Die EU und ihr Hinterhof

ES WURDE MARKT!

Wenn man im „alten“ Europa auf einer Autobahn unterwegs ist, die Richtung Osten führt, so fährt man an endlosen Lastwagenkolonnen vorbei.
Die Kennzeichen:
PL
H
BiH
SK
RO
SRB
HR
BG
LT

Was wäre die EU ohne die Märkte, die sie sich nach dem Fall des Eisernen Vorhanges und der Auflösung des RGW geschaffen hat?

Solange dort die Bewohner dieser Staaten in der westlichen Leseweise unter dem Joch des Kommunismus schmachteten und bei ihnen „Mißwirtschaft“ herrschte, waren diese Nationalökonomien durchaus imstande, ihre Bewohner halbwegs zu kleiden, zu behausen, zu ernähren und mit anderen Gütern des täglichen Bedarfes auszustatten.
Heute kommt das meiste dieser Waren auf der Achse aus den westlichen EU-Staaten, oftmals hergestellt durch Arbeitskräfte des Ziellandes, aber eben in der BRD, Holland, Frankreich oder Spanien.
Was ist da geschehen?


1. Die Zerstörung der Landwirtschaft der ex-sozialistischen Staaten
vollzog sich in mehreren Schritten.

Der erste war das Ende des RGW und die Umstellung des bilateralen Handels von Barter-Natural-Tausch auf Basis von Transferrubel auf Devisenzahlung. Die ersten, die Devisen forderten, waren die Visegrád-Staaten (Ungarn, Tschechoslowakei, Polen). Da alle Devisen wollten und keiner welche hatte, verloren die Agrarproduzenten und die Lebensmittelindustrie (und nicht nur sie) auf einen Schlag ihre Absatzmärkte im Osten.

Der nächste Schritt war die Schließung der westlichen Märkte.
Während des Kalten Krieges war der Export von Lebensmittel in den kapitalistischen Westen oftmals die Haupt-Devisenquelle für realsozialistische Staaten. Die westlichen Regierungen ließen auch nur und gerade Lebensmittelimporte zu, um erstens ihre Lebensmittelversorgung für die arbeitende Menschheit zu verbilligen und zweitens durch Erzeugung von Lebensmittelknappheit „drüben“ Unzufriedenheit zu erzeugen.
Nach der Wende war damit Schluß. In den Assoziationsverträgen wurden die Lebensmittel entweder mit Quoten eingeschränkt oder mit Zöllen belegt, sodaß sie sich gegenüber den eigenen subventionierten LW-Produkten verteuerten und dadurch nicht mehr konkurrenzfähig waren.
Denjenigen Staaten, die bereits unter Kuratel des IWF standen – Ungarn (Beitritt 1982), Polen (Beitritt 1986), Rumänien (Beitritt 1972) und die Nachfolgestaaten Jugoslawiens (Jugoslawien war Gründungsmitglied des IWF, seit 1945) – wurde von den IWF-Zuständigen zudem jede Art von Unterstützung ihrer Landwirtschaft aus dem Budget oder durch Naturalzuwendungen wie Gratis-Treibstoff untersagt, als „wettbewerbsverzerrend“.
All das unter dem Beifall der Medien, die von den Ex-RGW-Staaten forderten, ihre agrarischen „Überkapazitäten“ abzubauen, bevor sie an einen EU-Beitritt denken könnten!
In denjenigen Staaten, in denen die Landwirtschaft kollektiviert betrieben worden war – Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Tschechoslowakei – wurde sie in wenig transparenten Verfahren privatisiert, was zu einem rapiden Verfall der Be- und Entwässerungssysteme und der Maschinenparks führte und den bereits erreichten Stand der maschinellen Produktion auf die Entwicklungsstufe der Pferde- und Ochsengespanne, sogar die Wiederentdeckung des Esels als Zugtiers zurückwarf.
Außerdem kam es zu einer Immobilienspekulation, und ungeklärten Besitzverhältnissen, wodurch viel Land nicht mehr bestellt wurde.

Schließlich war noch ein weiterer Stoß für ohnehin schon sehr reduzierte landwirtschaftliche Tätigkeit das Eindringen westlicher Supermarktketten, die subventionierte und mit Agrarchemie vollgepumpte, durch prekär Beschäftigte geerntete und verarbeitete Lebensmittel teilweise unter den Herstellungskosten anboten und damit die verbliebene einheimische Produktion aus dem Rennen warfen.
Sobald dann wirklich kein einheimischer Schlachthof, keine Mühle in der Nähe mehr in Betrieb ist, kann man mit den Preisen hinaufgehen und die vorherigen Verluste wieder wettmachen, so geht zumindest die Kalkulation.

