Österreichische Premiere

EIN BUNDESLAND GEHT PLEITE
1. Die Anleihen und ihre Käufer
Die Hypo Alpe Adria begab (von ?) bis 2008 Anleihen in der Höhe von mindestens 11 Milliarden Euro, um ihre Expansion auf dem Balkan und auch diverse Projekte in Österreich selbst zu finanzieren. Die genaue Höhe der Anleihensumme ist trotz des seit Jahren tagenden Untersuchungsausschusses zur Hypo Alpe Adria nicht ganz klar.
Erstens, weil diese Anleihen halboffiziell über Jersey und Liechtenstein und nicht auf Börsen ausgegeben wurden, weil das die Kosten für die Emission erhöht hätte. Dadurch existiert eine Dunkelziffer in Bezug auf die Gläubiger.
Zweitens, weil diese Anleihen inzwischen auf Ramsch-Status gelandet sind, die Gläubiger, sofern offiziell, aber den Nennwert oder Marktwert von 2007 fordern.
Schließlich, drittens, weil nicht alle Gläubiger sich offziell melden: Es hätte auf ihren Kredit keinen guten Einfluß, wenn sie die Existenz solcher Papiere in ihren Portfolios einbekennen. „Es kursieren Investoren-Listen“, so heißt es im österreichischen Wirtschaftsblatt. Soviel weiß man jedenfalls, daß zu den Gläubigern viele österreichische Banken und Finanzinstitute gehören, und auch sonst alles versammelt ist, was Rang und Namen hat:
„Unter Berufung auf Daten des Bloomberg-Finanzinformationssystems haben die “Presse” und die ORF-“ZiB” aus Listen von Investoren zitiert. Jene Anteile, die von Banken und Fondsgesellschaften in Anleihefonds genommen werden, sind in dem System aufgelistet. Die Datensammlung dazu ist umfangreich, laut Zeitung findet sich darauf jedenfalls die Creme der nationalen und internationalen Banken- und Fondslandschaft.“ (Wirtschaftsblatt, 19.2. 2014)
2. Die Landeshaftung
Diese Anleihen waren, da der Kapitalstock der Bank klein war und sie eine Bank des Landes Kärnten war, durch Landeshaftungen besichert. Diese Landeshaftungen, die auch andere Bundesländer für Banken eingingen, waren ein Erbe des staatlichen Banksektors in Österreich und ein Ausdruck des Kapitalmangels des österreichischen Banksektors. Mit Hilfe dieser Landeshaftungen unternahm das österreichische Finanzkapital seine Eroberung der postsozialistischen Staaten. Die Landeshaftung Kärntens war also kein „Ausrutscher“ oder Sonderfall, sondern entsprach einer üblichen Praxis in Österreich.
Seit 2009, als die Hypo AA notverstaatlicht wurde, werden diese Anleihen vor sich hergeschoben. Der Rechtsstreit mit der Bayrischen Landesbank, die bei der Hypo AA 2007 als Mehrheitseigentümer eingestiegen war, zog sich bis zum Vorjahr bezüglich der Frage, welche Bank der anderen nach der Verstaatlichung etwas schuldig war. Die Frage der Anleihen berührte das aber nur am Rande.
2014 wurde noch abgewiegelt:
„»Diese Bank hat keine Liquiditätsprobleme, und es ist eine ziemlich kleine Bank und nicht von europäischer Relevanz«, sagte der österreichische Notenbankchef Ewald Nowotny in einem Reuters-Interview.“ (Wirtschaftsblatt, 19.2. 2014)
Der österreichische Nationalbankchef sah es also als vergleichsweise kleines Problem an, Anleihen in dieser Höhe einfach verfallen zu lassen.
So einfach ist das aber dann auch nicht. Die Gläubiger haben sich zu Kläger-Gruppen zusammengeschlossen und die von der Hypo-Nachfolgebank HETA bzw. von Kärnten angebotenen Vergleiche ausgeschlagen, die zwischen 10 und 25% der Nominalsumme abgedeckt hätten. Sogar Argentinien bot seinerzeit mehr bei den unter Néstor Kirchner abgeschlossenen Vergleichen, nämlich rund 33%.
