Pressespiegel El País, 5.4.: Trostlose „Wirtschaftsfachleute“

DER DOLLAR AUF DEM PRÜFSTAND: WARUM TRUMPS HANDELSKRIEG AUCH EIN WÄHRUNGSKRIEG IST

Trumps Wunsch nach einer schwachen Währung zur Reindustrialisierung der USA hat die Märkte vor den Folgen gewarnt, die sich ergeben würden, wenn die USA ihre Rolle als globale Reservewährung verlieren würden.“

Wenn der $ abgewertet würde, so würde er deswegen nicht notwendig seine Rolle als Reservewährung verlieren. Allerdings würden die Bankschätze, die viele $-Anleihen bei sich liegen haben, an Wert schrumpfen.
Nur: Was wäre die Alternative als Reservewährung?
Der Euro?
Der Yen?
Das britische Pfund?

„Auch der Dollar konnte sich der starken Volatilität der Finanzmärkte in diesem Jahr nicht entziehen, insbesondere nicht nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Donald Trump im vergangenen Januar. Im selben Monat fiel der Euro an Tagen, an denen über die Parität zwischen den beiden Währungen diskutiert wurde, auf bis zu 1,02 US-Dollar.
Mitte März gelang es der Gemeinschaftswährung jedoch, sich wieder deutlich zu erholen und auf 1,094 US-Dollar zu steigen. Der Dolchstoß war die Ankündigung der US-Zollpolitik in dieser Woche: Die US-Währung wird derzeit zu 1,10 Dollar pro Euro gehandelt und hat seit Januar gegenüber ihrer Rivalin 6,25 % an Wert verloren.

Gründe für diese starken Schwankungen sind Trumps angekündigte Zollpolitik, die Erwartung einer Verlangsamung des US-Wachstums und die Ankündigung Deutschlands und anderer europäischer Länder, außerordentliche öffentliche Ausgaben für die europäische Wiederaufrüstung zu tätigen. Dies führte zu einem Anstieg der Rendite zehnjähriger deutscher Staatsanleihen auf 2,73 %, verglichen mit 2,35 % zu Jahresbeginn.“

Das heißt, die Finanzmärkte finden die angekündigte deutsche Aufrüstung perspektivenreich und sind bereit, sie zu kreditieren.
Man merkt hier, daß die Rüstung in einer weltweit stagnierenden Wirtschaft, die im Grunde schon seit geraumer Zeit im Krisenmodus läuft, als eine Art Wachstumsmotor aufgefaßt wird – sowohl von ihren politischen Verkündern und vermutlich auch Betreibern als auch vom weltweiten Finanzkapital, daß verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten in einem sehr schwachen Markt sucht.

„Höhere Zölle bedeuten eine höhere Inflation in den USA und damit höhere Zinssätze.“

So eine Notwendigkeit, wie hier dargestellt, gibt es nicht. Die Inflation und auch die Zinssätze werden auch durch andere Faktoren beeinflußt.
Der Verfasser des Artikels hat das wohl so auf der Uni gelernt, aber das ist eben ein Blödsinn.
Vermutlich hört man bald ein Wehgeschrei, wenn das andere Auswirkungen (auch) hat.

„In diesem Zusammenhang muss Europa für globale Investoren attraktiver werden, wenn es die Kosten der Wiederaufrüstung mit höheren Zinsen finanzieren will. Währungen spielen hier eine wichtige Rolle und wie es bei dieser komplizierten Aufgabe der Fall ist, gibt es genug Widersprüche.“

Eine sehr interessierte Betrachtungsweise, das Säbelrasseln in Deutschland als „komplizierte Aufgabe“ zu charakterisieren. Sozusagen eine reine Konjunkturbelebungsmaßnahme, noch dazu ungewöhnlich …

„»Wir müssen uns auf eine Politik des schwachen Dollars einstellen. Kommt es nicht zu einer Rezession, dürfte die Einführung von Handelsbarrieren in den USA zu einer etwas höheren Inflation und höheren Zinsen führen und den Dollar stärken.
Bisher ist das jedoch nicht der Fall, da der Markt eine deutliche Verlangsamung des Wachstums anzeigt. Sollte der Dollar wieder stärker werden, dürfte Trump Botschaften senden, die seine Währung schwächen«, erklärt Ignacio Dolz de Espejo, Direktor für Investmentlösungen bei Mutuactivos.