Wenn es nicht hinhaut, so sperrt man die Bude halt zu und die Leute können entweder mit dem Auto zum nächsten Hypermarkt fahren, oder aber zu irgendwelchen teureren Nahversorgern gehen, die das Zeug vorher bei den gleichen Supermärkten 3 Ortschaften weiter eingekauft haben und mit Aufschlag verkaufen.
Der traditionelle Gemüsegarten und die Hühnerhaltung werden auch aufgegeben, weil Saatgut, Dünger und Viehfutter für die Minigehälter und -pensionen inzwischen zu teuer sind …
Ein guter Teil des Inhalts dieser LKWs sind also Lebensmitel, die früher in diesen Staaten hergestellt wurden, mit bedeutend mehr Nährwert und weniger Gift drinnen.

Fortsetzung folgt: 2. Die Ruinierung der Industrien Osteuropas

Pressespiegel El País, 17.10.

NEUE WAFFEN UND STRATEGIEN IN DER TÜRKISCHEN ARMEE
Andrés Mourenza aus Viransehir (Türkei)
Die Türkei, die die Rebellenmilizen als Vorhut nutzt, treibt die Schaffung eines eigenen militärisch-industriellen Komplexes voran
Die türkischen Streitkräfte werden immer von dem Mantra begleitet, die zweitgrößte NATO-Armee zu sein (mit 355.000 Soldaten). Es ist auch die zehnte Armee der Welt mit der größten Anzahl von Panzern (2.504) und die dreizehnte nach der Anzahl von Flugzeugen (335). In Ankara ist jedoch bekannt, dass sie das nicht zu den Mächtigsten oder bestens geeignet am für die moderne Kriegsführung macht. Daher hat die türkische Führung im letzten Jahrzehnt einen umfassenden Erneuerungsprozess durchgeführt, um das Militär kompakter, technologisch besser ausgerüstet, unabhängig von seinen westlichen Verbündeten und spezialisiert auf hybride Konflikte zu machen. Immer mit dem Ziel vor Augen, dem Image zu entsprechen, das die Türkei über sich in die Welt setzt: Als ein Land mit wachsendem Einfluss, das die Entwicklung der Ereignisse in der Region bestimmen will.
Eine Reihe von Lastwagen braust mit voller Geschwindigkeit in Richtung Ceylanpinar. Anhänger transportieren Panzer, gepanzerte Fahrzeuge und Lastwagen mit montierten Maschinengewehren, wie sie von syrischen Rebellenfraktionen verwendet werden, die Ankara treu ergeben sind. Sie sind in Richtung der Front von Ras al Ain unterwegs, einer syrischen Stadt auf der anderen Seite der Grenze, aus der mindestens ein halbes Dutzend Rauchsäulen aufsteigen. Die Verstärkungen deuten darauf hin, dass die Dinge nicht so laufen, wie die Türken es wollten, denn nach sieben Tagen Kampf verteidigen sich die kurdischen Milizen dieser Stadt immer noch.
Obwohl die türkische Regierung keine offiziellen Zahlen angegeben hat, schätzen Experten, die vom El País konsultiert wurden, dass der Generalstab bis zu 15.000 Soldaten für seine Offensive in Nordsyrien mobilisiert hat, darunter viele Spezialtruppen, zusätzlich zu mechanisierter Infanterie und Artillerie und zwischen 6.000 bis 20.000 verbündete syrische Kämpfer, so die gleichen Quellen.
„Aus der Luft werden sie mit intelligenten Waffen und mindestens hundert Drohnen unterstützt“, sagt der frühere Spezialeinheitsoffizier Abdullah Agar. Unbemannte Luftfahrzeuge, sowohl für die Spionage als auch für den Angriff, sind der Stolz der türkischen Streitkräfte, da sie nicht nur einen taktischen Vorteil bieten, sondern auch national hergestellt werden. Ähnlich wie ein guter Teil der eingesetzten Panzer und einige Angriffssysteme moderner Technologie.
In den letzten 15 Jahren hat Ankara mehr als 30 Milliarden Dollar in die Schaffung eines militärisch-industriellen Komplexes investiert, der staatlich gelenkt wird und neben Korvetten, Hubschraubern und Raketen unterschiedlichen Umfangs bereits eigene Panzer entwickelt hat. „Die größte qualitative Veränderung war, dass derzeit 70% der hier verwendeten Waffen im Inland hergestellt werden“, sagt Ömer Özkizilcik von der türkischen Denkfabrik SETA, die die türkische Armee nach Ansicht dieses Sicherheitsexperten „widerstandsfähiger gegen jede Art von ausländischem Embargo macht“, wie zum Beispiel Exportbeschränkungen für militärische Ausrüstung, die von mehreren europäischen Ländern erlassen wurden.
