Ein kontroversieller Begriff

WAS IST EIGENTLICH EINE KLASSE?
Existiert in China eine „Klassengesellschaft“? Gibt es „Klassenjustiz“? Haben wir bei der medizinischen Versorgung eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“? Niemand will heute zur Arbeiterklasse gehören, sondern bezeichnet sich als Teil der „Mittelklasse“.
Alles Gründe, einmal die Frage zu stellen: Was ist eine Klasse, und wie wird dieser Begriff heute verwendet?
Marx, der die Geschichte als eine der Klassenkämpfe betrachtete, meinte, die Zugehörigkeit zu einer Klasse bestimme das Bewußtsein der Menschen. Er hielt die Klasse für etwas sehr Elementares, über das die Menschen sich selber definieren. Vielleicht täuschte er sich darin. Auf jeden Fall bestimmte er die Klassen über ihr Eigentum und ihre Einkommensquellen: Die einen, die nichts haben, müssen irgendjemandem ihre Arbeitskraft verkaufen, um von einem dafür gezahlten Lohn leben zu können. Die anderen, die genug Eigentum haben und dieses vermehren wollen, stellen die Eigentumslosen an, um aus deren Arbeit für sich Gewinn zu machen. Die Armut der einen ist daher Voraussetzung für den Reichtum der anderen.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Leute, die nichts haben, gibt es weltweit jede Menge. Wenn sie keinen Benützer finden, der sich mit Hilfe ihrer Arbeit bereichern will, so können sie noch eine Nische suchen, innerhalb derer sie sich subsistenzmäßig weiterbringen, sich mit illegalen Tätigkeiten Einkünfte verschaffen, oder sich im sozialen Netz über Wasser halten, sofern sie in einem Land leben, wo es ein solches gibt. Sonst können sie noch versuchen, auszuwandern, oder sie verhungern eben. Die Arbeiterklasse ist heute global vertreten, ebenso wie das Kapital. Das kann sich auf der ganzen Welt sein Ausbeutungsmaterial zusammensuchen: für Textilproduktion in Bangladesch, für Autoproduktion in Osteuropa, für Elektronik in Thailand oder China, usw.
Die Arbeiter- und die Ausbeuterklasse gibt es also nach wie vor.
Marx meinte, irgendwann würden nur mehr diese beiden Klassen übrigbleiben, und den Gegensatz zwischen sich so auf die Spitze treiben, daß es unweigerlich zu einer gesellschaftlichen Umgestaltung kommen müsse. Darin täuschte er sich, unter anderem deshalb, weil er die Rolle des Staates falsch einschätzte. Es gibt heute eine Menge Staatsbeamte: Lehrer, Ärzte, Verwaltungsbeamte, die keiner der beiden Klassen angehören. Außerdem hat sich das Kleineigentum, das besteht, ohne fremde Arbeit anzuwenden, auch irgendwie erhalten, bzw. entsteht stets von neuem aus Mitgliedern anderer Klassen.
Das tut aber der Bestimmung von Arbeiter- und Unternehmerklasse keinen Abbruch.
Unlängst hörte ich, es gäbe gar keine Arbeiterklasse mehr, weil die kein Bewußtsein von sich selbst hätte. Diese Sichtweise hat den Widerspruch, daß es eine Klasse ja bereits geben muß, damit man ein Bewußtsein von ihr entwickeln kann.
Die Mitglieder der Arbeiterklasse wollen jedenfalls nicht als Arme gelten, die sich von anderen ausbeuten lassen müssen. Deshalb möchten sie – zumindest in unserer Weltgegend – alle zur Mittelklasse gehören.
Was ist diese „Mittelklasse“? Dort finden sich Leute aus allen Schichten: Selbständige, Arbeiter, Beamte, Kleinunternehmer, sogar Angehörige des Bauernstandes. Es handelt sich also um keine Klasse im herkömmlichen Sinne, die über ihre Einkommensquelle bestimmt ist. Mit „Mittelklasse“ ist vielmehr ein Ideal bezeichnet, dem alle Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft anhängen: vom fixen Arbeitsplatz oder der eigenen Firma, dem sicheren Auskommen, der Vereinbarkeit der gegensätzlichen Interessen in der Marktwirtschaft. Diese diffuse Personengruppe bringt in einem fort Enttäuschte hervor, Gescheiterte, die als Loser, Drop-Outs, Sozialfälle vor sich hin gammeln, aber um so stärker an dem Ideal festhalten, an dem sie persönlich gescheitert sind. Sie sind ein Beweis des Funktionierens der Klassengesellschaft: Die funktioniert nämlich genau so, daß sich die Ausgesteuerten und Eigentumslosen selbst Sand in die Augen streuen über ihre tatsächliche Lage und mit aller Kraft versuchen, sich durch Anpassungsleistungen aller Art von der Klasse der Eigentumslosen in irgendeine Art von Eigentümer zu bewegen. Und wenn das schiefgegangen ist, sich entweder selber die Schuld geben, d.h. bei sich selbst die Gründe suchen, warum der Klassenaufstieg nicht gelungen ist. Das ist die Abteilung Psychotherapie oder Alkoholismus. Oder aber, und davon lebt die ganze politische Rechte, andere zu suchen, die man dafür verantwortlich machen kann, daß man sich den Erfolg, der einem zusteht, nicht auf die Fahnen heften kann.
