Die Weltfinanzbehörde

DER IWF, TEIL 1: DIE ENTSTEHUNG. DIE ERRICHTUNG DER NACHKRIEGS-WELTORDNUNG

Anläßlich Personaldebatten um die Neubesetzung dieser sinistren Organisation, die nicht ganz zu Unrecht für viel am Elend dieser Welt verantwortlich gemacht wird, ein kurzer Überblick darüber, was der IWF eigentlich ist.

Der IWF ist unter anderem ein Ergebnis der Abdankung Großbritanniens als Weltmacht, und dem Aufstieg der USA zu einer solchen. Großbritannien mußte in Bretton Woods die Vorschläge der USA, die den Dollar als Leitwährung festlegten, akzeptieren. (Der Chefunterhändler der Briten war Keynes, und ihm schwebte ein System gleichberechtigter Währungen vor, von dem aber die USA nichts wissen wollten. Diese Idee wird von Kritikern des IWF immer wieder aufgegriffen, woran man sieht, daß sie eben gewisse imperialistische Gegebenheiten nicht zur Kenntnis nehmen wollen.)

An die Gründung des IWF heften sich einige Irrtümer. Einer davon ist, daß der Dollar deshalb zur Weltwährung gemacht werden konnte, weil die Amerikaner den Goldstandard besaßen (und auch eine Menge Gold als Ergebnis guter Geschäfte mit den Allierten, die alle bei den USA Waffen eingekauft hatten.) Es war jedoch umgekehrt: Die USA waren die einzigen, die eine funktionierende kapitalistische Wirtschaft besaßen (erst durch die Rüstungsproduktion für den II. Weltkrieg überwanden die USA die Große Depression) und hatten als solche auch ein funktionierendes Geld – deswegen konnten sie sich so etwas wie eine Golddeckung leisten.

(„Gedeckt“ ist übrigens beim Goldstandard gar nix. Es wird nur behauptet: wir haben irgendwo Gold herumliegen, und beim Gelddrucken schauen wir immer drauf, daß dieses Papiergeld nicht zu viel wird.)
Die freiwillige Bindung des Dollars an Gold besagte im Grunde nur eins: Erstmals wurde ein nationales Kreditgeld, also gewöhnliche bedruckte Zettel, die auf einem Staatsgebiet per Gewalt Gültigkeit besaßen, zu Repräsentant von Wert schlechthin erklärt. Der Dollar ist Gold wert, und wird in Zukunft an Goldes statt angenommen werden müssen.

Die USA waren natürlich daran interessiert, daß der Rest der Welt auch wieder seine Ökonomie in Schwung bringt, und über ein taugliches Umlaufmittel verfügt, weil die anderen Staaten nur dann als Markt und Handelspartner für Amerikas Kapital funktionieren konnten.

Den Staaten Europas – Siegern wie Verlierern des II. Weltkriegs – wurde somit das Angebot gemacht, ihnen wieder so etwas wie eine Währung zu verleihen, die im internationalen Zahlungsverkehr angenommen würde. Sie wurde also erst einmal fähig gemacht, im Ausland irgendetwas einzukaufen. Diese Konvertibilität war eine Vorleistung, die die USA für die Schaffung des Weltmarkts erbrachten. Um die Vormachtsstellung, die sie dem Dollar als Grundlage aller Handelsströme verliehen, auch noch zusätzlich attraktiv zu machen, verpflichteten sich die USA, Dollar jederzeit in Gold einzuwechseln – sie wollten damit das Interesse, an Dollars dranzukommen, anheizen, d.h. Produktionen anzuleiern, mit US-Kapital. Die Goldbindung war also auch dazu da, den Kapitalexport zu fördern.

Die Goldbindung wurde nach einer Auszahlung an das Frankreich De Gaulles, der darauf bestand, 1971 aufgegeben, d.h. von den USA einfach gestrichen. Sie hatte sich nämlich als ein Hemmschuh der Expansion des Welthandels erwiesen. Das, was mit Bretton Woods und dem IWF eingerichtet worden war, hatte sich ja aus Sicht der USA bewährt: Die Welt war mit Ausnahme des Ostblocks (zu dem damals China noch dazugehörte) voller Dollars, alle Nationalökonomien mußten an dieses Geld herankommen, und dem amerikanischen Kapital stand die ganze Freie Welt offen.

Aber auch für die Staaten Lateinamerikas, die fast vollzählig in Bretton Woods vertreten waren, war die Idee einer Bindung an den Dollar attraktiv: Sie sahen darin ein probates Mittel, die seit der Unabhängigkeit immer wieder aufgetretenen Inflationsschübe, Staatspleiten und damit einhergehenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen in den Griff zu kriegen und dadurch ihre nationalen Ambitionen befriedigen zu können.