Aiman Shanks von Schroders stimmt dem zu: »Theoretisch sollten Zölle und eine stärkere Konjunktur dem Greenback zugutekommen,“

– warum? –

doch die Unsicherheit über das chaotische und schnelle Tempo der Exekutivverordnungen seit Ende Januar, gepaart mit den Auswirkungen auf die US-Wirtschaft, hat die Begeisterung der Anleger für Dollaranlagen deutlich gedämpft.
Der Dollar könnte sich dennoch gut entwickeln, wenn es zu einer Flucht in defensive Anlagen kommt und die anhaltende Inflation die Federal Reserve daran hindert, die Geldpolitik deutlich zu lockern«, erklärt er.“

Man beachte bei diesem Gefasel des Wirtschaftsfachmanns, wie die Inflation zu einem Subjekt wird, das die Akteure der Fed, die über Zinssätze entscheiden, an etwas „hindert“.
Man muß sich wirklich eine Art Gespenst dazudenken, das seine „unsichtbare Hand“ auf die der Bankdirektoren legt und sie daran hindert, einen Knopf zu drücken.

„Ein Beispiel für dieses vorübergehende Misstrauen gegenüber dem Dollar ist der starke Anstieg der europäischen Aktienmärkte im Vergleich zur Wall Street in diesem Jahr.

Doch die grundlegende Frage, die sich viele Analysten stellen, ist, ob Trump möchte, dass der Dollar seine Funktion als Reservewährung der Welt verliert.“

Eine Frage ist, ob Trump das will – Ja, er will das –, eine 2. ist, ob und auf welche Weise er das erreichen kann. Zölle allein dürften nicht genug sein.

„Eine Angst, die, wie Benjamin Dubois, Leiter des Hedge Managements bei Edmond de Rothschild AM, betont, als erste Folge »einen schwindelerregenden Anstieg des Goldpreises« hat, »der zum wichtigsten Reservewert geworden ist, da es keine Währung gibt, die eine echte Alternative zum Dollar bieten kann. Der Goldpreis ist um mehr als 60 % gestiegen und liegt nun bei über 3.000 Dollar pro Unze«, erklärt er.“

Es war in den 90-er Jahren, daß die Zentralbanken – zumindest in Europa – das Gold aus ihren Bankschätzen hinauswarfen und durch Staatsanleihen ersetzten – weil diese, zum Unterschied von Gold, Zinsen abwarfen. Der Bankschatz hörte also auf, „totes Kapital“ zu sein und verwandelte sich in eine Investition.
Auf diese Entwicklung setzte auch die EU bei der Einführung des Euro. Die Euro-Macher hofften, daß jetzt auf Euro lautende Staatsanleihen überall nachgefragt sein würden und der Euro einen fulminanten Start hinlegen würde – und gleichzeitig die Verschuldungsfähigkeit der Euro-Staaten steigen würden. Und ihre Hoffnung wurde erfüllt.
Das dicke Ende kam ein paar Jahre später. Seit der Finanz- und Euro-Krise sind die Staatsanleihen der Euro-Staaten vor allem bei der EZB „nachgefragt“. Diese Institution kauft sie bis heute in großem Umfang auf, um den Kredit der Wackelstaaten zu stützen. Woanders sind diese Anleihen (z.B. Griechenlands, Italiens, Zyperns) – mit einigen Ausnahmen – weitaus weniger nachgefragt. Die US-Anleihen hingegen haben weltweit einen besseren Stand, vor allem, seit die Fed die Zinsen erhöht hat.
Wie sich gezeigt hat, ist ein weltweiter Umstieg auf Euro-Anleihen nach wie vor eher unwahrscheinlich – obwohl die EU und vor allem Deutschland mit ihren Rüstungsvorhaben versucht, das zu ändern und zumindest deutsche Anleihen wieder attraktiv zu machen.
Die Zentralbanken Rußlands, Chinas und auch Indiens kaufen schon seit einiger Zeit Gold auf, um ihre Bankschätze damit auszupolstern. Das sind diejenigen Staaten, die von einer Schwächung des Dollar als Reservewährung am ehesten profitieren könnten – obwohl nicht absehrbar ist, wie.

