Staat stützt Privat – ob das gutgeht?

SPANIENS „BAD BANK“, die „SAREB“
In Spanien wurde – auf Druck aus Brüssel – gegen Jahresende 2012 eine „Bad Bank“ eingerichtet, um die gesamten problematischen Posten in den Bilanzen von Spaniens Banken zu betreuen und vor der Entwertung zu bewahren. Es war eine der Bedingungen, die die EU gestellt hat, als sie Spanien einen 100 Milliarden-Kredit zur Stützung des Banksektors zur Verfügung gestellt hat.
Eine kurze Beschreibung, da man das diesbezügliche Wissen ja nicht bei jedem voraussetzen kann, wie so eine „Bad Bank“ funktioniert:
Die Aktiva der Bank, also ihre Eigentums- und Schuldtitel, werden gesichtet und nach dem Motto „Die guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen“ auseinandersortiert. Das Kröpfchen ist in diesem Falle die Bad Bank, eine von Staatsseite mit Liquidität ausgestattete Institution, die diese fragwürdigen Aktiva den Banken abkauft und dann versucht, sie zu verwerten. Dergleichen Institute werden manchmal in Karikaturen als eine Art Müllcontainer für Giftmüll dargestellt, in die dann die sogenannten toxischen Wertpapiere hineingeworfen werden.
Die Idee der Bad Bank ist, die Banken vor dem Pleitegehen zu bewahren, indem man den Staat, der als Grundlage der Ökonomie noch mehr Kredit hat als eine Bank, als Garanten und Käufer einsetzt.
Die zweite damit verbundene Vorstellung ist die, daß der Giftmüll bei entsprechender Lagerung und bei diesem vertrauenswürdigen Lagerwärter wieder an Wert gewinnt, und nach einiger Zeit vorsichtig wieder unter die Leute gebracht werden kann.
Schon diese Voraussetzungen sind in den letzten Jahren fragwürdig geworden. Ausgerechnet der spanische Staat kann nicht so ohne weiteres als verläßlicher Schuldner, der unbegrenzt Kredit hat, betrachtet werden. Im Gegenteil, diese Bad Bank belastet seinen ohnehin bereits angeschlagenen Staatskredit zusätzlich. Das war der Hauptgrund, warum sie der spanische Bankier und ehemalige IWF-Direktor Rodrigo Rato lange abgelehnt hat.
Eine Frage ist nämlich, zu welchem Preis die Bad Bank den Geschäftsbanken ihre faulen Eier abkauft. Zahlt sie zu wenig, so wird die Bank eben genau deshalb insolvent, weil die bei ihr entstandenen Bilanzlöcher nicht genug zugestopft werden. Zahlt sie jedoch zu viel, so kann es sein, daß gerade deshalb dann dem Staat endgültig die Luft ausgeht.
Spaniens Staatspapiere stehen in der Bewertung der Rating-Agenturen bei BBB, auf der Kippe zum sogenannten Ramsch-Niveau. Verliert es nämlich das 3. B, so müssen alle institutionellen Anleger (Versicherungen, Pensionsfonds, Waisenkassen) diese Papiere verkaufen, und der Kredit Spaniens ist endgültig futsch. Die spanische Staatsschuld steigt ständig, weil die Einnahmen sinken, die Ausgaben wachsen und das BIP schrumpft, ohne Aussicht auf baldige Erholung.
Und dieser Staat soll jetzt seinen Banken hilfreich unter die Arme greifen. Noch dazu so, daß er ihnen ihren Giftmüll nicht mit Geld abkauft, sondern gegen seine Staatsanleihen und Schatzscheine tauscht.
Vor der Einrichtung der Bad Bank wurde die Werbetrommel gerührt, damit sich auch private Institute an diesem perspektivenreichen Unternehmen beteiligen und nicht alles am spanischen Staat hängenbleibt. Man könnte auch sagen, daß die Regierung verzweifelte Hilfeschreie ausgestoßen hat, um nicht mit dem ganzen Mist alleine fertig werden zu müssen.
Der Andrang war endenwollend. Nicht nur, daß aus dem Ausland keine Retter herbeieilten, sondern auch die zweitgrößte spanische Bank BBVA verweigerte ihre Hilfe. Sodaß das Gros der Finanzierung neben der Santander Bank der spanische Bankenrettungsfonds FROB und die verstaatlichte Bank Bankia zu tragen haben.
Spaniens Banken bzw. vor allem die inzwischen teilweise verstaatlichten Sparkassen haben in ihren Bilanzen nicht entwertete Wertpapiere, die seinerzeit in den USA und Mitteleuropa die Einrichtung von Bad Banks hervorgerufen haben. In diesen Bilanzen befinden sich Bauruinen aller Art, die Überreste von Spaniens eingestürztem Immobilienmarkt: nicht bediente Hypothekarkredite en masse, vorfinanzierte Bauten, die in der Hälfte steckengeblieben sind, Kredite an Baufirmen, die teilweise schon pleite gegangen sind, und als Sicherheiten gegebene Grundstücke, deren Wert ein wohlgehütetes Geheimnis ist, aber allen Anzeichen nach gegen Null geht. Und der Preis, den die SAREB für solche Grundstücke festsetzt, wäre dann wieder ein Datum, an dem sich der gesamte Immobilienmarkt orientieren würde. Diese Grundstücke zu niedrig einzustufen, hätte also sofortige negative Auswirkungen auf die gesamte Volkswirtschaft, nicht nur auf die Bankbilanzen.
Eine US-Firma wurde mit der Prüfung der Bilanzen aller ins Trudeln geratener Geldinstitute beauftragt. Auf Grundlage der von dieser Firma erstellten Studie ermittelte die Bankenaufsicht einen Bedarf von 60 Milliarden Euro. Die Firma, Oliver Wyman, hat allerdings an anderer Stelle durchblicken lassen, daß die von ihr erstellte Studie nicht viel wert ist, da die Bankenleitungen ihren Prüfern den Einblick in die Bilanzen verweigerten, der notwendig gewesen wäre, um den tatsächlichen Finanzbedarf zu ermitteln.
Moodys hat den Bedarf der spanischen Banken auf mindestens 500 Milliarden Euro geschätzt.
Im Laufe dieses Jahres wird man vermutlich noch einiges von dieser Bad Bank hören.

