„ENTEIGNUNG“ ÖSTERREICHISCHER LANDWIRTE IN UNGARN?!
1. „Unsere“ biederen Landwirte werden enteignet!
„Rund 200 Österreicher haben seit der demokratischen Wende in Ungarn Grundstücke gekauft, um diese landwirtschaftlich zu nutzen. Nun müssen sie um ihren Besitz fürchten. … Das sind hervorragende Böden. Schwarze Erde, mit schönen Erträgen. Und es sind abgerundete, große, tafelförmige Grundstücke – der Traum eines jeden Bauern. “ (Standard, 15.10. 2014)
Diese Böden, so verschweigt der Artikel im weiteren nicht, wurden damals sehr günstig eingekauft, z.B. um den Preis eines Kleinwagens. Das alles zu einer Zeit, als der Erwerb von landwirtschaftlichem Grund für Ausländer verboten war, und auch keineswegs klar war, wem das Land gehörte, wer also das Recht besaß, den Grund zu verkaufen.
Die österreichischen Medien überbieten sich seit Jahren in der Produktion von Falschmeldungen und Halbwahrheiten:
„Auch bereits abgeschlossene Kaufverträge könnten davon betroffen sein. Die Eigentümer, zum Großteil Österreicher, könnten trotz rechtmäßigen Erwerbs aus dem Grundbuch gestrichen werden.“ (Krone, 8.3. 2013)
Dabei ist das Problem das, daß im Grundbuch ein Strohmann steht, und der Österreicher nur als Pächter aufscheint. Vorher hatte er einen Kaufvertrag in der Tasche, und dieses illegale Verhältnis wurde im Laufe des letzten Jahrzehnts in sogenannte „Nießbrauch“-Verträge umgewandelt, eine Rechtskonstruktion ähnlich der Leibrente bei uns.
Diese Art von Verträgen, mit denen mit Hilfe windiger Winkeladvokaten die illegal erworbenen Grundstücke legalisiert worden sind, kranken daran, daß erstens die Pachtsumme fiktiv ist oder gar keine gezahlt wurde und wird, und zweitens dafür ein Wohnsitz des „Nutznießers“ am Ort des Vertragsgegenstandes bestehen muß, der ebenfalls fiktiv ist. Ihnen ist in den meisten Fällen deutlich anzusehen, daß sie ein Versuch sind, eine illegale Eigentumsübertragung gesetzlich zu „sanieren.“
Die österreichischen Politiker und alle möglichen Interessensverbände, unterstützt von den Medien, schreien Zetermordio und betrachten das Vorgehen der ungarischen Regierung quasi als Auftakt zu Enteignungen aller Art. Stolz vermelden sie einen Etappensieg:
„Die EU-Kommission hat am heutigen Donnerstag ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, weil die neuen Regelungen in Rechte ausländischer Investoren eingreifen.“ (Tiroler Tageszeitung, 16.10.)
Die österreichischen Landwirte bauen hauptsächlich – soweit das beim Durchfahren erkennbar ist, Statistiken gibt es dazu keine – Kukuruz und Futtergetreide an. Dergleichen Feldfrüchte sind vor Flurdiebstahl sicher. Außerdem haben Futtermittel seit der BSE-Hysterie und dem anschließenden Verbot von Tiermehlfütterung an Hornvieh einen stabilen Markt in der EU. Ausführen läßt sich das ganze seit dem EU-Beitritt Ungarns auch problemlos – vorher fanden sich eben Schleichwege und Hintertürln, mit etwas Bakschisch geölt.
Die illegalen Besitzer dieser Grundstücke machten also einen guten Schnitt, der ungarische Konsument und der ungarische Staat hatten nichts davon. Versteuert wurde das Zeug nämlich auch nicht.
2. Die Vorgeschichte: die Enteignung der Bevölkerung in Ungarn und anderen ehemals sozialistischen Staaten
Dabei lassen diese Verteidiger des heiligen Eigentums alle Details der Wiedereinrichtung des Grundeigentums im ehemals unfreien Osten weg. Immerhin gehörte dort, zumindest in Ungarn, alles agrarische Land dem Staat, der dort Kooperativen errichtete, deren Erträge Ungarn zum führenden Agrarexporteur des COMECON machten. Die Wiedereinführung des Privateigentums bedeutete also, daß einige Private sich den Grund unter den Nagel reißen konnten, der Rest ging leer aus. Das war übrigens in den meisten sozialistischen Staaten so, mit Ausnahme Polens und Jugoslawiens, wo nicht kollektiviert worden war.
