REUTERS-STUDIE: GROSSE EUROPÄISCHE FIRMEN BEREITEN SICH AUF DAS ENDE DES EURO VOR
Ein paar Tage vorher hat Großbritannien ähnliche Schritte unternommen und sich als Nationalökonomie auf dieses Szenario eingestellt: Die Bankenaufsicht hat alle Geldinstitute aufgefordert, Szenarios für diesen Fall auszuarbeiten.
Alle Verantwortlichen betonen, daß es sich um eine reine Vorsichtsmaßnahme handle, „für alle Fälle“, und eine Auflösung des Euro natürlich seeehr unwahrscheinlich ist.
„Ein gutes Risikomanagement bedeute, auch für unwahrscheinliche Szenarien Pläne in der Schublade zu haben. “Und wir können die Möglichkeit eines ungeordneten Ausstiegs einiger Länder aus der Eurozone nicht ignorieren.”“ (Andrew Bailey von der britischen Bankenaufsichtsbehörde FSA)
„In der britischen Regierung werden offenbar bereits konkrete Szenarien für einen Zusammenbruch des Euros durchgespielt. Dabei rechnen sie angeblich sogar mit sozialen Unruhen. Wie die britische Zeitung „The Telegraph“ berichtet, seien die britischen Botschaften in Europa bereits angewiesen worden, konkrete Hilfspläne für ihre Landsleute zu erstellen.“ (Die Welt)
Von allen Seiten kommen gleichzeitig Warnungen dagegen, solche Pläne falsch zu interpretieren und damit den Euro unnötig krankzureden.
Manche befragten Experten bemerken, daß man sich für einen Zusammenbruch des Euro gar nicht vorbereiten könne und es sich um einen absoluten ökonomischen Super-Gau handle. Also lieber gar nicht dran denken! Weil nicht sein kann, was nicht sein darf.
Der Widerspruch, den bei der heftig beklatschten Geburt des Euro sehr wenige wahrhaben wollten:
Ein nur durch staatliche Gewalt mit Wert versehenes Papiergeld, bloße bedruckte Zettel, werden zu einem Zahlungsmittel unterschiedlicher und miteinander konkurrierender Staaten. –
ist inzwischen schlagend geworden.
Der Souveränitätsverlust – man gibt damit das Herzstück der ökonomischen Gewalt über seine Gesellschaft ein Stück weit aus der Hand – sollte durch ein größeres Gewicht im Welthandel kompensiert werden.
Dieses größere Gewicht hat die EU – und zwar die ganze EU, nicht nur die Eurozone! – wohl weltweit erlangt, der Euro ist neben $ und Yen Weltgeld, es sind ihm aber gleichzeitig seine Grundlagen abhanden gekommen: Der Kredit, auf dem sein Wert beruht, ist fragwürdig geworden. Der Grundwiderspruch des modernen Staatspapiergeldes – es ist glaubwürdig und werthaltig, weil man der nationalen Wirtschaft des jeweiligen Landes zukünftigen Erfolg zutraut, – hat sich gegen den Euro gekehrt. Nicht nur abgeschriebene Staaten wie Griechenland haben ihren Kredit verspielt: Sogar die große Konjunkturlokomotive der Eurozone, Deutschland, hat inzwischen Schwierigkeiten, ihre Anleihen unterzubringen, weil der Ruf des Geldes, in dem sie notieren, dauerhaft beschädigt ist.
Solche Maßnahmen wie die der britischen Regierung und der privaten Firmen sind Katalysatoren für den Verfall des Euro: Sie setzen weitere Daten für das Mißtrauen in dieses Geld, um das alle bangen, in dem weltweit viele Geschäfte laufen und dem immer weniger Menschen vertrauen. Die wichtigste Maßnahme, die alle diese Akteure setzen, ist nämlich das Sich-Umschauen nach „Fluchtwährungen“, in denen man sein Vermögen parken kann und damit lösen sie eine Fluchbewegung aus dem Euro aus.
Das Ende des Euro wird alerdings ein Erdbeben sein, daß das ganze Weltfinanzsystem mit sich reißen könnte – weil es das Vertrauen in Papiergeld überhaupt untergräbt.
Kategorie: Geld & Kredit
Das globalisierte Kreditwesen und seine nationalen Besonderheiten
WAS BEI KREDITAUFNAHME UND –VERGABE ALLES SCHIEFGEHEN KANN,
dafür ist Ungarn ein Lehrstück.
