„DIE G-7 ERZIELT EINE POLITISCHE EINIGUNG ÜBER HILFE FÜR DIE UKRAINE MIT EINGEFRORENEN RUSSISCHEN VERMÖGENSWERTEN“
Die allerwichtigste Botschaft ist hier, daß sich die großen 7 (4 EU-Staaten, die USA, Kanada, Japan) geeinigt und nicht zerstritten haben:
„Zelenskij trifft sich an diesem Donnerstag in Italien mit den Staats- und Regierungschefs der reichsten Länder der Welt und unterzeichnet Sicherheitsabkommen mit den USA und Japan“
Papier ist geduldig, kann man hierzu sagen.
Das Interessante ist jedoch, wie dieser Kompromiß über die russischen Aktiva aussieht.
Man vergegenwärtige sich, daß es hier um Buchgeld geht, das Rußland, konkret die Nationalbank der RF, bei Banken in der EU, der Schweiz und den USA geparkt hat, um damit die Verbindlichkeiten Rußlands zu bedienen.
Ein Teil dieses Geldes ist also dafür notwendig, damit sich Wertpapiere in den Tresoren von Banken und Institutionen nicht entwerten, steht also den Politikern der G7 sowieso nicht zur Verfügung, weil sie damit gröbere Verwerfungen im Finanzsystem zu gewärtigen hätten.
Soviel einmal zur Qualität dieser russischen Aktiva. Es sind erstens staatliche, sie liegen 2. in rein elektronischer Form vor, und sie haben 3. zum Teil ein Mascherl, sind also gar nicht so einfach verfügbar.
Es wäre auch gar kein G7-Staat bereit, hier einen Alleingang zu machen, weil er sich damit als No-Go-Area für andere Staaten outen würde, die möglicherweise ihre Investitionen abziehen und dem entsprechenden Land den Rücken kehren würde.
Man erinnere an das Beispiel der Credit Suisse, die in Übernahme westlicher Sanktionen diverse Guthaben russischer (und georgischer!) Investoren aus dem Umfeld des Kreml einfror und damit den Abzug chinesischer Einlagen hervorrief, die ihre Gelder vor möglichen künftigen Beschlagnahmungen retten wollten. Damit stand die Bank nackt da und saudische Aktionäre verloren viel Geld, was auch sie zur Vorsicht gegenüber westlichen Banken nötigte.
Der Bericht über die angebliche Einigung ist höchst widersprüchlich und der Bericht des El País stellt einen Eiertanz dar, um einen Erfolg zu präsentieren, wo es derzeit nicht mehr als eine Absichtserklärung gibt:
„Die G-7-Staaten haben sich … auf den Mechanismus geeinigt, der der Ukraine neue Finanzhilfen unter Verwendung der Zinsen aus den eingefrorenen Vermögenswerten Russlands gewähren soll.“
Einigung auf Mechanismus … soll …
„Giorgia Meloni, … stellte fest, dass es einen Konsens über die gesamte gemeinsame Erklärung gebe.“
Jetzt bezieht sich die Einigung nur mehr auf die Erklärung …
„Ursula von der Leyen, präzisierte, daß »alle G7-Staaten zu diesem Darlehen beitragen werden. … Es werden die Erträge aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten in Europa sein, die seine Bedienung ermöglichen werden«.“
Das ist schon etwas substantieller: Es geht also um ein Darlehen, an dem sich alle G7-Staaten beteiligen sollen, wobei lediglich die in Europa befindlichen russischen Vermögenswerte sozusagen als Absicherung dienen sollen.
Damit ist erstens ausgedrückt, daß die USA die bei ihnen befindlichen russischen Vermögenswerte nicht in diesen Topf einbringen, sondern sich weiterhin vorbehalten, wie sie damit verfahren wollen.
Eine zukünftige US-Regierung könnte sie also umstandslos zurückgeben, samt Zinsen und hinzufügen: „Sorry, war nicht böse gemeint!“
Zweitens ist damit zwar ausgesprochen, daß sich auch die USA, Kanada und Japan an diesem Darlehen „beteiligen“ werden, aber über die Höhe gibt man sich bedeckt. Ab einem Euro ist man dabei!
