Der Euro kommt wieder ins Gerede

DAS MASS DER WERTE
Verschiedene Faktoren, wie die aggressive Politik der USA gegenüber der EU, aber auch die Wahlen in Italien, haben den Euro wieder ins Blickfeld des Finanzkapitals, der „Märkte“ gerückt und den Wechselkurs gegenüber dem Dollar unter Druck geraten lassen.
Das sind allerdings dem Euro durchaus äußerliche Momente. Ebenso wie die schlauen Erklärungen von „Experten“, die uns immer erzählen, was für ein Wunderding der Euro eigentlich sei, und warum es nur an seiner unsachgemäßen Handhabung durch verschiedene ungeschickte Politiker oder gierige Banker läge, wenn er ins Trudeln gerät – entgegen dem allen ist festzuhalten: Der Grund für die latente Krise des Euro ist die Konstruktion des Euro selbst.
Rekapitulieren wir einmal kurz: Der Euro ist eine Gemeinschaftswährung, über seine Ausgabe wacht die EZB. Das heißt, daß zwar die nationalen Druckereien Euro drucken dürfen, aber nach strengen Richtlinien der EZB. Es gibt auch entsprechende Kontrollmöglichkeiten, um zu verhindern, daß Euros „schwarz“, also an der EZB vorbei, gedruckt werden.
Ähnlich verhält es sich mit den Münzen, die zwar aus nationaler Prägung stammen und auch teilweise nationale Motive vorweisen, aber ebenfalls strenger Kontrolle unterliegen.
Viel wichtiger als die Verfügungen über die gegenständlich vorliegenden Scheine und Münzen sind jedoch die Bestimmungen über die immaterielle Geldschöpfung, und dort ist der eigentliche Dreh- und Angelpunkt der ganzen Euro-Glorie und -Misere zu suchen.
Der Euro beruht nämlich auf Schulden, so ist er von Anfang an konstruiert. Das ist also nicht ein Geburtsfehler, sondern seine ureigenste Grundlage.
Diese in Form von Euro in die Welt gesetzten Schulden sollen ihre Solidität und Einbringlichkeit aus der wirtschaftlichen Leistung der Euro-Mitgliedsstaaten beziehen, und aus der Kontrolle und Aufsichtstätigkeit der Staatsgewalten über dieselben. Den Staaten wurde also eine fast unbegrenzte Verschuldungsfähigkeit zugestanden und es war erwünscht, daß sie davon kräftig Gebrauch machen, um dem Euro einen guten Start zu verschaffen und sein Volumen, also die Quantität der zirkulierenden Zahlungsversprechen in Euro, möglichst zu erhöhen. Deshalb sollten damals, 1999-2001, möglichst alle EU-Staaten beitreten, und die Extrawürste von Großbritannien, Dänemark und Schweden wurden nicht gerne gesehen. Sie mußten sich Ausnahmen genehmigen lassen und vertraglich festschreiben, daß sie den Euro einmal einführen werden. Ihr Draußen-Bleiben aus dem Euro wurde ihnen also nur als befristete Möglichkeit erlaubt, und sie mußten das auch so unterschreiben.
Eine Austritts-Möglichkeit aus dem Euro hingegen wurde nicht fixiert, er war eindeutig als Einbahnstrasse geschaffen. Als Griechenlands Austritt erwogen wurde, kam das heraus. Griechenland hätte erst aus der EU austreten und dann wieder in sie eintreten müssen, nach Einführung einer eigenen Währung und falls das überhaupt genehmigt worden wäre.
Inzwischen fordern EU-Kritiker das Festlegen eines solchen Euro-Austritts-Mechanismus, er wurde also nach wie vor nicht geschaffen.
Das ist deshalb, weil diese Währung einen Austritt eines Mitgliedsstaats nicht vertragen würde.
Um diese – von den Euro-Machern gewünschte! – Verschuldung irgendwie im Zaum zu halten, wurden bei der Gründung der EU 1991 die Maastricht-Kriterien eingeführt.
Der staatliche Schuldenstand sollte 60% nicht überschreiten, die jährliche Neuverschuldung sollte unter 3% bleiben.
Schon damals, als diese Kriterien erlassen wurden, lag Italien in Sachen Schuldenstand weit drüber. Inzwischen befinden sich die meisten EU-Kernstaaten darüber, nur irgendwo in Skandinavien, in Osteuropa und dem Baltikum hält sich der Schuldenstand noch in den vereinbarten Grenzen.
Mit der Neuverschuldung ist es ähnlich. Es wurden zwar blaue Briefe und Rügen verteilt, wirkliche Gegenmaßnahmen waren und sind aber nicht vorgesehen. Irgendwelche Sanktionen oder Strafzahlungen würden das Problem nämlich nur noch verstärken.
Das Problem liegt darin, daß das projektierte Wirtschaftswachstum, also das Gewinne-Machen der EU-Firmen, erstens hinter den Erwartungen der Euro-Schöpfer zurückgeblieben ist, während die Schuldenaufnahme munter voranging.
Zweitens haben sich Wirtschaftserfolge und national bilanzierte, also in Form von Staatsanleihen vorliegende Schulden nach Euro-Mitgliedsstaaten auseinanderdividiert.
Drittens, und das ist auch in Hinblick auf Jubelmeldungen der jüngeren Vergangenheit zu bedenken: Viele von den freudig vermeldeten nationalen Wachstumszahlen bezogen sich eben auf Schulden! Auf Wertpapiere, die ausgegeben wurde, auf Bank-Gewinne, die begeistert verkündet und beklatscht wurden, usw.
Als das Kartenhaus dann zusammenbrach, setzten die Staaten ihre Autorität ein, und es konnte nicht ausbleiben, daß diejenigen mit Wirtschaftserfolgen für diejenigen bürgen müssen, wo diese ausgeblieben sind. In diesem Korsett sind die Staaten, deren Kredit intakt ist, wie Deutschland, Holland, Österreich, Finnland, genauso gefangen wie diejenigen, deren Kredit durch EZB und Rettungsfonds gestützt werden muß. Und in diesem Zustand schiebt sich die EU ächzend und mit Krachen im Gebälk seither voran.
Jetzt ist Handelskrieg mit den USA angesagt, und in Italien ist eine Regierung am Ruder, die sagt: so geht es nicht mehr weiter!
Einmal sehen, was den Währungshütern diesmal einfällt.