In der modernen Nationalökonomie ist Kredit DIE Wunderwaffe der Marktwirtschaft. Keynesianer und Friedmanianer sind sich darin einig, daß es eine ideale Maßnahme ist, Nachfrage zu „stimulieren“, Märkte zu beleben und Wachstum hervorzurufen.
„Wachstum“ bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als daß in einem anerkannten Geld gemessenes Vermögen sich vermehrt. Welcher Art dieses Vermögen ist, ob es sich um Immobilien, Fabriken, Warenberge oder Wertpapiere handelt, ist gleichgültig. Es geht nur um ihren in Weltgeld gemessenen Wert.
Die Besitzer des Geldes, seine Monopolisten sozusagen, die Banken, Investmentfonds, Versicherungen usw., genannt die „Finanzmärkte“, schieben eignes und fremdes Geld quer über den Globus, ständig auf der Suche nach Vermehrungsmöglichkeiten. Sobald sie irgendwo ein Land, eine Sphäre für ihre segensreiche Tätigkeit erkoren haben, kommt das einer Berührung mit einem Zauberstab gleich, weil sie verkünden damit der ganzen Welt: Hier ist Wert vorhanden und hier wird zusätzlicher Wert geschaffen.
Diese Allmacht des Finanzkapitals hat zunächst einmal zur Folge, daß die Konkurrenz der Nationen heute zu einem guten Teil um die Verfügung über Kredit abgewickelt wird. Vor allem die potenten Staaten versuchen, ihren eigenen Banken gute Ausgangspositionen für ihre grenzüberschreitende Tätigkeit zu gewährleisten und unnötige Beschränkungen aus alten Zeiten, als noch andere Prioritäten zugange waren, tunlichst aufzuheben. (Zu Zeiten des Kalten Krieges hatten nämlich Banken und Kredit eine andere Rolle: Sie sollten Stabilität schaffen und ihren jeweiligen Regierungen den Rücken stärken im gemeinsamen Kampf gegen die SU bzw. den COMECON.)
Die Heimatländer des Kapitals haben die Möglichkeit, ihre eigenen Kreditinstitute zu stärken und ihr Kreditwesen und damit die Verfügung über diese begehrte Reichtumsmaschine ein Stück weit selbst zu steuern. In die Wall Street, die Londoner City oder nach Frankfurt strömt das Finanzkapital von selbst, da sind keine staatlichen Anreize nötig.
Anders bei einem Land wie Ungarn, das über kein nationales Kapital verfügt, und dessen Kreditwesen von außen eingeführt und aufrechterhalten wird. Da erschien die Genehmigung der FWK als einziges Mittel, so etwas wie Marktbelebung und Wachstum hervorzurufen. Wenn Hypothekarkredite en masse vergeben werden, so die Überlegung der Politiker, dann zieht Ungarn damit Investitionen im Immobilienmarkt an, die Bautätigkeit nimmt zu, Arbeitsplätze und Wohnraum werden geschaffen, das Konsumniveau steigt, usw. usf.
Dergleichen Überlegungen waren, vergessen wir es nicht, bis 2007 gültiges Credo aller Regierungen, Bankiers, Nationalökonomen und wurden aus allen medialen Rohren auf das p.t. Publikum ausgegossen. Konsum belebt die Wirtschaft, wer das Geld dazu nicht hat, kriegt einen Kredit – der Konsumentenkredit wurde heftig beworben und relativ problemlos vergeben, und diese Praktiken übernahmen auch Banken, Konsumenten und Auto- und Immobilienhändler in Ungarn ohne großes Kopfzerbrechen. Der Kredit erschien als etwas Unendliches, mit dem man jede Schranke der Zahlungsfähigkeit überschreiten könne.
Die derzeitige Krise hat zwar diesen Königsweg praktisch in Frage gestellt, er ist jedoch theoretisch immer noch gültige Praxis: Bei allem Willen zum „Sparen“ geht es nur darum, die Glaubwürdigkeit der Kreditoperationen wiederherzustellen, um das ganze wieder von vorne angehen zu können. Einem Staat wie Griechenland und seiner Bevölkerung wird dabei sozusagen von den maßgeblichen EU-Politikern und der internationalen Journaille unter die Nase gerieben, daß sie in ihrem Leichtsinn das Ansehen des Kredites untergraben haben, und jetzt dafür zuständig sind, diesen „Fehltritt“ durch Opfer aller Art wieder gut zu machen.