Wenn schließlich die bürgerliche Presse irgendwo „Klassen“, also irgendeine angebliche Ungerechtigkeit, Ungleichheit festmacht, so bedient sie damit nur das Bedürfnis derer, die zwar nichts haben, aber gerne zur Klasse der Besitzenden gehören würden.
Marx hatte also recht und unrecht gleichzeitig: Die Klassenzugehörigkeit beeinflußt das Bewußtsein der Menschen zwar ziemlich gründlich, aber keineswegs in dem Sinne, in dem er es erhoffte. Gerade angesichts der trostlosen Lage, in dem sich ein guter Teil der Menschheit befindet, entsteht zwar ein Bedürfnis zur Überwindung dieser Lage, aber auf rein individueller Grundlage: Wie komme ich da heraus? und mit allen Illusionen, die hierzu nötig sind.
Das Bewußtsein einer gesellschaftlichen Lösung – der Aufhebung der Eigentumsverhältnisse – kann erst aus einer Kenntnis der kapitalistischen Ökonomie folgen. Es ist also die Aufgabe aller Kommunisten, sich diese anzueignen und zu verbreiten.

„Redundant population“

DIE EU UND DIE ROMA
Die beiden Fälle der von Frankreich in den Kosovo abgeschobenen Familie Dibrani sowie des blonden Mädchens Maria in Griechenland haben wieder einmal den Blick der Medien auf die Lage der Roma in Europa gerichtet.
Die EU hat dabei des Problem der ehemals sozialistischen Staaten geerbt, ob diese Menschen als eigene Volksgruppe zu betrachten sind oder als Lumpenproletariat, Bodensatz der Gesellschaft, dessen man sich möglichst gründlich entledigen muß. In den ehemals sozialistischen Staaten war seinerzeit die „Zigeunerfrage“ gelöst worden: sie wurden zur Seßhaftigkeit gezwungen, in Plattenbauten gesteckt und mit – oft eher unangenehmen – Arbeitsplätzen versorgt. Die Marktwirtschaft hat diese forcierte Integration zunichte gemacht und die Roma als Arbeitskräfte ausgespien. Da erweist es sich dann als praktisch, sie wieder zu einer bestimmten Volksgruppe, „Rasse“ zu erklären, die von Haus aus arbeitsscheu und integrationsunwillig ist.
Das löst das Problem allerdings nur teilweise. Sie lösen sich durch diese Definition ja nicht in Luft auf, und ihre Anwesenheit verlangt in der einen oder anderen Form behördliches Handeln. Die EU-Behörden betreten hier juristisches Neuland und schaffen Präzedenzfälle.
In der EU mit mehr als 26 Millionen Arbeitslosen wächst die überflüssige Bevölkerung in einem fort an. Und zwar sind es nicht die ständig strapazierten Flüchtlinge und Asylanten, die diese überflüssige Bevölkerung ausmachen, sondern die eigenen EU-Bürger, die herumlungern und den Staaten auf der Tasche liegen, weil das Kapital sie nicht brauchen kann.
Sämtliche EU-Staaten bemühen sich inzwischen, diese Belastung ihrer sozialen Netze auf andere Staaten abzuwälzen. Die Drangsalisierung der Hartz IV-Bezieher in Deutschland genauso wie die Kriminalisierung der Obdachlosigkeit in Ungarn oder die Bettelverbote in diversen Ländern dienen dem gemeinsamen, aber gegeneinander gerichteten Ziel, die eigenen Überflüssigen den Nachbarstaaten auf den Hals zu hetzen. Die Abschiebung ist zu einem integralen Bestandteil der EU-Sozialpolitik geworden.