Euro-Rettung als Rettung der Kernzone

WEITERE NACHRICHTEN AUS ZYPERN
Was man in den letzten 2 Wochen über Zypern gehört hat, läßt einiges erraten darüber, wie sich die potenteren Länder der Eurozone die Rettung ihres Nationalkredites vorstellen.
1. Die Sache mit den griechischen Staatsanleihen
Im Dezember 2009 – in Österreich wurde damals gerade die Hypo Alpe Adria verstaatlicht – kauften griechische Banken in großen Mengen griechische Staatsanleihen, teilweise mit Krediten der EZB. (Standard, 5.4.) Man erinnere sich: Im Dezember 2009 war Griechenland erstmals auf BBB mit negativem Ausblick eingestuft worden. Die Käufe der zypriotischen Banken waren offenbar von der Absicht motiviert, den griechischen Staatskredit zu stützen. Damals war natürlich noch überhaupt nicht klar, wie sich die Staatsschuldenkrise entwickeln würde. Es ist jedoch zu vermuten, daß die zypriotischen Banken von der EZB und vielleicht auch anderen Stellen Zusagen erhielten, daß diese Investitionen von den Finanzinstitutionen der Eurozone abgesichert seien. Sonst hätten sie sich nämlich nicht in diesem Umfang – über 12 Milliarden – in diesen Papieren engagiert. Es ist allerdings nicht klar, in welchem Zeitraum diese gesamte Summe aufgenommen worden ist.
Im April 2010 verlor Griechenland sein drittes B, wurde somit auf Ramschstatus heruntergestuft und der große Verkauf der griechischen Anleihen begann. Um dem entgegenzuwirken, begann die EZB am 1. Mai – gleichzeitig mit der Verkündung des 1. Rettungs- und Sparpakets für Griechenland – griechische Staatsanleihen zum Nennwert aufzukaufen. Die zypriotischen Banken nutzten die Gelegenheit nicht, ihre Anleihen abzustoßen. Es waren eher französische und deutsche Banken, die sich ihrer griechischen Anleihen entledigten, die sich in Folge von Waffenkäufen Griechenlands in ihren Portfolios angesammelt hatten.
Es ist auch nicht sicher, ob alle europäischen oder zumindest Eurozone-Banken bei der EZB zu diesen Verkäufen zugelassen waren, oder ob es da Barrieren gab. Vielleicht wurde den zypriotischen Banken diese Möglichkeit gar nicht eingeräumt.
Im Sommer und Herbst 2011 wurde eine Schuldenstreichung für Griechenland verkündet. Über die Details der Umsetzung dieser Schuldenstreichung durchsucht man das Internet vergeblich, sie wurde jedoch im Vorjahr als großer Erfolg gefeiert, der Griechenlands Rückkehr an die Finanzmärkte einleiten würde – eine wirklich dicke Lüge.
Jetzt stellt sich heraus, wer für diese Unkosten aufgekommen ist:
„Während und nach dem ersten Schuldenschnitt in Griechenland hatte die zypriotische Regierung stetig darauf hingewiesen, dass dieser Haircut die nationalen Banken des Landes in Gefahr bringe. Die zypriotischen Banken waren massiv in Griechenland engagiert. Allein die zypriotischen Banken, die nun restrukturiert werden, hielten zu diesem Zeitpunkt griechische Staatsanleihen im Wert von 12 Milliarden Euro. Nach beiden Haircuts in Griechenland hatte sich das auf etwa eine Milliarde Euro Anfang 2012 reduziert.“ (Deutsche Wirtschafts-Nachrichten, 9.4.)
2. Die Sache mit den Einlagen
