Folgen der „Aktion Zypern“

MÖGLICHE HINTERGRÜNDE UND ERGEBNISSE DER ZERSCHLAGUNG DES GESCHÄFTSMODELLS VON ZYPERN
Voriges Frühjahr wurde der Staatskredit und Banksektor Zyperns mit großem Getöse unter dem Titel „Eurorettung“ ruiniert. Was hatte das eigentlich für Folgen? Auf für die europäischen Medien ganz typische Weise hört man nämlich seit geraumer Zeit nichts mehr von Zypern.
Man rekapituliere: Im Zuge der Rettung des Staatskredits, also der Verhinderung einer Zahlungsunfähigkeit Zyperns wurde die eine große zypriotische Bank, die Laiki Bank/Volksbank, abgewickelt, d.h. aufgelöst. Ihre Einlagen wanderten zur zweiten Bank, der Bank of Cyprus, die auch die gesamten Außenstände der Laiki Bank übernehmen mußte, die sich auf 9 Milliarden Euro belaufen:
„Die zypriotische Laiki-Bank hatte viele Filialen in Griechenland. Als griechische Kunden massenhaft Geld von der Laiki-Bank abhoben, glich die Europäische Zentralbank den Verlust mit Notfallkrediten in Höhe von neun Milliarden Euro aus. »Neun Milliarden Euro Schulden, das ist ein Riesenbetrag verglichen mit unserem Bruttoinlandsprodukt von 17 Milliarden Euro. … « erklärt der Finanzprofessor Michaelis.“ ARD, 3.4. 2013
Die 17 Milliarden waren aber das BIP vor der Ruinierung des Banksektors. Auf dieses BIP wird Zypern in absehbarer Zeit nicht kommen.
Wieviel Geld tatsächlich hinübergeschoben wurde, um die korrekte Bedienung der zypriotischen Staatsschuld sicherzustellen, ist nicht ganz klar. Kolportiert wurden verschiedene Summen:
„Laut einem Dokument der EU-Kommission kostet die Rettungsaktion 23 statt 17 Milliarden Euro, Zypern selbst soll 13 Milliarden Euro beisteuern.“ Die Presse, 10.4. 3013
Alle Besitzer von Einlagen von mehr als 100.000 € wurden zur Kasse gebeten – in welchem Umfang, ist auch nicht klar. 100%? 50%? Individuell angepaßt? Manche der so geschröpften Einlagenbesitzer konnten ihre Einlagen in Eigentumstitel der Bank umwandeln, sodaß die Bank of Cyprus jetzt auch russische und ukrainische Mitbesitzer hat.
Der zypriotische Banksektor ist ein direktes Ergebnis des 1975 ausgebrochenen Bürgerkriegs im Libanon. Als die „Schweiz des Nahen Ostens“ unter den Gewehrsalven und Granaten christlicher und schiitischer Milizen, Palästinensern und israelischer Invasionstruppen zusammenkrachte, flüchteten die dort investierten Gelder, vor allem Petrodollars, nach Zypern, das sie bereitwillig aufnahm. Der zypriotische Banksektor, der sich ausschließlich auf den griechischen Teil der Insel konzentrierte, war ein Katalysator für die Teilung der Insel und deren Aufrechterhaltung. Die mit der Zeit auf fetten Safes sitzenden Zyperngriechen wollten mit den türkischstämmigen Ziegenhirten und Basarhändlern möglichst wenig zu tun haben. Das solchermaßen mit der Zeit ausgebaute Banken- und Investmentsystem bewährte sich noch einmal in der Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, als die zu Geld gekommenen Glücksritter und Oligarchen ihre frisch erworbenen Vermögen irgendwo parken und in Weltgeld anlegen wollten. Zypern wurde zu einer Art Tunnel für die Kapitalflucht aus den ehemals sozialistischen Ländern. Dank der rechtlichen Grauzone in diesen Transformationsstaaten, wo Kapital nur auf verschlungenen Wegen und unter Einsatz aller Mittel erworben werden konnte, hatte dieses Geld immer etwas Anrüchiges an sich. Das störte aber niemanden in der EU, als der Beitritt Zyperns zu EU und Eurozone als Mittel diente, die Besitzer dieser dort geparkten Kapitalien als Investoren in die EU zu locken, und das starke zypriotische Pfund zur Stützung des Euro demselben einzuverleiben.
Wer sind jetzt – nach Ländern aufgeteilt – alles die Geschädigten bzw. Betroffenen der Aktion vom Frühjahr? Man kann nur aus den spärlichen Informationen mutmaßen und schlußfolgern.
1. Zypern