Macris Schwanengesang?

ARGENTINIEN BITTET DEN IWF UM KREDIT

Man hörte oder las eine Zeitlang nichts von Argentinien. Seit Macri an die Regierung gekommen war, die Altschuld Argentiniens durch Einigung mit den Geierfonds prinzipiell anerkannt und offenbar irgendwelche Deals im Hintergrund abgeschlossen hatte, und mit verschiedenen Praktiken der Ära Kirchner aufgeräumt hatte, war irgendwie mediale Funktstille. Niemand meldete, wie diese Maßnahmen sich auf Bevölkerung und Ökonomie Argentiniens auswirkten.
Jetzt läßt sich aber nicht mehr länger unter den Tisch kehren, daß Macri und seine Mannschaft der flotten Sanierer in jeder Hinsicht gescheitert sind.

„Die argentinische Regierung hat den Internationalen Währungsfond (IWF) um finanzielle Unterstützung gebeten. Damit reagiert sie auf die rapide Abwertung des argentinischen Pesos. Steigende Zinsen in den USA hatten zuletzt dazu geführt, dass Anleger ihr Geld aus Schwellenländern abzogen und in den USA investierten. Gerade Argentinien ist von dem Kapitalabzug betroffen.“ (Die Zeit, 8.5.)

Damit wird eingestanden, daß die Kredite, die seit Macris Amtsantritt nach Argentinien geflossen sind, lediglich dem vergleichsweise hohen Zinsfuß geschuldet waren, weniger dem Vertrauen in Argentiniens Zahlungsfähigkeit, und großflächig abgezogen werden, sobald sich eine sicherere Anlage mit halbwegs verträglicher Rendite anbietet.

Mit einer gewissen Häme konstatiert die Süddeutsche das Scheitern Macris:

„die Inflation von derzeit rund 25 Prozent bekam er nie in den Griff, auch das Wachstum zog nicht wie geplant an. Unter dem Strich wurde mit Macri das Leben für fast alle Argentinier teurer, rund 1,5 Millionen Menschen rutschen unter die Armutsgrenze. Vor allem die Anleger an den internationalen Finanzplätzen freuten sich über Macris Kurs, aber wie es halt so ist in diesem gnadenlosen Geschäft: Dieselben Anleger ließen ihn jetzt im Stich – für eine Handvoll Dollar mehr.“

Dabei ist es gar nicht die höhere Rendite, sondern die größere Sicherheit, die die Anleger aus den Schwellenländer ins Heimatland des Dollars lockt. Sie vollstrecken damit eine self-fulfilling prophecy: Die Fragwürdigkeit der Zahlungsfähigkeit Argentiniens wird durch den Abzug der Kreditgeber verstärkt.
Aus einer 2016 erhobenen Klage gegen Macri und den damals gerade zurückgetretenen Finanzminister Prat-Gay geht hervor, wie sich die Regierung Macri im ersten Regierungsjahr Geld zur Stützung des Wechselkurses beschafft hatte: durch Emission von Anleihen und Schatzscheinen mit bis zu 40% Zinsen, die die argentinische Schuld weiter erhöht hatten.