Die „Angebote“ waren deswegen so unverschämt niedrig, weil eine Belastung des österreichischen Staatskredites vor allem im Jahr 2017, wenn das Gros dieser Anleihen zur Tilgung ansteht, diesen beträchtlich schwächen könnte. Zweitens aber auch deswegen, weil die österreichischen Verantwortlichen überzeugt waren, daß die Gläubiger jedes Angebot annehmen müßten, um überhaupt etwas von ihrem Geld zu sehen. Sie hielten Kärnten für nicht pfändbar.
3. Die Klage und die möglichen Folgen
„Die Creme der nationalen und internationalen Banken- und Fondslandschaft“ hat sich anders entschlossen und Kärnten geklagt, seine Garantien einzulösen. Sie können es sich nämlich nicht leisten, die Anleihen in ihren Portfolios zum Ramschwert abgelöst zu kriegen. Das würde erstens viele diese Gläubiger selbst in die Pleite treiben, und zweitens auch auf ähnliche Anleihen dieser Art, die auch andere Geldinstitute der EU begeben haben, eine sehr negative Wirkung entfalten. Die Verschuldung zwischen den Banken würde reihenweise Pleiten produzieren und Wertpapiere entwerten.
Die Klage eines Bundeslandes ist absolutes juristisches Neuland. Der Vorteil für die Gläubiger ist, daß die Anleihen pro forma ihren Wert behalten, solange sich der Rechtsstreit zieht, und keine Abschreibung vorgenommen werden muß.
An Kärnten könnte Ähnliches durchexerziert werden wie an Griechenland: massenhafte Entlassung von Landesbeamten, Privatisierung von Energie und Infrastruktur, Krankenhäuser ohne Medikamente, Suppenküchen für die am Härtesten Betroffenen, und der Bund müßte dann vermehrt für die Armutsverwaltung des Bundeslandes einspringen.
Wie man bereits an Griechenland sieht, führt dergleichen Schuldendienst und Pfändung zum wirtschaftlichen Ruin und stellt selbst die Wahrung der staatlichen Verwaltung und Ausübung der Staatsgewalt in Frage.
Wer würde in Kärnten die Polizei bezahlen, wenn alle Einnahmen gepfändet würden? Wer das Gesundheitswesen und die Sozialausgaben, wer die Lehrer und die Beheizung der Schulen?
Eine weitere Frage wäre, welche Gerichte für diese Verfahren zuständig sind. Was wurde bei den Anleihenemissionen als Gerichtsstand vereinbart? Ein österreichischer Standort oder ein britischer oder Liechtenstein? Nach welchem Recht würde geurteilt?
Parallelen zu Argentinien und zu Island drängen sich auf, aber hier handelt es sich um Inner-EU-Recht, was auch noch einmal etwas Neues wäre.
Eine solche Welle von Klagen, was hätte das für Auswirkungen auf Österreich und auf die EU? Eine Art Kampf jeder gegen jeden könnte losgehen.
Das spanische Bundesland Valencia ist mindestens so pleite wie Kärnten. Seine Anleihen werden mit staatlichen Garantien besichert. Wenn wieder eine Tranche von Tilgungen fällig wird, könnte Spaniens Staatskredit wieder einmal zu wackeln anfangen.
Die Garantien Österreichs für den Kredit Griechenlands, Irlands und Portugals könnten in Frage gestellt werden – wie kann Österreich für den Kredit anderer EU-Staaten garantieren, wenn es nicht einmal sein eigenes Bundesland vor der Pleite retten kann?
Ob die EZB hier wieder einmal die Kartoffeln aus dem Feuer holen kann, ohne ihren Ruf endgültig zu ramponieren?