Laut ARD-Bericht vom April 2013 hing jeder zweite Arbeitsplatz in Zypern direkt am Banksektor. Die gesamte Bautätigkeit auf der Insel beruhte auf dem reichlich fließenden Hypothekarkredit und wurde seit dem Frühjahr großflächig eingestellt. Ein übriges taten auch die Kapitalverkehrsbeschränkungen, die zwar die Kapitalflucht stoppen sollten, aber auch das Hereinkommen von Geld und Kredit erschweren bis verunmöglichen. Bankgeschäft, Handel, Bautätigkeit wurden auf einen Bruchteil des vorigen Volumens heruntergefahren, auch Fischfang und Tourismus sind notgedrungen vom Rückgang der Zahlungsfähigkeit und dem versiegten Kredit betroffen. Außerdem gehörten zu den Mehr-als-100.000-Euro-Einlegern auch zypriotische (und vielleicht auch nicht-zypriotische) Pensionsfonds. Die Auswirkungen der Banken-Ruinierung auf das zypriotische Pensionssystem sind noch nicht absehbar, oder werden zumindest nicht an die große Glocke gehängt.
2. Großbritannien
Wem gehörten die großen zypriotischen Banken, und vielleicht auch kleinere? Zypern war von 1914 bis 1960 britische Kolonie und beherbergt bis heute zwei exterritoriale britische Militärbasen. Außerdem ist die Haupt-Drehscheibe für Petrodollars die Londoner City. Es gibt also gute Gründe anzunehmen, daß im zypriotischen Banksektor britisches Kapital – sowohl in Form von Aktienbeteiligungen an Banken als auch in Form von Einlagen-Vermögen – veranlagt war. Im Zuge der Banken-Umstrukturierung sind also sicherlich die Telefone zwischen London und Brüssel, Berlin usw. heißgelaufen. Ein großer Teil der Einlagen wurde jedenfalls, als die Banken in Zypern bereits geschlossen waren, über die weiterhin geöffneten Londoner Filialen der Laiki Bank und der Bank of Cyprus von Zypern abgezogen.
3. Rußland
Für die russische Geschäftswelt war Zypern bekanntermaßen ein wichtiger Zwischenstopp für russisches Kapital, das sich damit in eine Weltwährung begab, um dann entweder weiter in die westliche Welt zu wandern, oder aber als ausländisches Kapital verkleidet wieder in Rußland selbst investiert zu werden. Dieses russische Geld war der Haupt-Aufhänger, mit dem die EU ihre Enteignungsaktion in Zypern begründete. Die EU stellte sich damit als Vertreter einer Art universeller Gerechtigkeit dar, indem sie sowieso illegal erworbenes Vermögen konfiszierte. Das war erstens ein gewaltiger Affront gegenüber Rußland, das damit zu einer Art ökonomischem Schurkenstaat erklärt wurde, und das Vermögen seiner Bürger zu vogelfreiem Gut, das von jedem ehrbaren Staat eingezogen werden kann.
4. … und andere
Zweitens aber wurde damit der Umstand verdeckt, daß sich jede Menge sonstiges internationales Kapital in den Büchern der zypriotischen Banken befand, das im Prinzip gleichermaßen – entgegen allen bisherigen Gepflogenheiten der Bankenwelt und der EU-Politik – einkassiert werden sollte. Das betraf sowohl Kapital aus EU-Staaten als solches aus Nicht-EU-Staaten. Auch hier sind vermutlich verschiedene Telefone heißgelaufen, mit Israel, den Golfstaaten, anderen GUS-Staaten, und einer unbekannten Anzahl von EU-Mitgliedsstaaten.
Die geöffneten Londoner Bankfilialen waren also ein Ventil, mit dem die Empörung über die Enteignung irgendwie kanalisiert und die Enteignung selbst verhindert wurde. Wer wieviel dort abgezogen hat, ist auch unbekannt, und man weiß auch nicht, wieviel überhaupt noch in den zypriotischen Banken verblieben ist und als Gegengewicht der Kreditstützung Zyperns verwendet werden konnte.
5. Die Ukraine
Die aufgrund der im Vergleich zu Rußland mangelnder Geschäftsgelegenheiten und Rohstoffvorkommen bescheideneren ukrainischen Vermögen, die in Zypern veranlagt wurden, waren zwar nie ein Thema in der Presse. Es ist aber durchaus möglich, daß die ukrainischen Oligarchen gutgläubiger waren, ihr Geld nicht rechtzeitig abgezogen haben und deshalb kräftig Federn lassen mußten. Die mangelnde Begeisterung der ukrainischen Elite für das Assoziationsabkommen mit der EU muß auch vor diesem Hintergrund betrachtet werden. Erstens war überhaupt das Bedürfnis, sich der überlegenen EU-Konkurrenz auszusetzen, von Haus aus gering. Zweitens aber mußten die ukrainischen Unternehmer feststellen, daß ihr Geld in der EU nicht sicher ist: es wird als Eigentum nicht respektiert. Genau in diese Kerbe schlugen auch Äußerungen im österreichischen Fernsehen in den letzten Tagen, gegebenenfalls ukrainisches Vermögen in Österreich zu beschlagnahmen, wenn die ukrainische Regierung sich gegenüber den Anmaßungen der EU nicht gefügig zeigen sollte.
