DIE ENTWICKLUNGSLÜGE WIRD EINDRUCKSVOLL VORGEFÜHRT
In der imperialistischen Staatenwelt gibt es erfolgreichere und weniger erfolgreiche Staaten, bis hin zu solchen, wo fast gar keine Reichtums- und deshalb auch keine Produktion stattfindet, wie z. B. Haití.
Die offizielle Leseart von Finanzinstitutionen und Medien zu diesen „Ungleichgewichten“ lautet: Die einen dieser Staaten seien „entwickelt“ und „reich“, die anderen seien arm, weil sie „unterentwickelt“ sind und sich erst „entwickeln müssen“. Deswegen wird ihnen dann auch oft „Entwicklungshilfe“ geleistet.
Diese Idee der Entwicklung enthält eine Wahrheit und eine Lüge.
Die Wahrheit besteht darin, daß diese Staaten sich ständig darum bemühen müssen, für das internationale Kapital nützlich zu sein und Land und Leute in einem fort darauf beäugen, ob sie sich irgendwie zu Geld machen lassen. Die Regierungen der Staaten Afrikas oder Lateinamerikas versuchen daher dauernd, aus ihrem Land und ihrer Bevölkerung irgendetwas Weltmarkttaugliches herauszuquetschen und die letzten Oasen des Selbstversorgertums zu vernichten. In diesem Sinne werden diese Länder wirklich ständig für den Weltmarkt „entwickelt“, also aufgesperrt und zur Verfügung gestellt.
Die Lüge hingegen, die dieser Begriff enthält, besteht in der Vorstellung, daß diese „Entwicklung“ eine Verbesserung der ökonomischen Situation bedeutet. Wenn nicht heute, dann doch morgen gehört man auch zum Kreis der erfolgreichen Nationen, kann eine eigene Kapitalakkumulation und satte Profitraten vorweisen, seine Bevölkerung anwenden und ausbeuten, anstatt sie dauernd nur als Störfaktor und Ordnungsproblem wahrzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, der Kredite und der richtigen Wirtschaftspolitik, dann kann man auch mitspielen bei den Großen.
Nicht, daß diese „Entwicklung“ ganz unmöglich wäre. China, auch Indien oder Brasilien sind dank ihre sowohl territorialen als auch bevölkerungsmäßigen Masse im letzten Jahrzehnt wirklich ein Stück weit vorgerückt. Die allgemeine Verlaufsform dieser Entwicklung ist jedoch, daß dergleichen Staaten ständig ärmer werden, daß ihrer Bevölkerung immer mehr die Einkommensquellen entzogen werden, das Territorium verpfändet wird und die Verschuldung ansteigt, bis zu einem Punkt, wo sie niemand mehr kreditiert und sie eine Karriere als „gescheiterter Staat“ antreten.
Als Entwicklungsland auf dem Kreditmarkt aufzutreten heißt also soviel wie: als Bittsteller, als fragwürdiger Teilnehmer des Weltmarktes, und als unsicherer Kantonist für diejenigen, die über solche Kredite entscheiden. Deshalb müssen diese Länder für die von ihnen aufgenommenen Kredite auch höhere Zinsen bieten als die Heimatländer des Kapitals.
Jetzt hat Griechenland, also ein Land, das noch bis vor einigen Monaten zu den „reichen“ zählte, beschlossen, sich als Entwicklungsland zu deklarieren, um seine Anleihen überhaupt noch irgendwie anbringen zu können. Die Überlegung der griechischen Politiker und Bankfachleute, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, ist offenbar, daß man als Entwicklungsland irgendwie noch besser dasteht als als Bankrotteur.
Ob dieses Etikett den gewünschten Erfolg bringt – Käufer für die griechischen Staatsanleihen – ist zweifelhaft. Schließlich handelt es sich hier um ein Land, das offensichtlich in der Konkurrenz der Nationen gescheitert ist von seinen Bündnispartnern im Stich gelassen wird. Ein Land, dem es, obgleich mit einer Weltwährung ausgestattet, nicht gelungen ist, sich zu einem erfolgreichen Kapitalstandort zu machen, und das praktisch zahlungsunfähig ist. Wenn das jetzt auftritt und sagt: Hallo, ich bin ein Entwicklungsland und hab eine große Zukunft vor mir! so ist das, gelinde gesagt, unglaubwürdig.
Kategorie: Antikapitalismus
Die „Einigung“ der EU bezüglich der Behandlung Griechenlands
SCHÖNE AUSSICHTEN – FRAGT SICH NUR, FÜR WEN
Die EU-Häuptlinge haben sich angeblich geeinigt, den griechischen Schuldenproblemen mit einer Mischung aus bilateralen Krediten und der Einbeziehung des IWF zu begegnen.