Das stößt jedoch innerhalb der EU auf gewisse rechtliche Schranken. Die Abschiebung der Roma aus Frankreich unter der Regierung Sarkozy hatte den Haken, daß Rumänien Teil der EU ist und seine Bürger sich daher dem Prinzip nach überall in der EU niederlassen dürfen. Diese Abschiebungen verstießen daher gegen EU-Recht. Deshalb hat die Regierung Berlusconi in Italien gleich auf die ohnehin kostspieligen Abschiebungen verzichtet und mit Polizei, Mafia und Medien gezielten Terror betrieben, um die Roma zum „freiwilligen“ Verlassen Italiens zu bewegen.
Die damals aus Italien geflüchteten Dibranis waren Staatenlose. Der Vater hatte vor mehr als 2 Jahrzehnten Jugoslawien verlassen – einen Staat, den es nicht mehr gibt. Die Mutter und die 6 Kinder waren als Staatenlose geboren worden und hatten es nie geschafft, diesen Status abzustreifen. Um sie abschieben zu können, mußte erst ein Staat gefunden werden, dem sie zugeordnet werden konnten. Dieser Staat ist das staatsähnliche Gebilde Kosovo, das weder nach innen noch nach außen Souveränität besitzt und sich daher seine Bürger nicht aussuchen kann: Sie werden ihm zugeteilt. Man sieht, wie praktisch dieser von USA, EU, NATO und UNO geschaffene und aufrechterhaltene gescheiterte Staat ist: Er liegt außerhalb der EU und kann diesen Abschiebungen nichts entgegensetzen. Das Aufnahmepotential ist jedoch beachtlich. Die auf zwei Millionen geschätzte Bevölkerung kann sich zwar jetzt schon nicht ernähren und lebt von Auslandsüberweisungen, Hilfsprogrammen und Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. Die kosovarische „Diaspora“ wird auf weitere 2 Millionen geschätzt. Der Einfallsreichtum der EU-Behörden ist also gefragt, um irgendwelchen Bevölkerungsteilen, die man loswerden will, eine kosovarische Staatszugehörigkeit umzuhängen und sie in dieses wehrlose Aufnahmegefäß für Überflüssige hineinzustopfen.
Im Falle der griechischen Roma-Familie, die ein bulgarisches Roma-Kind adoptiert hat, findet ein weiteres zukunftsweisendes Verfahren statt. Die Adoption wird kriminalisiert und als Menschenhandel ausgelegt, das Kind behördlich verwahrt, die Eltern verhaftet. Hiermit eröffnet sich die Möglichkeit, den Roma mit dem – in der Geschichte immer wieder praktizierten – Wegnehmen ihrer Kinder zu drohen und sie dadurch zum „freiwilligen“ Verlassen sogar desjenigen Landes zu veranlassen, in dem sie Staatsbürger sind.
Die solchermaßen aufgenötigte nomadische Lebensweise wird dann wieder als Schmarotzertum, Besitzstörung und rassische Minderwertigkeit verfolgt werden, und die Hatz gegen die Überflüssigen geht in die nächste Runde.

Die Krise des Weltgelds – Sorge oder Chance für seine Rivalen?

DER YUAN UND DIE FRAGE DES WELTGELDES
Was ist das eigentlich, ein Weltgeld oder eine international anerkannte, also angenommene Währung?
Es ist, vom Standpunkt derer, die es haben wollen, ein allgemeines Äquivalent für alle Werte der Welt. Also ein Geld, für das man alles kaufen kann.
Das betrifft die meisten Menschen auf dieser Welt überhaupt nicht. Die sind damit beschäftigt, durch Arbeit verschiedenster Art ihr regionales Geld in die Finger zu bekommen, um sich damit das Lebensnotwendigste kaufen zu können. Ob dieses Geld auch außerhalb der Landesgrenzen Wert besitzt, ist für dieses bescheidene Programm ganz gleichgültig.
Unternehmer aller Art und andere Leute, die aus irgendeinem Grund – zum Vergnügen oder beruflich – auf der Welt herumfahren, wollen aber ein Geld haben, das man überall verwenden oder zu einem günstigem Kurs gegen die Lokalwährung eintauschen kann.
Staaten schließlich wollen unter ihren Staatsbürgern möglichst viele erfolgreiche Unternehmer, die überall auf der Welt Geschäfte machen, und wollen ihnen gerne ein Geld dafür zur Verfügung stellen, mit dem sie das auch machen können. Aber das Vertrackte an diesem Spiel namens imperialistische Konkurrenz ist, daß es die erfolgreichen Unternehmer schon geben muß, damit die bedruckten Zettel eines Staates gut sind. Einfach durch Draufdrucken und Behaupten wird das Geld nämlich nicht zum Weltgeld, (übrigens auch nicht durch Bindung an irgendein Edelmetall,) sondern durch die Ökonomie, über die der betreffende Staat verfügt, genauer: durch die Kapitalakkumulation, die seine einheimische Unternehmerschaft hinkriegt.