6. Serbien
Für Serbien zur Zeit der Blockade war Zypern eine essentielle Offshore-Destination. Die aus Schmuggel erlösten Gelder wurden in Zypern geparkt und für Einkäufe von für das Funktionieren der serbisch-jugoslawischen Ökonomie (damals gehörten dazu noch der Kosovo und Montenegro) unverzichtbaren Gütern, vor allem für Ölimporte, verwendet. Das Geld wurde in Koffern nach Zypern transportiert und dort bei den Banken eingezahlt. Von dort wurde es irgendwie für Schmuggel-Importe eigesetzt, vermutlich über Überweisungen an griechische Banken. Der zypriotischen und griechischen Bankiers halfen also der Milosevic-Regierung, die Blockade auszuhalten.
Laut Auskunft eines serbischen Antikorruptions-Jägers sollen nach dem Sturz Milosevics 18 Milliarden Euro von der Nachfolgeregierung aus Zypern abgezogen und bei der Hypo Alpe Adria veranlagt worden sein. (Wirtschaftsblatt, 6.12. 2013) Wenn das stimmt, Pech gehabt. Von enem sinkenden Schiff auf das andere umgepackt. Vermutlich blieb aber immer noch weiteres Geld in Zypern, oder aber die Hypo AA diente nur als Zwischenlager, um dieses Geld sozusagen reingewaschen wieder nach Zypern zu transportieren. Es ist jedenfalls auffällig, daß die serbische Regierung, die eine Koalition zweier seinerzeitiger Anti-EU-Parteien ist, seit dem Frühjahr 2013 einen völligen Schwenk vollzogen hat und alles unternimmt, um in die EU aufgenommen zu werden.
Fazit
Die Aktion der Banken-Umstrukturierung bzw. -Ruinierung in Zypern hat also eminente ökonomische und politische Dimensionen. Mit ihr wurde klargestellt, daß Kredit innerhalb der EU von Brüssel her politisch beglaubigt sein muß. Keine Bank, kein Staat hat mehr Kredit, wenn er nicht bei der Zentrale nachgefragt hat, ob dieser dort genehm ist. Es ist also ein gewaltiger Eingriff in die Souveränität der EU-Mitgliedsstaaten.
Weiters wurden auch einige Neuerungen in Sachen Recht und Eigentum vorgenommen. Das Privateigentum als solches existiert nur, weil die überlegene Gewalt des Staates es garantiert. Ab jetzt ist aber klar, daß nicht jedes Eigentum gesichert ist. Die Staatengemeinschaft EU, und da ihre potenteren Mitglieder, entscheiden, welches Eigentum rechtmäßig ist und welches nicht. Erstens gibt es Staaten, wo das Eigentum der Bürger weniger gilt als das anderer. Zweitens ist auch das Eigentum der EU-Bürger nicht mehr sicher. Einlagen können im Prinzip jederzeit eingezogen werden – wer sein Geld in die falsche Bank legt, riskiert, es zu verlieren. Und was die „falsche“ Bank war, stellt sich erst im Nachhinein heraus, wenn es schon zu spät ist. Außerdem kann Eigentum auch sehr leicht zu illegal erworbenem erklärt werden, wenn man sich der Steuerhinterziehung schuldig gemacht oder sonst irgendeinen Fehler begangen hat, wobei auch hier nicht sicher ist, was einem alles als Steuerhinterziehung oder Fehler angekreidet werden kann.
Was wirklich bemerkenswert ist, ist der Umstand, daß alle diese Klarstellungen über das Primat der Politik über die Ökonomie den Euro gestärkt haben. Der hier praktisch deklarierte Wille der EU-Politiker, alles Althergebrachte in Frage zu stellen, um die Gemeinschaftswährung zu retten, wurde von den „Märkten“ positiv aufgenommen. Sie anerkennen damit den imperialistischen Willen, sich die Ökonomie untertan zu machen. Das macht mehr Eindruck als das demokratiepolitisch bedingte Hin und Her in den USA, mit der die Verschuldungsfähigkeit der Weltmacht Nr. 1 problematisiert und gefährdet wird.
Es kann natürlich sein, daß irgendwann einmal genau diese Entschlossenheit der EU auch die gegenteilige Reaktion der international agierenden Geldbesitzer hervorruft, wenn die ökonomischen Erfolge sich nicht einstellen.