Was bedeutet also zunächst einmal die Hinwendung zum IWF?
(Zum IWF: http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/88/88_6/iwf.htm)
Erstens, und das dürfte vor allem die Sorge Deutschlands gewesen sein: Die vom IWF gewährten Kredite kosten erst einmal die EU-Staaten nichts, d.h., sie blähen das durch Bankenstützungspakete gewaltig angewachsene Kreditvolumen nicht noch weiter auf. Gerade Deutschland hat diesbezüglich den Arsch offen und will nicht noch ein Schäuferl zulegen, vor allem für ein Projekt, in dem es seine nationalen Interessen derzeit nicht gut bedient sieht. Während nämlich laut trompetet wird, daß Griechenland „schlecht gewirtschaftet“ hätte, ist Deutschlands Staatsschuld dem Volumen nach ein Vielfaches der griechischen, und nur deshalb nicht Thema, weil Deutschland erfolgreicher Kapitalstandort ist, also dort die Akkumulation und das Gewinne-Machen funktionieren, während Griechenland diesbezüglich auf der Strecke geblieben ist.
Deutschland ist also besorgt um seine eigene Kreditwürdigkeit, wenn seine Politiker und Medien gegen den angeblichen griechischen Schlendrian ins Feld ziehen.
Diese Griechenland-Hetze hat auch darin einen Pferdefuß, daß Griechenland ein Absatzmarkt für deutsche Produkte ist, und deutsche Unternehmen vor Ort in Tourismus und Schiffbau investiert haben. Aber deutsche Politiker sehen offenbar das Interesse ihrer Geschäftsleute als zweitrangig an, wenn es um so ein hohes Gut geht wie die Kreditwürdigkeit des deutschen Staates.
Die good news der IWF-Beteiligung lauteten also: Deutschland muß seinen Kredit nicht weiter strapazieren.
Zweitens aber, und das waren die Bedenken der meisten anderen Staaten: Damit wird dem IWF, einer Institution, die eigentlich bisher hauptsächlich für die Zahlungsschwierigkeiten von Ländern der 3. Welt zuständig war, Einmischung in die Geld- und Steuerpolitik eines Landes der Euro-Zone zugestanden. Diese übernationale Institution, die für die Zahlungsfähigkeit von Staaten sorgen soll, damit andere – Private – weiter mit diesem Staat Geschäfte machen können, darf sich nicht nur in die Angelegenheiten Griechenlands einmischen, sondern auch in diejenigen der EZB. Wie diese Zusammenarbeit aussehen wird und welche Konflikte daraus entstehen, wird erst die Zukunft weisen. Eines ist aber damit klar: Das ganze Euro-Projekt ist teilweise unter Kuratel gestellt, und Staaten wie die USA, China und Rußland haben ein Stück weit Einblick, vielleicht sogar Mitspracherecht in die inneren Belange der europäischen Einheitswährung.
Bei seinem Versuch, den eigenen Nationalkredit zu retten, hat Deutschland somit Abstand genommen von dem von ihm selbst seinerzeit initiierten europäischen Einigungsgedanken, mitsamt dessen imperialistischer Wucht nach außen.
Schließlich, drittens, ist es dem Gutdünken anderer EU-Staaten anheimgestellt, Griechenland zu unterstützen, also den eigenen Nationalkredit für eine Stützung der griechischen Kreditwürdigkeit einzusetzen. Gegen bilaterale Kredite hat Deutschland sich nur so lange gewehrt, als es befürchten mußte, selbst dafür in die Pflicht genommen zu werden. So hingegen, wenn die Gewährung solcher Kredite den EU-Institutionen entzogen und der nationalen Geldpolitik der einzelnen Mitglieder überantwortet wird, darf jeder der EU-Staaten Griechenland nach eigenem Ermessen unter die Arme greifen.
Es wird also damit gerechnet, daß diejenigen Staaten, die ein gesteigertes Interesse an Griechenlands Zahlungsfähigkeit haben, sich an dieser Aktion beteiligen – und damit Griechenland als Handelspartner für Deutschland funktional erhalten werden! Deutschland möchte also die Unkosten, die die Wahrnehmung der unternehmerischen Interessen ihrer eigenen Kapitalisten verursacht, auf andere Staaten abwälzen.