Das Verfahren der ungarische Regierung unter József Antall wählte nicht die Verteilung des agrarischen Bodens unter die Mitglieder der Kooperativen, also die bisherigen landwirtschaftlichen Produzenten. Noch weniger wurde eine Umwandlung der Kooperativen in Genossenschaften marktwirtschaftlichen Zuschnitts erwogen. Das wäre zwar ökonomisch das Vernünftigste gewesen, entsprach aber nicht den politökonomischen Zielsetzungen der damaligen Regierung und auch nicht den Vorgaben der EU, die bei den neuen Anschlußkandidaten auf keinen Fall Konkurrenz auf dem Agrarmarkt dulden wollte. Also wurde eine Restitution mit Hilfe von Wertpapieren, den sogenannten Entschädigungsscheinen, beschlossen. Damit sollte der Schein erzeugt werden, hier würde ein ursprünglich bestandener, rechtmäßiger, quasi natürlicher Zustand wiederhergestellt werden. Noch dazu bezog sich die Restitution nicht auf den jahrhundertelang üblichen Großgrundbesitz, sondern auf die Ergebnisse einer Agrarreform Ende der 40-er Jahre, die Kleinparzellen schuf, die wenige Jahre später aufgelöst und in die Kooperativen überführt worden waren.
Die Entschädigungsscheine brachten etwas Leben in die Budapester Börse, wurden von Juristen aufgekauft und schließlich bei Auktionen in den jeweiligen Regionen versteigert, und auf Grundlage dieser Entschädigungsscheine fanden die Grundkäufe – übrigens nicht nur der Österreicher – statt. Es wurde auf diese Art eine völlige Zersplitterung des Grundbesitzes verursacht, die Leute vor Ort gingen leer aus, die neuen Grundbesitzer ließen ihn von anderen – oft ohne gültige Pachtverträge – bewirtschaften. Dazu kommt, daß es für Pacht auch keine sichere Rechtsgrundlage gab, da diese nicht vorgesehen war.
Das Ergebnis all dessen ist, daß viel Land brach liegt, daß Ungarn über keinen Bauernstand verfügt, daß die tatsächlichen Produzenten sich von den im Grundbuch eingetragenen Besitzern unterscheiden, daß oft nicht das angebaut wird, was irgendwo eingetragen ist, daß es keine Kontrollmöglichkeiten gibt (das wäre zu teuer), daß landwirtschaftliche Gewinne nicht versteuert werden, und Ungarn Grundnahrungsmittel importieren muß.
3. Das Orbán’sche Runderneuerungsprogramm
Es ist begreiflich, daß die derzeitige Regierung diesen Stand der Dinge als unbefriedigend empfindet. Es ist eher bemerkenswert, wie wenig sich die MSZP-Regierungen um diese Frage geschert haben. Sie wollten eben lieber zukunftsträchtige Industrien, und es sich mit der EU nicht verscherzen, die öfters unmißverständlich angedeutet hatte, daß sie keine landwirtschaftlichen „Überkapazitäten“ im postsozialistischen Raum wünschte.
Bereits die erste Orbán-Regierung (1998-2002) versuchte, den trostlosen Zustand der Landwirtschaft zu verbessern, durch Gesetzesänderungen und Förderprogramme, z.B. des Weinbaus. Die Eigentumsfrage wurde damals nicht in Angriff genommen, da sich Ungarn vom bevorstehenden Beitritt zur EU eine Verbesserung der Situation erwartete. Diese Erwartungen, das mußten die 2010 wieder an die Macht gekommenen Fidesz-Politiker feststellen, hatten sich nicht erfüllt. Also geht die jetzige Regierung daran, die Eigentumsverhältnisse zu klären.