Pressespiegel El País, 1.2.: Der IWF und die Eurokrise

FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND VON WUNSCHDENKEN BESTIMMTE PROGNOSEN

Die Tageszeitung El País hatte Zugang zu Akten des IWF, die ein aktuelles Bild der Gegensätze im imperialistischen Lager zeichnen.

„Deutschland, Frankreich und Holland hatten sich in einem der schlimmsten Momente der Eurokrise dazu verpflichtet, daß ihre Banken Griechenland unterstützen und an den griechischen Schuldtiteln festhalten würden.“

Dazu fällt dem unbefangenen Leser auf, daß Staaten solche Zusagen eigentlich gar nicht machen dürften. Schließlich sind Banken inzwischen fast überall – auf jeden Fall in den 3 genannten Staaten – Privatunternehmen, deren Kauf- und Verkaufspolitik von Schuldtiteln die jeweiligen Bankleitungen entscheiden, und nicht die nationalen Politiker.
Dieser Umstand kann auch dem IWF nicht entgangen sein. Warum ließ seine Leitung – an der Spitze der Institution stand damals Strauss-Kahn – sich dennoch auf so etwas ein?

„Es war einer der Tricks, mit denen sie“ (unter diesem „sie“ kann man jetzt alle möglichen Akteure einreihen) „spielten, um die erheblichen Widerstände innerhalb des IWF zu überwinden, damit das größte Stützungspaket in der Geschichte dieser Institution gewährt werden konnte.“

Wie sich herausstellte, kam der Widerstand aus anderen Nicht-EU-Mitgliedsstaaten des IWF. Die IWF-Leitung und die 3 genannten Staaten einigten sich daher auf dieses „Versprechen“, um mit dieser „Garantie“ den Widerstand anderer wegzubügeln.
Daß das überhaupt gelungen ist, also die anderen Länder dieses jeder Grundlage entbehrende Ehrenwort für bare Münze nahmen, liegt wahrscheinlich daran, daß sie natürlich auch kein Scheitern des Euro wünschten. Die einen schummelten, die anderen drückten die Augen zu. Ähnlich wie bei Griechenlands Euro-Beitritt …

„Aber die 3 EU-Mitgliedsstaaten hielten ihr Wort nicht ein. Kaum war der Plan für ein Land am Lande des Bankrottes genehmigt, so begannen ihre Finanzinstitute, Titel abzustoßen, die ihnen die Hände verbrannten.“

Irgendwie verständlich vom Standpunkt der Banken aus. Damit verschärften sie natürlich die Schuldenkrise Griechenlands weiter.
In diesem Artikel wird nicht erwähnt, wohin sie diese toxischen Papiere abstießen. Andere Finanzinstitute scheiden als Käufer aus: die wollen sich ja auch nicht die Finger verbrennen. Heuschrecken- oder Geier-Fonds, die entwertete Schulden kaufen, um sie dann über dem Einkaufswert abzustoßen, zahlen nur Cents für den Schrott. An solche Fonds zu verkaufen, würde heißen, ein großes Loch in der Bilanz des jeweiligen Instituts entstehen zu lassen.
Bleibt also nur ein einziger Käufer, der aus politischen Gründen einen annehmbaren Preis zahlt, das ist die EZB. Die EZB unterwanderte damit das Versprechen der 3 Staaten an den IWF, interpretierte es aber wahrscheinlich so, daß sie damit ja auch helfe, dieses Versprechen einzuhalten.
Die Frage stellt sich, was die EZB seither mit diesen Anleihen gemacht hat …

„Die vor vier Jahren in Büros in Brüssel, Frankfurt und Washington getroffenen Entscheidungen haben tiefe Spuren in Südeuropa hinterlassen. Damals wurde eine Troika der Gläubiger (Europäische Kommission, IWF und EZB) geschaffen, die Kürzungen und Reformen im Gegenzug für Kredite auferlegte, zuerst in Athen, und später in Dublin, Lissabon und Nikosia. Die Protokolle … des IWF vom Tag der Rettung zeigen, dass die Meinungsverschiedenheiten und Zweifel über den Erfolg des Plans bereits an diesem 10. Mai (2010) begannen.“

Innerhalb der EU gelang es damals offenbar, Kritiker zum Schweigen zu bringen. Die Kritik kam von Staaten außerhalb der EU:

„Diese Dokumente sind von entscheidender Bedeutung, nicht nur, weil sie klar die Kritik zeigen, die Länder wie China, Australien, Argentinien und Brasilien von Anfang an hatten. Im Rückblick erscheinen die damals gefallenen Argumente für die Ausschüttung … von 30 Milliarden Euro in einem anderen Licht.“

Es zeigt, daß die Versprechen der 3 Staaten nichts wert waren. Natürlich nur vom Standpunkt Griechenlands oder der anderen Krisenstaaten aus. Vom Standpunkt der Banken Deutschlands, Frankreichs und Hollands hat die Versprecherei ja ihre Wirkung getan: der Euro wurde bis heute stabilisiert, und die Banken wurden ihre griechischen Anleihen zu einem annehmbaren Preis los:

„Die Banken der drei Länder hielten im ersten Quartal 2010, vor der Rettung, mehr als 122 Milliarden Dollar in griechischer Staatsschuld. Ende letzten Jahres war diese Zahl um 72% zurückgegangen, auf etwas weniger als 34 Milliarden.“

Gegen die Versprechen und Vorschläge einiger Euro-Staaten und Dänemarks entstand ein vierseitiges Memorandum:

„»Einige Vertreter (China, Ägypten und der Schweiz) betonen die Gefahr, die von dem Umstand ausgeht, daß die gemeinsame Analyse die Anwendung unterschiedlicher Kriterien zwischen den drei vertretenen Institutionen enthüllt«, stellte das von Francesco Spadafora, dem Berater des IWF-Direktors unterzeichnete Memorandum fest. Im Laufe der Zeit prallten diese verschiedenen Positionen deutlich aneinander. Als der IWF einräumte, die Auswirkungen der Kürzungen auf die griechische Wirtschaft unterschätzt zu haben, bestritt die EU-Kommission entrüstet, irgendeinen Fehler begangen zu haben.“

Vom Standpunkt der Eurokrise aus sieht sich die EU-Kommission im Recht. Der IWF hingegen ist der gesamten Weltwirtschaft verpflichtet und sieht bei Griechenland keine Aussicht auf Besserung in dem Sinne, daß dieses Land wieder als Handelspartner funktionieren könnte.