Erst wurde fast ein Jahr verhandelt. Man erfährt nicht, worüber, aber es hat sich inzwischen herausgestellt, warum so lange verhandelt wurde. Nicht nur russisches Kapital wurde von den hohen Zinsen in Zypern angezogen:
„Bereits Anfang 2012 hätten dementsprechend die beiden Banken (Laiki und Bank of Cyprus) in Zypern über ein Rettungspaket oder ähnliches restrukturiert werden müssen. Immerhin hatten sie einen enormen Verlust von 11 Milliarden Euro in ihren Bilanzen. Doch interessanter Weise geschah nichts. Hätte die EU so schnell reagiert wie etwa in Griechenland, hätte dies zu massiven Problemen in anderen Finanzsystemen der Eurozone geführt. Anfang 2012 hatten Banken der Eurozone, vornehmlich deutsche und französische, Einlagen in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro auf Banken in Zypern. … In Zypern konnten die Einlagen der hauptsächlich deutschen und französischen Banken innerhalb eines Jahres um 50 Prozent auf etwa 10 Milliarden Euro gesenkt werden.“ (ebd.)
Im Vorfeld der Zypern-Stützungs-Aktion wurde groß die Propagandamaschinerie aufgefahren, vor allem in Deutschland, daß Zypern ein Geldwäscheparadies der russischen Oligarchen sei. Niemand fragte nach, warum sie denn ihre Gelder unbedingt in Zypern „waschen“ wollen, und wie das eigentlich so ist mit russischem Kapital und der Eurozone. Mit dieser Kampagne gegen angeblich „schmutzige“ Gelder und betrügerische zypriotische Banker wurde geistig das Terrain aufbereitet zum Einfrieren der Einlagen in Zypern.
Zuerst hieß es, Zypern würde 17 Milliarden benötigen und beinahe 6 davon selbst aufbringen müssen, aus den Einlagen der Banken. Dann wurde klar, daß das das Aus für den zypriotischen Bankensektor bedeutet und die beiden großen Banken daher „abgewickelt“ werden müssen. Inzwischen ist man bei einer Summe von 23 Milliarden angelangt, die irgendwie in den zypriotischen Kreditsektor gesteckt werden müssen, um eine Zahlungsunfähigkeit Zyperns zu verhindern. Es ist nicht sicher, ob es bei dieser Summe bleibt.
Abgesehen von den 10 Milliarden, die deutsche und französische Geldinstitute nach obiger Quelle immer noch in Zypern geparkt haben – es wird vermutet, daß sie sich nicht bei den beiden abzuwickelnden Banken befinden – haben sich offenbar auch andere Überraschungen aufgetan, als man die angeblichen russischen Schwarzgeldkonten abräumen wollte. Es scheinen nämlich hauptsächlich Einlagen von Bürgern der EU aufgetaucht zu sein. Deren Enteignung würde jedoch nicht so glatt über die Bühne gehen wie die von Russen oder Ukrainern. Es ist auch durchaus möglich, daß sich Bürger Israels oder arabischer Staaten unter den Konteninhabern finden – auch hier würde das Einkassieren der Gelder zu diplomatischen Verwicklungen führen, wenn nicht zu mehr.
Völlig unklar ist die Stellung Großbritanniens, und inwiefern die ehemalige Kolonialmacht Zyperns sowohl als Einleger als auch als Aktionär der zypriotischen Banken engagiert war. Das absolute Stillschweigen der britischen Regierung gibt Raum für viele Deutungen.
Aber es wird sich ja in den nächsten Wochen sicher noch einiges herausstellen.