Die Klage vor dem EU-Gerichtshof wird interessant. Da wird sich nämlich herausstellen, auf welcher Grundlage die EU eigentlich das Zustandekommen des Grundeigentums in Ungarn für rechtmäßig, also das Raubrittertum der 90-er Jahre für gesetzeskonform erklärt. Außerdem wird sich auch herausstellen, ob die Jurisdiktion eines Landes – Österreich – über der eines anderen – Ungarn – steht.
Wer Orbán jetzt als eine Art Robin Hood betrachtet, der den ausländischen Raubrittern das Land abjagt und unter die Armen verteilt, – als der er sich fallweise auch gerne präsentiert – sei gewarnt: Die Fidesz-Regierung hat längst begriffen, daß es in Ungarn überall, so auch im Agrarsektor, am nötigen Kapital mangelt, ohne die eine produktive Landwirtschaft heute nicht zu betreiben geht. Die Einrichtung eines ungarischen Bauernstandes ist also weiterhin nicht vorgesehen, wie der 2012 aus Protest zurückgetretene Staatssekretär für Agrarentwicklung, József Ángyán, feststellen mußte.
Der derzeitige Plan ist, den Grundbesitz wieder möglichst unter staatliche Kontrolle zu bekommen und dann mit ausländischen Konzernen genau geregelte Pachtverträge und eine entsprechende Abgabenpflicht einzuführen.
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Das Grundeigentum als Grundlage allen Privateigentums (2013)
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Kategorie: Postsozialismus
Die Ukraine und der europäische Banksektor
EINE FINANZTECHNISCHE ZEITBOMBE
Die Raiffeisen-Bank
Die vorläufig letzte Meldung in der Frage war das Bekenntnis der österreichischen Raiffeisenbank, heuer einen herben Verlust bis zu 500 Millionen einfahren zu müssen, vor allem wegen der Ukraine-Krise:
„Vor allem die politische Krise um die Ukraine treibt die Kreditwertberichtigungen in die Höhe. In Summe dürften die Kreditrisikovorsorgen im Konzern 2014 nun zwischen 1,5 und 1,7 Mrd. Euro ausmachen. Bisher war die Bank von 1,3 bis 1,4 Mrd. Euro ausgegangen. Die Raiffeisentochter Aval Bank betreibt ein riesiges Filialnetz in der Ukraine. Ihr droht eine Markenwertabschreibung von 60 Mio. Euro.“ (Kleine Zeitung, 23.9. 2014)
Man blicke kurz in die Geschichte:
„Die Bank wurde im März 1992 als eine der ersten Geschäftsbanken der Ukraine gegründet. Dank der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der ukrainischen Pensionskasse, der Post sowie der Zollbehörde erzielte die Bank rasch eine Spitzenposition im ukrainischen Bankensektor. Raiffeisen wurde 2005 mit dem Erwerb von 93,5 Prozent der Geschäftsanteile zu einem Preis von 1.024 Millionen USD Mehrheitseigentümer der Bank. Dieser Kaufpreis macht die Akquisition zur bislang größten der Raiffeisen Bankengruppe. Die Akquisition war auch von maßgeblicher Bedeutung für den ukrainischen Bankensektor und unterstrich die Attraktivität des lokalen Marktes für ausländische Investitionen. Als Teil des RBI-Konzerns erlebte die Raiffeisen Bank Aval ihre erfolgreichsten und – infolge der internationalen Finanzkrise – auch ihre schwierigsten und herausfordernden Zeiten.“ (Selbstdarstellung Raiffeisen 2012)
Voriges Jahr sollte die Bank verkauft werden, der Verkauf wurde aber im Februar abgeblasen, weil die Interessenten alle zurückgetreten waren.
Angesichts dieser Zahlen ist die Meldung des Raiffeisen-Chefs Sevelda, der Verlust für 2014 werde eine halbe Milliarde „keinesfalls überschreiten“, als frommes Wunschdenken bzw. eine Beruhigungspille für die Finanzmärkte zu werten.
Dazu eine Meldung vom Februar dieses Jahres, als Janukowisch gerade frisch gestürzt war:
„Wie in Ungarn oder Kroatien haben sich viele Ukrainer in Fremdwährungen verschuldet. Rund 70 Prozent der Darlehen wurden in Fremdwährungen vergeben. Die österreichischen Banken, in der Ukraine die Raiffeisen Bank International (RBI) und die Bank Austria, hatten an dem Boom einen großen Anteil. … Beide haben laut Ratingagentur Moody’s zusammen Kredite in Höhe von acht Milliarden Euro im zweitgrößten Land Europas vergeben.“ (Standard, 27.2.)