„Einer der Einwände – von China und der Schweiz – warnte vor der Möglichkeit, daß die Wachstumsprognosen für Griechenland zu optimistisch ausgefallen seien. »Schon eine geringe Abweichung von der Basisszenario könnte die Tragfähigkeit der griechischen Schuldenlast gefährden«, wird dort erklärt. Diese Befürchtungen wurden von IWF-Beamten mit der Anwort vom Tisch gefegt, daß das BIP Griechenlands genauso gut mehr als erwartet wachsen könne.“

Der Artikel führt leider nicht an, womit China und die Schweiz ihre Zweifel begründeten, und ob die IWF-Beamten ihre Antwort überhaupt begründeten.

„Gleichzeitig wiesen Argentinien, Australien, Kanada, Brasilien und Russland auf »die immensen Risiken« des Programms hin, nicht nur für Griechenland, sondern für das Prestige des IWF. Die Fonds-Beamten gaben selbst zu, daß diese Gefahren real sind.“

Der IWF garantiert nämlich die Kreditwürdigkeit seiner Beaufsichtigten. Er garantiert, daß an dieses Land vergebene Gelder sicher sind. Wenn diese Sicherheit einmal versagt, wie bei Argentinien 2002, so hat das keine unmittelbaren Folgen für den IWF.
Eine weitere schwere Fehleinschätzung jedoch könnte die Glaubwürdigkeit des IWF untergraben und damit diese ganze Institution entwerten. Was für Folgen das auf das internationale Währungssystem hätte, läßt sich nicht abschätzen. Die derzeitigen Abstürze vieler Währungen von aufstrebenden Mächten weisen jedoch darauf hin, daß der Prestigeverlust des IWF wegen der anhaltenden Probleme Griechenlands bereits eingetreten ist.

Australien erlaubte sich die Stichelei, die Forderungen der Europäischen Kommission an Griechenland hätten den Charakter einer »Einkaufsliste«.“

Sie seien also, so meinten die Vertreter Australiens damit, eine Art Wunschzettel an den Weihnachtsmann, der jeglicher Grundlage für Griechenland entbehre, diesen Anforderungen zu genügen.

Alle in diesem Artikel zitierten Dokumente datieren von 2010. Daß der IWF sie einer großen Tageszeitung zugänglich gemacht hat, weist darauf hin, wie unzufrieden seine Macher selbst mit der Entwicklung der Eurokrise sind, wie sehr ihnen die Rolle mißfällt, die sie dabei einnehmen, und weist auch auf ihre eigenen Befürchtung hin, sich mit diesem „Fall“ übernommen zu haben.
An den zitierten Dokumenten fällt die Abwesenheit der USA unter den Kritikern auf. Entweder sie hatten damals keine Kritik, sondern unterstützten das Vorgehen des IWF, um über ihn selber ihren Fuß in die Euro-Rettung hineinsetzen zu können. Oder aber den Journalisten von El País wurden nur solche Dokumente zugänglich gemacht, in denen die Position der USA nicht aufscheint.

Man kann jedoch davon ausgehen, daß diese „IWF-Leaks“ von den USA ausgehen, die mit dem Verlauf der Euro-Entwicklung sehr unzufrieden sind.

Daß es an eine spanische Tageszeitung weitergereicht wurde, geschah wahrscheinlich aus der Berechnung, daß in Spanien ebenfalls große Unzufriedenheit mit der Handhabung der Eurokrise herrscht. Schließlich ist Spaniens Staatskredit keineswegs konsolidiert, gleichzeitig ist es Garantiemacht für den Kredit der 4 „geretteten“ Krisenstaaten.

Brösel beim Bau des Panamakanals

WENN GESCHÄFTSKALKULATIONEN, POLITISCHE PRÄFERENZEN UND TECHNISCHE PROBLEME EINANDER IN DIE QUERE KOMMEN

Seit ein paar Wochen gibt es ernsthafte Differenzen über die Erweiterung des Panamakanals zwischen der panamesischen Regierung, repräsentiert durch die Panamakanal-Gesellschaft, und den europäischen Baufirmen, die den Zuschlag für diese Großbaustelle bekommen haben. Was ist da los?

1. Historisches zum Panamakanal

Die Idee, einen Kanal durch die Landenge von Panama zu bauen, gehen auf die Anfänge des spanischen Kolonialreiches zurück. Nachdem Balboa als erster die Landenge von Panama durchquert und dadurch festgestellt hatte, daß hier die kürzeste Verbindung der beiden Weltmeere bestand, gab es Pläne, einen Durchstich zu machen. Das Unternehmen überstieg jedoch die technischen und finanziellen Möglichkeiten der spanischen Kolonialverwaltung. Die Landenge von Panama war dennoch der wichtigste Verbindungsweg für die Ausbeute der Bergwerke auf dem Gebiet des heutigen Peru und Bolivien: das Gold und Silber von Potosí und anderen Bergwerken wurde auf dem Seeweg von Callao, dem Hafen Limas, nach der Vorgängerstadt der heutigen Stadt Panama transportiert, und von dort auf Lasttieren nach den Städten Nombre de Dios und Colón, an der Karibikküste, um von dort auf Schiffe verladen zu werden und als Teil der spanischen Silberflotte den Weg nach Europa anzutreten.