Übrigens, noch was: Bargeld – „wir zahlen nicht!“ usw. – fließt bei all diesen Manövern überhaupt keines. Es wird also nicht irgendein Geldbeutel oder Safe aufgemacht und gutes Geld nach Griechenland verschoben. Nein, einem betroffenen Staat wie Griechenland wird gegen entsprechende Einschränkungen in seinem Budget Kredit gewährt, damit sich dieser Staat weiter verschulden, also Zahlungsversprechen in die Welt setzen kann, und dafür Käufer findet.
Die Spekulanten, die derzeit zwar beschimpft werden, in deren Hände sich aber alle Staaten und Unternehmen begeben, und vor deren Einschätzung auch alle Ausgeber von Wertpapieren bestehen wollen, erhalten dadurch neue Anhaltspunkte für ihre Spekulation, und wenn jemand bei diesen Stützungsaktionen reich wird, dann sie.
Mit dem Steuerzahler, dieser trostlosen Figur, die immer dann aus dem Besenkammerl geholt wird, wenn irgendwo brave Untertanen jammern wollen oder ausländische Subjekte bedrängt werden sollen, hat das alles gar nichts zu tun. Die Bürger liefern ihre Steuern ab, damit ihre jeweiligen Staaten die Freiheit erhalten, sich grenzenlos zu verschulden, und dann wieder ihren Steuerzahlern Sparprogramme und Hartz IV-Maßnahmen zu verordnen. Mit der kindischen Vorstellung einer Haushaltskasse, in die man was einzahlt und dann wieder etwas herausbekommt, ist dieses Verhältnis völlig falsch bestimmt.
Auf diese Einsicht könnte man allerdings nicht erst bei der griechischen Schuldenkrise kommen.
Aus der Schatztruhe der Lösungsvorschläge zur Euro-Krise
HORST KÖHLERS „INSOLVENZORDNUNG“
„Der Vorstoß von Bundespräsident Horst Köhler für eine Insolvenzordnung für Staaten kommt nicht von ungefähr. Die Idee war ursprünglich von einem Gremium ersonnen worden, dem Köhler einst selbst vorstand. Der Bundespräsident war bis 2004 geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF). Doch die Insolvenz-Idee des Fonds zu Beginn dieses Jahrzehnts fand nie den Weg in die reale Politik. Grund waren Bedenken, dass mit einer Insolvenzordnung weitreichende Eingriffe in die Souveränität von Staaten verbunden seien. Der Plan liegt daher seitdem „wie eine lebende Leiche im Keller“, wie Mitarbeiter des IWF sagen.“ (Handelsblatt, 22.3.)
Eine innerstaatliche Insolvenzordnung, also rechtliche Grundlagen zur Abwicklung eines Bankrotts, bedeutet zunächst einmal, daß Mißerfolg in der Geschäftswelt als notwendiges Moment der Konkurrenz aufgefaßt wird. Es wird also damit anerkannt, daß ein Unternehmen, das zum Zwecke des Gewinnemachens angeleiert worden ist, dabei baden gehen kann. Die rechtsförmliche Abwicklung eines Bankrotts umfaßt Regelungen, wie die eingegangenen Verbindlichkeiten aus der Konkursmasse zu bedienen sind, welche Gläubiger Vorrang vor anderen haben, und wie Vergleiche zustandekommen können – daß also Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten, um überhaupt etwas von ihrem Geld zu sehen. In Insolvenzordnungen wird auch die Rangordnung der Gläubiger festgelegt: Banken, Lieferanten und Gehaltsforderungen haben einen unterschiedlichen Stellenwert. Im bürgerlichen Recht hat ein Masseverwalter, der vom Gericht bestellt wird, die Forderungen zu prüfen und über ihre Rechtmäßigkeit und das Ausmaß, in dem sie zu befriedigen sind, zu entscheiden.
Wenn jetzt Köhler laut darüber nachdenkt, ein Insolvenzrecht für Staaten zu entwerfen, so will er damit dieses Element des Zivilrechts in die Sphäre des Völkerrechts übertragen. Das hieße, daß eine allgemeine Instanz – sei es der IWF oder der angedachte EWF – sich über einen souveränen Staat stellt und diesen zu einem schiefgegangenen Unternehmen erklärt. Das erste, was einem bei diesem Vorschlag ins Auge springt, ist ein Angriff auf die Souveränität der Staaten, der sich gewaschen hat. Das betrifft einmal die Seite des Schuldners. Wer ist der Masseverwalter, und wie geht er vor gegen den Schuldner? Was ist die Konkursmasse, was geht alles in diese ein? Im Falle Griechenlands: Inseln, also Territorium? Infrastruktur? Private Unternehmen?
