Ungarn und die Bankensteuer

WER DARF WEN BESTEUERN?

Ungarn will eine Bankensteuer einführen. Und sofort erhebt sich ein Sturm der Entrüstung: Dürfen die das überhaupt? Ein allgemein anerkanntes und auch in der EU im Prinzip nicht bestrittenes Hoheitsrecht wird auf einmal als Verstoß gegen die allgemein anerkannten guten Sitten gewertet und von allen Seiten gerügt.

1. Steuer
Steuern sind neben der Verschuldung die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Die braucht er unbedingt, um sich seine vielen Ausgaben – Panzer, Polizisten, Professoren, und was es da sonst noch gibt (Ärzte, Lehrer usw.) leisten zu können.

Da haben sich Staaten in den letzten Jahren einiges überlegt. In Österreich (und den meisten EU-Ländern) wurde z.B. die Vermögenssteuer abgeschafft, um zu verhindern, daß die betuchten Mitglieder unserer Gesellschaft ihre Spargroschen in irgendwelchen Steuerparadiesen parken, anstatt es im Inland zu lassen und dort anzulegen.

Weiters gibt es die sogenannte Körperschaftssteuer, eine Steuer für Unternehmen, deren Handhabung sich, soweit sich das mir als unbeteiligtem Beobachter erschließt, immer lockerer gestaltet, je größer und gewinnträchtiger ein Unternehmen ist. Vor allem die großen internationalen Wuchtbrummen haben aller möglichen Rechtstitel, um sich dieser Steuer zu entziehen, durch Geltendmachen ausländischer Verluste im Inland, usw. Außerdem wird diese Steuer selten exekutiert oder durch Inkasso eingefordert, man kann sich also jahrelang Zeit lassen, um sie zu begleichen – solange das Unternehmen groß genug ist und gute Anwälte hat. Viele Unternehmen haben deshalb große Steuerrückstände.

Dann gibt es diverse Verbrauchssteuern – Getränke-, Umsatz-, Mineralölsteuer, usw. Die muß jeder zahlen, der etwas kauft. Von diversen Idealisten des Sozialstaats und einer imaginären Verteilungsgerechtigkeit werden sie gern als „unsozial“ bezeichnet, weil sie eben jeder ungeachtet seines Einkommens bei jedem Akt des Konsums blechen muß. Diese Steuern und deren Erhöhung sind dennoch immer bei den jeweils an der Macht befindlichen Politikern sehr beliebt, weil sie keine bestimmte Bevölkerungsgruppe gegen einen aufbringen und „sehr gerecht“ alle treffen, also keine Wählerstimmen kosten.

In Österreich wird derzeit die Erhöhung der Grundsteuer diskutiert. Mit der Grundsteuer wird einfach die Verfügung über irgendeine Immobilie mit einer Steuer belegt. Das trifft Fabriksbesitzer, deren Fabrik natürlich auch irgendwo steht, und Hausbesitzer, die aus Vermietung Einnahmen erzielen, sowie Grundbesitzer, die aus Pacht Einkommen haben genauso wie einfache Wohnungsbesitzer und Landwirte. Der Staat sagt: Wer sich Grundeigentum leisten kann, soll gefälligst dafür an uns was zahlen! Derzeit spießt sich die Idee bei uns an den Bauern, deren Einnahmen sich im Durchschnitt ständig verringern, bei gestiegenen Treibstoff- und Pachtzahlungen, und wo bei Erhöhung der Grundsteuer Existenzen auf dem Spiel stehen.

Und schließlich gibt es diejenige Steuer, die die meisten Leute im Auge haben, sobald die Rede vom „Steuerzahler“ ist: Die Einkommenssteuer. Bei Lohnabhängigen wird sie gleich an der Quelle abgezogen. Andere haben so gute Verdienste, daß sie sie vor der Steuer verstecken und in irgendwelche Steueroasen verschieben.