Nach der Unabhängigkeit der spanischen Kolonien begann das Projekt eines Kanals die Unternehmer Europas und Amerikas zu beschäftigen. Zunächst wurde 1850-55 eine Eisenbahn zwischen Atlantik und Pazifik gebaut, deren Existenz und Route die Trasse des späteren Kanals entscheidend beeinflußte. Es bedurfte jedoch des Erfolges seines Vorgängerprojektes, des Sueskanals, um tatsächlich ernsthafte und maßgebliche Interessen für einen Kanalbau in Bewegung zu setzen. Wenn man Afrika umschiffen kann, warum nicht Südamerika?

1879 konstituierte sich in Frankreich die Panamakanal-Gesellschaft, die eine Konzession des damals über dieses Gebietes verfügenden Staates Kolumbien erhielt und den Erbauer des Sueskanals, Ferdinand de Lesseps, als Ingenieur für das Unternehmen gewann. Mit dem Prestige des 1869 eröffneten Sueskanals im Rücken sammelte das Unternehmen große Mengen an Kredit durch Werpapierausgaben. Die technischen Schwierigkeiten wurden jedoch von Anfang an unterschätzt, und später vertuscht. Unter anderem existiert ein Höhenunterschied von 26 Metern zwischen Atlantik und Pazifik, und ein Bergrücken, der einen Riegel zwischen den beiden Küsten bildet. Die französische Gesellschaft baute ab Baubeginn 8 Jahre, bis 1889, an dem Kanal. Schließlich warf sie das Handtuch, und die Investoren verloren ihr Geld. Das Unternehmen wurde zu einem Synonym für einen groß angelegten Betrug. (Auf Ungarisch heißt es für einen Betrug: „Das Ganze ist ein Panama!“) Die Angelegenheit erschütterte die französische Gesellschaft. Die 22.000 Toten, die dieser Kanalbau – vor allem durch Seuchen – forderte, sprechen jedoch gegen einen geplanten Betrug.

Der Kanal wurde von den USA unter Einsatz des Militärs in den Jahren 1905-14 erbaut. Er ist ein Beispiel für den Einsatz der Gewalt als ökonomischer Potenz.
Um den Bau überhaupt beginnen zu können, schufen sie den Staat Panama. Sie trennten das Gebiet des heutigen Panama von Kolumbien ab, besetzten es und zahlten Kolumbien eine Ablöse. Militäringenieure planten und bauten den Kanal, an dessen Durchführung neben angeheuerten Arbeitern aus Europa und den USA auch US-Soldaten im Einsatz waren. Die US-Ingenieure verwarfen das ursprüngliche Projekt eines durch die Landschaft gegrabenen Kanals und stauten den Chagres-Fluß zum damals größten Stausee der Welt auf, zu dem die Schiffe auf beiden Seiten des Kanals in riesigen Schleusen emporgehoben werden.

Der nach dem 1. Weltkrieg offiziell eröffnete Panamakanal war eine gewaltige technische Leistung und nebenbei ein Bauwerk, bei dem auch in der zweiten, erfolgreichen Phase über 5.000 Arbeiter an Unfällen und Krankheiten starben. Die USA vollbrachten damit eine unüberschätzbare Vorleistung für Welthandel und Weltmarkt.
Die Breite des Panamakanals wurde zu einem Datum für die Konstruktion von Schiffen. Die ersten Post-Panamax-Schiffe, die zu breit für den Kanal sind, wurden für die japanische Kriegsmarine gebaut. Handelsschiffe, die zu breit für den Panamakanal sind, wurden seit Anfang der 60-er Jahre und verstärkt seit den 90-er Jahren gebaut, als sich stärkere Schiffsschrauben durchsetzten. Dennoch gilt der Panamakanal als wichtige Schiffsroute und beschert Panama Einnahmen, auf Grundlage derer sich diese einstige Bananenrepublik zu einem Boomstaat Mittelamerikas entwickelt hat.

Zunächst bedungen sich die USA für ihr technisches Meisterwerk Exklusivität aus. Auf Grundlage dubioser, teilweise noch von ihrem Rechtsvorgänger mit Kolumbien geschlossener Verträge und einer jährlich zu entrichtenden Pacht, vor allem aber ihrer überlegenen Gewalt sicherten sie sich das Recht auf den Betrieb des Kanals und einer exterritorialen, einzig den USA unterstehenden Zone zu beiden Seiten des Kanals. Die vorgesteckten Kosten für den Bau des Kanals holte sich der amerikanische Staat also vielfach zurück. Neben eines Mittels zur Kontrolle des weltweiten Schiffsverkehrs verfügten die USA damit über eine exterritoriale Zone für Aktionen, die auf US-amerikanischem Boden verfassungsrechtlich nicht möglich waren: 1946 wurde in der Panamakanal-Zone das „School of the Americas“ benannte Ausbildungszentrum zur „Bekämpfung der Subversion“ in Lateinamerika gegründet, das vor allem als Ausbildungszentrum für Diktatoren und Schule der Folter in der westlichen Hemisphäre bekannt ist. Sie bestand bis 1984 in dieser Zone, dann wurde sie in die USA verlegt, später aufgelassen.