In und auch bezüglich Ungarn gibt es ein unentschlossenes Hin und Her zwischen der Verteidigung von Kredit und Schuldenmachen an sich gegen seinen „Mißbrauch“ und die „schwarzen Schafe“, die zu so negativen Ergebnissen geführt haben. Das Land will seinen Kredit wiederherstellen und kann es nicht aus eigener Kraft. Als Schuldige für die Kreditklemme werden wechselweise die Banken, die doch als Buße für ihre leichtfertige Vergabepraxis Abstriche von ihren Forderungen machen sollen, und die Kreditnehmer, die doch gefälligst irgendwie ihre Verbindlichkeiten bedienen sollen, dingfest gemacht. Alle Versuche, Kreditstreichung einzufordern, um den Kredit wieder funktional zu machen, führen zu weiteren Verlusten an Glaubwürdigkeit und dadurch zu Verringerung des Kredits. Die Banken schränken ihre Kreditvergabe ein, der Forint verliert weiter an Wert gegen den Euro, und die Zahl derer, die ihren Kredit nicht bedienen können, steigt weiter.
Griechenland, Ungarn, Spanien, Portugal: Die Spannung steigt, wo die Zahlungsunfähigkeit als erstes solche Ausmaße erreicht, daß sie nicht mehr durch Stützungsmaßnahmen verhindert werden kann, oder umgekehrt: Wo ein politischer Beschluß die bisherige Stützungspraxis aufkündigt.
Kredit und Konsum
EIN LAND VERSCHULDET SICH BIS ÜBER DIE OHREN. DIE 2 SEITEN DES KREDITVERHÄLTNISSES
Während laut der Studie der KPÖ Oberösterreich 2005 außer in Österreich überall in der EU, also auch in Ungarn, der Anteil der FWK unter 5% lag, so stieg er bis 2010 auf 70%, größtenteils in Schweizer Franken. 90% aller Hypothekarkredite sind in FWK. Die Anzahl der nicht bedienten Kredite liegt im Dunkeln, allein durch die ausfälligen Hypothekarkredite sind insgesamt 1,5 Millionen Menschen von Delogierung bedroht.
Wie kam es dazu?
Um das zu begreifen, muß man sowohl die Seite der Kreditgeber als auch die der Kreditnehmer betrachten, und den Blick noch auf einige andere Akteure richten: Das internationale Finanzkapital und die einheimischen Politiker.
1. Die Banken
Jede Bank nimmt Einlagen an und vergibt Kredite. Das Kapital, das sie in Einlagen an sich zieht, ist die Basis ihrer Kreditvergabe. Je mehr fremdes Kapital sie bei sich versammeln kann, um so größer ist ihre Kapazität, andere mit Kredit zu beglücken, Kredit zu „schöpfen“. Bei Einlagen bzw. Fremdkapital soll man nicht in erster Linie an Sparbücher denken – dergleichen Kleinvieh war in der Frühzeit des Bankenwesens wichtig, macht aber heute einen verschwindenden Bruchteil aus, wozu auch teilweise das niedrige Zinsniveau beträgt. Auch gewöhnliche Gehalts- bzw. Girokonten fallen ins Gewicht, weil da kommt ja Geld herein, das bis zu seinem Abzug auch in den Bilanzen der Banken als Aktiva herumschwappt. Wichtige Gläubiger der Bank sind Firmen und Private, die „ihr Geld arbeiten lassen“ wollen, also von der Bank erwarten, daß die ihnen eine ordentliche Rendite herausholt. Die Bank braucht die Einzahler also, um ihr Geschäft betreiben zu können, sie macht ihren Profit aber über die Kreditvergabe. Den Gläubigern muß sie was zahlen, von den Schuldnern nimmt sie was ein.
(Um die Sache hier überhaupt darstellen zu können, lassen wir hier einmal den Wertpapierhandel, die Wertpapieremission und andere Zusatzgeschäfte weg.)
Das Kapital, ihre Aktiva also, bezogen die Banken aus den außerhalb Ungarns befindlichen Mutterbanken. Die Schwierigkeit bestand darin, Leute zu finden, die bei ihnen zu einem hohen Zinsfuß Kredit nehmen wollten. Ein hoher Zinsfuß war jedoch notwendig, da Ungarn nicht zugetraut wurde, in absehbarer Zeit eine flotte Wirtschaft hinzukriegen, der Forint daher von allen maßgeblichen Akteuren der Finanzwelt als von Absturz gefährdet und Forint-Kredite als ziemlich riskant angesehen wurden. Diese Einstufung bekamen sowohl der Staat als die Privaten zu spüren, in Form eines Zinssatzes um die 10. Kredite waren noch dazu an Währungsschwankungen und Leitzinsveränderungen gebunden, also flexibel.