„Eine durchaus relevante Frage, wie der Mathematiker und Analyst Juan Ignacio Crespo betont:“

Man muß schon nachfragen, welche Frage eigentlich so relevant ist? Will Trump den Dollar schwächen, ihn als Reservewährung unattraktiv machen, und kann er das überhaupt? – mindestens 3 Fragen sind hier versammelt.

„»Die eine Hälfte der Welt schaut fassungslos zu, und die andere Hälfte ist entsetzt darüber, was mit dem Dollar als allgemein akzeptierter Währung und Eckpfeiler des globalen Finanzsystems geschehen wird.«

Bei Seiten nehmen also eine sehr dümmliche und tantenhafte Stellung zu den Handlungen des US-Häuptlings ein und sind sogar weit entfernt davon, eine der 3 Fragen zu stellen.

„Rund 70 % der internationalen Transaktionen werden in Dollar abgewickelt. Die Vorherrschaft des Dollars hat es den USA ermöglicht, sich problemlos und zu niedrigeren Zinsen zu finanzieren, als sie es ohne ihren Status als globale Reservewährung tun müssten.“

Hier werden 2 Funktionen des Weltgeldes, die sehr verschieden sind, in einem Atemzug erwähnt. An der Rolle des Dollar als Handelswährung will Trump festhalten – deswegen will er auch keine Gemeinschaftswährung bei den BRICS zulassen, – an der als Reservewährung hingegen will er rütteln.
Hier wiederum erhebt sich die Frage, ob das eine ohne das andere zu haben ist?

„»Der jüngste Rückgang des Dollars könnte der Beginn eines tieferen Trends sein, und eine zweite Amtszeit Trumps könnte dazu führen, dass der Dollar seinen dominanten Status verliert, den er im letzten Jahrzehnt innehatte«, erklärt Benjamin Dubois.“

Im letzten Jahrzehnt?!

„Und er fügt hinzu: »Diese von Stephen Miran, Donald Trumps wichtigstem Wirtschaftsberater, entwickelte Umstrukturierung basiert auf der Überzeugung, dass der Dollar abwerten muss, um die Reindustrialisierung der USA zu ermöglichen. Zölle sind ein zentrales Element seiner Strategie, die andere Länder zu Währungsabkommen ermutigt. Dies ist das sogenannte Mar-a-Lago-Abkommen, ähnlich früheren Währungsabkommen, die nach ihrem jeweiligen Unterzeichnungsort benannt sind, wie Bretton Woods (1944), Plaza (1985) und Louvre (1987)“, folgert Dubois.“

Es ist schon beachtlich von dem Finanzexperten der Rothschild-Bank, das Bretton Woods-Abkommen, das die Dominanz des Dollars nach 1945 festschrieb – bis heute! – mit den zwei obskuren Abkommen der Ära Reagan, die zur Finanzierung seines antikommunistischen Kreuzzugs dienten, in einen Topf zu werfen.
Außerhalb von Bankiers-Kreisen sind diese Abkommen ziemlich unbekannt. Aber immerhin handelt es sich um Absprachen zwischen Staaten. Das kann man von der Trumpschen Zollpolitik nicht sagen, die kennt eigentlich nur Gegner, keine Verbündeten.

„Folgen

Die Vorherrschaft des Dollars hat sich gefestigt, da er international als die Währung mit dem geringsten Risiko gilt. Dem Euro ist es in den 25 Jahren seines Bestehens nicht gelungen, diese Position einzunehmen, und in jüngster Zeit ist es den aufstrebenden BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) nicht gelungen, eine konkurrierende Währung zu schaffen.“

Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen.
Der Euro sollte dem Dollar Konkurrenz machen und ist dabei auf die Nase gefallen. Seine Schöpfer haben ihn genau deshalb geschaffen.
Er ist als Reservewährung nach der Finanzkrise stark zurückgefallen. Als Handelswährung ist er außerhalb Europas bedeutungslos.
Die BRICS hingegen arbeiten gar nicht an einer Ersatzwährung. Das ist ein Märchen, das von westlichen sogenannten Experten in die Welt gesetzt wurde und seither gebetsmühlenartig wiederholt wird – immer mit dem Zusatz, daß sie es nicht schaffen..
Manche der BRICS-Mitglieder hätten es gerne, anderen, wie Indien, ist das völlig gleichgültig.
Woran die BRICS arbeiten, ist ein Abrechnungsmodus jenseits des Dollars. Das ist aber nicht mit einem Währungsprojekt wie dem Euro zu verwechseln.