Unter dem Präsidenten Jimmy Carter, der die Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten neu regeln wollte, wurden auf Drängen Panamas 1977 die Torrijos-Carter-Verträge über die Übergabe des Kanals an Panama geschlossen. Es bedurfte jedoch auch nach dem Ende des Kalten Krieges noch einiger Jahre, bis diese Verträge in die Tat umgesetzt und der Kanal samt des umliegenden Territoriums 1999 tatsächlich an den Staat Panama übergeben wurden. Seither profitiert Panama als Staat, d.h. seine Eliten, enorm von dieser Einkommensquelle, die eine Immobilien- und Finanzspekulation in Gang gesetzt und Panama zu einer Art Eldorado für schwindlige Unternehmen aller Art gemacht haben.
Von diesen Einnahmen beflügelt, begannen die panamesische Regierung und die ihr unterstehende Kanalverwaltung an einen Ausbau des Kanals zu denken, um auch die Post-Panamax-Schiffe oder zumindest einen großen Teil derselben durch Panama schleusen zu können. Sehr demokratisch wurde der entsprechende Regierungsbeschluß 2006 durch eine Volksabstimmung abgesegnet. Und die Panamakanal-Gesellschaft nahm eine Ausschreibung vor.

2. Der zweite Panamakanal

Bei der Ausschreibung bewarben sich 3 Konsortien: Das siegreiche besteht zu je 48 % aus der spanischen Firma Sacyr und der italienischen Firma Impregilo. (Die anderen zwei Teilnehmer sind nur zu 3% bzw. 1% beteiligt und daher vernachlässigenswert.) Sie schlugen das Konsortium, das von der US-Firma Bechtel angeführt wurde, da ihr Anbot um eine Milliarde $ unter dem von Bechtel & Co. lag. Versuche der US-Behörden, eine Entscheidung für das US-geführte Konsortium zu erreichen, waren eher kontraproduktiv: Panama wollte, nachdem es die USA endlich aus der Kanalzone expediert hatte, den Zuschlag für den neuen (parallelen) Kanal keiner US-Firma geben. Die Entscheidung für Sacyr/Impregilo war also sowohl ökonomisch als auch politisch motiviert.
Die unterlegenen Vertreter von Bechtel meinten damals verärgert, die beiden Firmen hätten gar nicht das Zeug, so ein Bauwerk zu errichten, und der Kostenvoranschlag sei so niedrig angesetzt, daß es nicht einmal für den Beton reichen würde.

2. a) Sacyr
Sacyr ist eines der größten Bauunternehmen Spaniens, und eines der wichtigsten der an der Madrider Börse notierten Unternehmen. Spanien erlebte zwischen 1999 und 2007 einen beispiellosen Bauboom, der Firmen wie Sacyr expandieren ließ. Kredit floß reichlich, der Markt für Immobilien erschien unbegrenzt. Seit 2008 ist das alles vorbei. Leere Baugrundstücke, halbfertige Betonskelette und Schilder „zu verkaufen“ zieren seither Spaniens Städte und Dörfer.
Die spanischen Baufirmen versuchten, den zusammengebrochenen heimischen Markt durch Aufträge im Ausland, vor allem in Lateinamerika zu kompensieren – wo die großen spanischen Banken, die seit den 90-er Jahren dort ihre Präsenz verstärkt hatten, ihnen auch mit Kredit unter die Arme greifen konnten. Der Zuschlag für den Auftrag zum Ausbau des Panamakanals kam 2009 wie gerufen bzw. war möglicherweise unbedingt notwendig, um Sacyr im Geschäft zu halten. Die von Baufirmen übliche Praxis, ein möglichst günstiges Anbot zu machen, um dann Mehrkosten durch Nachforderungen auszugleichen, war hier um so mehr geboten, um unbedingt diesen Auftrag zu ergattern.
Bei

2. b) Impregilo
war die Not auch groß, wenngleich aus geringfügig anderen Ursachen.

Impregilo ist die wichtigste und größte Baufirma Italiens für Großprojekte aller Art, also für solche, wo Staaten oder Gemeinden die Bauherren sind. Impregilos Aufstieg war daher eng an den ihres Gönners und Beschützers Silvio Berlusconi gebunden, der selber über die Bauindustrie groß geworden war. Berlusconi sorgte dafür, daß alle Klagen gegen Impregilo – wegen Vertragsbrüchen oder eben wegen der Verwendung minderwertiger Materialien – im Sand verliefen.
Seit Berlusconis Abgang haben sich die Geschäftsbedingungen für Impregilo sehr verschlechtert: Das Unternehmen kommt nicht mehr so leicht an Aufträge, viele, wie der Bau einer Brücke über die Straße von Messina fielen der Budgetkonsolidierung zum Opfer, und es ist auch nicht so sicher, daß in Zukunft alle Klagen gegen Impregilo so glimpflich ausgehen werden wie zu Zeiten Silvios. Auch deswegen war es für Impregilo wichtig, an Aufträge außerhalb Italiens heranzukommen, wo natürlich erstens die Konkurrenz größer ist und zweitens die Zusammenarbeit mit den Regierungen/Bauherren oft nicht so reibungslos verläuft wie zu Hause. Es steht jedenfalls zu vermuten, daß die Leiter der Baufirma die Erpreßbarkeit der

2. c) Panamakanal-Gesellschaft
bzw. der panamesischen Regierung überschätzt haben.