Auf diese Weise sind ihre Streitkräfte im technischen Bereich immer weniger von ihren westlichen Verbündeten abhängig. Das macht es auch politisch und strategisch unabhängiger. „Die Türkei bleibt ein wichtiger Verbündeter der NATO. Sie leistet einen Beitrag zu ihren Missionen und Operationen sowie zu ihrer Schlüsselposition für die geopolitischen Interessen der NATO im Nahen Osten. Ich glaube also nicht, dass das, was in Syrien passiert, zum Ausschluß der Türkei aus der NATO führen wird “, sagt Bruno Lete, Verteidigungsanalyst beim German Marshall Fund: „Aber es ist wahr, dass das, was passiert, die Einheit des Bündnisses belastet. In den letzten Jahren war das Verhältnis der NATO zur Türkei gelinde gesagt wechselhaft. Die illiberalen Tendenzen der Türkei und der Erwerb eines russischen Verteidigungssystems geben Anlaß zu Besorgnis.“
Galt die türkische Armee vor einigen Jahrzehnten als bloßer Erfüllungsgehilfe der Pläne Washingtons in der Region, so ist sie heute nach einer Reihe von Reformen und Säuberungen vollständig der zivilen Regierung der Türkei unterstellt, und Ankara sieht keinen Grund, um Erlaubnis zum Eingreifen zu bitten. In den letzten drei Jahren haben türkische Truppen „viel Kampferfahrung bei ihren militärischen Operationen gegen terroristische Gruppen in der Türkei sowie im Irak und in Syrien gesammelt”, sagt Özkizilcik.
In ihrer gegenwärtigen Offensive in Nordsyrien waren die syrischen Rebellenmilizen, auf die sie sich stützen, bisher jedoch eher ein Hindernis als ein Vorteil. Sie wurden von der türkischen Armee ausgebildet und stellen den größten Teil der Front dar, da Ankara sich türkische Verluste wegen der öffentlichen Meinung nicht gestatten kann (in den beiden vorangegangenen Interventionen in Syrien in den Jahren 2016 und 2018 starben und starben 69 bzw. 54 türkische Soldaten).
„Die Türkei setzt, einem US-Handbuch folgend, eine assoziierte Truppe anstelle von Berufsmilitär ein“, sagt Aaron Stein vom Foreign Policy Research Institute. Das Problem dabei ist, fügt er hinzu, dass diese Streitmacht wegen ihrer Fraktionierung, unklaren Hierarchie und gelegentlichen Gewalt- und Plünderaktionen „unzuverlässig“ ist. Laut Stein hat „diese Abhängigkeit von den syrischen Milizen den Angriff verlangsamt, der schneller hätte sein müssen, um der Reaktion der internationalen Gemeinschaft zuvorzukommen. Jetzt gibt es schon zwei Supermächte, die einen Waffenstillstand fordern.“
Denn die türkische Offensive kämpfe nicht nur an der Kriegsfront, sondern auch auf Seiten der Diplomatie und der Öffentlichkeit, schreibt der Ex-Militär Metin Gurcan auf der Internet-Website Al Monitor. Und dort stehen die Chancen der Türkei, den Krieg zu gewinnen, schlecht.
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Man kann diesem Artikel entnehmen, welche Papiertiger Waffenembargos und Sanktionen gegen die Türkei sind.
Man kann aber auch sagen, daß die Türkei, solange sie nicht eigenes Militär einsetzt, nicht gewinnen kann. Und auch dann ist ein Sieg fraglich, sobald sie sich einer mit Rußland verbündeten syrischen Armee gegenübersieht. Denn mit „Terroristen“ und Milizen aufzuräumen und die eigene Zivilbevölkerung zu terrorisieren (Cizre ff.), ist etwas anderes als einer regulären und auch kampferprobten Armee gegenüberzutreten.
Der Einsatz für die Türkei steigt jedenfalls.