Unter Nestor und Christina Fernandez de Kirchner war der IWF unwillkommen gewesen, die Beziehungen wurden abgebrochen. Im März dieses Jahres besuchte erstmals eine IWF-Delegation im Vorfeld des G 20-Treffens Argentinien. Damit wurden die Weichen für neuerliche Kreditstützungen durch den IWF gestellt.

„Dem südamerikanischen Land gelingt es nicht, seine Wirtschaft zu stabilisieren. … Für Präsident Macri ist das eine Katastrophe. Seine Reformen scheitern und nun lebt ein nationales Trauma auf … An diesem denkwürdigen Dienstag, um Punkt ein Uhr mittags, unterbrachen die wichtigsten Fernsehkanäle Argentiniens ihr Programm. Das Wort hatte Staatspräsident Mauricio Macri, 59. Er verlas eine Rede an die Nation, die keine drei Minuten dauerte und sicherlich die schwerste seiner bisherigen Amtszeit war. »Wir gehen den einzigen möglichen Weg, um dem Stillstand zu entkommen und eine große Wirtschaftskrise zu verhindern, die uns allen schaden würde«, ergänzte Macri.“ (SZ, 9.5.)

„»Unser Problem ist, dass wir eines der am stärksten von ausländischem Kapital abhängigen Ländern der Welt sind“, sagte Präsident Macri.“ (FOCUS, 9.5.)

Das alles ist nicht verwunderlich. Die Medien bemühen sich jetzt, die Schwierigkeiten Argentiniens als eine Mischung von unvermeidlicher Naturkatastrophe und falscher Politik hinzustellen. Man möchte aber auch Macri nicht zu offen kritisieren, weil er hat ja alles gemacht, wie es im Lehrbuch steht: Subventionen weg, Sozialkürzungen aller Art, und Werben um Kredit bei den internationalen Geldgebern. Und jetzt ist wieder IWF-Rettung angesagt.
Was ist eigentlich mit Argentiniens Schuld? Wie werden die mehr 100 Millionen Milliarden Dollar bedient? Gab es ein Moratorium? Wenn ja, wie wirkt sich das auf die IWF-Verhandlungen aus? Oder werden sie voll zurückgezahlt? Was für Verbindlichkeiten ergeben sich jetzt daraus, für die der IWF geradestehen muß?

Verschiedene Buchhaltungs-Tricks des argentinischen Staatshaushaltes werden dem IWF jetzt geoffenbart werden müssen.

Der IWF ist einerseits zufrieden, bei Argentinien wieder den Fuß in der Tür zu haben. Aber auch für den IWF steht viel auf dem Spiel: schließlich werden für ihn auch Geister aus der Vergangenheit geweckt, von einem IWF-Musterschüler, der den größten Staatsbankrott der Geschichte hinlegte.

Eine Neuauflage davon kann sich der IWF auch nicht leisten.

Ein neuer Mann in Kuba

LATEINAMERIKA, EINE NEBENFRONT

1. (Leider) nix Neues in Kuba

In Kuba wurde ein neuer Regierungschef gekürt.
Das ist schon bemerkenswert. Die alte Führung sagt: Wir brauchen einen Generationswechsel, und setzen einen neuen Mann an die Spitze.
Also nix mit Diktatur, wo ein angeblich größenwahnsinniger Despot an der Macht klebt und von ihr nicht lassen will.
Auch nix mit Monarchie und Nepotismus, wo sich eine Dynastie „an der Macht halten“ will.
Nein, das sozialistische Kuba sagte: Unsere alte Garde ist in die Jahre gekommen, wir müssen uns nach neuen Kräften umschauen.

Raúl Castro sagte bei diesem Anlaß der Übergabe an Miguel Diaz-Canel auch leicht scherzhaft, daß einige der ins Visier genommenen Nachwuchskräfte sich nicht bewährt hatten und deswegen wieder zurück ins normale Berufsleben geschickt wurden.