Für die Panamakanal-Gesellschaft kommt die Nachforderung von 1 Milliarde 600 Millionen überraschend, aber nicht so ungelegen, wie es in einem Teil der deutschsprachigen Presse dargestellt wird. Wenn die Firma nachweisen kann, daß ihre Forderungen berechtigt sind, so werden wir zahlen, erklärte der Leiter der Gesellschaft, Jorge Quijano. (Damit läßt er anklingen, daß Panama das Geld problemlos zahlen kann …) Er weist jedoch darauf hin, daß es bei internationalen Bauprojekten ein völlig unübliches Vorgehen sei, so eine Forderung auf den Tisch zu knallen und gleichzeitig mit einem Baustopp zu drohen. „Sie glauben, bei uns handelt es sich noch um Eingeborene mit Federschmuck“, beschwerte er sich. Sollte die Gesellschaft es aufs Äußerste ankommen lassen, bauen wir den Kanal ohne sie fertig, meinte Quijano, und sehen uns vor den Gerichten wieder. Er erwähnte auch, daß der Kanal-Gesellschaft die ganze Forderung der 1,6 Milliarden in Form eines informellen Wisches ins Haus flatterte, daß es vorher offenbar einen Konflikt zwischen den Vertretern der beiden Firmen gegeben habe, und daß Sacyr sich inzwischen von dieser Drohung weitgehend verabschiedet habe.

Die in verschiedenen Medien lancierte Meldung, daß es die Kanalgesellschaft besonders eilig habe, ist ein Unsinn. China will zwar einen Kanal durch Nicaragua bauen, aber da hat noch kein Spatenstich stattgefunden. Die Schwierigkeiten beim seinerzeitigen ersten Panamakanal-Bau, und die jetzigen Verzögerungen weisen darauf hin, daß solche Unternehmungen, wenn sie überhaupt zustandekommen, Jahrzehnte in Anspruch nehmen. Außerdem gab es ja seinerzeit Gründe, warum die Route durch Nicaragua nicht gewählt wurde. Die Panamakanal-Gesellschaft muß sich also vor möglicher Konkurrenz noch lange nicht fürchten.

Außerdem ist der bisherige Panamakanal gut ausgelastet und der zweite wird parallel dazu gebaut. D.h., ein eventueller Baustopp beeinträchtigt die Tätigkeit des bisherigen Kanals nicht, dessen Einnahmen weiterhin das Rückgrat der Ökonomie Panamas bilden.

3. Mögliche Folgen, die niemand will

Für Sacyr und Impregilo hingegen könnte es eng werden. Bei einem Baustopp würden ihnen die monatlichen Überweisungen der Kanalgesellschaft entgehen. Andere Bauvorhaben in Lateinamerika wären in Gefahr, weil die dortigen Regierungen sagen könnten – das sind unsichere Partner! Die Aktien Sacyrs sind seit Bekanntwerden der Probleme um 10% gefallen, die von Impregilo haben sich etwas besser gehalten. Sollte der Streit weitergehen, so hätte das auf jeden Fall nachteilige Folgen für den Kredit und die Finanzierung dieser Firmen. Sollte eine der Firmen oder beide Konkurs anmelden, wären die Folgen für die gesamte europäische Bauwirtschaft, bzw. Ökonomie überhaupt unabsehbar.
Ebenso gefährdet ein Absturz dieser Firmen den keineswegs konsolidierten Staatskredit Spaniens und Italiens. Deswegen ist Spaniens Entwicklungsministerin gleich einmal nach Panama geflogen, um die Wogen zu glätten, und Italiens Regierungschef Letta hat die Firmenleitung Impregilos bekniet, doch bitte das Ding fertig zu bauen. Der Firmenchef von Sacyr hat ebenfalls seinen unbedingten Willen zur Kooperation betont und sich von der Drohung mit dem Baustopp weitgehend distanziert. Es ist jedoch nicht klar, inwiefern sein Partner Impregilo da hinter ihm steht.

Panamas Regierung und die Kanalgesellschaft selbst wollen im Grunde auch keinen Ärger mit den europäischen Baufirmen. Daß diese 2009 den Zuschlag bekommen haben, war auch als ein Versuch zu verstehen, das europäische Kapital überhaupt für Panama zu interessieren und die ökonomischen Bande zu intensivieren. Auch politisch wollte sich Panama der EU nähern, um den US-Hinterhof im Rahmen der Möglichkeiten zu verlassen.
Scheitert jetzt das ganze und der Vertrag platzt, so müsste Panama womöglich zähneknirschend wieder bei einer US-amerikanischen Firma anklopfen und mit der einen Vertrag machen – eine Perspektive, die in Panama niemanden begeistert.

Wille zur Einigung gibt es also allerorten – was jedoch noch nichts über die Fähigkeit der Baufirmen sagt, dieses Jahrhundert-Bauwerk zu Ende zu führen. Das bezieht sich sowohl auf technische Details, als auch auf den Kredit, den sie vielleicht nicht mehr haben.