Serie „Lateinamerika heute“. Teil 14: Honduras

WAS IST EIGENTLICH EINE BANANENREPUBLIK?
Honduras hätte eigentlich alles, um seine Bewohner zu versorgen: Berge und fruchtbare Ebenen, und Küsten an zwei Weltmeeren, die Fischfang und Handel ermöglichen. Und vor der Ankunft der Spanier funktionierte das auch so, wie die Schriften des Chronisten der Conquista, Bartolomé de Las Casas, bezeugen. Denen zufolge lebten in Mittelamerika damals ähnlich viele Leute wie in den 50-er Jahren des 20. Jahrhunderts, und lebten mehr oder weniger friedlich vor sich hin.
Dennoch ist Honduras heute eines der ärmsten Länder Lateinamerikas. Die reichlich gebende Natur wird – wenn überhaupt – offenbar vor allem für den Anbau der sattsam bekannten Bananen in Anspruch genommen, neben einigen anderen Cash Crops. Für die Grundnahrungsmittel bleibt deshalb zu wenig Anbaufläche übrig.

Die Geschichte Honduras’ vor der Banane
Im Unterschied zu anderen Staaten Mittelamerikas wurden in Honduras in der Kolonialzeit Gold und Silber abgebaut. Zu diesem Zweck wurden auch schwarze Sklaven importiert, da die einheimische Bevölkerung den Strapazen des Bergbau nicht gewachsen war und sich durch den Arbeitszwang rapide verringerte.

Im Laufe der folgenden Jahrhunderte erschöpften sich diese Vorkommen und bis ins 19. Jahrhundert war die Gegend ökonomisch bedeutungslos für das Spanische Kolonialreich geworden. Die Unabhängigkeitskriege in Mittelamerika spielten sich daher im Schlepptau der wirklich großen Auseinandersetzungen mit den spanischen Heeren im heutigen Mexiko und Südamerika ab, und waren vor allem Schlachten und Kriege der verschiedenen lokalen Feudalherren und Militärs gegeneinander.

Nach verschiedenen Versuchen, einen mittelamerikanischen Gesamtstaat zu schaffen, der vor allem von Großgrundbesitzern aus dem Territorium des heutigen Guatemala hintertrieben wurde, konstituierte sich Honduras als selbständiger Staat. Es folgten Jahrzehnte des Kampfes der städtisch-bürgerlichen Schichten gegen Großgrundbesitz und Kirche. Der „Pfaffenkrieg“ führte zur Ermordung des antiklerikalen Präsidenten Santos Guardiola im Jahr 1862.
Erst unter diesem Präsidenten kam jedoch die heutige territoriale Einheit von Honduras zustande, als mit Hilfe der USA die Karibikküste und die Inseln der Bahia von britischen Okkupanten und Abenteurern gesäubert und der honduranischen Oberhoheit unterstellt wurden.

Noch bis weit ins 20. Jahrhundert versuchten die englischsprechenden Bewohner dieser Gegenden, sich dem Schutz der britischen Krone zu unterstellen, erhoben Spezialsteuern auf honduranische Produkte usw.
Die Bahía-Inseln waren insofern bedeutend für die Entwicklung von Honduras, als sich hier die ersten Bananenplantagen entwickelten und der Bananenhandel mit den USA begann, über eine Firma aus New Orleans.

Bananen, Eisenbahn und Schulden

Die Ausweitung der Bananenproduktion ist eng verbunden mit dem Eisenbahnbau in Honduras. Im 19. Jahrhundert gab es mehrmals Anläufe verschiedener Regierungen zur Erschließung des nationalen Territoriums mittels einer Eisenbahnverbindung von Nord nach Süd, von der Karibikküste zum Golf von Fonseca.
Mittels Aufnahme von Krediten bei französischen und britischen Bankhäusern, über dunkle Mittelsmänner, die teilweise in ebenso dunklen Kanälen versickerten, wurden von 19867 bis 1870 einige Eisenbahnkilometer gebaut und Lokomotiven angeschafft, eine notwendige Brücke kam nicht zustande und die ganze Unternehmung krachte bald.