„Philippe Waechter, Chefökonom bei Ostrum AM, versucht, sich eine neue Welt vorzustellen, in der der Dollar als Reservewährung entthront wurde. (…)“

Es folgen konfuse und ziemlich dumme Phrasen über die Gefährdung des Dollar und des Welthandels, die Trumps erboste Äußerungen, der Dollar habe sich einem Mittel für Amerikas Rivalen entwickelt, durchaus bestärken.

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KASTEN, D.H. ERGÄNZUNG IN SELBIGEM ARTIKEL:

„Prognosen gegenüber dem Euro

Der berühmte »Tag der Befreiung« kam und mit ihm geriet die Welt in einen globalen Handelskrieg. Am vergangenen Mittwoch kündigte US-Präsident Donald Trump allgemeine Zölle in Höhe von 10 % und weitere Sanktionen gegen seine wichtigsten Handelsspartner an. Im Falle der EU beträgt der Satz 20 %, während er für China auf 34 % ansteigt.
Diese beispiellosen Maßnahmen, die mit erfundenen Handelsbeschwerden untermauert werden, wirken sich direkt auf zahlreiche wirtschaftliche Variablen aus. Am deutlichsten sind ihre Auswirkungen auf den Devisenmarkt. Sämtliche Prognosen zur Entwicklung des Euro-Dollar-Kurses haben sich als falsch erwiesen.
Klar scheint jedoch, dass die europäische Währung gegenüber dem Greenback weiter an Stärke gewinnen wird.“

Welch ein Satz! Entweder etwas ist „klar“, oder es „scheint“!

„Aber wie weit?“

Ja, das wüßten die Währungsspekulanten alle gerne, und dafür halten sie sich auch sogenannte „Analysten“, die aber gegenüber Trump und seiner Politik alle ratlos zu sein scheinen und deswegen jede Menge leeres Blabla von sich geben.

„Am Donnerstag, dem Tag nach Bekanntgabe der Maßnahmen, verzeichnete der Euro gegenüber seinem Konkurrenten seinen besten Tag seit 2015.“

Komisch, daß inzwischen gar keine warnenden Stimmen hörbar werden, die aufgrund des Ansteigens des Euro-Kurses die europäische „Wettbewerbsfähigkeit“ in Gefahr sehen.

„Trotz der bisherigen Aufwertung sehen die Experten von Citi Raum für eine weitere Aufwertung und setzen ihr mittelfristiges Ziel auf einen Wechselkurs von 1,15 Dollar pro Euro.
In den USA wird mit einem langsameren Wirtschaftswachstum gerechnet, was die Federal Reserve dazu zwingen wird, die Zinssätze aggressiver zu senken.“

Jetzt ist es wieder das Wirtschaftswachstum, das gespenstisch seine unsichtbare Hand auf die der Fed-Entscheidungsträger legen wird!

Was Trump so treibt, mag ja auch nicht besonders sympathisch oder durchdacht sein.
Aber was seine Kritiker von sich geben, ist wirklich an der Grenze des Schwachsinns.
Das Beunruhigende ist, daß letztere die europäische Politik bestimmen oder zumindest auf sie einwirken.

Pressespiegel El País, 27.1.: Syrien und die Sanktionen

SYRIEN WILL DAS ENDE DER INTERNATIONALEN SANKTIONEN, UM EINEN NEUSTART EINZULEITEN“

Man fragt sich, warum die Sanktionen überhaupt noch bestehen?
Sie wurden schließlich gegen das „Regime“ von Baschar al-Assad erlassen, weil der mit seinen Gegnern gewaltsam verfahren ist.
Jetzt sind diese Gegner an der Macht – und dennoch sind die Sanktionen nach wie vor aufrecht.

Die 27 Staaten der EU untersuchen, wie die Hindernisse abgebaut werden können, die dem Land während des Regimes von Baschar al-Assad auferlegt wurden.“

Sehr seltsam. Was muß denn da „untersucht“ werden?
Waren die Sanktionen am Ende gar nicht wegen Assad verhängt worden?

