„Pulverfaß“ Syrien

DER DURCH UND DURCH VERLOGENE IMPERIALISTISCHE AUFMARSCH GEGEN DEN IS
Wenn es denn wirklich so wäre, daß der IS „unsere Werte“ gefährdet, „unsere Sicherheit“ bedroht und überhaupt alles repräsentiert, was die westliche Wertegemeinschaft als verwerflich brandmarkt, so wäre die Sache ja einfach: alle Staaten, die den IS in irgendeiner Form unterstützen, mit Sanktionen belegen und gegenbenenfalls militärisch bekämpfen. Also einen „regime change“ in Saudi Arabien, Katar, der Türkei und möglicherweise andere Golfstaaten in die Wegen leiten und diese Länder zu Parias der internationalen Staatengemeinde erklären.
Ob das effizient wäre und das Ende des IS bedeuten würde, sei dahingestellt. Es ist zumindest dasjenige Instrumentarium, das „der Westen“ bisher gegen Staaten und Regierungen in Anschlag gebracht hat, die ihnen aus irgendeinem Grund nicht in den Kram gepaßt haben.
Daß dergleichen nicht einmal angedacht wurde, weist darauf hin, daß es mit der Ablehnung des IS nicht gar so ernst gemeint sein kann, daß diese ungemütlichen Halsabschneider zwar manchen Regierungen und Interessen störend auffallen, aber daß es andere Interessen gibt, die keineswegs eine negative Stellung zu dieser Kriegspartei einnehmen, und daß diese Interessen weltweit anerkannt sind.
An der Stellung verschiedener Staaten zum IS kann man erkennen, daß sich hier sehr deutliche Interessensgegensätze zwischen den Staaten auftun, die aber nicht in eine offene Konfrontation münden sollen – zumindest vorerst einmal.
1. Die EU unter sich
Frankreich hat nach den letzten Pariser Attentaten behauptet, angegriffen worden zu sein, einen EU-internen Bündnisfall ausrufen zu können und gemeint, sich ab jetzt im Krieg gegen den IS zu befinden. Damit hat es der Halsabschneider-Truppe mehr oder weniger bescheinigt, was diese schon länger über sich selbst verkündet, nämlich ein Staat zu sein.
Hollande hat also mit seiner Kriegserklärung den IS enorm aufgewertet. Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten, weil es vermutlich das weltweite Lager der IS-Anhänger verstärken wird, die sich jetzt einer wirklich machtvollen und als solche anerkannten Organisation zugehörig fühlen können. Es sind also nicht nur die Attentate selbst, sondern auch die Reaktion darauf, die die Attraktivität des IS erhöht.
Das war zwar nicht Absicht des französischen Präsidenten, es war aber nötig, um den Bündnisfall auszurufen, der irgendwo in den Konvoluten des EU-Schrifttums festgelegt ist: wird ein Mitglied angegriffen, so müssen ihm die anderen beistehen. Die französische Führung wollte so eine Art Kreuzzug gegen den IS zustandebringen und anführen.
Das ging gründlich in die Hose. Einige Staaten reagierten nicht, Finnland sagte „nein, danke“, und die einzigen, die bereit waren, diesem Schlachtruf überhaupt zu folgen – GB und Deutschland – stellten von Anfang an klar, daß sie aus eigenem Gutdünken tätig werden wollen, aber keineswegs unter französischer Führung oder nach Vorgaben Frankreichs.
Frankreich steht also ziemlich allein da, weder von den USA noch von seinen eigenen vermeintlichen Verbündeten erhält es Unterstützung für seinen eigenen Dschihad für die europäischen Werte. Aufgrund seines Engagements in Westafrika und im Inland – die Militärpräsenz in Frankreich selbst wurde erhöht, sowohl wegen der Terroranschläge als auch wegen der Flüchtlinge – hat es jedoch kaum mehr personelle Kapazitäten, um den Einsatz in Syrien auszuweiten.