Zurück blieb ein Haufen Schulden unklarer Herkunft, deren Handhabung den Ruf von Honduras auf dem internationalen Kreditmarkt beschädigte, sodaß seine Regierungen von da ab nicht kreditwürdig waren.

China plant in neuerer Zeit abermals eine interozeanische Eisenbahnlinie in Honduras, als Alternative zum Panamakanal, aber sehr weit ist dieses Projekt derzeit noch nicht gediehen.

Der Bananenanbau- und Export entwickelte sich zunächst klein-klein – viele kleine und mittlere Landbesitzer kultivierten die Bananen und brachten sie irgendwie mit Last- und Zugtieren und über Flüsse an die Häfen der Atlantikküste, wo sie auf Schiffe geladen wurden, die Richtung USA, genau: nach New Orleans fuhren.

Die Zentralisierung kam zunächst über den Handel. Ausgehend vom Eisenbahnbau und der Not, die Eisenbahn auszulasten, entstand 1899 die United Fruit Company in Boston und der Vorläufer der Standard Fruit Company in New Orleans. Um den Transport voranzubringen und so die Lieferwege schneller und sicherer zu machen, setzten sie auf die Eisenbahn. Die beiden Handelsgesellschaften finanzierten den Eisenbahnbau entlang der Karibikküste.
Da Honduras nichts zahlen konnte, erhielten die Obstexport-Firmen große Territorien zum Gebrauch unentgeltlich überlassen, auch wenn es dort bereits Bananenpflanzer gab. Die konnten gehen. Ebenso erhielten die US-Firmen Steuer- und Abgabenfreiheit.

Für entsprechende Zahlungen verzichteten also verschiedene honduranische Präsidenten ab 1900 praktisch auf Teile ihres Territoriums. Dafür stellten gewisse Zahlungen der Obstfirmen eine Konstante für die Alimentierung diverser Regierungen dar, die Kooperation florierte.

Damals entstand, zunächst nur für Honduras, der Begriff der Bananenrepublik: Damit werden Staaten bezeichnet, deren Regierungen Land und Leute an Privatunternehmen verkaufen und daraus ihre Einkünfte beziehen. Die Souveränität dieser Staaten gleicht also der eines Art Hausmeisters, oder Forstverwalters, der die ausländischen Unternehmen in sein Haus oder auf sein Jagdgebiet läßt und dafür entlohnt wird.
Auch der Gewaltapparat solcher Staaten ist auf die Sicherung dieses Geschäftsmodells abgestellt. Den Bananenarbeitern gelang es im Verlaufe eines 1954 durchgeführten Streiks nur deshalb, den Obstfirmen einige Zugeständnisse abzuringen, weil das honduranische Militär damals damit beschäftigt war, beim Sturz des Präsidenten des Nachbarlandes mitzuhelfen.

Diese Harmonie zwischen ausländischen Gesellschaften, Militär und Regierung ist sehr brüchig, weil es immer sehr viele Aspiranten auf den doch relativ lukrativen Hausmeisterposten gibt, und auch hin und wieder Militärs und Politiker auftreten, denen dieses Modell nicht zusagt. Die USA mußten daher in Honduras öfter eingreifen, mit Kriegsschiffen, Bodentruppen und Diplomatie, um die US-Interessen zu schützen und für eine funktionierende Staatsgewalt vor Ort zu sorgen.

Das Militär
Zum oben beschriebenen Modell der Bananenrepublik gehört ein gut funktionierendes Militär. Die Eliten von Honduras achteten darauf, daß da nichts anbrannte. Zunächst benötigte Honduras sein Militär für die Unabhängigkeits- Separations- und Einmischungskriege gegenüber seinen Nachbarstaaten.
Dann wurde das Militär zu einem Element der Kontinuität der Staatsgewalt und einem Instrument der Sicherung des sozialen Friedens. Um diese Funktion auch erfüllen zu können, wurde erstens die Armee an staatlichen Versorgungsunternehmen beteiligt, um eine gesicherte Einnahmequelle unabhängig von der zeitweise leeren Staatskasse zu haben.
Außerdem war der Wehrdienst jahrzehntelang verpflichtend. Das sah so aus, daß die Rekrutierungs-Kommissionen in die Schulen gingen und dort die Halbwüchsigen mitnahmen. Viele der Rekruten waren also minderjährig, Kindersoldaten, und besonders abhängig und formbar durch die Offiziere.