Erste Schlußfolgerungen

WAS LERNEN WIR AUS DER ZURECHTSTUTZUNG UND RUINIERUNG ZYPERNS?

Erstens einmal, was die ökonomische Seite der ganzen Angelegenheit betrifft, für die inzwischen das Wort „Rettung“ – korrekterweise – gar nicht erst aufkommt:

1. Sparguthaben sind nicht mehr sakrosankt, sondern die Staaten der Eurozone betrachten das Geld ihrer Bürger als eine Art leihweise überlassenes Staatseigentum, auf das man notfalls zugreifen muß, wenn der Hut brennt, also der Staat selbst in Notstand gerät.

2. Das hat Folgen für den ganzen europäischen Banksektor, wo ja die Banktätigkeit, also die Kreditvergabe an die Höhe der Einlagen gebunden ist. Wenn jetzt das Vertrauen in die Sicherheit der Einlagen sinkt und viele Leute ihre Einlagen abheben und nach Hause nehmen oder ins Ausland überweisen, was in Griechenland und Spanien teilweise bereits geschehen ist, so verlieren die Banken an Spielraum und müssen ihr Geschäft einschränken, oder die ratio zwischen Einlagen und Kreditvergabe ändert sich, sodaß auch jeder Schein einer auf dem tatsächlichen Reichtum der Gesellschaft Bezug nehmenden Grundlage der Kreditschöpfung immer mehr verlorengeht.

3. Banken werden auch nicht mehr notwendig „gerettet“. Während in Irland die größte Bank, die sich mit den Hypothekarkrediten in die Nesseln gesetzt hatte, – die Anglo Irish Bank – im Februar still und heimlich begraben, also aufgelöst wurde – die Schulden trägt jetzt über die Euro-Rettung der irische Staat – und ähnliches Österreich für die Hypo Alpe Adria nahegelegt wurde, so ist jetzt die zypriotische Volksbank (Laiki) dran, die einen guten Teil der Wirtschaftsleistung Zyperns beigesteuert hat.

4. Wir lernen auch, daß Zypern einen „überdimensionierten“ Banksektor hat. Man fragt sich, wann ist ein Banksektor eigentlich „richtig“ dimensioniert? Es gibt kein „richtiges“ Verhältnis zwischen Finanzwirtschaft und anderen Sektoren. Aber mit dieser Behauptung wird so getan, als hätte sich die zypriotische Bevölkerung etwas zuschulden kommen lassen, für das die jetzt büßen muß.
Man sucht vergebens in den Medien nach irgendeiner Äußerung verantwortlicher EU-Politiker, warum ein Land mit einer solchen „überdimensionierten“ Finanzwirtschaft eigentlich seinerzeit in EU und Euro aufgenommen wurde?

5. Die angekündigten Maßnahmen zur Kontrolle des Kapitalverkehrs, die die aufgrund dieser Maßnahmen vorhersehbare Kapitalflucht eindämmen sollen, werden eher das Gegenteil verursachen, und auch den Zustrom ausländischen Kapitals in die Eurozone deutlich verringern.

6. Der Zustrom russischen – und ukrainischen – Kapitals in die Eurozone ist definitiv gestört. Während bisher die russische Unternehmerschaft über Zypern sozusagen ihre Gewinne in Euro umwandelte und dadurch erst zu internationalem Kapital machte – so eine Art Bad oder Taufe in Weltgeld – um sie dann entweder zu Hause oder in der EU zu investieren, so ist dieses Verfahren jetzt einseitig von der EU aufgekündigt worden. Der russische Regierungschef Medwedjew hat das auch deutlich ausgesprochen, indem er gesagt hat, der Euro sei eine gefährliche Währung, in der man eine Menge Geld verlieren könnte.
Die Maßnahmen der EU-Spitze zur Stützung und Stabilisierung des Euro nehmen immer mehr den Charakter anti-ökonomischer Zwangsmaßnahmen an, mit denen Gute belohnt und Böse bestraft werden sollen, wobei alle diplomatischen Gepflogenheiten brüsk aufgekündigt werden. Die zypriotischen Politiker – immerhin ehrbare Absolventen britischer Universitäten – wurden von den sich zur Führungsmannschaft der EU aufgeschwungen habenden deutschen Politikern wie ungezogene Lauser behandelt, die Schule geschwänzt haben und jetzt dafür bestraft werden müssen.

Was alle diese Klarstellungen und der unvermeidliche Zusammenbruch der zypriotischen Wirtschaft noch für Folgen haben werden, wird sich erst herausstellen.