Es präsentiert sich also nicht nur politisch recht ohnmächtig, sondern auch noch dazu militärisch relativ bescheiden. Der Versuch, sich durch sein Schicksal als Terrorziel in der imperialistischen Hierarchie als Führungsmacht ins Spiel zu bringen, ist kläglich gescheitert.
Großbritannien und Deutschland hingegen wissen zwar gar nicht so genau, was sie dort in Syrien jetzt eigentlich erreichen bzw. machen wollen, aber ihnen ist klar, daß man da als halbwegs ernst zu nehmende politische Macht unbedingt mitmischen muß.
Das alles gibt reichlich Stoff für politische und militärische Konfrontationen – erstere weltweit, letztere in und über Syrien. Da sich die EU-Mächte so gar nicht von ihren Kollegen führen lassen wollen, ist eine Kollision oder ein Abschuß eines Flugzeugs keineswegs ausgeschlossen.
Dadurch definiert sich auch das Verhältnis zu Rußland neu.
2. Die EU, die USA und Rußland
Während Frankreich, um seine Schlappe irgendwie wieder auszugleichen und seinen Terrorismus-Rechtstitel doch noch irgendwie zu verwerten, sehr unernsthaft mit Rußland verhandelt – nie könnte es sich Frankreich leisten, aus EU und NATO derartig auszuscheren – vollführen Deutschland und Großbritannien Säbelgerassel, das zwar von ihrem unverbrüchlichen Entschluß Zeugnis ablegt, ebenfalls mit Militär vor Ort zu sein, aber keinerlei Kriegsziele ins Auge faßt. Die Absichtserklärung „Bekämpfung des IS“ bleibt ebenso vage wie die Definition irgendwelcher Bündnisse und Bündnispartner. Es ist nur klar, daß Rußland und Assad Feinde sind und bleiben, – IS-Schreckgespenst hin und her –, auf die man aber doch notgedrungen irgendwie Rücksicht nehmen muß, wenn man nicht den Abschuß eines eigenen Flugzeugs riskieren will.
Nach Studium der Medien erscheint es dem unbefangenen Beobachter so, als ob das russische Waffenarsenal und die immer noch halbwegs intakte syrische Armee die wirklichen Hindernisse sind, an denen sich die kriegsgeile EU-Führungsmannschaft abarbeitet, während IS, Al Kaida, die Terroristen und Halsabschneider und der schreckliche islamische Fanatismus, der unsere Werte bedroht, nur unter ferner liefen figurieren.
Rußland, das wegen seines Engagements in Syrien in letzter Zeit zwei Flugzeuge verloren hat, steht auf dem Standpunkt, daß die syrische Regierung legitim ist – diesen Standpunkt teilt es mit der UNO – und deshalb gestärkt gehört, um die Souveränität über ihr Territorium wiederzuerlangen. Dabei steht es der syrischen Regierung bei.
Mit diesem Anliegen und dem dafür eingesetzten Gewaltapparat gerät es in Gegensatz zu den Vertretern von Freiheit und Demokratie. Deren Interessen sind zwar unterschiedlich, die Einheit und Befriedung Syriens steht jedoch nirgends auf der Agenda. Es ist auch nicht Freiheit und Demokratie, die die Häuptlinge der USA und der dickeren EU-Brummer in erster Linie beseelt, was man daran sieht, daß sie sich problemlos mit einem Staat gemein machen, ihn sogar hofieren, in dem regelmäßig Ehebrecherinnen gesteinigt, Hände abgehackt und Leute ausgepeitscht werden, und in dem weder Frauenrechte noch freie Wahlen existieren.
3. Die feinen Verbündeten des Freien Westens