Daß es für wirkliche Kriegshandlungen gegenüber einem gleichermaßen bewaffneten Gegner wenig taugt, erwies der Krieg der 100 Stunden gegen das weitaus kleinere El Salvador. Nur mit großer Mühe und der Vermittlung anderer lateinamerikanischer Staaten gelang es Honduras, die salvadorianische Invasion zu stoppen und die Truppen zum Verlassen honduranischen Territoriums zu veranlassen.

Möglicherweise durch diese ernüchternde Erfahrung wurde das honduranische Militär in der Folge zum engsten Verbündeten der USA in Mittelamerika. Schon beim Sturz von Arbenz in Guatemala hatte sich Honduras als Hinterland für US-Operationen angedient. In den 80-er Jahren, nach dem Sieg der Sandinisten in Nicaragua, wurde Honduras zu einer Basis für die Contra-Ausbildung und deren Ausrüstung und Einsatz zur Terrorisierung der grenznahen Bevölkerung Nicaraguas.

Heute hat Honduras ein Berufsheer, mehrere US-Stützpunkte und das gesamte Territorium von Honduras ist für das US-Militär mehr oder weniger der Ersatz für die Panamakanalzone, die es um 2000 endgültig räumen mußte. Das war auch der Hauptgrund für den Putsch gegen Zelaya 2009 – die USA wollten diese große Militärbasis nicht verlieren.

Das zivile Leben
Das Bananengeschäft hat seinen Zenit in Honduras schon lange überschritten. Der Hurrikan Mitch reduzierte 1998 die Bananenplantagen gewaltig, und bis sich die Pflanzungen etwas erholt hatten, war die Bananenindustrie weitergezogen und hatte sich andere Anbaugebiete erschlossen.

Hier kam auch die einseitige agrarische Entwicklung ins Spiel: Honduras hatte seine ganze Infrastruktur rund um den Bananentransport aufgebaut. Die Nordwestküste, die Häfen von Puerto Cortés und Ceiba, das Hinterland um San Pedro Sula und noch einige Gegenden waren durch Straßen und Eisenbahnen miteinander verbunden, um die Bananen abtransportieren zu können. Verwendbares Land für Anbau hätte es zwar woanders auch gegeben, aber die Transportmöglichkeiten fehlten.

Obwohl Honduras über große unerschlossene Gebiete verfügt, sind die weder für die Agrarwirtschaft noch für die Subsistenzbauern zugänglich und liegen weiter brach. Sie lassen sich nicht militärisch kontrollieren, ihre Nutzung ist daher auch von der Obrigkeit her nicht vorgesehen und wird nicht gefördert.

Honduras hat daher eine relativ große Bevölkerung von Landlosen, die in den Armenvierteln der beiden großen Städte San Pedro Sula und der Hauptstadt Tegucigalpa vor sich hingammeln und von Gelegenheitsarbeiten und Kriminalität leben, und auf der anderen Seite große leere Gebiete, die aus den oben beschriebenen Gründen nicht zueinander kommen (können).

Das letzte Mal, als Teile dieser Urwälder & Sümpfe irgendwie benützt wurden, war für die Bekämpfung der sandinistischen Revolution.

Die Contras
Den Kern der Contras, also nicaraguanischen Konterrevolutionäre, bildeten die nach Honduras geflüchteten Mitglieder der Nationalgarde, der mehr oder weniger persönlichen Schlägertruppe der Familie Somoza, die von den USA auch seinerzeit gut ausgerüstet worden waren, um die Herrschaft in der Bananenrepublik Nicaragua aufrechtzuerhalten.

Als Garanten des Systems Somoza waren sie Mitglied der Elite und gut bezahlt, der Sieg des Sandinismus stellte daher einen beträchtlichen Statusverlust dar. Sie waren zu allem bereit, um wieder in ihre vorherige beherrschende Stellung zurückkehren zu können. Zu diesen Mitgliedern der Nationalgarde gehörten auch diejenigen Leute, die das Privat-KZ der Somozas neben dem Präsidentenpalast betrieben hatten und dort Oppositionelle gefoltert und zu Tode gebracht hatten.

Es waren, mit einem Wort, ziemlich schwere Burschen.