Argentinien schifft wieder ab

RICHTUNGSWECHSEL IN ARGENTINIEN: MAURICIO MACRI, EIN HELD AUF ABRUF

Die internationalen Medien waren in den letzten Jahren immer mehr von Kritik am „Regierungsstil“ von Frau Kirchner erfüllt, die durch alle möglichen Eingriffe in die Wirtschaft die Investoren verschreckte, die Schulden Agentiniens nicht zahlte, sich den Chinesen an den Hals warf, und ihre Bevölkerung mit bevormundenden Subventionen „kaufte“, nur um ihres Machterhaltes willen natürlich, unnötige Geschenke an die Armen machte, die Inflationszahlen fälschte (im Unterschied zur EU, deren Statistiken von kristallklarer Wahrhaftigkeit sind) usw. usf.

Endlich, endlich kam die Erlösung in Form von Mauricio Macri, der sehr zur Freude der internationalen Beweihräucherer der Marktwirtschaft entschlossen war, den kirchnerschen Augiasstall auszukehren.
Ein paar Lobmeldungen:

„Kurz und sachlich – ein neuer Stil für Argentinien … Mit knappen und sachlichen Worten umriss er seine Ziele. Dazu gehört die Stärkung des Handels – was der Vertreter aus Deutschland gerne hört.“ (Tagesschau, 11.12.)

Die NZZ kann sich fast nicht einkriegen über die wirtschaftliche Vernunft, die sich endlich auch in Argentinien durchsetzt:

„Das interventionistische Korsett und die populistische Subventionspolitik des Kirchnerismus hatten zur Stagnation der Wirtschaft und zu Rekorddefiziten im Staatshaushalt geführt. Macri verfügte deshalb die Freigabe des Dollarkurses, entlastete die Agrar- und Industrieproduzenten von Exportsteuern und strich die Verbilligungen für bedürftige Konsumenten bei der Energie.“

ähnlich euphorisch der „Spiegel“:

„Die Argentinier haben für einen radikalen Wechsel gestimmt, nicht nur von links nach rechts, sondern auch und vor allem in der Kultur der Macht.“

Macri versprach auch, die Verhandlungen mit den Geierfonds wieder aufzunehmen, und gab als erstes einmal den Wechselkurs zum Dollar frei.

Man muß an dieser Stelle erklären, warum die Regierungen Kirchner eine Devisenbewirtschaftung einführten und bis zum Ende ihrer Amtszeit beibehielten.
Vor 2002 herrschte in Argentinien die Politik des „currency boards“, der 1:1-Bindung des Peso an den Dollar, die mit dem IWF ausgehandelt worden war. Sie wurde aufrechterhalten durch strikte Austeritätspolitik und der Möglichkeit, sich an internationalen Börsen in Devisen zu verschulden. Das Zusperren fast der gesamten Industrie – weil nicht effizient, nicht profitabel! – kippte Argentiniens Handelsbilanz, und die steigenden Importe konnten nur durch immer höhere Verschuldung bezahlt werden. Der IWF entzog Argentinien 2001 seine Gunst, damit auch die internationalen Kreditgeber. Argentinien konnte seine Schulden nicht mehr begleichen und meldete Zahlungsunfähigkeit an.
Seither ist Argentinien von den (traditionellen) internationalen Finanzmärkten abgeschnitten und der Staat kann sich nur aus der internen Reichtumsproduktion des Landes finanzieren, durch Steuern, Abgaben, Zölle und die unter diesen Umständen unvermeidlichen Schmiergelder.
Weiters können Importe – die unumgänglich notwendig sind, da die produktive Basis des Landes in Folge der IWF-Auflagen bis 2001 ziemlich geschrumpft war und sich bis heute unter den Bedingungen des Kapitalmangels nicht wirklich erholt hat – können also diese Importe nur mit denjenigen Devisen bezahlt werden, die durch Export erlöst werden. Da aber viele Devisenexporteure, vor allem im Agrarbereich, ihr Geld lieber im Ausland parken, sofern es möglich ist, gab es an dieser Front ständig Streit zwischen der Regierung und den exportierenden Unternehmen.