An der unverbrüchlichen Freundschaft der USA und der EU mit Saudi-Arabien zeigen die Obermacher des Freien Westens sehr deutlich, daß die ganze „Wertegemeinschaft“ und das Getue um Fortschritt, Menschenrechte usw. nur ein ideologischer Zirkus ist, mit dem die eigenen politischen und ökonomischen Interessen verbrämt werden und somit eine höhere Weihe erhalten. Während den Flüchtlingen dauernd um die Ohren geschlagen wird, sich doch gefälligst zu integrieren und die Demokratie als höchstes Gut anzuerkennen, muß Saudi-Arabien sich bei Staatsbesuchen nicht einmal Menschenrechtsgesäusel anhorchen, womit z.B. chinesische Politiker regelmäßig genervt werden. Es ist offensichtlich, daß dieser Staat sich alles erlauben kann, auch das durch keinerlei UNO-Resolutionen gedeckte, seit Monaten stattfindende Bombardement des Jemen.
Ähnlich verhält es sich mit der Türkei. Während die Medien in den letzten Jahren in den letzten Jahren voll waren mit Berichten über gewaltsam niedergeschlagene Demonstrationen, verfolgte, verhaftete und ermordete Oppositionelle und Journalisten, und dem zumindest mit EU-Standards nicht kompatiblen Umgang mit Minderheiten, wird der Türkei gegenüber inzwischen von offizieller Seite kein kritisches Wort mehr laut – ihre Regierung wird hofiert, ihr wird Geld versprochen, bei allen möglichen Gipfeln werden Hände geschüttelt, ideell wird den türkischen Kollegen auf die Schulter geklopft, und der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß die Türkei erstens die Flüchtlinge nicht mehr nach Europa durchlassen und zweitens Rußland in seine Schranken weisen wird.
Die Türkei soll sich also als Vorposten der EU und USA bewähren, und dafür hat sie alle Freiheiten.
Fazit
Was in nächster Zeit in Syrien, Irak und Umgebung passieren wird, steht in den Sternen. Es gibt dort die syrische Regierung und ihre Armee, kurdische Organisationen bzw. Milizen, die untereinander gespalten sind (syrische Kurden & PKK versus irakische Kurden unter der Führung des Barzani-Clans), den IS, die Al-Nusra-Front, – beide ziemlich aufgefettet durch internationale Unterstützung – und andere „moderate“ Rebellen, die entweder bedeutungslos oder untereinander zerstritten sind, dem Ganzen übergeordnet die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Führung in der islamischen Welt; ferner die USA, Rußland und einige europäische Mächte, schließlich die Anrainerstaaten Syriens und des Irak, die teilweise von Flüchtlingen überrannt sind und wo sich ebenso ambitiöse wie verrückte Kalküle auftun über die Möglichkeit, ihr Territorium oder ihren Einfluß zu erweitern. Zu all diesen politisch-strategischen Interessen gesellen sich noch energiepolitische Überlegungen und das Interesse, einmal die eigenen Waffen auszuprobieren.
Wer immer noch glaubt, hier ginge es um Werte oder auch nur um Demokratie, also die hier übliche Staatsform, ist mit pro-EU-Verblödung geschlagen, die jedoch gerade unter kritischen Menschen fröhliche Urständ feiert, weil sie durch Festhalten an den Rechtstiteln fürs staatliche Zuschlagen ihre inhaltsleere Distanz zu Rassismus und religiös verbrämten Fanatismus zum Ausdruck bringen wollen – also diejenige Gewalttätigkeit ablehnen können, die unmittelbarer vorgeht und über weniger schöne Rechtfertigungsideologien verfügt.
Was ist schon ein von einer Drohne verursachtes Gemetzel in Afghanistan gegen ein paar abgeschnittene Köpfe im Internet!