Man muß sich allerdings auch daran erinnern, daß die als „Rebellen“ bezeichneten und schon allein damit unterstützenswerten Gegner Assads sich dann in Al-Kaida-Mitglieder und den Islamischen Staat verwandelten und sich nach einigen Videos über Ermordungen/Hinrichtungen in einen neuen Feind verwandelten.
Seltsamerweise wurde aber Assad dadurch kein „Guter“, sondern die Sanktionen blieben weiter aufrecht und betrafen dann alle Gegenden Syriens, ob die nun unter der Oberhoheit von Assad-nahen Truppen, kurdischen Milizen, dem IS oder weiterhin „Rebellen“ standen.
Jetzt werden diese einmal – offiziell gegen Assad verhängten – Sanktionen dazu verwendet, zu „überprüfen“, ob die jetzigen Machthaber nach der Pfeife der EU tanzen.
Für die unter türkischer Oberhoheit stehenden Gebiete– Afrin und Idlib – galten sie vermutlich nicht, weil die Türkei dorthin importiert, was sie will.
Bei der Provinz Idlib stellt sich aber sowieso schon die Frage, ob die jetzt Damaskus oder Ankara untersteht?

Soviel nur zur Einleitung.

„Die Schwerpunkte des wirtschaftlichen Neubeginns liegen auf Infrastruktur, Energie und dem Finanzsektor.

Anderthalb Monate, nachdem eine rasche Operation der Rebellen die über 5 Jahrzehnte währende Diktatur der Assad-Familie beendete, versucht das neue Syrien, einen weiteren – wenn auch nur teilweisen – politischen Sieg zu erringen: die Aufhebung der internationalen Sanktionen.
Am Montag erwägen die Außenminister der EU eine schrittweise Lockerung der Strafmaßnahmen, die nach der Gewalt bei den Protesten im März 2011 und dem darauffolgenden bewaffneten Konflikt gegen das Regime verhängt wurden.
Eine Debatte, die in Damaskus mit einiger Hoffnung verfolgt wird.“

Begreiflich.
Assad ist weg, Al-Schara hat sich eine Krawatte umgebunden, der HTS hat Kreide gefressen und versichert, es allen recht machen zu wollen.

„Wie die Chefin der europäischen Diplomatie, Kaja Kallas, bereits angekündigt hat, wird die Beseitigung dieser Hindernisse, die der syrischen Wirtschaft enormen Schaden zugefügt haben – steigende Preise, Engpässe, Energieknappheit und zunehmende Armut – direkt mit den Schritten verbunden sein, die die neue Regierung des arabischen Landes setzen wird.
Diese Regierung wird de facto vom erfahrenen Kämpfer Ahmed al-Schara geführt.
Die EU strebt einen »greifbaren« politischen Übergang an. Und zwar mit Sicherheitsgarantien und der Achtung der Grundrechte.“

Aha.
Die neue Regierung muß zeigen, daß sie den EU-Kriterien entspricht.
Die EU sieht also das völlig zerstörte und verelendete Syrien als eine Chance, ihr in der Welt schon sehr ramponiertes Image aufzubessern und dort sozusagen eine EU-Kolonie einzurichten.
Und da sind diese Sanktionen ein geeignetes Mittel, sich als Protektor und gleichzeitig Kontrolleur aufzuspielen.
Die EU-Macher stellen sich das so vor, daß sie nach dem Prinzip „Hahn auf – Hahn zu“ dort Dirigent spielen können (nachdem sie in Georgien abgeblitzt sind …)

„Diese Prämisse,“

– gemeint sind vermutlich diese oben erwähnten Sicherheitsgarantien und die Achtung der Grundrechte, was immer man sich darunter vorstellen mag –

„die auch von den USA, dem wichtigsten Sanktionsstaat Syriens, geteilt wird, ist nach mehr als 13 Jahren Krieg und nur 7 Wochen nach der Eroberung von Damaskus durch die Rebellen ziemlich komplex:
»Die USA und die EU betrachten Sanktionen als ein Mittel, mit dem sie Druck auf die syrische Übergangsregierung ausüben können, damit diese sich in Richtung eines inklusiveren und transparenteren politischen Systems bewegt«, sagt Steven Heydemann, Experte bei der Brookings Institution in Washington. »Das Problem«, fährt er fort, »besteht darin, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Übergangs erheblich sinkt, wenn die neue Regierung den Syrern nicht zeigen kann, dass es ihnen besser geht.«

Eine Wirtschaft in Trümmern

Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs war Syriens Wirtschaft mit der vieler Nachbarländer mehr als vergleichbar. Mit einem Pro-Kopf-Einkommen von knapp 3.000 Dollar (rund 2.858 Euro) lag es praktisch gleichauf mit Ägypten und Jordanien.“