Drittens steht also die EU vollumfänglich für dieses Darlehen gerade, auch und vor allem dann, wenn das Ukraine-Abenteuer schlecht ausgeht. Die anderen 3 (Nicht-EU-)Teilnehmer können sich abputzen und auf die russischen Vermögenswerte auf den Computern der EU-Banken verweisen, als Absicherung.
Viertens haben Meloni, van der Leyen und Co. damit die ganze EU in diese Darlehen hineingezogen, von Portugal über Slowenien bis Estland, ohne große Konsultationen. Die Präsidentin der EK dixit und fertig.
„Dabei handelt es sich um eine weitreichende Maßnahme, … die darauf abzielt, die Kontinuität der Unterstützung für Kiew zu gewährleisten“
Das ist der springende Punkt. Die EU suchte händeringend seit geraumer Zeit eine Möglichkeit, weitere Schulden zur Finanzierung des Schwarzen Loches Ukraine aufzunehmen, ohne daß das dem Euro schadet.
Da bieten sich die russischen Vermögenswerte an, eine Art Einlage, die zumindest nicht so schnell abgezogen werden dürfte.
„und gleichzeitig Russland Schaden zuzufügen.“
Man weiß allerdings nicht, woraus genau durch diesen Beschluß Rußland Schaden zugefügt werden sollte.
Man hofft vermutlich auf den Demonstrations-Effekt an den Rest der Welt: Schaut, wir können nicht nur Rußland aus dem SWIFT-System ausschließen, sondern auch noch auf seine Vermögenswerte hinauf Schulden aufnehmen!
Allerdings ist diese Ankündigung erstens ein zweischneidiges Schwert, weil damit sagen die G7 und vor allem die EU auch: Das könnten wir mit jedem anderen auch machen, der uns nicht in den Kram paßt.
Was Rußland angeht, so wurden die Assets ja bereits 2022 beschlagnahmt, also Rußland verliert durch diesen G7-Beschluß nichts zusätzlich.
Wirklich schaden könnte man Rußland höchstens dadurch, daß dadurch auf dem Weltmarkt viele potente Waffen eingekauft würden, mit denen man Rußland in die Knie zwingen könnte.
Das scheint auch das Wunschdenken der EU-Spitze zu sein. Aber erstens gibt es diese Waffen auf dem Weltmarkt derzeit nicht und zweitens fehlen auch die Soldaten, um sie zu bedienen …
„Politischer Konsens bedeutet nicht, dass alle technischen Details geklärt sind.“
Surprise, surprise.
„Nach Angaben des französischen Präsidenten Emmanuel Macron waren die Finanzminister für die Festlegung des Systems verantwortlich.“
Das gibt den Regierungschefs die Möglichkeit, sich abzuputzen, wenn etwas schiefläuft. Notfalls schiebt man die Schuld auf die Minister.
„Die Idee besteht darin, einen Kredit in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar zu aktivieren“
– „aktivieren“, nicht neu aufzunehmen. Es handelt sich anscheinend um den schon vor längerer Zeit mit gewissem medialen Getöse und nach langen Sträuben von Ungarn angenommenen Kredit der EU für die Ukraine, der nicht so recht in die Gänge gekommen ist, weil die Grundlage fehlte – die jetzt mit den russischen Vermögenswerten geschaffen werden soll.
„– ein Wert, der dem der jüngsten von der EU oder den USA genehmigten Unterstützungspakete ähnelt“
– ähnelt?! – Es scheint derselbe zu sein.
–, der mit den Erträgen aus russischen Vermögenswerten zurückgezahlt wird, die durch westliche Sanktionen immobilisiert wurden. Kiew kann das Geld für militärische Zwecke, den Wiederaufbau oder den Haushaltsausgleich verwenden.“
Also ein weiterer Freibrief an Zelenskij und seine Mannschaft, sich die Taschen zu füllen – solange darunter die Wehrfähigkeit der Ukraine nicht allzusehr leidet.