Westliche Importware auf den Scheiterhaufen!

LEBENSMITTELVERNICHTUNG
Die Medien, sogar einige russische, vor allem aber westliche, sind empört: In einem Land, wo „22 Millionen Russen unterhalb der Armutsgrenze leben, … wovon 80 % Familien mit Kindern sind,“ (El País, 7.8.) werden doch glatt Lebensmittel in großem Stil vernichtet. Anstatt sie wenigstens Waisenhäusern zu geben. Im Standard wird sogar der „Kommunistenführer“ Gennadij Sjuganow als Kronzeuge des Humanismus zitiert, „der vorschlug, konfiszierte Lebensmittel doch besser an Kirchen, Bedürftige oder die Bevölkerung in den Rebellengebieten im Donbass zu verteilen.“ Sonst wird Sjuganow eher als Politkasperl dargestellt, der außer ein paar Pensionisten kaum Anhänger für seine weltfremde Sowjetnostalgie um sich versammeln kann. Aber hier kommt er als Putin-Kritiker und Menschenfreund gerade recht.
Es ist schon eigenartig: in einem Wirtschaftssystem, in dem klar ist, daß alles auf der Welt nur für den Verkauf hergestellt wird, und wo regelmäßig entrüstete Berichte über die von den Supermärkten weggeworfenen Lebensmittel veröffentlicht werden, ist die Lebensmittelvernichtung in Rußland ein mittlerer Skandal.
Auch daß es in Rußland arme Menschen gibt, wird in diesen Berichten irgendwie als eine weitere Gemeinheit von Putins Regierung hingestellt. Die zunehmende Armut in Griechenland hingegen ist leider leider! marktwirtschaftlich notwendig und geht daher völlig in Ordnung. Selber schuld, hätten sie nicht vorher Party gemacht, jetzt müssen sie die Zeche zahlen.
Seinerzeit, in den 90-er Jahren unter Jelzin, waren Armut und Elend in Rußland kaum Thema in den Leitmedien, sie galten als Ergebnis schmerzlicher, aber unbedingt notwendiger Reformen auf dem Weg zur Marktwirtschaft.
Die russische BBC-Website erinnert zumindest daran, daß z.B. in Frankreich ständig von Bauern Lebensmittel vernichtet werden, um gegen den Verfall der Preise zu protestieren. Daß es in den USA gerade in der Big Depression unter Roosevelt im Rahmen des New Deal massenhaft zur Vernichtung von Lebensmitteln kam.
Diese Lebensmittelvernichtungs-Aktionen dienen einerseits dem Funktionieren des Marktes und der Geschäftskalkulation. Es geht oder ging darum, Landwirtschaft aufrechtzuerhalten, um einen Nährstand zu erhalten. Die Lebensmittelvernichtungen und Stillegungen des New Deal schufen die Grundlage des Agrarkapitalismus in den USA, weil stabile bzw. steigende Lebensmittelpreise den Agrarsektor für das Kapital attraktiv machten.
Vernichtung von Waren, um Preise in die Höhe zu treiben, gehört zum kapitalistischen Geschäft dazu. Die Stillegungsprämien der EU, die die agrarische Produktion drosselten, um nicht bereits produzierte Lebensmittel vernichten zu müssen, dienten auch diesem hohen Ziel.
Bei den Lebensmitteln ist besonders augenfällig, wie sehr jedes Bedürfnis nur vom Standpunkt der Zahlungsfähigkeit interessiert, und gegebenenfalls auch negiert wird, wenn es dem geschäftlichen oder auch dem übergeordneten nationalen Standpunkt zuwiderläuft.
Auch darum geht es in Rußland, aber es geht auch um mehr: es soll klargestellt werden, daß der Entschluß der russischen Regierung, die gegen Rußland verhängten Sanktionen ihrerseits mit Einfuhrverboten zu beantworten, ernst gemeint und unwiderruflich ist. Diese Botschaft soll erstens im Inland vernommen werden – Umdeklarieren und Einschmuggeln von EU-Lebensmitteln ist nicht nur ein Gesetzesverstoß, sondern eine Art Hochverrat. Das wird Importeuren, Grenzbeamten und dem russischen Handelskapital mit diesen Scheiterhäufen und Bulldozer-Plattmachungen zur gefälligen Kenntnisnahme übermittelt.
Zweitens hat diese Aktion auch Adressaten außerhalb der Landesgrenzen: der EU in allen ihren Abteilungen wird hiermit signalisiert, daß Rußland den ihm hingeworfenen Fehdehandschuh aufgehoben und angemessen reagiert hat und daß diese Entscheidung in Kraft bleibt, solange es sich die EU nicht anders überlegt. Die Vernichtung der Lebensmittel hat damit eine ähnliche Aussagekraft wie der Beschluß, Iskander-Raketen nach Kaliningrad zu verlegen und die Ankündigung, die Krim mit Atomwaffen zu verteidigen. Rußland steht zu seinen Interessen, ohne Rücksicht auf die Kosten! – das soll im In- und Ausland verstanden werden.
Damit das auch mit der nötigen Deutlichkeit wahrgenommen wird, wurden neben den russischen Medien auch solche aus der ganzen Welt eingeladen, an diesen Brandopfern teilzunehmen und darüber zu berichten. Vernichtung beschlagnahmter Lebensmittel fand übrigens bisher auch statt – diesmal jedoch wurde sie als demonstrativer Akt mit möglichst großer Öffentlichkeitswirkung inszeniert.
Angesichts dieser Show können alle Putin-Freunde wahrnehmen, daß hier eine politische Führung die Interessen der Nation über alles stellt und ihr dabei die Bedürfnisse der Untertanen ganz gleichgültig sind, und man kann auch sehen, daß die Herrschaft von Markt und Geld in Rußland heimisch geworden ist.

Eurorettung und Griechenlandkrise

GELDFETISCH

Angesichts der Verhandlungen zwischen der Eurogruppe und Griechenland um die Fortführung der Kreditstützungsprogramme lassen sich die Kommentare, vom angesehensten Ökonomen bis hin zum kleinsten Wirtshaustisch-Eiferer, in zwei Kategorien einteilen:

1. Die Griechen sind faul (korrupt, hinterfotzig, untüchtig usw.)
2. Die Deutschen sind böse (haben Herrschaftsanspruch, betreiben Waterboarding, sind unmenschlich, undemokratisch usw.)

