Kleines Finanz-Erdbeben in Österreich

ÖSTERREICHS BANKSEKTOR SCHRUMPFT
„Überraschend kommt, dass die Veränderungen im Kreditapparat von der Nummer eins der Branche ausgehen und zur Demontage selbiger führen dürften: Von der Bank Austria bleibt – wenn die vom Standard enthüllten Pläne umgesetzt werden – wenig übrig.“ (Standard, 20.10.)
Wenn die der Bilanzsumme nach größte Bank Österreichs mehr oder weniger ihre Auflösung bekannt gibt, so ist das erstens eine Auskunft über den Zustand des Finanzkapitals überhaupt und zweitens über den Zustand der österreichischen Wirtschaft.

1. Kredit und Bankgeschäft 2015

„Der Rückzug ist seit Langem sichtbar: Ein Drittel der Bank-Austria-Filialen sperrte in den vergangenen Jahren zu. … Doch dass die Bank Austria so weit gehen würde, ihr gesamtes Privatkundengeschäft an die Bawag zu verkaufen, wie Der Standard berichtet, war dann doch ein Schock für die rund 7000 Beschäftigten der Bank in Österreich und deren Kunden“ (– vermutlich nicht nur für die). (Kurier, 20.10.)
Als Grund führt der Schreiber des Artikels das Mißverhältnis zwischen niedrigen Zinsen und hohen Kosten an. Mit einem Wort: die Bank macht aus dem Privatkunden, also den Normalverbrauchern, kein Geschäft mehr, hat aber zu viele und teure Mitarbeiter.
Nun ja. Es werden nicht nur die niedrigen Zinsen sein, die das Geschäft nach unten ziehen. Schließlich zahlen die Banken ja praktisch keine Zinsen mehr auf Einlagen, erhalten also Betriebskapital zum Nulltarif. Daß dieser Nulltarif gegenüber den Kunden auch in Anschlag gebracht würde, kann man jedoch nirgends bemerken. Die Banken könnten also doch jede Menge Kredit zu höheren Zinsen vergeben, meint man. Das scheint aber sowohl an den Banken als auch an den Kunden zu scheitern, die sich nicht mehr in Massen Hals über Kopf verschulden wollen. Ebenso werfen die Banken auch nicht mehr jedem armen Schlucker, der über seine Verhältnisse leben will, das Geld nach. Das gesamte Kreditvolumen der Banken ist im Privatkundenbereich (und vermutlich nicht nur dort) gewaltig geschrumpft, und damit auch ihr Umsatz. Zu einer verringerten Profitrate gesellt sich also auch eine geringere Profitmasse.
Also will die Bank Austria dieses Geschäft aufgeben und noch einen guten Preis für diesen Sektor erzielen.
Wer soll diesen Kundenstock kaufen, den die größte italienische Bank nicht gewinnträchtig machen kann?
So „… soll es schon konkrete Sondierungsgespräche zwischen der UniCredit und dem US-Fonds Cerberus, dem die Bawag gehört, geben.“ Angeblich wollen „die Italiener 800 Mio. Euro für das Retailgeschäft der Bank Austria haben … Den Amerikanern sei der Kaufpreis aber noch zu hoch. Das Retailgeschäft der Bank Austria würde die Bawag deutlich aufwerten und damit den von Cerberus beabsichtigten Wiederverkauf der früheren Gewerkschaftsbank erleichtern. Die Bawag allein soll nicht attraktiv genug sein, um den Kaufpreis, den sich die Amerikaner vorstellen, zu erzielen.“ (Presse, 20.10.)
Auch das will verdaut sein. Cerberus hat die Bawag seinerzeit gekauft, um sie umzustrukturieren und weiterzuverkaufen. Dann kam die Finanzkrise und keiner wollte eine Bank, schon gar nicht um das Geld, das Cerberus gerne erhalten hätte.
Jetzt will die Bawag den Kleinvieh-Sektor quasi verdoppeln. Sie kauft die Kunden ohne ihre Betreuer. Die Idee ist offenbar, die gleiche Menge an Kunden durch weniger Betreuer zu verwalten und dadurch an der Rendite-Schraube zu drehen.
Leute entlassen und die verbliebenen mit neuen Produktionsmethoden mehr produzieren lassen – dieses Prinzip kennt man aus dem Kapitalismus. Unüblich ist, daß es hier auf den Bank- und Kreditsektor angewandt wird. Die Privatkunden, die ein Girokonto und vielleicht einen Kredit bei der BA und bald bei der Bawag besitzen, werden als eine Art Waren-Ausstoß betrachtet, der mit weniger Betreuern-Produzenten sein Auslangen finden muß. Diese eigenartige Übertragung von Rationalisierung kann unter anderem daran scheitern, daß viele dieser solcherart übersiedelten Kunden mit ihrer neuen Bank nicht zufrieden sind und ihr den Rücken kehren.