Syrien lag aufgrund seiner Landwirtschaft, seines Handels und seiner Industrie weit vor Jordanien, das hier weit schlechtere Bedingungen vorfindet, und dem viel bevölkerungsreicheren Ägypten.
Abgesehen davon, daß das Pro-Kopf-Einkommen sowieso gleichgültig gegenüber den im Inneren eines Landes vorfindlichen Klassenverhältnissen und deshalb Einkommensunterschieden ist, wird hier einfach das BIP in die richtige Richtung gebogen, um die Zerstörung Syriens nicht ganz so schlimm aussehen zu lassen.

„Davon ist nach dem langen Konflikt und den zahlreichen internationalen Sanktionen nichts mehr übrig geblieben. Der Weltbank zufolge hat sich das BIP infolge dessen um 84 Prozent verringert.
Zwar waren von diesen Beschränkungen Grundgüter wie Nahrungsmittel und Medikamente ausdrücklich ausgenommen, doch erstreckten sie sich über die Einbeziehung des Energie- und Finanzsektors auf die gesamte Gesellschaft und alle Bereiche ihrer Wirtschaft.
»Ich glaube nicht, dass die Sanktionen einen großen Einfluss auf die Mitglieder des vorherigen Regimes hatten, aber sie hatten sicher einen auf die Alltagsrealität der Menschen«, sagt der Obere der Maristenbrüder in Aleppo, Georges Sabe. Alle eingehenden Spenden müssen auf ein Bankkonto im benachbarten Libanon eingehen und anschließend in bar über die Grenze transportiert werden. Dasselbe ist ihnen mit medizinischer Ausrüstung passiert.

„Auch wenn Medikamente und lebenswichtige Produkte technisch von den Sanktionen ausgenommen sind, wird ihr Import durch Bankbeschränkungen erheblich erschwert. »(Ausländische) Unternehmen fürchten, sekundären Sanktionen unterworfen zu werden oder Zahlungsschwierigkeiten zu bekommen, was zu Engpässen und überhöhten Preisen bei bestimmten Grundprodukten führt«, erklärt Baraa Khurfaan, Analyst beim Tahrir-Institut.
Wichtige Sektoren wie die Bau- und Energiebranche hätten aufgrund fehlender Investitionen und Hindernissen beim Import von Maschinen und Ersatzteilen mit Problemen zu kämpfen, sagt er. »Und all dies verzögert die Erholung, den Wiederaufbau und die Schaffung von Arbeitsplätzen.«

Zwar kann nicht die gesamte Schuld den Strafmaßnahmen der USA und ihrer Verbündeten zugeschrieben werden – die physische Zerstörung durch den Krieg hat tiefe Narben hinterlassen und 6 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen –, doch sind die Sanktionen eine Schlüsselursache für den wirtschaftlichen Zusammenbruch.
Nach Angaben der UNO sind derzeit 70 Prozent der syrischen Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen und 90 Prozent leben unterhalb der Armutsgrenze. Die Lebenshaltungskosten haben sich in nur drei Jahren verdreifacht.

Die Preise sinken zwar, sagt Sabe. So seien in den vergangenen Wochen mit der fortschreitenden Öffnung des Landes und den Treibstofflieferungen aus den Golfstaaten und der Türkei die Preise für Lebensmittel – die zum größten Teil aus dem Nachbarland reexportiert werden“

– dieser Begriff suggeriert, daß Lebensmittel aus syrischem Gebiet in die Türkei verschickt und von dort importiert werden, was natürlich deren Preise in die Höhe treibt –

 – billiger geworden.

Bei anderen Produkten und Utensilien ist das nicht der Fall. »Alles, was Nahrung ist, ist im Überfluss vorhanden.“

Man ergänze: für den, der sie bezahlen kann.
Weder unter Assad noch heute kennt Syrien etwas anderes als Marktwirtschaft.

„Und viele Produkte, die früher vom Regime verboten waren, wie etwa ausländische Kekse oder Erfrischungsgetränke, sind heute erhältlich.«“

Man merkt, daß die Syrer vor einer gewissen Art von ungesunden Lebensmitteln geschützt wurden und sich die entsprechende Industrie jetzt erfreut auf diesen endlich „erschlossenen“ Markt stürzt.