2. Ungarn, die Schulden und die Steuern

Ungarn war zur Zeit der Wende das sozialistische Land mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Die erste gewählte Regierung wurde gleich von Anfang vom IWF und diversen „Beratern“ mehr oder weniger gelenkt: Keine Subventionen, keine „unkontrollierte“ (also nicht vom IWF genehmigte) Geldausgabe, und möglichst alles und jedes besteuern, um solide Einnahmen zu haben! Auf diese Art und Weise wurde die ungarische Landwirtschaft und Industrie systematisch ruiniert, um Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Gleichzeitig jedoch verlangten die begehrten Investoren, die die ungarischen Regierungen ja unbedingt ins Land holen wollten, nicht nur billige und willige Arbeitskräfte und die Zerschlagung der Gewerkschaften, sondern auch Steuerfreiheit, zumindest für die ersten 5 Jahre, um sich überhaupt erst zur Ausbeutung von Land und Leuten zu bequemen. (Nach diesen 5 Jahren brechen die Multis meistens ihre Zelte ab, gehen in ein anderes Land und machen es dort genauso.)
Und so blieb die Steuerlast bei den Normalverbrauchern und ungarischen Kleinunternehmern hängen. Angesichts der niedrigen Löhne, des Kapitalmangels der einheimischen Unternehmen und der hohen Arbeitslosigkeit stellen die Steuern zwar für die von ihnen Betroffenen einen gewaltigen Abzug dar und lassen viele Unternehmen gar nicht erst zustandekommen, sie verschaffen aber der Staatskasse eher dürftige Einnahmen.

Ungarn war 2008 fast pleite und ist es im Grunde immer noch. Und da sagt die jetzige ungarische Regierung: Holen wir uns doch das Geld von denen, die es haben! – und es erhebt sich weltweit ein Geschrei. Besonders in Österreich, weil österreichische Banken besonders eifrig an der Aussaugung Ungarns beteiligt sind.

Auch hier ist für Spannung gesorgt: Ungarn besteht auf der Steuer, als einem Souveränitätsrecht. Die EU will prüfen, ob das nicht gegen EU-Recht verstößt. Es ist durchaus möglich, daß eine andere ähnlich bedrängte Regierung auch eine Bankensteuer ins Auge faßt.

Auf jeden Fall geht das Kräftemessen zwischen Regierungen und „Märkten“ um den Wert der Währungen und der Schulden damit in eine neue Runde.

Sparen oder Subventionieren?