Man muß dazu vielleicht hinzufügen, daß die Bawag seinerzeit – vor der Pleite – für ihren großen Privatkunden-Sektor bekannt war und ihn als Geheimnis ihres Erfolges anpries, und daß Cerberus nach der Übernahme einiges tat, um ihn abzuschlanken und nur die profitableren Kunden zu halten.
Jetzt gehts also wieder in die andere Richtung, was darauf hinweist, daß auch bei der Bawag die anderen Geschäftszweige nicht so gut laufen. Jetzt soll also ein großer Privatkunden-Sektor die Bawag attraktiv machen, auf einem EU-Markt, wo alle Banken in den Miesen sind und viele von ihnen versuchen, einander den Schwarzen Peter zuzuspielen?
Es ist allerdings möglich, daß Cerberus in Wirklichkeit ganz anders kalkuliert und sich eine beherrschende Stellung im österreichischen Kleinkundengeschäft sichern will, um dann den österreichischen Staat ins Gebet zu nehmen.
2. Der Bankensektor Österreichs
Zunächst wird so getan, als seien die 7000 Beschäftigten, deren Arbeitsplätze bei der BA in Gefahr sind, das wirkliche Problem. Und natürlich wäre eine solche Menge von Entlassungen ein herber Schlag für die Einkommensstruktur und Kaufkraft Österreichs. Noch dazu handelt es sich nicht – wie bei den rund 5000 Beschäftigten der Alpine 2013 – um Leute, die man dann am Bau einsetzen kann.
Den wirklichen Hammer aber stellt die Entwicklung im Banksektor überhaupt dar. Die – u.a. mit Hilfe von Landeshaftungen – nach 1990 rapide gewachsenen österreichischen Banken haben durch das Platzen diverser Immobilienblasen in Osteuropa, vor allem in Ungarn und ihr Engagement in der Ukraine und andere negative Entwicklungen in Sachen Schulden und Kredite herbe Verluste einstecken müssen. Mit dem Konkurs und der Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria ist immerhin die damals sechstgrößte Bank Österreichs weggebrochen und belastet seither das Budget und den Ruf des Bankplatzes Österreich. Man erinnere sich noch an Kommunalkredit und Volksbanken … Und jetzt sperrt Österreichs größte Bank zu – weil auch für die anderen Sparten der BA schaut es schlecht aus: Die UniCredit scheint sich aus Österreich zurückziehen zu wollen.
Das hat Folgen für die Verschuldungsfähigkeit des österreichischen Staates, der dabei vor allem auf seinen Banksektor angewiesen ist. Er findet jetzt weniger Käufer für seine Anleihen im Inland.
Die Bawag ist noch dazu die Bank der Republik, über die aller Zahlungsverkehr des österreichischen Staats abläuft. Wenn sie jetzt noch den Großteil des Zahlungsverkehrs der Privaten auf sich zieht, so ist Cerberus in einer Position, den Staat zu erpressen: entweder du zahlst mir so und so viel für die Bank und übernimmst sie, oder ich sperre auch zu, wie die BA.
Man wird auch sehen, wie das Beispiel der UniCredit in der EU Schule machen wird: Ob andere Großbanken ihre unprofitablen Filialen schließen werden und so ein Teil der Bankenexpansion der letzten 2 Jahrzehnte rückabgewickelt wird. Das wäre ein Abbau des abstrakten Reichtums und eine Flurbereinigung des Finanzkapitals.
Einmal sehen, was herauskommt. Für die österreichische Volkswirtschaft, dann für das ganze Gefüge der EU im Verhältnis von Finanzkapital zur politischen Gewalt, für die Staatsschuldenkrise und schließlich für die Medien und „Experten“, die seit Jahrzehnten nicht müde werden, Privatisierungen als die einzige Möglichkeit für Wachstum und Prosperität anzupreisen.
Frühere Artikel zum Thema Banken und Finanzkrise:
Die Ostexpansion der österreichischen Banken (2010)
Fremdwährungskredite (2011)
Kredit und Konsum (2011)
Warum verabschiedet die EU einen Fiskalpakt und verordnet Sparpakete? (2012)
Die Eurokrise ist vorbei! (2013)
Die endlose Geschichte einer kaputten Bank (2013)
Die Zinspolitik der EZB (2014)
Die Ukraine und der europäische Banksektor (2014)