Die Erste Bank
Diese 8 Milliarde waren noch ohne die Verbindlichkeiten der Erste Bank, die sich damals bereits unter großen Verlusten aus der Ukraine zurückgezogen hatte:
„Der Vorstand bezifferte die kumulierten Abschreibungen am Freitag mit etwa 300 Mio. Euro. Mit einer letzten Abschreibung auf Währungsschwankungen von 76,6 Mio. Euro in der Konzernbilanz 2013 schloss die Erste das Kapitel Ukraine für sich ab.“ (Format, 28.2.)
Viel genutzt hat das auch nicht:
„Die Erste Group hatte am Vorabend nach Börsenschluss für heuer einen drastischen Verlust von bis zu 1,6 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Eine Dividende wird es für das laufende Jahr nicht geben … Der Grund: Die Bank muss viel mehr Geld auf die Seite legen – vor allem für faule Kredite in Ungarn und Rumänien. Die Risikovorsorgen werden von den veranschlagten 1,7 Mrd. auf 2,4 Mrd. Euro steigen.“ (Kurier, 3.7. 2014)
Das blieb auch nicht ohne Folgen auf die Aktie der Bank:
„Die Aktie der Erste Group ist heute nach der Verlustankündigung des Bankkonzerns mit einem massiven Kurseinbruch in den Handel gestartet. Bis 10.20 Uhr büßten die Erste-Aktien 14,20 Prozent auf 20,00 Euro ein. Am frühen Nachmittag stieg das Minus auf über 15 Prozent. Donnerstagabend lag der Schlusskurs noch bei 23,78 Euro, bei Börsenstart am Freitag fiel die Aktie rasant auf 20,8 Euro.“ (ebd. )
Die Bank Austria
„Die der UniCredit gehörende Bank Austria hat den Schnitt schon hinter sich: Sie hat schon in der Bilanz 2013 alle Ostbanken-Firmenwerte auf null abgeschrieben, die im März vorgelegte Bilanz 2013 schloss mit einem Rekordverlust von 1,6 Mrd. Euro.“ (ebd. )
Die Bilanz der BA für 2014 steht noch aus, läßt aber nichts Gutes erwarten. Schließlich ist der „Firmenwert“ eine Sache, die von der Bank und ihren Ost-Töchtern vergebenen und nicht bedienten Kredite stehen auf einem anderen Blatt.
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Auch die Aktie der RZB hat nachgegeben und die Erste auch noch mitgenommen:
„An der Wiener Börse sind die RBI-Aktien am Montag um über 11 Prozent ins Minus gerasselt. Die Aktien der Branchenkollegin Erste Group folgten der RBI-Aktie am Dienstag in der Früh mit minus 3,7 Prozent in die Verlustzone.“ (Die Presse, 23.9.)
Der Wertverlust der Erste-Aktie im Sommer hatte damals bereits Folgen:
„Auch international schlagen die Turbulenzen Wellen: Die Wertpapierexperten von JPMorgan haben das Kursziel für die Erste Group von 30 auf 21 Euro gesenkt. Gleichzeitig stufen sie die Aktie von „Overweight“ auf „Neutral“ zurück. UBS hat das Kursziel von 26,50 auf 25,00 Euro gesenkt, die Bewertung der Aktien belassen sie bei „Neutral“. Auch die Wertpapierexperten der Credit Suisse haben das Kursziel der Erste Group von 30 auf 26,37 Euro gesenkt.“ (Kurier, 3.7. 2014)
Es ist eben nicht so, daß sich die Probleme der österreichischen Banken auf Österreich eingrenzen ließen.