DAS GWIRXT MIT DEN SCHULDEN
Obama telefoniert schon wieder. Während er dem spanischen Regierungschef vor ein paar Wochen ins Gewissen geredet hat, seine Ausgaben zu senken, und die Spanier das doch glatt gemacht haben, ist er jetzt für das genau Umgekehrte:
„In Briefen und Telefonaten drängt US-Präsident Barack Obama die Deutschen, ihr Sparprogramm aufzugeben und die Konjunktur mit neuen Schulden anzukurbeln.“ (Handelsblatt, 25.6.)
Das spanische Sparprogramm hat dann erst recht das Mißtrauen der „Märkte“ ausgelöst. Die Finanzwelt hat richtig darauf hingewiesen, daß, wenn an allen Ecken und Enden gespart wird, die Kaufkraft des kleinen Mannes schwindet. Dieser Umstand, zusammen mit der Tatsache, daß sich die Kriterien der Kreditvergabe verschärft haben, wird aller Voraussicht nach die Konjunktur „abwürgen“, so meinen die Experten für Profit und Konjunktur.
Wenn die Griechen, Ungarn und Rumänen Sparprogramme verabschieden, die einen kräftigen Verarmungsschub quer durch die Bevölkerung auslösen, so ruft das weitaus weniger Sorgenfalten bei den Währungshütern hervor – das sind arme Schlucker, bei denen ist nicht viel zu holen, wenn die dort verelenden, so ist das kein großer Schaden für die Weltwirtschaft.
(Eine irrige Meinung, übrigens, gegenüber EU-Mitgliedsländern, auch wenn sie noch so wenig zur Gesamtwirtschaftsleistung beitragen. Auch von dort werden noch Signale kommen, die den Euro ins Wackeln bringen.)
Spanien hingegen ist schon ein größerer Brocken, und ein wichtiger Markt für deutsche und französische Waren, aber auch für das Engagement der Banken dieser Länder, deren Vorstände mit bangem Blick die negativen Entwicklungen im Banksektor Spaniens verfolgen.
Nicht auszudenken, wenn jetzt auch Deutschland, wie es angekündigt hat, sparen will! Der deutsche Markt schrumpft, Deutschland wird noch mehr exportieren (wollen), es fragt sich nur, wohin?
Staatsanleihen und Wirtschaftswachstum
Man muß einmal folgendes begreifen: Die Staatsanleihen der verschiedenen Staaten haben 2 Funktionen.
Erstens verschaffen sie derjenigen Regierung, die sie ausgibt, Geld. Irgendwer kauft diese Anleihen, und das dafür gezahlte Geld fließt in die vielgerühmte Staatskasse. Damit finanzieren sich die jeweiligen Staaten, seis für Militär, Soziales, Unterrichtswesen oder Wirtschaftsförderung.
Zweitens wird mit ihnen Anspruch auf Reichtumsvermehrung in die Welt gesetzt. Die Anleihen sind schließlich verzinst, die Regierungen müssen mehr zahlen, als sie bekommen haben. Sie zahlen diese Zinsen durch Ausgabe weiterer Anleihen, und dadurch vergrößert sich die Staatsschuld. Und das, so die Auffassung der Wirtschaftsfachleute, ist nicht weiter schlimm, solange auch die Wirtschaft wächst und die Schulden und das BIP in einem bestimmten, bisher als solide angesehenen Verhältnis stehen.
Dieses Verhältnis wurde mit den Maastricht-Kriterien in Zahlen gegossen und somit mehr oder weniger dekretiert: 60% Verschuldung zum BIP, das ist solide, fertig! Und die Finanzwelt hat das auch so gesehen und damit diese Festsetzung auch wahrgemacht.
Man könnte jetzt vielleicht einfach sagen: Erhöhen wir die Soliditätsgrenze doch auf 80 oder 90%, und alles ist ok! (De facto ist das bereits geschehen.)
Das Problem ist jedoch, daß die Staaten zwar irgendwie bestimmen können, wieviele Anleihen sie ausgeben, wie hoch sie sich also verschulden, aber nicht bestimmen können, wie viel Profit auf ihrem Territorium gemacht wird. Während Gehaltskürzungen und Entlassungen im öffentlichen Dienst, wie sie jetzt in Europa großflächig vorgesehen sind, sicher die Gewinnemacherei erschweren, weil die Zahlungsfähigkeit schrumpft, ist ja gar nicht gesagt, daß die Wirtschaftsankurbelungsmaßnahmen in den USA wirklich die Wirtschaft ankurbeln, und nicht womöglich wieder irgendwelche Spekulations-„blasen“ entstehen lassen.
Und damit ist die Frage weiter im Raum: Welche Schulden werden irgendwann unbezahlbar, weil irgendwelche Wertpapiere nicht mehr gekauft werden?
Die US-Regierung ist sich offensichtlich sicher, daß ihre Anleihen immer gekauft werden, während verschiedenen europäischen Staaten kürzlich beschieden worden ist, daß ihre Anleihen den Status von Ladenhütern erreicht haben oder erreichen werden.
Daher täuscht sich das Handelsblatt in seiner Häme, wenn es schreibt: „USA steuern auf griechische Verhältnisse zu“: Es mag europäisches Wunschdenken sein, daß den USA von den Finanzmärkten genauso ihre Rechnung präsentiert werden möge, wie es Griechenland erfahren mußte, sieht aber über den Unterschied zwischen der Weltmacht Nr. 1 und diesem kleinen Wurmfortsatz der Weltwirtschaft, den Griechenland darstellt, locker hinweg: Der $ ist immer noch die die Grundlage des Weltwährungssystems, die amerikanischen Anleihen anzuzweifeln hieße die ganze Weltwirtschaft in Frage stellen.