„Dies ist eine Sauerstoffflasche, die die Stabilität der Unterstützung im gesamten Jahr 2025 gewährleisten soll, insbesondere angesichts der Gefahr, dass Donald Trump die Präsidentschaftswahlen im November gewinnt und beschließt, den Fluss der US-Hilfe zu unterbrechen.“
Mit dem Bild der Sauerstoffflasche wird festgestellt, daß von diesem Kredit kein Durchbruch erwartet wird, sondern nur das Schlachten in der Ukraine nach Möglichkeit weitergehen soll.
„Die Verhandlungen gestalteten sich kompliziert. Die USA drängten auf die Verwendung der eingefrorenen Gelder und erwogen sogar die Möglichkeit, das Kapital zu verwenden.“
Niemand hindert die USA, die in New York bzw. unter US-Hoheit befindlichen russischen Vermögenswerte nach ihrem Gutdünken einzusetzen. Seltsamerweise ist jedoch davon keine Rede. Es ging immer nur um diejenigen in Europa.
Man merkt daran, daß die USA sich alle Möglichkeiten offenhalten, aber die EU so richtig gegen Rußland in Stellung bringen wollen.
„Die EU hingegen hatte Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Manövers und entschied sich für die Verwendung der Zinsen aus den eingefrorenen Vermögenswerten.“
Im Falle einer zukünftigen Einigung müßte Rußland um die Zinsen prozessieren und dabei rechtliches Neuland betreten, aber beim Kapitalstock ist die Sache klar: Der gehört Rußland und wurde widerrechtlich beschlagnahmt.
Eine Rückgabe desselben würde den darauf aufgenommenen Krediten völlig die Legitimation nehmen, auch wenn ihre Bedienung weiterhin aus anderen Quellen erfolgen würde.
Wenn man jedoch nur die Zinsen hernimmt, so kann man ja immer auf den viel größeren Kapitalstock verweisen, ohne ihn praktisch anrühren zu müssen.
„Deutschland zögerte und wollte den Plan und die Garantien klarer darlegen, europäische Quellen glauben jedoch nicht, dass es die endgültige Vereinbarung blockieren wird.“
Deutschland hat vor allem den Schwarzen Peter, weil wo liegen denn diese Gelder hauptsächlich? Vermutlich in Frankfurt.
Andererseits ist die Verlockung groß, zumindest an dieser Front Führungsstärke zeigen zu können.
„Aus Sicht der EU ist das machbar. Ein in diesem Jahr durch die europäische Haushaltsordnung ermöglichter Sonderposten würde es ermöglichen, dieses Darlehen mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit des Europäischen Rates als makroökonomisches Hilfsprogramm zu kanalisieren.
Da keine Einstimmigkeit erforderlich ist, würde die Zustimmung des Gremiums, das die Mitgliedstaaten vertritt, das mögliche Veto Ungarns umgehen.“
Der Europäische Rat wird jetzt zu einer neuen EU-Regierung erhoben, die über das wirklich Eingemachte zu entscheiden hat. Aber eben nach dem Mehrheitsprinzip.
Die Frage ist allerdings, wie es dann mit der Haftung aussieht, wenn das Manöver schiefgeht oder bei diesem Kredit sonst etwas in die Quere kommt?
Hier wird – zumindest in der Frage der Finanzierung – die Ukraine-„Hilfe“ (wem wird eigentlich da „geholfen“?) als Modell verwendet, das Einstimmigkeitsprinzip zu umgehen, was sich auf die künftige Ausrichtung der EU auswirken dürfte.
„»Es ist das perfekte Zeitfenster, denn wenn es sich verzögert, würde seine Genehmigung im Jahr 2025 eine Änderung der Haushaltsvorschriften erfordern, wofür Einstimmigkeit erforderlich ist«, sagt ein hochrangiger europäischer Diplomat.“
Der „Sonderposten“ ist also knapp unter dem EU-Radar durchgeflogen und innerhalb einer bestimmten Frist noch erweiterbar, wie es aussieht.
„Im Rahmen dieser Einzelheiten wird vorgeschlagen, dass die USA die Garantien (oder einen Teil davon) für das europäische Darlehen bereitstellen, um Washington einzubeziehen und auch die EU zu beruhigen.“
Oh.