Argentinien, der Weltmarkt und das Welt-Finanzsystem

FLEUNDSCHAFT!

Die argentinische Präsidentin hat sich im Februar dieses Jahres einen Scherz über die chinesische Aussprache erlaubt, der zwar in sozialen Netzen Entrüstung hervorgerufen, die chinesische Führung hingegen völlig kalt gelassen hat. Im System der Eroberung des Weltmarktes durch China, der schrittweisen Aufpäppelung des Yuan zur Weltwährung ist Argentinien ein viel zu wichtiger Baustein, um durch das lose Mundwerk eines etwas ausgeflippten Staatsoberhauptes die gegenseitigen Beziehungen gefährden zu lassen.

Im Juli 2014 wurde durch den Beschluß eines New Yorker Richters der gesamte Schuldendienst Argentiniens, der auf noch unter Néstor Kirchner geschlossenen Vergleichen mit der Mehrheit der Gläubiger beruhten, hinfällig. Noch vor Ende des Monats eröffnete China Argentinien einen Swap-Kredit über 7,5 Milliarden Dollar, der im Herbst 2014 noch erweitert wurde. Dieser Kredit wird in Yuan und Peso abgerechnet, aber nach Bedarf in Dollar ausgezahlt. China stellt damit Argentinien einen Teil seiner Devisenreserven zur Verfügung und nimmt dafür 6% Zins, was auf den heutigen Finanzmärkten ein gutes Geschäft für China bedeutet, aber auch für Argentinien weitaus bessere Konditionen als bei z.B. allen Verträgen vor dem Bankrott 2001 enthält. Argentinien plant dafür u.a. Kraftwerksprojekte, um seine Abhängigkeit von Energie-Importen zu verringern.

Das Besondere an diesem Kredit ist erstens, daß hier eine beträchtliche Summe an den Weltbörsen und dem IWF vorbei verliehen wird.
Zweitens ist zwar der Dollar noch im Spiel, aber nur als eine Art Monopoly-Geld, das Argentinien für Währungspflege und den Handel mit anderen Ländern zur Verfügung gestellt wird.

Der Yuan-Kreditrahmen bezieht sich nämlich drittens auch auf Einkäufe Argentiniens in China – fungiert also gleichzeitig als eine Art Exportstützungs-Kredit für Chinas Industrie. China ist inzwischen nach Brasilien der größte Handelspartner Argentiniens.
Im Rahmen von solchen Krediten, wie sie nicht nur an Argentinien vergeben werden, modernisiert China auch seit Jahren Infrastruktur, wie die Eisenbahnnetze, die unter den Jahrzehnten der IWF-Auflagen überall in Lateinamerika eingestellt wurden oder wirklich auf dem letzten Loch pfiffen:

„80 Milliarden US-Dollar hat China im vergangenen Jahr“ (d.h. 2013) „für Infrastruktur-Projekte in Lateinamerika gegeben, 13 Prozent des Geldes, das das Land weltweit verteilt. Das ist mehr als die Weltbank und die Interamerikanische Entwicklungsbank zusammen an die Region verliehen haben.“ (Die Zeit, 24.5. 2014)