Ungarns Kredit

PLEITE ODER NICHT PLEITE?
Gerade einmal haben ungarische Regierungspolitiker den Forint, aber auch den Euro auf Talfahrt geschickt.
Kurz danach kam ein Dementi: Nein, es ist gar nicht so arg, wir sind nicht pleite, es ist eh alles in Ordnung.
Irgendwelche Deppen in Budapest haben sich offenbar verkalkuliert, und fertig.
„Die Welt“, als verantwortungsvolles Blatt, hielt es für notwendig, da in einem Artikel noch ein paar Erklärungen nachzuschieben.
Aus Populismus sollen die Politiker von der neuen FIDESZ-Regierung so gehandelt haben. Erst haben sie den Leuten das Blaue vom Himmel versprochen, um die Wahlen zu gewinnen, jetzt müssen sie ihnen reinen Wein einschenken, daß kein Geld dafür da ist, und das ist natürlich bitter.
Die Zeitungen triefen fast vor Verständnis darüber, daß demokratische Einseiferei genauso geht: Erst erzählt man allen: Ich mach alles besser!, und wenn man sich dann in die Kommandohöhen der Macht hat wählen lassen, so heißt es: leider, es gibt Sachzwänge! Uns sind die Hände gebunden!
Und der enttäuschte Wähler kann sich dann damit revanchieren, daß er das nächste Mal eine andere Partei wählt, die es natürlich genauso macht.
Leider, so der Tenor des „Welt“-Artikels, sind die neuen ungarischen Politiker noch ein bißl Tölpel und beherrschen diese demokratische Kunst des unschuldigen Lügens noch nicht ganz.
Diese Einstufung ist natürlich ein arroganter Unsinn.
Man muß einmal wissen, um was es geht: Das vom IWF, der EU und vor allem den „Märkten“ so gut aufgenommene ungarische Sparpaket, das die vorige Regierung 2008 mit dem IWF ausgehandelt und dann rigide umgesetzt hat, bedeutet für Ungarn, daß das Funktionieren wichtiger Teile des Staatsapparates in Frage gestellt ist: Das Unterrichtswesen, die Gesundheitsversorgung und, last but not least, die Polizei, die auch nicht weiß, wie sie sich bis zum Jahresende finanzieren soll. Auch die Verwaltung der heurigen europäischen Kulturhauptstadt Pécs hat ihre liebe Not damit, die nötigsten infrastrukturellen Maßnahmen hinzukriegen und dafür Sorge zu tragen, daß nicht womöglich einige der Kulturtempel der Stadt unter dem erwarteten Besucheransturm zusammenbrechen, weil sie bausubstanzmäßig auf dem Zahnfleisch gehen.
Also hat die neue ungarische Regierung einen Probeballon gestartet, und der war alles andere als ein populistischer Ausrutscher: Sie haben damit vorgefühlt und gezeigt, daß ihre Einordnung in die EU nicht so reibungslos vonstatten geht, wie sich das die wichtigen Regierungen und Gremien erwarten. Ein falscher Huster in Ungarn bringt nicht nur den Forint in Schwierigkeiten, sondern den Kredit der ganzen Eurozone, und sogar die New Yorker Börse.
Also werden vermutlich rund um das Dementi der ungarischen Regierung irgendwelche Verhandlungen hinter verschlossenen Türen losgegangen sein, wo einige der Maßnahmen, die seinerzeit mit dem IWF verhandelt worden sind, still und leise ad acta gelegt werden. Mit lautem Getöse nach außen: Wir bleiben fest!
Der Artikel in der Welt hingegen sieht lediglich eine Überreaktion der Märkte, mit Ungarns Wirtschaft hat das gar nichts zu tun:
„Dabei ist ein Vergleich Ungarns mit Griechenland an den Haaren herbeigezogen: ganz gleich, ob es um die Höhe der Verschuldung geht, um die Finanzpolitik der Regierung oder den Wahrheitsgehalt ihrer Angaben gegenüber Investoren, EU und IWF.“
Um das zu untermauern, werden positive Gutachten zitiert. Sogar Eurostat hat Ungarn gute Noten ausgestellt.
(Nebenbemerkung: Nicht auszudenken, was auf den Finanzmärkten los wäre, wenn Eurostat Unregelmäßigkeit in den ungarischen Statistiken finden würde …)
Na dann!
Alles nur Panikmache und Nervösität, liebe Leute! Kauft ungarische Staatsanleihen! Ein Land auf Wachstumskurs!
Der Haken bei dergleichen Stimmungsmache ist nur, daß es nicht nur die Leser der Zeitung ihr nicht abkaufen werden, sondern der künstlich optimistische Tonfall auch anmerken läßt, daß die Schreiber selbst auch nicht so recht an ihre Propaganda glauben.