Das hatte mehrerlei Folgen: erstens eine Devisenbewirtschaftung zur Eindämmung der Kapitalflucht, und einen offiziellen Wechselkurs, der durch Interventionskäufe gestützt wurde, neben einem Dollar-Schwarzmarkt, der gegen entsprechendes Bakschisch geduldet wurde.

Eine weitere Folge war der Abschluß umfangreicher Handelsabkommen mit China, das im Gegenzug gegen Importe von Energie und LW-Produkten, vor allem Soja, Argentinien einen Kreditrahmen in Dollar sowie unmittelbaren Warentausch auf Verrechnungsbasis, ohne faktische Geldflüsse eröffnete.
Macri interpretierte in braver nationalökonomischer Manier diese Versuche, den Warenumlauf in Argentinien überhaupt am Laufen zu halten, als eine schädliche Knebelung der Wirtschaft, die Investoren verschrecke und deshalb das Gedeihen der Wirtschaft behindere. Er vertauscht also Ursache und Wirkung. Die Maßnahmen der Vorgängerregierung waren für ihn nicht Reaktionen auf ein Scheitern der Wirtschaft, sondern sind die Ursache dafür, daß sie nicht vorankommt. Er selber zeigt damit ein sehr kurzes Gedächtnis und setzt dieses auch bei seinen Landsleuten voraus, weil er die Ursachen und Folgen des Staatsbankrotts mehr oder weniger aus dem Bild herausretuschiert, und alle Mißstände in „schlechtes Regieren“ auflöst.

Sein erster großer Schritt in ökonomischer Hinsicht war das Ende der Devisenbeschränkungen und die Freigabe des Wechselkurses.
Auch das wurde begrüßt:

„Was die Freigabe des Peso für Argentinien bedeutet … Für die unternehmerische Mittel- und Oberschicht ist Macris Kurswechsel deshalb eine lange erwartete Glücksnachricht.“ (SZ, 17.12.2015)

„Er macht die Währung frei handelbar und reduziert Handelsbarrieren – ein Hoffnungsschimmer für Anleger und Unternehmen.“ (Wirtschaftswoche, 18.12.)

Die Folgen waren zwar irgendwie unerfreulich:

„Schon am Donnerstag (Ortszeit) rutschte der Peso um mehr als 40 Prozent zum Dollar ab,“ – gehen aber zweifelsohne in Ordnung: „Die neuen Notierungen entsprechen ungefähr den vorherigen Schwarzmarktkursen,“ also hat sich eigentlich ohnehin nicht viel geändert, oder?

Ausgerechnet das Handelsblatt hält sich weniger beim Geschimpfe auf die Vorgängerregierung und der Nährung des Prinzips Hoffnung auf, sondern redet Klartext:

„Die Regierung hofft, so die Exporte anzutreiben. Doch die Abwertung könnte die galoppierende Inflation weiter antreiben.“

Einfache Logik: Im Rahmen der Devisenbewirtschaftung konnten die Importeure bisher zum offiziellen Wechselkurs importieren. Jetzt müssen sie 40% – oder mehr – über dem vorigen Preis berappen und das an ihre Kunden weitergeben. Entweder die Gehälter in Argentinien werden erhöht, oder die meisten Leute können sich das Zeug nicht mehr kaufen, was den inneren Markt drastisch reduziert und Argentinien für Investoren sehr unattraktiv macht. Die Freigabe des Wechselkurses wird also zwangsläufig eine neuerliche Verelendung der Bevölkerung und einen Anstieg der Kapitalflucht zur Folge haben.