Fast alles, was in den letzten Wochen und Monaten dazu geschrieben worden ist, läßt sich auf diese beiden Grundauffassungen zurückführen. Selbst wenn der einfache Rassismus oder die primitive Schuldzuweisung weggelassen wird, so bleibt die Kernaussage doch die: wo sind die Gründe dafür, daß etwas schiefgelaufen ist – in Griechenland oder bei der EU-Führung?

Wer dabei fein heraußen ist, ist die Hauptperson, oder graue Eminenz der ganzen Angelegenheit, nämlich der Euro selbst.

1. Geld, Weltgeld
Dem Geld werden von der VWL alle möglichen hohen und schönen Funktionen zugeschrieben: Es enthebt die Menschen der Mühsal, ständig Säcke mit Kartoffeln herumzutragen, um sie gegen Kochtöpfe oder Schuhwerk einzutauschen. Das ist insofern verlogen, als die meisten Menschen nichts anderes zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft.

Das Geld dient also in erster Linie dazu, die Menschen zum Verkauf ebendieser zu nötigen, oder sich sonst irgendwie jobmäßig zu betätigen, ihre Arbeitskraft also in irgendeiner Form zu Geld zu machen, sei es als Lohnarbeiter, Staatsangestellter oder als „neuer Selbständiger“, vulgo Ich-AG.
Das Geld diene dazu, daß die Waren zu den Kunden kommen, heißt es. Auch das ist eine dicke Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Ka Geld, ka Musi! Wer das nötige Kleingeld nicht aufbringen kann, kommt an gar keine Ware heran, nicht einmal ein Dach über dem Kopf kann sich so jemand leisten. Die nicht zahlungsfähigen Bedürfnisse kommen in der VWL gar nicht vor, fallen nicht unter „Nachfrage“ und sind kein Faktor in den Kalkulationen der Unternehmen.

Das Geld dient also weiters dazu, die Menschen vom konkreten Reichtum dieser Gesellschaft zu trennen.

Diese beiden Eigenschaften des Geldes machen es zu einem Instrument der Klassenherrschaft.
Neben der Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung verpflichtet die Staatsgewalt alle ihre Bürger auf ein einziges gültiges Zahlungsmittel und verschafft sich durch die Ausgabe dieses Geldes ein zusätzliches Zwangsmittel, mit der es die Nützlich-Machung der Besitzlosen für die besitzende Klasse sicherstellt.

Das Geld ist also ein Mittel der staatlichen Kontrolle über die damit verwaltete Gesellschaft. Es ist wichtig, sich diese Eigenschaft vor Augen zu halten angesichts der Tatsache, daß ein Haufen Staaten vor inzwischen mehr als 15 Jahren dieses Element seiner Souveränität mit Freude und Jubel einer übergeordneten Instanz überantwortet hat.

Das Geld ist weiters das Maß der Werte, dasjenige Medium, in dem der abstrakte Reichtum der Gesellschaft gemessen wird. Die Gewinne der Unternehmer, aber auch die Steuereinnahmen und die Ausgaben des Staates, die Handelsbilanz und das heilige Wirtschaftswachstum werden in Geld gemessen, und zwar in Weltgeld. Um zu wissen, ob ein Geschäft wirklich lohnend war, verlassen sich die Unternehmer der ganzen Welt nicht auf windige brasilianische Reals oder türkische Lira. Sie messen es in Dollar oder in Euro.

Für die Unternehmen ist es also ein unverzichtbarer Dienst, ihnen staatlicherseits ein Geld zur Verfügung zu stellen, mit dem sie auf der ganzen Welt ihren Geschäften nachgehen und ihre Gewinne bilanzieren können.

Hat der eigene Staat kein solches Geld, so muß er es sich auf dem Geld- und Kreditmarkt besorgen, durch Verschuldung, oft über Standby-Kredite des IWF. Die Verschuldung ist also für die meisten Staaten dieser Welt unumgänglich, wenn ein solcher Staat als Standort für Unternehmen taugen und eine Kapitalakkumulation auf seinem Territorium ermöglichen will. Damit ist natürlich nicht garantiert, daß sie auch gelingt, weil die Konkurrenz schläft nicht, alle machen es genauso und im allgemeinen heftet sich hier der Erfolg an die Fersen vorangegangener Erfolge.

Ein stabiles und überall einsetzbares Geld ist also eine Grundforderung der unternehmerischen Kalkulation und eine notwendige Vorleistung eines Staates für sein nationales Kapital.