Warum sollte Washington das tun? Die USA wollen doch das Bummerl der EU zuspielen, damit die sich dran abarbeitet.
„Aber dieses Kapitel wird noch diskutiert.“
Surprise, surprise.
„Die EU hat den Vorschlag sehr geschlossen vorgebracht“
– von der EU waren ja nur einige da! –
„und sich zu Hause mit den Mitgliedstaaten darauf geeinigt, damit es danach nicht zu endlosen Verhandlungen kommt.“
Wirklich wahr?
Was haben denn die bekannten Querulanten Ungarn und Slowakei dazu gesagt?
Waren wirklich alle dafür?
Es steht eher zu vermuten, daß diese Frage in EU-Gremien, wie eben dem Europäischen Rat, abgehandelt wird und nie bis in die Parlamente der Mitgliedsstaaten kommt.
Diese Mauschelei ist einerseits im Sinne der großen EU-Nationen und der EU-Spitze, um den Entscheidungsfindungsprozeß zu beschleunigen und zu erleichtern.
Aber wenn es hart auf hart kommt, haben eben die solchermaßen getroffenen Entscheidungen auch eine geringere Unterstützung.
„Die EU hat bereits einer Maßnahme – die in Form einer Sanktion gegen Russland geschaffen wurde – zugestimmt, um die Ukraine mit den Erträgen aus den russischen Vermögenswerten zu versehen … . Diese erwirtschaften etwa 3.000 Millionen Euro pro Jahr.“
In diesem letzten Satz fehlt das Subjekt, das sich um die „Erwirtschaftung“ dieser 3 Mrd. € kümmert. Von selbst legen diese Vermögenswerte keine Eier.
Es bedarf also der Finanzinstitute und Behörden, um diesen Rahm abzuschöpfen.
Wo sitzen die, wer hat Zugriff zu diesen Vermögenswerten, und auf welche Art wird der Überschuß „erwirtschaftet“?
Es handelt sich offenbar um Wertpapiere aus EU-Staaten und vielleicht auch den USA, die als Sicherheiten für von Rußland zu leistende Zahlungen hinterlegt wurden. Auf diese werden Zinsen und möglicherweise Dividenden gezahlt und die sind es, mit denen die EU ihr Darlehen finanzieren will.
Damit ist erkennbar, wieviele Akteure hier in diesen Deal eingebunden werden müssen. Die betreffenden Unternehmen und Staaten sollen ihre Zahlungen leisten, als wäre nichts geschehen und als wären die betreffenden Wertpapiere noch in der Hand ihrer rechtmäßigen Eigentümer und nicht in der irgendeiner nebulosen EU-Treuhandgesellschaft, die damit ein ebenso nebuloses Darlehengeschäft verwaltet, das unter „EU“ läuft, aber in das viele Mitgliedsstaaten nur halb eingebunden sind.
Dazu sind, wie weiter oben erwähnt, ein Teil dieser Gelder nötig, um damit ihrerseits Zahlungen zu leisten, damit sich andere Wertpapiere nicht entwerten.
Recht, Eigentum, Finanzgeschäfte – alles scheißegal. Ein paar Politiker aus der EU-Spitze entscheiden hier über Dinge, die sehr weitreichende Folgen haben werden und kaum politisch abgesichert sind:
„Die Idee besteht nun darin, dieses System in ein Darlehen für die Ukraine umzuwandeln, denn wenn diese Erträge zur Zahlung der Zinsen für das Darlehen verwendet werden, steht möglicherweise mehr Geld für Kiew zur Verfügung. Das ist in einer Situation wie der jetzigen (um so wichtiger), wo die Lage auf dem Schlachtfeld schwierig ist und es enorme politische Volatilität gibt.“
Wobei durch solche Manöver wie den bisher beschriebenen die politische „Volatilität“ nur angeheizt wird.
Gemeint ist, daß als „extrem rechts“ eingestufte Parteien an die Macht kommen könnten, die sich an diese ganzen Kompromisse und Entscheidungen nicht gebunden fühlen und sie einfach aufkündigen könnten.
Die Politiker der EU-Führungsspitze wissen, daß sie vor allem in Finanzierungsfragen aller Art auf sehr dünnem Eis gehen.