Die Deutsche Bank, als Beispiel für Kalkulationen des europäischen Banksektors
Im März veröffentlichte Die Zeit einen Artikel, in dem es vor allem um die Kapitalflucht aus der Ukraine ging. Darin steht unter anderem:
„Die Deutsche Bank ist zu diesem Zeitpunkt seit mehr als 15 Jahren in der Ukraine aktiv. Im Jahr 2009 entscheidet sie sich, ihre Präsenz im Land auszubauen. Sie erwirbt eine Banklizenz und gründet eine Tochtergesellschaft in Kiew. In der Folge vergibt sie Kredite an ukrainische Banken und Unternehmen, der Schwerpunkt des Geschäfts aber liegt im Global Transaction Banking, der Abwicklung inländischer und grenzüberschreitender Zahlungen. Jürgen Fitschen, heute einer der beiden Vorstandschefs der Deutschen Bank, schwärmte damals, sein Haus werde in der Ukraine zu einer »idealen Bankplattform« für Kunden in Ost- und Mitteleuropa. Er glaube an die »Wachstumschancen der Ukraine«.“ (Die Zeit, 21.3.)
Angesichts dessen ist schwer vorstellbar, daß sich die Deutsche Bank nicht auch anderwärtig in der Ukraine engagiert hat, außer in der Abwicklung von Geldtransfers.
Dann gibt’s noch irgendwelche Hedgefonds-Zocker, die mit ukrainischen Staatsanleihen spekulieren, weil die gute Renditen haben:
„Der ukrainische Staat hat derzeit Bonds in einem nominellen Wert von rund 45 Milliarden Dollar ausstehen; die in US-Dollar denominierten Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite von rund 12 Prozent ab, so JP Morgan. »Ukrainische Staatsanleihen waren besonders gesucht, aber einige haben auch bei ukrainischen Unternehmensanleihen zugelangt«, zitiert die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS einen Händler in Kiew.“ (Wirtschaftswoche, 27.3. 2014)
Ähnlich war es ja seinerzeit (2002) bei Argentinien. Nur: von wem kaufen die Hedgefonds die Anleihen um einen Bruchteil ihres Werts? In wessen Bilanzen entstehen somit Löcher? Und was ist mit denen, die nicht verkaufen? Die ukrainischen Staatsanleihen sinken mit jedem Tag im Wert.
„Den Anlegern an den internationalen Kapitalmärkten dämmert langsam, dass die Ukraine pleite ist: Sie bereiten sich auf einen Schuldenschnitt vor. Misslich für den europäischen Steuerzahler ist die Tatsache, dass die Ukraine vermutlich mit europäischen Steuergeldern gerettet werden muss. … Den Investoren wird nach Ansicht von Experten die schwierige Lage des Landes zunehmend bewusst. Die Wirtschaft wird 2014 Schätzungen der Zentralbank zufolge um bis zu zehn Prozent schrumpfen. Die Waffenruhe in dem von einem Separatisten-Aufstand erschütterten Osten der Ukraine könnte zugleich den Weg für eine Umschuldung frei machen, sagte Ökonom David Spegel von BNP Paribas der Nachrichtenagentur Reuters.“ (Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 23.9.)
Fazit
Die Ukraine hat einen Haufen Staatsanleihen ausgegeben, vor allem seit 2008, weil sie seit damals als „sicher“ galt, aufgrund der IWF-Verhandlungen und eines Kredites des IWF. Die Ukraine hat sich für viele Banken als Krisen-Ventil bewährt, wo man den Kredit ausweiten konnte, während er woanders schrumpfte. Alle möglichen Banken, allen voran die österreichischen, haben sich in der Ukraine engagiert, nach dem bewährten, in anderen osteuropäischen Ländern angewandten Schema: vermeintlich „sichere“ Kredite an Staat und Konsumenten zu vergeben, weil die im Unterschied zu windigen Unternehmen nicht aufgelöst werden können.
Jetzt stehen die alle auf dem Spiel, und das wird weitere Löcher im europäischen Geldsystem verursachen.
Das Problem ist übrigens keineswegs auf die EU beschränkt: Auch die russische Sberbank oder Kolomojskis ukrainische PrivatBank werden unter der allgemeinen Zahlungsunfähigkeit des ukrainischen Staates leiden.
Dazu kommen noch Gasrechnungen … Der Winter naht.
Einmal sehen, wie die Politiker und Banker das hinkriegen.
Der umstrittene Assoziationsvertrag
WEM GEHÖRT DIE UKRAINE, UND WER WIRD FÜR SIE BEZAHLEN?