Aber der „Reformwille“ des neuen Besens ist ungebrochen und vorige Woche räumte er mit einer weiteren Altlast des „Kirchnerismus“ auf, den beschränkten und subventionierten Energiepreisen, zumindest für den Großraum Buenos Aires:

„Marcri nimmt seine erste große Preisanpassungs-Maßnahme in Angriff, die Erhöhung der Elektrizitätspreise auf bis zu 300%, wenngleich die Details erst am 1. Februar bekanntgegeben werden.“

Der Artikel befaßt sich im weiteren mit den erwarteten positiven Effekten: Die Energie-Unternehmen können endlich wieder marktwirtschaftliche Preise festsetzen (stillschweigend wird unterstellt, daß die Kunden sie auch bezahlen können) und das Netz verbessern und ausbauen, und die Regierung ist einen Subventionsposten los. Ein Win-Win-Effekt wie im Bilderbuch.
Man muß hier hinzufügen, daß in Argentinien derzeit Sommer ist und zwar Klimaanlagen in Betrieb sind, aber das Heizproblem nicht aktuell ist. Wenn bei uns der Sommer einzieht und dort der Winter, kann man mit Meldungen über Erfrierungstote rechnen, sofern die marktwirtschaftsgeile Presse das überhaupt für berichtenswert hält.

Während sich die deutschsprachigen Medien über das nach wie vor virulente Schulden- und Devisenproblem Argentiniens eher bedeckt geben, und der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß sich bei entsprechendem guten Willlen schon eine Lösung finden lassen wird, meldet El País, daß sich die Regierung Macri bereits im December, anläßlich der Peso-Freigabe, in der Finanzwelt umgehorcht hat:

„In der argentinischen Presse wurde spekuliert, daß die argentinische Zentralbank ein Abkommen zum Währungsaustausch mit der US-Fed oder den Zentralbanken Mexikos oder Brasiliens aushandeln könnte, aber bisher hat sich nur China in Sachen Aushilfe bereit erklärt.“

Nebenbei bemerkt wird der neue Wind zur Liberalisierung in den restlichen Staaten des Mercosur nämlich übel aufgenommen, weil er den Bestrebungen nach Schaffung eines gemeinsamen Marktes zuwiderläuft.

Die Perspektiven Argentiniens sind also:
weitere Verelendung der Bevölkerung, Tote durch Verhungern und Erfrieren
galoppierende Inflation, wie unter der Regierung Alfonsín
Bankrotte von Importfirmen und Energieversorgern
infolgedessen Streiks und Aufstände, und ein Anstieg der Gewaltverbrechen
und Händezusammenschlagen der Jubelpresse, wie jemand wie Macri in so kurzer Zeit sein „Kapital“ so habe verspielen, die in ihn gesetzten Erwartungen so sehr enttäuschen können! Nötigenfalls kann man noch die Schuld dem „Bremsern“ in Behörden und Parlament zuschreiben, die immer noch dem „Kircherismus“ verpflichtet sind und alles behindern.

Leichte Vorahnungen gibt es, manche Medien warnen vor der „Durststrecke“, die die argentinische Regierung und ihr Oberhaupt noch vor sich haben.

Frühere Beiträge zu Argentinien

Zum Prozeß der Gläubiger in New York:

Der Countdown läuft
https://nestormachno.alanier.at/der-argentinien-krimi-neueste-folge/ – 11.7. 2014

Das weltweite Kreditsystem wackelt wieder einmal
https://nestormachno.alanier.at/argentinien-am-scheideweg – 19.6. 2014

Aasgeier kreisen über Argentinien – 24.2. 2013

Der IWF und Argentinien:
Argentiniens Zahlungsunfähigkeit 2001/2
https://nestormachno.alanier.at/die-weltfinanzbehoerde-laesst-einen-musterschueler-durchfallen/– 2.8. 2011
______
Argentinische Bankiers zur Euro-Schuldenkrise
https://nestormachno.alanier.at/ein-grosses-pyramidenspiel – 15.5. 2011