Nachdem Ronald Reagan Präsident geworden war, nahmen er und die CIA-Spitze sofort Kontakt mit deren Anführern auf und sagten ihnen alle nötige Unterstützung zu, um die Sandinisten wieder zu vertreiben.
Dies bezog sich auf militärisches Gerät, Geld, Propaganda und auch militärischen Beistand: So besetzten wiederholt US-Kriegsschiffe nicaraguanische Hafeneinfahrten, um das Land am Import dringend benötigter Güter – Lebensmittel, Medizin und Waffen – oder Export zwecks Devisenbeschaffung zu hindern.
Außerdem wurden Werbekampagnen gestartet, um die Sandinisten zu einer Gefahr für die USA zu stilisieren, und die Contras zu Helden, die die USA vor ihnen beschützten.

Das Geld war ebenfalls wichtig, weil so konnten die Contras nicaraguanische Flüchtlinge oder auch honduranische Elendsgestalten rekrutieren, die zwar keine Ahnung davon hatten, was die Sandinisten vorhatten, und warum sie sie bekämpfen sollten, aber für die eine Versorgung und Sold eine willkommene Einkommensquelle darstellten. Die Contra-Armee wuchs dadurch beträchtlich an.

Die honduranischen Präsidenten Policarpo Paz García und Roberto Suazo Córdova stellten gerne honduranisches Gebiet und Militärinstallationen für diese „Mission“ zur Verfügung, da für die Staatskasse und auch einige private Kassen dabei einiges abfiel, und im Vorübergehen auch etwaige einheimische Subversion erledigt wurde.

Da der US-Kongress die Unterstützung dieser Mörder- und Foltertruppe, die in Nicaragua eine Politik der verbrannten Erde betrieben, einstellte, boten der CIA und die US-Regierung einiges an Einfallsreichtum auf, um diese Henker weiter zu finanzieren, was später als Iran-Contras-Skandal die Öffentlichkeit und die Gerichte beschäftigte.
Die Enthüllungen um die illegale Finanzierung und der Wahlsieg der antisandinistischen Partei UNO und die Amtseinführung der Präsidentin Violeta Chamorro führten zur schrittweisen Einstellung der Unterstützung, der Entwaffnung und der Integration in die Streitkräfte Nicaraguas.

Diese „Versöhnung“ wurde auch mit viel Pomp und Glorie öffentlich-wirksam gefeiert, mit einer „Friedenshauptstadt“ und Waffenabgaben im Blitzlichtgewitter. Für die Öffentlichkeit war also alles in Butter.

Es ist allerdings naiv, anzunehmen, daß Leute, die nachweislich ganze Dörfer niedergebrannt und ihre Einwohner allen Alters und Geschlechts in Stücke gehaut hatten, sich ohne weitere Reibungen in das Militär und die Gesellschaft einreihen würden, die sie bisher mit dergleichen Methoden bekämpft hatten.

Die meisten „Contras“ konnten bzw. wollten daher nicht nach Nicaragua zurückkehren. Das Risiko war groß, daß jemand mit ihnen ähnlich verfahren würde, wie sie seinerzeit mit ihren Gegnern.
Sie gaben auch ihre Waffen nicht ab, oder sie besorgten sich schnell neue.
Sie blieben in Honduras und bildeten Banden, dienten sich als Drogentransporteure an und hoben dort das Kriminalitätsniveau an. Später schlossen sie sich mit Kriminellen aus El Salvador zusammen, und langsam versank ganz Honduras, zumindest die dichter besiedelten und erschlossenen Teile davon, in dieser Bandenkriminalität.

Ende Juli beschimpfte Trump den schwarzen demokratischen Bürgermeister der Stadt Baltimore mit den Worten, seine Stadt sei schlimmer als Honduras.

Dazu veröffentlichte der Standard am 31.7. folgende Zahlen:

„Nach Angaben der US-Bundespolizei FBI lag die Mordrate in Baltimore im Jahr 2017 bei 55,8 pro 100.000 Einwohner und damit hinter jener von St. Louis im Bundesstaat Missouri. Baltimore hat rund 600.000 Einwohner.
Im Neunmillionenland Honduras wurden 2018 insgesamt 41,2 Morde pro 100.000 Einwohner verzeichnet. Das honduranische San Pedro Sula ist einem Bericht der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) vom November zufolge eine der gewalttätigsten Städte der Welt. Die Mordrate lag dort demnach bei über 80 pro 100.000 Einwohner.“

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siehe auch:
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 2: Nicaragua
AUFRUHR IM HINTERHOF
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 12: El Salvador
(ER)LÖSUNG NICHT IN SICHT