„In den Gebieten, die (früher) vom Regime kontrolliert wurden, sind die Preise gesunken«, sagt Jaser, ein junger Mann aus Aleppo.
In den Rebellengebieten hingegen – die bis zum endgültigen Sturz Assads viel besser versorgt waren als der Rest Syriens – seien die Preise gestiegen, sagt ein Bewohner von Azaz, der für eine humanitäre Organisation arbeitet.

Es gibt auch eine Mittelschicht, die versucht, sich durchzusetzen und auf beiden Seiten der Grenze zu agieren.“

Wenn, wie oben erwähnt, 90% der Syrer unter der Armutsgrenze leben, ist der Ausdruck „Mittelschicht“, der ohnenhin nicht sehr aussagekräftig ist, besonders unangebracht.

„Ahmed Kanjo, ein 34-jähriger Syrer aus Aleppo, der vor kurzem in sein Heimatland zurückgekehrt ist, nachdem er mehrere Jahre in der Türkei gelebt hatte, schreibt in einer Nachricht per Internet: »Bankgeschäfte sind verboten, das heißt, ich kann weder Überweisungen empfangen noch senden, noch Dienste, der eine elektronische Zahlung erfordern, in Anspruch nehmen – auch nicht solche einer Bildungsplattform. … Hinzu kommt ein Verbot des Kaufes von Treibstoff (???) und Sanktionen, die den Wiederaufbau verhindern«, fügt er hinzu.
»Dieser Prozess“ (der Aufhebung der finanziellen Sanktionen) „würde bedeuten, dass Tausende von Arbeitnehmern eine neue Beschäftigung finden werden, was der Wirtschaft einen deutlichen Anschub geben würde.«“

Der Mann hofft also auf eine Wiedergeburt des Banksektors, der inzwischen offenbar großflächig verschwunden ist.

„Neben der Entscheidung, die Brüssel trifft – Kallas‘ Team plant laut Reuters, die Beschränkungen »stufenweise« aufzuheben – bleibt abzuwarten, wie Donald Trump mit den von den USA verhängten Sanktionen umgehen wird.
Die USA waren schließlich diejenige Macht, die besonders stark gegen zwei Schlüsselsektoren in Assads Syrien einschritt: den Energie- und den Finanzsektor.

Aufgrund der Beschränkungen beim Ölverkauf ist die Produktion seit Kriegsbeginn drastisch zurückgegangen, von über 300.000 Barrel auf nur noch 40.000. Und internationale Überweisungen, darunter auch Überweisungen von Auswanderern, bleiben weiterhin ein Wunschtraum.“

Beim Öl gibt es aber ganz andere Probleme.
Ein Großteil der syrischen Ölproduktion im Osten des Landes ist in den Händen kurdischer Milizen und des US-Militärs. Diese Ölförderung geht sicher nicht in die obige Statistik ein.
Man müßte bei allen das Öl betreffenden Fragen einmal klären, wer zur Ölproduktion eigentlich Zugang bzw. die Hoheit darüber hat.
Würden die USA jedoch die Sanktionen aufheben, so würde der von ihnen betriebene und unterstützte Ölklau offensichtlich.

„Beide Sanktionsgruppen werden voraussichtlich als erstes fallen. Zwar ist das Volumen gegenwärtig bescheiden, doch würde die Rückkehr syrischen Rohöls auf den internationalen Markt Damaskus eine Ressourcenspritze bescheren, die es nötiger denn je braucht.“

Wie soll denn Damaskus-Syrien Öl exportieren? – wenn in den Damaskus unterstehenden Gebieten Öl importiert werden muß – wie aus den obigen Zahlen ersichtlich ist!
Syrisches Rohöl – eben aus den östlichen Gebieten Syriens – IST auf dem internationalen Markt, es ist jedoch nicht als syrisches deklariert, sondern als irakisches oder türkisches.
Man merkt, wie sich die Reporter von El País mit Interviews und Statistiken über die wirklich heiklen Fragen hinwegschwindeln.