Carlos Lage und Felipe Pérez Roque wurden aber keinen Schauprozessen ausgesetzt und schmachten auch nicht in dunklen Verliesen. Nein, sie wurden einfach aus der Politiker-Mannschaft entfernt und in ihre angestammten Berufe zurückversetzt, wo sie auch anstandslos ihren Verpflichtungen nachkommen. Die beiden biedern sich nicht als „Dissidenten“ an ausländische Finanziers wie CIA, andere Geheimdienste oder deren Tarnorganisationen an.
Die Kommunistische Partei Kubas hat sich also, ähnlich wie die chinesische und wie andere kommunistische Parteien ehemals sozialistischer Staaten eine Frischzellenkur nach einem internen Auswahlverfahren verpaßt.
Die Politiker und Medien der kapitalistischen Staaten sind, gelinde gesagt, grantig. Sowas! Erstens gibt es keinen Streit um die Ablöse an der Macht, wo „wir“ intrigieren könnten. Zweitens bleibt vermutlich alles beim alten. Keine Hoffnung auf „Kurswechsel“ hin zur Marktwirtschaft ohne Wenn und Aber.

Das österreichische Fernsehen sendete Interviews mit kubanischen Studenten am Malecón. Daß sie nichts gegen das „Regime“ von sich geben, ist sicherlich dem Umstand zuzuschreiben, daß sie „instruiert“ wurden.
Daß sie eine Universitätsausbildung ohne jegliche Unkosten genießen, wird als die typische Form dargestellt, kritische junge Leute zum Schweigen zu bringen.
Wenn sie sagen, daß sie auswandern wollen, weil sie im Ausland mehr bezahlt bekommen (möchten), ist das ein Zeichen, daß Kuba ihnen nichts zu bieten hat. Eine „lost generation“!

Wenn sie sagen, daß sie in der Tourismus-Branche mehr verdienen als in ihren durch das Studium erlernten Berufen, ist das ein Zeichen, daß die ganze universitäre Ausbildung ja nur eine Schwindelei ist, mit der unnötig Akademiker produziert werden, die keiner braucht.

Medien wie der ORF gehen natürlich nicht in EU-Staaten wie Bulgarien, Rumänien oder Lettland, um ähnliche Interviews mit Studenten zu führen …

2. Aufruhr in Nicaragua

In Nicaragua gab es einmal eine Revolution.
Die „Sandinistische Front der Nationalen Befreiung“ räumte den Diktator Somoza weg. Sein Vater, der den zweifelhaften Ruhm genoß, Amerikas nützlicher Hurensohn gewesen zu sein, war schon einige Jahre zuvor von einem Attentäter beiseite geschafft worden.
Auf die Beseitigung von Somoza Junior folgte ein jahrelanger, von den USA unterstützter Bürgerkrieg. Nach dessen Beendigung durchlief das Land sandinistische und nicht-sandinistische Regierungen und kämpfte gegen die Verheerungen des Hurricans Mitch. Seit 2006, nach mehreren Wahlsiegen ist das ehemalige Mitglied der FSLN Daniel Ortega Präsident von Nicaragua. Mit seiner zu Esoterik neigenden Ehefrau Rosario Murillo versucht er seit einiger Zeit, sich zu einer Art Königspaar von Nicaragua zu stilisieren, mit Hilfe einer Christianisierungs-Kampagne, die das ganze Land mit Veranstaltungs-Parks überzieht und christliche Werte aus allen offiziellen Kanälen über die Bevölkerung ergießt. Ortega und seine Mannschaft meinten offenbar, mit dem bewährten Opium für das Volk ihre Stellung festigen zu können.

Jetzt hat die nicaraguanische Regierung eine Reform des Sozialstaats in Angriff genommen, die erstens alle Klassen zur Kasse bittet und zweitens die Pensionen radikal kürzt.

Nicaragua hatte kürzlich den IWF zu Gast. Das ist bemerkenswert, als der IWF 2016 Nicaragua wegen guter Ergebnisse verlassen hatte.
Der IWF besuchte also Nicaragua anscheinend auf einer Art Goodwill-Tour, ohne wirkliche Drohgebärden. Dennoch nahm die nicaraguanische Regierung das zum Anlaß, den Sozialstaat umzubauen.
Der Grund dafür erschließt sich dem unbefangenen Beobachter nicht.

Die angestrebten Erhöhungen von Abgaben und Verringerungen von Zahlungen stellen offensichtlich die Existenzbedingungen vieler Nicaraguaner in Frage. Gegen die Proteste setzt die Regierung alles an Gewalt ein, was ihr zur Verfügung steht, sogar das Militär, das traditionell sandinistisch ist.
Wem nützt das?
Für alle Infos zu der Angelegenheit steht das Forum zur Verfügung.