„Das europäische Parlament und die Oberste Rada – das ukrainische Parlament – haben diesen Dienstag in parallelen und per Videokamera verbundenen Sitzungen den Assoziationsvertrag zwischen den beiden Blöcken ratifiziert. Die Ratifikation bezieht sich nicht auf den ökonomischen – und am meisten umstrittenen – Abschnitt, der mindestens bis Anfang 2016 in der Schwebe bleibt. Solange bis er in Kraft tritt, erhält die Ukraine von der EU den Status eines bevorzugten Handelspartners.“ (El País, 16.9.)
Diese Meldung hat es in sich.
Man rekapituliere zunächst einmal die Geschichte dieses brisanten Schriftstückes: Die Nicht-Unterzeichnung dieses Abkommens im Herbst 2013 führte zum von den westlichen Regierungen genährten Maidan-Aufstand und dem Sturz Janukowitschs. Das solcherart entstandene Putschparlament ernannte einen Regierungschef und Parlamentspräsidenten, die bis heute keinerlei demokratische Legitimation – in dem Sinne, wie es in der EU üblich ist – besitzen. Dann fanden im Mai Präsidentschaftswahlen statt, wo das Ergebnis schon vorher zwischen westlichen Regierungen ausgeschnapst war. Die EU hat sich also an der in der Ukraine seit jeher üblichen Wahlfälschung beteiligt, um einen offiziell demokratisch legitimierten Statthalter einzusetzen. Wie weit sich dieser als solcher bewähren würde, war und ist immer noch offen. Poroschenko unterzeichnete im Juni das Assoziationsabkommen, ohne sich vorher mit dem Parlament ins Benehmen zu setzen. (Janukowitsch hatte die Unterzeichnung verweigert, nachdem die Rada es abgelehnt hatte.) Seit den Ereignissen vom März hat sich die Partei der Regionen praktisch aufgelöst, ihre Vertreter sind entweder anderen Parteien beigetreten oder haben Kiew den Rücken gekehrt. Die Kommunistische Partei wurde im Juli aus der Rada ausgeschlossen, aufgrund eines Gesetzes, das einige Tage vorher von ebendemselben Parlament beschlossen worden war. Und dieses – nach allen bisher gültigen Maßstäben völlig ohne Legitimation agierende – Parlament hat jetzt das Assoziationsabkommen ratifiziert.
Dem Inhalt nach sah dieses Schriftstück die Abkoppelung der ukrainischen Wirtschaft vom russischen Markt vor, die Übernahme von EU-Normen und ein Freihandelsabkommen, das den EU-Waren uneingeschränkten Zugang zum ukrainischen Markt gewährt. Es war also seiner Absicht nach eine völlige Einverleibung der Ukraine, das weit über die wirtschaftlichen Beziehungen hinausging. Im Kern war es jedoch ein wirtschaftliches Dokument, ein Handelsvertrag. Es fragt sich jetzt, wie diese Einverleibung ohne den wirtschaftlichen Teil über die Bühne gehen soll? Weiters fragt sich, wie diese ukrainische Führung, die offensichtlich kein Gewaltmonopol über ihr Territorium besitzt, irgendwelche in dem Abkommen niedergelegten Bestimmungen durchsetzen soll? Es fragt sich, was für eine Art von Dokument da eigentlich unterzeichnet wurde?
Schließlich, und diese Frage stellte sich die offizielle Presse nie, wie sollte und soll eigentlich die neue ökonomische Ausrichtung dieses Landes finanziert werden? Woher soll die Zahlungsfähigkeit der ukrainischen Konsumenten und des ukrainischen Staates kommen? Seit dem Herbst 2013 hat die Hrywna mehr als 40% ihres Wertes verloren. Der ukrainische Goldschatz wurde bereits im Frühjahr außer Landes gebracht und in die USA verfrachtet. Wer wird die Kredite geben, um dieses Land zahlungsfähig zu machen? Die EZB? Der IWF? Die europäischen Banken mit ihren maroden Bilanzen? Und mit was für Garantien? Stürzt die Stützung der Ukraine den Euro in seine nächste Krise?
Und da sind die politischen Verwicklungen, gegenwärtige und kommende Aufstände und Kämpfe, und die Rolle Rußlands noch gar nicht einbezogen …