Als sich also die Möglichkeit eröffnete, Kredite in FWK zu vergeben, war die ersehnte Möglichkeit da, das Kreditvolumen zu erweitern. Die Möglichkeit, daß es durch Wechselkursschwankungen zu Kreditausfällen kommen könnte, wurde wohl eingeplant, aber eben so, wie das Banken immer machen: Das Ausfallsrisiko wurde in Prozent der gesamten vergebenen Kredite eingeschätzt und in den Zinsfuß eingepreist. Sicherlich rechneten die Banken nicht damit, daß dieser Prozentsatz sich verdoppeln oder verdreifachen könnte, weil wenn sie das auch wieder in das Zinsniveau aufgenommen hätten, so wären auch die FWK für die Kunden wieder genauso unerschwinglich wie die Forint-Kredite geworden.
Mit der Finanzkrise, die durch dergleichen Manöver verursacht worden ist, rechnete eben vorher niemand.
2. Die Kreditnehmer
Die eine Gruppe von Kreditnehmern, die biederen Arbeiter, Angestellten oder Staatsbeamten, die sich ein Haus, eine Wohnung oder ein Auto leisten wollen, gehen sehr naiv und gleichzeitig sehr berechnend vor. Einerseits rechnen sie damit, daß ihr staatsbürgerliches Anpaßlertum, ihre Bravheit und Dienstfertigkeit doch irgendwie anerkannt ist und weiterhin sein wird und ihre Einkommensquelle deshalb stabil ist, sie sich diese Verschuldung also leisten können. Ihre Berechnung ist also von Vertrauen in dieses Wirtschaftssystem und ihre Stellung darin geprägt. Das macht auch gleichzeitig ihre Naivität aus, weil sie vor den Risiken der Konkurrenzgesellschaft die Augen verschließen und sicher sind, daß die rundum zu beobachtenden faktischen Widerlegungen dieses guten Glaubens – Entlassungen, Krankheit, durch Scheidung bedingte Verarmung usw. – sie selbst nicht treffen werden. Treten sie dennoch ein, so werden oft individuelle Lösungen wie Alkoholismus, Tablettensucht oder Selbstmord gewählt, die zwar den Kredit uneinbringlich machen, aber niemals zu einer Einsicht in diejenigen Abhängigkeitsverhältnisse führen, die sie vormals bejaht haben.
Eine andere Abteilung sind Unternehmen und Gemeinden. Unternehmer, auch wenn sie, wie in Ungarn, mehrheitlich eher schwachbrüstig, also mit geringem Eigenkapital unterwegs sind, wissen, daß der Zugang zu Kredit ihnen das Mittel in die Hand gibt, „Märkte zu erobern“, also ihre Konkurrenten aus dem Rennen zu werfen. Deren Erfolg hängt eben von diesen Märkten ab: ob sie dort konkurrenzfähig (geringe Stückkosten oder für sie günstige Währungskurse) sind, dort überhaupt hindürfen ((Zollschranken usw.) und last but not least, wie es um die Zahlungsfähigkeit dort beschaffen ist. Für diese Leute bedeutete natürlich der EU-Beitritt Ungarns ein Aufbruch zu neuen Ufern. Vorher verschlossene Märkte konnten angepeilt, Rohstoffquellen erschlossen werden. Das Ärgernis, für all das nur ein nur bedingt konvertibles Geld zur Verfügung zu haben, wurde durch die FWK beseitigt.
Schließlich die Gemeinden, so wie Provinzregierungen – im Falle Ungarns die Komitate – und auch der Staat selbst wähnten sich lange in der Illusion unbegrenzter Verschuldungsfähigkeit, da sie Grundlagen und Garanten des Wirtschaftstreibens sind und darüberhinaus quasi unauflösbare – im Unterschied zu Firmen – Einheiten, die sich im Augenblick der Kreditaufnahme sozusagen zu ideellen Eigentümer aller auf ihrem Territorium befindlichen Reichtumsquellen erklären und damit eine Art von Solidität für sich beanspruchen, die sie den anderen, privaten Schuldnern gegenüber als sichere Zahler erscheinen läßt – eine Einschätzung, die lange Zeit, bis 2008 nämlich, auch von den Banken geteilt wurde.
Alle drei Schuldner wollen also etwas erwerben, wofür sie das Geld nicht haben. Privater wie produktiver Konsum wird so durch Kredit finanziert, und das galt vor 2008 ungefragt als der Hebel des Wachstums.