Was heißt das für die Weltwirtschaft? Es heißt, daß wachsende Teile des Weltmarktes den bisherigen Weltwährungen entzogen werden. Sowohl im Handel, als auch in der Sphäre des Finanzkapitals. Im Falle eines schrumpfenden Volumens aufgrund von Rezession bedeutet das echte Einbußen für Dollar und Euro.
Die chinesische Entwicklungsbank als IWF-Konkurrenz des BRICS-Systems kann dabei nicht nur auf verläßliche Handelspartner zurückgreifen und gute Zinsen lukrieren, sondern verschafft der chinesischen Wirtschaft einen mit eigener Zahlungsfähigkeit gestifteten Markt. Gleichzeitig stellt die 6%-Verzinsung auch klar, daß es nicht ratsam ist, die Schulden bei China ins Unermeßliche wachsen zu lassen. Ein EU-Szenario will China nicht, die Kredite sollen auch regelmäßig getilgt werden. Ob und wie sehr sich das bewährt, ist noch nicht heraußen, da das chinesische bzw. BRICS-Kreditierungssystem erst am Anfang steht.

Für Argentinien bedeutet der chinesische Kredit den rettenden Strohhalm, um wieder an internationale Zahlungsmittel zu kommen, für die Wirtschaft unabdingbare Importe tätigen und den Verfall der eigenen Währung bremsen bzw. steuern zu können.
Eine wirkliche Erfolgsstory ist das für Argentinien allerdings nicht. Bisher hat es zwar irgendwie seine Nationalökonomie am Laufen gehalten, ein Wirtschaftswachstum kriegt es jedoch nicht hin, und die Sozialprogramme zur Abfederung des schlimmsten Elends haben nach wie vor den Charakter einer Not- und Hungerhilfe. In einem Land, dessen Haupt-Exportgüter aus Agrarprodukten bestehen, hat ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung Schwierigkeiten, an die notwendigsten Nahrungsmittel heranzukommen.

Außerdem ist Argentinien zu einem großen Drogen-Umschlagplatz geworden, zu einem Transitland für Kokain, zu einem Produzenten und Exporteur von synthetischen Drogen, und darauf aufbauend zu einer großen Geldwäschemaschine für Gelder aus dem Drogenhandel, was wiederum die Bauindustrie beflügelt hat.
Die argentinische Regierung scheint dem nicht wirklich Widerstand entgegensetzen zu wollen – schließlich kommt über diese informelle Ökonomie auch viel Geld ins Land und zirkuliert hier. Das wird von Kritikern im In- und Ausland als Korruption und Bereicherungssucht der herrschenden Elite angeprangert, steht aber in unmittelbarem Zusammenhang mit den trostlosen Alternativen, die der Welthandel Argentinien bietet.

Die Verflechtung der argentinischen und chinesischen Ökonomie ist so bedeutend, daß sich argentinische Ökonomen bereits Sorgen machen, wie die jüngste Abwertung des Yuan Argentiniens Wirtschaft treffen könnte.

Eurorettung und Griechenlandkrise

GELDFETISCH

Angesichts der Verhandlungen zwischen der Eurogruppe und Griechenland um die Fortführung der Kreditstützungsprogramme lassen sich die Kommentare, vom angesehensten Ökonomen bis hin zum kleinsten Wirtshaustisch-Eiferer, in zwei Kategorien einteilen:

1. Die Griechen sind faul (korrupt, hinterfotzig, untüchtig usw.)
2. Die Deutschen sind böse (haben Herrschaftsanspruch, betreiben Waterboarding, sind unmenschlich, undemokratisch usw.)

Fast alles, was in den letzten Wochen und Monaten dazu geschrieben worden ist, läßt sich auf diese beiden Grundauffassungen zurückführen. Selbst wenn der einfache Rassismus oder die primitive Schuldzuweisung weggelassen wird, so bleibt die Kernaussage doch die: wo sind die Gründe dafür, daß etwas schiefgelaufen ist – in Griechenland oder bei der EU-Führung?

Wer dabei fein heraußen ist, ist die Hauptperson, oder graue Eminenz der ganzen Angelegenheit, nämlich der Euro selbst.