Die Hierarchie der nationalen Gelder auf dem Geldmarkt ist daher ein Spiegel der imperialistischen Kräfteverhältnisse. Die Weltmacht Nr. 1 hat eben auch das Geld Nr. 1 und die anderen müssen sich alle an ihm messen.
Dieses Verhältnis ist aber nicht statisch – bestehende Rivalen auf dem Weltmarkt wollen den Dollar einholen – siehe die EU und das Euro-Projekt – und aufstrebende Mächte wollen ihre Gelder auch als grenzüberschreitende Wertträger ins Spiel bringen.
Der derzeitige Budgetstreit in den USA, der aller Welt vor Augen führt, daß die Institutionen der Weltmacht Nr. 1 auf das, was „Krise“ heißt, gar nicht richtig eingestellt sind und infolgedessen an der Krisenbewältigung zu scheitern drohen, hat unter anderem bei den 2 größten Mächten des Fernen Ostens Unruhe ausgelöst.
Sowohl die chinesische als die japanische Führung haben die USA aufgefordert, ihr Chaos in Ordnung zu bringen, damit chinesische und japanische Interessen nicht gefährdet werden. Recht frech eigentlich, so eine Ermahnung. Das muß sich ein Staat einmal leisten können. Das heißt, beide Staaten haben gegen die USA etwas in der Hand.
China und Japan – in dieser Reihenfolge – halten die größten Anteile amerikanischer Staatsanleihen. Sie sind also die größten Gläubiger der USA. Das heißt, sie verschaffen den USA durch den Kauf ihrer Papiere die Möglichkeit, als Weltmacht auf der Welt herumzufuhrwerken. Man könnte sogar sagen, auf eine gewisse Weise finanzieren sie die Kriege der USA.
Die chinesischen und japanischen Regierungen tun das, um sich Devisen, also international gültige Zahlungsmittel zu verschaffen bzw. ihr eigenes, bereits international anerkanntes Geld durch das Anhäufen eines Staatsschatzes zu stabilisieren.
Würden sie aber eines Tages sagen: ich pfeif drauf! und diese Anleihen massenhaft auf die internationalen Börsen werfen, so täte dies dem Staatskredit der USA nicht gut. Es käme somit einer Kriegserklärung gleich.
Da der Dollar genauso wie alle anderen Gelder durch die Notenbank und die Macht der USA beglaubigt wird, macht das Hin und Her um seine Handhabung keine gute Optik. Die irgendwie im Raum stehende Möglichkeit, daß dieses Land – ähnlich wie Griechenland – seine Schulden nicht mehr bedient, also seine Zinsen nicht mehr zahlt, verursacht allen Währungshütern weltweit Kopfzerbrechen, da die meisten Staaten Dollar-Anleihen als „Reservewährung“ bei sich aufgestapelt haben.
Würden die USA die Zahlungen einstellen, so wäre der Dollar von einem Tag auf den anderen wertlos. Alle würden Dollar an den Weltbörsen verkaufen. Die Anleihen wären entwertet, die Staatsschätze ud Bankschätze, wo sie einen bedeutenden Teil ausmachen, ebenfalls. Die USA würden als Weltmacht abdanken, weil sie ihre Ausgaben nicht mehr durch Anleihen finanzieren könnten. Es ist fraglich, ob irgendeine andere international anerkannte Währung den Platz des Dollar als Weltgeld einnehmen könnte, oder ob nicht überhaupt das ganze Weltwährungssystem zusammenbrechen würde.
So etwas will natürlich nicht einmal die Tea Party, sodaß sicher irgendeine Art von Einigung zwischen den amerikanischen Parteien stattfinden wird. Dennoch, der Dollar wird zu einem Risiko für alle anderen Staaten, deren Währungen tagtäglich auf den Geldmärkten mit dem Dollar verglichen und auf- oder abgewertet werden.
Von den asiatischen Players hat auf jeden Fall China gegenüber dem Dollar die besseren Karten, weil es trotz seiner Dollar-Anleihen – im Unterschied zu Japan – sein nationales Geld nicht dem Urteil der Märkte ausgesetzt hat. Der Yuan hat also noch keinen Platz in der Hierarchie der Währungen, hat aber die notwendige potente Ökonomie hinter sich …