„Im Finanzsektor würde eine Lockerung der Beschränkungen es Auswanderern erleichtern, Geld an Familie und Freunde zu schicken, und dem privaten Sektor würde es wieder möglich sein, in Syrien Geschäfte zu machen. An Interesse mangelt es nicht: Dutzende türkische Unternehmen und solche aus anderen Ländern der Region – viele davon Bauunternehmen – wollen dort wieder Geschäfte machen. »Das Ende der Sanktionen ist von entscheidender Bedeutung, um Banken und Unternehmen das Vertrauen zu geben, das sie brauchen, um sich am Wiederaufbau zu beteiligen«, sagt Heydemann.

Die Energie

»Diejenigen, die unter dem Assad-Regime gelebt haben, sind die wahren Helden«, sagte der syrische Ökonom Samir Aita, Präsident des Kreises arabischer Ökonomen, in einem E-Mail.
Wenngleich die Sanktionen weitreichende Auswirkungen hatten und zu Einkommenseinbußen der Bevölkerung führten, konzentriert sich Aita auf die Energieproblematik. »Sie (d.h., die Sanktionen) haben den Zugang zu Elektrizität beschränkt, die (in einigen Gebieten) immer noch auf eine Stunde von 12 beschränkt ist.“

Wie genau die Sanktionen als Pseudo-Subjekt jetzt zu den beschränkten Elektrizitätseinschaltungen geführt haben, bleibt im Dunkeln.

„Ähnliches passiert mit Benzin, das durch Schmuggel über die Türkei oder den Libanon ins Land kommt, aber zu internationalen Preisen, die sich viele nicht leisten können«, schreibt er.
Der Energiemangel – paradox in einem Land, das eigentlich ein Nettoexporteur von Rohöl sein sollte –“

– so wird der Umstand erwähnt, daß auch Syrien über Ölreserven verfügt.
Aber zwischen Ölreserven, Ölförderung und Ölexport liegen Welten – und in der allgegenwärtigen Welt der Marktwirtschaft vor allem: Kapital.
Man merkt jedoch an diesem komischen Herumgerede rund um das syrische Erdöl, daß verschiedene Akteure im Ausland gerne Zugriff darauf hätten.
Unter Assad waren das nämlich staatliche Firmen …
Die wichtigsten dieser Akteure sitzen in den USA – das syrische Öl soll auch offiziell in US-Hände geraten, das ist eine der Grundlagen der US-Sanktionen, so wie sich das Bild hier präsentiert.

„hatte einen Dominoeffekt auf andere Sektoren: die Landwirtschaft und Industrien wie die Pharmaindustrie, die einst relativ wettbewerbsfähig und auf den Export ausgerichtet waren.

Washington verhängte erstmals in den 1970er Jahren Wirtschaftssanktionen gegen Syrien. Eine Bestrafung, die Anfang der 2000er Jahre erweitert wurde. Die wirkliche Eskalation erfolgte jedoch erst 2011, als die meisten der Operationen der syrischen Zentralbank durch die USA blockiert wurden.
Aita ist der Ansicht, dass das US-Sanktionssystem gegen Syrien das »komplexeste« sei, das jemals eingeführt wurde. Ihre Beseitigung dürfte deshalb auch schwierig sein: Viele davon haben Gesetzesrang und bedürfen daher der Zustimmung des US-Kongresses und des Senats.

Anfang Januar genehmigte die Biden-Regierung einen – vorläufigen und sehr fragmentierten – Verzicht auf einige dieser Strafmaßnahmen, insbesondere im Energiesektor.
»Das war ein positiver Schritt«, bemerkt Heydemann (…), »aber die Sanktionen für Investitionen und Kredite blieben bestehen.«“

Warum wohl?

„Diese Maßnahmen machen es noch schwieriger, eine verheerende Wirtschaftskrise zu bewältigen und wichtige Infrastrukturen, etwa im Energiebereich, wieder aufzubauen.“

Bevor die HTS-Regierung die Ölförderung an US-Firmen verkauft, dürften die Samktionen bestehen bleiben …

Pinnwand zu heißen Themen 4

IMPERIALISMUS, NATIONALISMUS, AUSLÄNDERPOLITIK, PROPAGANDA GEGEN DEN ISLAM UND FÜR „GUTE“ ISLAMISTEN, WAHLEN, DER KRIEG ALS NORMALITÄT, USW.

Mir ist aufgefallen daß es schon ewig keine allgemeine Rubrik gibt, bei der man alles mögliche posten kann, weshalb manche Posts auch an etwas unpassenden Stellen landen.

Also bitte alles, was sonst nirgends hinpaßt, hierher damit.