1. Geld, Weltgeld
Dem Geld werden von der VWL alle möglichen hohen und schönen Funktionen zugeschrieben: Es enthebt die Menschen der Mühsal, ständig Säcke mit Kartoffeln herumzutragen, um sie gegen Kochtöpfe oder Schuhwerk einzutauschen. Das ist insofern verlogen, als die meisten Menschen nichts anderes zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft.

Das Geld dient also in erster Linie dazu, die Menschen zum Verkauf ebendieser zu nötigen, oder sich sonst irgendwie jobmäßig zu betätigen, ihre Arbeitskraft also in irgendeiner Form zu Geld zu machen, sei es als Lohnarbeiter, Staatsangestellter oder als „neuer Selbständiger“, vulgo Ich-AG.
Das Geld diene dazu, daß die Waren zu den Kunden kommen, heißt es. Auch das ist eine dicke Lüge. Das Gegenteil ist der Fall. Ka Geld, ka Musi! Wer das nötige Kleingeld nicht aufbringen kann, kommt an gar keine Ware heran, nicht einmal ein Dach über dem Kopf kann sich so jemand leisten. Die nicht zahlungsfähigen Bedürfnisse kommen in der VWL gar nicht vor, fallen nicht unter „Nachfrage“ und sind kein Faktor in den Kalkulationen der Unternehmen.

Das Geld dient also weiters dazu, die Menschen vom konkreten Reichtum dieser Gesellschaft zu trennen.

Diese beiden Eigenschaften des Geldes machen es zu einem Instrument der Klassenherrschaft.
Neben der Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung verpflichtet die Staatsgewalt alle ihre Bürger auf ein einziges gültiges Zahlungsmittel und verschafft sich durch die Ausgabe dieses Geldes ein zusätzliches Zwangsmittel, mit der es die Nützlich-Machung der Besitzlosen für die besitzende Klasse sicherstellt.

Das Geld ist also ein Mittel der staatlichen Kontrolle über die damit verwaltete Gesellschaft. Es ist wichtig, sich diese Eigenschaft vor Augen zu halten angesichts der Tatsache, daß ein Haufen Staaten vor inzwischen mehr als 15 Jahren dieses Element seiner Souveränität mit Freude und Jubel einer übergeordneten Instanz überantwortet hat.

Das Geld ist weiters das Maß der Werte, dasjenige Medium, in dem der abstrakte Reichtum der Gesellschaft gemessen wird. Die Gewinne der Unternehmer, aber auch die Steuereinnahmen und die Ausgaben des Staates, die Handelsbilanz und das heilige Wirtschaftswachstum werden in Geld gemessen, und zwar in Weltgeld. Um zu wissen, ob ein Geschäft wirklich lohnend war, verlassen sich die Unternehmer der ganzen Welt nicht auf windige brasilianische Reals oder türkische Lira. Sie messen es in Dollar oder in Euro.

Für die Unternehmen ist es also ein unverzichtbarer Dienst, ihnen staatlicherseits ein Geld zur Verfügung zu stellen, mit dem sie auf der ganzen Welt ihren Geschäften nachgehen und ihre Gewinne bilanzieren können.

Hat der eigene Staat kein solches Geld, so muß er es sich auf dem Geld- und Kreditmarkt besorgen, durch Verschuldung, oft über Standby-Kredite des IWF. Die Verschuldung ist also für die meisten Staaten dieser Welt unumgänglich, wenn ein solcher Staat als Standort für Unternehmen taugen und eine Kapitalakkumulation auf seinem Territorium ermöglichen will. Damit ist natürlich nicht garantiert, daß sie auch gelingt, weil die Konkurrenz schläft nicht, alle machen es genauso und im allgemeinen heftet sich hier der Erfolg an die Fersen vorangegangener Erfolge.

Ein stabiles und überall einsetzbares Geld ist also eine Grundforderung der unternehmerischen Kalkulation und eine notwendige Vorleistung eines Staates für sein nationales Kapital.