Zweitens, auch auf der Seite der Gläubiger hat es dieser Vorschlag in sich. Der vorgestellte übernationale Masseverwalter würde damit nämlich eine Einstufung der Gläubiger vornehmen, Welche Gläubiger haben Vorrang vor anderen? Andere Staaten, die Anleihen des betroffenen Schuldners in ihrem Staatsschatz haben; Hedgefonds, Pensionsfonds, Banken, aber auch private Unternehmen, die mit Unternehmen des betroffenen Staates Geschäfte gemacht haben, würden nach diesen Insolvenzregelungen eingestuft. Wer kriegt was, und wer schaut durch die Finger? Eine solche Insolvenzordnung macht einen vorgestellten Masseverwalter zum Herren über die gesamte Staatenwelt und über das gesamte internationale Kapital.
Als Köhler Chef des IWF war, hat er also ein solches ambitiöses Projekt ausgearbeitet. Warum daraus nichts geworden ist, ist klar: Es wäre eine Kampfansage an das internationale Geschäft und die gesamte Staatenwelt gewesen.
Diese „Leiche im Keller“ des IWF hat dennoch Folgen gehabt: Der IWF hat seinen Musterschüler Argentinien 2001/2002 pleite gehen lassen. Und das, nachdem Argentinien sich über ein Jahrzehnt lang allen Austerity-Programmen des IWF unterworfen, unter der Ägide des IWF sein Currency Board – die 1:1-Parität des Peso zum Dollar – eingerichtet, und alle Auflagen des IWF erfüllt hatte.
Die Folgen dieses Staatbankrotts für Argentinien selbst und für ganz Lateinamerika sind hier nicht Thema. Interessant ist hier die Frage, wie sich diese Zahlungsunfähigkeit Argentiniens für den internationalen Anleihenmarkt ausgewirkt hat. Staatsanleihen gelten generell als relativ risikofreie Anlage. Staaten, die nicht so vertrauenswürdig sind, müssen einen höheren Zins zahlen als solche, die als völlig solid eingestuft werden. Argentinien hatte zwar ein schlechteres Rating als die Länder der Eurozone, oder der EU, galt aber bis kurz vor seinem Konkurs als relativ verläßlicher Schuldner, vor allem wegen seiner engen Zusammenarbeit mit dem IWF.
Und auf einmal konnte es seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Seine Staatsanleihen waren junk bonds. Eine Menge Investoren in diese Staatsanleihen schauten durch die Finger.
Bemerkenswerterweise ist es dem internationalen Finanzkapital, dem IWF, den Medien gelungen, Argentiniens Staatsbankrott zu einem Sonderfall zu erklären und als solchen zu behandeln. Die betroffenen Gläubiger traten in Verhandlungen ein, und versuchten, zu retten, was zu retten war.
Es kam jedoch zu keiner internationalen Verunsicherung bezüglich Staatsanleihen. Der Umstand, daß ein Staat seine Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen konnte, hat zu keiner Verunsicherung oder Neubewertung von Staatsanleihen überhaupt geführt. Das völlig allgemeine Moment der Probleme Argentiniens – daß ein Staat sich über Verschuldung auf internationalen Finanzmärkten seine Zahlungsfähigkeit verschafft – wurde nicht in Zweifel gezogen.
Eine ähnliche Schadensbegrenzung versuchen deutsche Politiker jetzt an Griechenland zu vollziehen. Griechenland muß sich sanieren, sich selber aus der Scheiße ziehen – oder untergehen.
Den einen Umstand übersehen sie allerdings: Daß Griechenland Teil der Eurozone ist. Ein griechischer Staatsbankrott würde das Ende des Euro bedeuten.
Es ist in den letzten Monaten schon einiges an Unsinn über Griechenland, den Euro, Staatshaushalte, Anleihen usw. in den Medien verbreitet worden. Die deutschen Politiker schießen allerdings, was die Verbreitung von Blödsinn betrifft, den Vogel ab. Ihr Versuch, zu behaupten: Griechenland soll sich um sich selber kümmern und geht uns nix an, ist nichts weniger, als das ganze Projekt der Gemeinschaftswährung – ein vor allem ursprünglich deutsches Projekt! – scheitern zu lassen.
Es gibt also bei deutschen Häuptlingen anscheinend die Vorstellung: Wenn der Euro als Währung zerbröselt, macht uns das gar nix, und die DM ersteht wieder wie Phönix aus der Asche als starke und unangreifbare nationale Währung. Und das ist, gelinde gesagt, verrückt.