mannes annehmen, dem die großen Geldhäuser den Rücken gekehrt haben. Diese Firmen vergeben „Kredite mit kurzer Laufzeit“, wodurch sie etwaige Einschränkungen bezüglich des Zinsfußes unterlaufen, der immer als Jahreszinsfuß angegeben ist.

1. Die EU will den Wucher, weil ihre Geldpolitik auf dem schrankenlosen Kredit beruht
Die Grundlage dieser Firmen ist eine Direktive der EU vom April 2008, also dem Jahr 0 der Finanzkrise. Es ist, als ob die Verfasser dieser Direktive schon eine Vorausahnung gehabt hätten, daß das Kredit-Ringelspiel ins Stocken geraten könnte und ihm fürs weitere Funktionieren Schmiermittel ins Getriebe schütten wollten.

Der 1. Absatz lautet:

„Die Verbraucherkredit-Richtlinie zielt auf die Förderung der Integration des Konsumentenkreditmarktes in der EU und die Gewährleistung eines hohen Niveaus des Konsumentenschutzes durch die Konzentration auf Transparenz und Konsumentenrechte.“

Über den Zinsfuß ist auch im weiteren nichts ausgesagt. Solche Beschränkungen würden die Freiheit der Konkurrenz unterbinden. Die Wucherkredite sind also vom Standpunkt der EU-Gremien legal.

Diese Direktive war bis 2010 in den nationalen Gesetzeswerken der Mitgliedsstaaten zu verankern, was auch geschehen ist. Theoretisch hätten die Staaten hier eine Zinsfußbeschränkung aufnehmen können, es scheint aber nirgends geschehen zu sein: dergleichen Beschränkungen würden dem freien Wetbewerb widersprechen, und der ist in der EU ja heilig.

In Spanien kommen schon einmal Zinsfüße vor, die aufs Jahr umgerechnet über 4000 % ausmachen.
Um das Prosperieren dieser Firmen zu verstehen, muß man sich vor Augen halten, daß die normalen traditionellen Kredite inzwischen Richtung Nullzinsen gehen und man auch auf dem Sparbuch nichts mehr kriegt. Die kurzzeitigen Kredite bieten den Gläubigern die Möglichkeit, auch bei einer hohen Ausfallsrate noch eine fette Rendite einzustreifen.

2. Legaler Wucherkredit: Firmen und Behörden
Eine der größten und auch in Osteuropa sehr umtriebigen Firmen ist die britische Firma Provident. Es ist ein Beispiel für ein sogenanntes „Finanzdienstleistungsunternehmen“, das sich seit Beginn der Finanzkrise auf die Kurzzeitkredite spezialisiert, weil es da einen wachsenden Markt entdeckt hat.
Provident wirbt seine Kreditkeiler und Einkassierer in Großbritannien unter Langzeitarbeitslosen, alleinerziehenden Müttern und anderen ziemlich an den Rand der Gesellschaft gedrängten Menschen an. Eine Art von armen Schluckern wird also der anderen auf den Hals gehetzt.

Die Kunden von Providents Krediten sind Mindestrentner, wiederum Alleinerzieherinnen, Langzeitarbeitslose, Alkoholiker, Drogensüchtige und Leute mit Behinderungen – alles Leute, die „on welfare“ sind.

Die Kreditkeiler kriegen bei ihrer Einschulung einen Kurs in Selbstverteidigung verpaßt. Schließlich gehen sie in private Haushalte und fordern Geld von Leuten, die keines haben. Laut Bericht eines ehemaligen Mitarbeiters ist diese Vorsichtsmaßnahme aber völlig überflüssig, da die Schuldner, zu denen er ins Haus kam, der Inbegriff der Harmlosigkeit und Hilflosigkeit waren und nie auf die Idee gekommen wären, ihn körperlich zu bedrohen.