2. Der Euro
Mit dem Euro glaubten seine Schöpfer den großen Wurf gemacht zu haben: Hier gibt es ein Geld, das auf einen Schlag alles erfüllt, was Staat und Kapital von so einem Geld erwarten: stabil, weil mit geringer Inflation ausgestattet; international als Zahlungsmittel anerkannt; innerhalb der EU ohne Wechselkurse und die sich daraus ergebenden Probleme; gegen Spekulanten wie Soros gesichert; Kredit floß in Strömen – und der sorgsam vorbereitete fulminante Start ließ schönste Hoffnungen aufkeimen, daß dieses gemeinsam geschöpfte Wundergeld den Dollar als Leitwährung einmal ablösen könnte.

Man kann sagen, daß auch diese Euro-Macher seinerzeit einem Geldfetisch aufgesessen sind: sie dachten, mit dem „richtigen“ Geld würde sich der ökonomische Erfolg automatisch einstellen. Daß das Geld irgendetwas damit zu tun hat, was die damit beglückten Untertanen oder gar die Politiker selber treiben, wurde von allen Schöpfern des Euro zwar irgendwie begriffen, aber eben nur als Einbahnstraße: wenn das richtige Geld da ist, so garantiert es den Geschäftserfolg der Unternehmer, denen es zur Verfügung gestellt wird. Es kann also nichts mehr schiefgehen, so die Überzeugung.

3. Kritik
Diejenigen wenigen Kritiker, die die Einführung des Euro seinerzeit bemängelten, kamen aus Deutschland und hatten einen Gesichtspunkt im Auge: daß die nationale Bilanzierung des kapitalistischen Geschäftserfolges und das gemeinsame Geld einen Widerspruch darstellten. Sie fürchteten, die schwächeren Ökonomien würden den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands schmälern und es letztlich um die Früchte seiner wertschöpfenden Arbeit bringen.

Diese Kritik war moralisch-nationalistisch und bewegte sich auf der gleichen Ebene wie die Euro-Erzeuger: das gemeinsame gute Geld könnte durch Schmarotzer mißbraucht werden. Das „gute Geld“ wurde hier als eine Art Belohnung der Tüchtigen aufgefaßt, die durch südlichen Schlendrian und östliche Korruption gefährdet wäre.

Heute, wo das Projekt Euro im Sinne einer Konkurrenz zum Dollar gescheitert ist, und er nur mehr mit außergewöhnlichen Anstrengungen am Leben gehalten wird, sehen sich diese Leute in ihrer Kritik bestätigt. Manchen erscheint eine Rückkehr zur DM wünschenswert, andere wiederum haben begriffen, daß das für die vom Euro ermöglichten Erfolge Deutschlands unangenehme Auswirkungen haben könnte.

Diese Kritik, die sich vor allem um die Nation und ihren Erfolg sorgt, gilt zu Recht als rechts. Daher positionieren sich alle Leute, die sich als links verstehen, genau umgekehrt und verteidigen den Euro. Die bösen Deutschen wollen den Griechen den Euro „wegnehmen“, und sie wieder mit ihrer windigen Drachme vor sich hin wurschteln lassen. Der Euro wird also als eine Art Wohltat aufgefaßt, und Armut und Elend, die er verursacht, als Ergebnis einer verfehlten Sparpolitik. Der Euro wird damit sozusagen in 2 Teile geteilt: Ein gutes Geld, das Prosperität schaffen könnte, wenn es nicht eine Politiker-Kaste von Betonköpfen gäbe, die alle segensreichen Wirkungen dieses guten Geldes zunichte macht. Euro – gut, Politik – schlecht! – so tönt es aus diversen linken Blogs und Webseiten.

Was soll man schließlich von der in diesem Chor fehlenden Kommunistischen Partei Griechenlands halten, die sich als Vertreterin der griechischen Arbeiterklasse versteht und ausgerechnet mit einem eigenen nationalen Geld den arbeitenden Massen dienen will?

Wir sind also in der öffentlichen Meinung mit dem konfrontiert, was Marx im „Kapital“ zu Recht als „Fetisch“ bezeichnet.

Erst macht man etwas, – das Geld ist ja eindeutig eine Schöpfung der menschlichen Gesellschaft, heute: ihrer politischen Eliten –,

dann sagt man, es kommt vom lieben Gott persönlich – den Herrgott ersetzt heute die „ohne-nicht“-Bestimmung: ohne Geld geht es nicht, da bricht alles zusammen;

und dann fällt man auf die Knie und betet es an.