Pressespiegel: El País, 23.1. 2016

ITALIEN FÜRCHTET EINEN ZUSAMMENBRUCH DER BANKEN DURCH NOTLEIDENDE KREDITE
Matteo Renzi versucht, eine Finanzkrise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone zu vermeiden
Die italienische Wirtschaft birgt eine Zeitbombe, die die von Premierminister Matteo Renzi eingeleiteten geschickten Ablenkungsmanöver nicht mehr verstecken können. Seit Anfang dieses Jahres (also innerhalb von 3 Wochen) haben Italiens Banken im Durchschnitt 20% ihres Börsenwertes verloren – im Fall des Monte dei Paschi (MPS) sogar 40%. Das fällt besonders schwer ins Gewicht, wenn man zwei damit zusammenhängende Aspekte berücksichtigt:
Einerseits entfallen 30% der Mailänder Börse auf den Banksektor, andererseits sind die Banken erste Anlaufsstelle für die Finanzierung der Klein- und Mittelbetriebe, noch lange vor dem Kapitalmarkt. Es ist daher nicht überraschend, daß die Krise es vielen Schuldnern verunmöglicht, ihre Kredite zurückzuzahlen, wenn man in Betracht zieht, daß Italiens BIP seit 2008 um 8% zurückgegangen ist und die Industrieproduktion um ein Viertel eingebrochen ist.
Die Summe der geplatzten Kredite wird auf 200 Milliarden geschätzt – 16,7% der gesamten Kreditmenge, und damit mehr als doppelt so hoch wie in Spanien (7%) oder Frankreich (4%). Hinzu kommen weitere 160 Milliarden, deren Rückzahlung laut italienischer Nationalbank unwahrscheinlich ist. Teil einer Lösung – oder des Löcherstopfens – wäre die Schaffung einer Bad Bank. Als Spanien oder Irland eine solche einrichteten, verwehrte sich Italien dagegen, aber derzeit verhandelt der italienische Wirtschaftsminister Pier Carlo Padoan in Davos unter Zeitdruck die Bedingungen für die Errichtung einer solchen Institution. Seine wichtigste Trumpfkarte ist der Umstand, daß die Explosion der italienischen Banken-Bombe die gesamte Eurozone schwer treffen würde.
Es ist bemerkenswert, daß Renzi den Bankencrash in Italien – der teilweise durch eine Anfrage der EZB bei einigen Instituten betreffend ihr Kreditrisiko ausgelöst wurde – mit einer scharfen, wenngleich inhaltsleeren Polemik mit Jean Claude Juncker verbunden hat. Die solcherart gezündeten Nebelgranaten verflüchtigten sich innerhalb von 48 Stunden, es gelang aber, von dem entscheidenden Problem abzulenken, dem sich Renzi seit seinem Amtsantritt gegenübersieht.
Die Reform des Banksektors erweist sich inzwschen als Fiasko. Einige Banken, wo wichtige Mitglieder der Regierung in irgendeiner Form involviert sind, wurden im letzten Augenblick vor dem Zusammenbruch bewahrt. Ein gutes halbes Dutzend Banken steht zum Verkauf, es ist aber weit und breit kein Käufer in Sicht. Am schwersten wiegt der Umstand, daß es keine verläßlichen Daten über den Zustand des Banksektors gibt und sich die Lage dadurch kaum einschätzen läßt. …
Die Attacke auf Juncker und die EU kann als Versuch Renzis gewertet werden, vor einem euroskeptischen Publikum zu punkten und sich dadurch an der Regierung zu halten.
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Angesichts der solcherart drastisch geschilderten Situation des italienischen Banksektors sei daran erinnert, daß Italiens Rating bei BBB liegt und der Verlust des dritten Bs laut EU-Vorschriften für Finanzdienstleister alle institutionellen Anleger wie Pensionsfonds und Versicherungen sowie Treuhänder in der EU zum Verkauf der Papiere nötigt, die damit Ramsch-Status erlangen.
Der italienische Staat refinanziert sich nur dank des Anleihen-Aufkaufs-Programms der EZB. Die Einrichtung einer Bad Bank würde den italienischen Staatskredit belasten, es sei denn, die EZB übernimmt deren Finanzierung gleich selbst. Die in Frage stehenden Summen sind, wie man dem obigen Artikel entnehmen kann, jedenfalls gewaltig.