In Rumänien werden dergleichen Kreditkeiler-Jobs vom Arbeitsamt angeboten. Das weist auf eine Kooperation zwischen der Firma und den Behörden hin. Gegen entsprechende Abgaben darf Provident dort auch für seine Dienste öffentlich werben und den in diesem Land ebenfalls reichlich vertretenen Pfandleihe-Anstalten Konkurrenz machen, denen das Leisten von Abgaben an den Staat kein Herzensanliegen ist und deren Umsätze schwer zu kontrollieren sind.

In Spanien existieren ein Haufen kleiner Firmen, die meist aus einer Website und einem Mini-Büro in Madrid bestehen.
Um Kredite zu vergeben, braucht man in Spanien keine besondere Konzession. Es genügt eine einfache Meldung beim Gesundheitsministerium, weil diesem der Konsumentenschutz untersteht, der sinnigerweise für diese Art von Geschäften zuständig ist. König Kunde wird also durch das Zuteilen an die zuständige Behörde entsprechend „geschützt“, um so mehr, als eine Klage gegen diese Kreditpraktiken dem Zielpublikum praktisch unmöglich ist, da sie sich einen Rechtsstreit gar nicht leisten können.
Diese Firmen haben oft sehr ermunternde Namen: „Wie gut!“, „Ok Money“, „Beweglicher Kredit“ usw.
Laut jemandem in Rumänien, die eine Zeitlang für Provident tätig war, hatte sie eine Ausfallsrate von 35-40%. Weder war herauszukriegen, was mit denen passiert, die nicht zahlen, noch wußte sie, wie weit sie selbst für Ausfälle haftet, vor allem, falls der Schuldner stirbt.

3. Illegaler Wucher
Jenseits dieser Firmen, denen offensichtlich von Behörden und Gesetzgebern Tür und Tor geöffnet werden, gibt es noch ein illegales System von Wucherkrediten. In Osteuropa ist es unter den Roma weit verbreitet. Sowohl die Gläubiger, die sich eine Schlägertruppe halten, als auch die Schuldner sind Roma. Dieses Geschäftsgebaren ist aber keineswegs auf sie beschränkt.
Die Kreditbosse verleihen ihre Schläger gegebenenfalls auch an andere Unternehmen, die ebenfalls mit säumigen Schuldnern zu tun haben. Sie machen also ein Zusatzgeschäft über das Inkasso.

Die Roma sind deswegen ein weites Betätigungsfeld, weil sie in den meisten Fällen weder Jobs noch Kredit erhalten und deswegen in Sozialhilfe und Kriminalität gedrängt werden. Die geldlose Zeit zwischen einer Sozialhilfe-Auszahlung und einem Taschendiebstahl überbrücken sie mit einem Wucherkredit, den sie dann wieder mit einem anderen kleinen Diebstahl zu begleichen hoffen. Gerät der Schuldner aufgrund solcher Tätigkeiten ins Gefängnis, so muß die Familie die Schuld begleichen, sonst wird ihre Hütte abgefackelt, oder Ähnliches.
Frauen können durch einschlägige Dienstleistungen Schulden abtragen – die (ungeschützte) Prostitution und der Wucher gehen daher oftmals Hand in Hand.

In Ungarn, wo 40 % der Bewohner unter der Armutsgrenze leben, oder in Bulgarien, wo die Prozentzahl der offiziell Armen über 50 % liegt, sind dergleichen Praktiken auch unter der Nicht-Roma-Bevölkerung, vor allem auf dem Land, weit verbreitet. Die Sicherheitskräfte dulden sie, wenn sie sich nicht sogar aktiv beteiligen, nicht nur wegen des Bakschisch, das sie einkassieren, sondern weil es sie entlastet, wenn sich die Armut in dieser Weise sozusagen selbst verwaltet.

So sieht sie aus, die EU der überlegenen Werte, die gegen Eindringlinge aus fremden Kulturkreisen geschützt und verteidigt gehört.