2. Der Euro
Mit dem Euro glaubten seine Schöpfer den großen Wurf gemacht zu haben: Hier gibt es ein Geld, das auf einen Schlag alles erfüllt, was Staat und Kapital von so einem Geld erwarten: stabil, weil mit geringer Inflation ausgestattet; international als Zahlungsmittel anerkannt; innerhalb der EU ohne Wechselkurse und die sich daraus ergebenden Probleme; gegen Spekulanten wie Soros gesichert; Kredit floß in Strömen – und der sorgsam vorbereitete fulminante Start ließ schönste Hoffnungen aufkeimen, daß dieses gemeinsam geschöpfte Wundergeld den Dollar als Leitwährung einmal ablösen könnte.

Man kann sagen, daß auch diese Euro-Macher seinerzeit einem Geldfetisch aufgesessen sind: sie dachten, mit dem „richtigen“ Geld würde sich der ökonomische Erfolg automatisch einstellen. Daß das Geld irgendetwas damit zu tun hat, was die damit beglückten Untertanen oder gar die Politiker selber treiben, wurde von allen Schöpfern des Euro zwar irgendwie begriffen, aber eben nur als Einbahnstraße: wenn das richtige Geld da ist, so garantiert es den Geschäftserfolg der Unternehmer, denen es zur Verfügung gestellt wird. Es kann also nichts mehr schiefgehen, so die Überzeugung.

3. Kritik
Diejenigen wenigen Kritiker, die die Einführung des Euro seinerzeit bemängelten, kamen aus Deutschland und hatten einen Gesichtspunkt im Auge: daß die nationale Bilanzierung des kapitalistischen Geschäftserfolges und das gemeinsame Geld einen Widerspruch darstellten. Sie fürchteten, die schwächeren Ökonomien würden den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands schmälern und es letztlich um die Früchte seiner wertschöpfenden Arbeit bringen.

Diese Kritik war moralisch-nationalistisch und bewegte sich auf der gleichen Ebene wie die Euro-Erzeuger: das gemeinsame gute Geld könnte durch Schmarotzer mißbraucht werden. Das „gute Geld“ wurde hier als eine Art Belohnung der Tüchtigen aufgefaßt, die durch südlichen Schlendrian und östliche Korruption gefährdet wäre.

Heute, wo das Projekt Euro im Sinne einer Konkurrenz zum Dollar gescheitert ist, und er nur mehr mit außergewöhnlichen Anstrengungen am Leben gehalten wird, sehen sich diese Leute in ihrer Kritik bestätigt. Manchen erscheint eine Rückkehr zur DM wünschenswert, andere wiederum haben begriffen, daß das für die vom Euro ermöglichten Erfolge Deutschlands unangenehme Auswirkungen haben könnte.

Diese Kritik, die sich vor allem um die Nation und ihren Erfolg sorgt, gilt zu Recht als rechts. Daher positionieren sich alle Leute, die sich als links verstehen, genau umgekehrt und verteidigen den Euro. Die bösen Deutschen wollen den Griechen den Euro „wegnehmen“, und sie wieder mit ihrer windigen Drachme vor sich hin wurschteln lassen. Der Euro wird also als eine Art Wohltat aufgefaßt, und Armut und Elend, die er verursacht, als Ergebnis einer verfehlten Sparpolitik. Der Euro wird damit sozusagen in 2 Teile geteilt: Ein gutes Geld, das Prosperität schaffen könnte, wenn es nicht eine Politiker-Kaste von Betonköpfen gäbe, die alle segensreichen Wirkungen dieses guten Geldes zunichte macht. Euro – gut, Politik – schlecht! – so tönt es aus diversen linken Blogs und Webseiten.

Was soll man schließlich von der in diesem Chor fehlenden Kommunistischen Partei Griechenlands halten, die sich als Vertreterin der griechischen Arbeiterklasse versteht und ausgerechnet mit einem eigenen nationalen Geld den arbeitenden Massen dienen will?

Wir sind also in der öffentlichen Meinung mit dem konfrontiert, was Marx im „Kapital“ zu Recht als „Fetisch“ bezeichnet.

Erst macht man etwas, – das Geld ist ja eindeutig eine Schöpfung der menschlichen Gesellschaft, heute: ihrer politischen Eliten –,

dann sagt man, es kommt vom lieben Gott persönlich – den Herrgott ersetzt heute die „ohne-nicht“-Bestimmung: ohne Geld geht es nicht, da bricht alles zusammen;

und dann fällt man auf die Knie und betet es an.