Zusammenfassend also noch einmal die Leistung des Bretton-Woods-Systems: Der kapitalistische Teil der Welt wurde mit einem neuen, einheitlichen Zahlungsmittel beglückt – ein nationales Kreditgeld wurde internationales Zahlungsmittel und Maß der Werte für alle kapitalistischen Nationen. Die neue Weltmacht versah die Welt mit einem Weltgeld. Eine imperialistische Macht hatte sich durchgesetzt, sich alle Konkurrenten unterworfen, und konnte ihnen jetzt ihre Bedingungen diktieren. Das Organ, mit dem die Einhaltung dieser Hegemonie überwacht und die Ausnützung dieser Bedingungen gewährleistet werden sollte, war der IWF.

Neues zur Schuldenkrise Griechenlands

DER „PRIVATSEKTOR“ WIRD INS GEBET GENOMMEN
Die neuesten Entwicklungen zur Frage, wie die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands abgewendet werden soll, sehen so aus, daß der Privatsektor, also Banken, Versicherungen, Pensionskassen, die griechische Schuldentitel halten, diese „halten“ sollen. Sie sollen die fragwürdigen Dinger also nicht verkaufen, und wenn sie am Ende ihrer Laufzeit „abreifen“, also ausgezahlt werden müssen, so sollen sie dem griechischen Staat sofort neue abkaufen, damit er die alten abzahlen kann.
Dabei wird die „Wiener Initiative“ von 2009 erwähnt, bei der Ähnliches beschlossen wurde, wie man, nebenbei bemerkt, eigentlich erst jetzt erfährt. Damals war etwas nebulos von einem System gegenseitiger Stützungen geredet worden, von Garantien und Erklärungen, usw. Damals stand nämlich der österreichische Banksektor vor dem Zusammenbruch, und da galt es erstens zu handeln und zweitens zu beschwichtigen.
Ungarn, Rumänien, Lettland und vermutlich auch Kroatien sind also deswegen aus der Schußlinie gekommen – auch bei diesen Ländern wurde seinerzeit von Staatsbankrott gemunkelt –, weil sich die führenden Finanzinstitutionen der Welt mit den österreichischen Banken darauf geeinigt haben, deren Kredit zu stützen, damit diese ihren Kredit in Osteuropa weiter aufrechterhalten. So werden offenbar die Staatsanleihen Ungarns und Rumäniens weiter aufgekauft, aber auch z.B. in Ungarn immer neue Fristen für Moratorien akzeptiert, um die über 150.000 nicht mehr bedienten Hypothekarkredite weiter als Aktiva in den Portfolios zu belassen.
Es ist übrigens nicht bekannt, welche Banken und sonstigen „Finanzdienstleister“ außer den österreichischen noch bei dieser Initiative dabei waren, da es dem Ruf dieser Institutionen nicht dienlich ist, wenn sie ihre fraglichen Engagements in Osteuropa dadurch publik werden lassen. Zu schreien: Huhu! Ich hab jede Menge uneinbringliche Kredite! – wie die Hypo Alpe Adria – tut der Reputation eines Kreditinstituts nicht gut.
Und jetzt soll der sehr allgemein gefaßte „Privatsektor“ sich gemäß dieser Initiative verhalten. Das wirft natürlich viele Fragen auf und heizt die imperialistische Konkurrenz weiter an. Sind es französische und deutsche Banken, die das meiste von diesen künstlich am Leben gehaltenen Wertpapieren haben und daher auch abschreiben werden? Oder sind es nicht vielmehr griechische Banken, die dadurch am meisten belastet werden? Sollen alle griechischen Staatspapiere somit behalten und verlängert werden, oder wird es Sonderregelungen geben, welche Institute sie doch in Richtung EZB abstoßen dürfen?
(Die EZB wird bald neue Lagerräume brauchen für die ganzen Staatsanleihen der Pleitekandidaten, die bei ihr kistenweise gedumpt werden.)
Wie der griechische Staat sich angesichts dieser Entwicklung verhält, ist auch noch nicht klar. Aus EU-Kreisen verlautet, Papandreu werde gesagt werden, was er zu tun hat, weil sonst sitzen wir alle in der Scheiße. (Na ja, nicht ganz so wortwörtlich, aber sinngemäß …)
Der griechische Regierungschef wird also genaue Instruktionen bekommen, wie er seinen Laden zu verwalten hat. Das hat zwei Haken: Erstens wissen die Obermacher der EU selber gar nicht so genau, was zu tun ist. 2. ist nicht sicher, ob Papandreu damit in Griechenland durchkommt. Er hat nämlich diesmal nicht nur die Proteste der Straße gegen sich, sondern die griechische Unternehmerklasse, vor allem den Finanzsektor.

Schulden zahlen oder nicht?

ISLAND UND IRLAND
Der isländischen Regierung wird von Großbritannien und Holland eine Frist gesetzt: Wenn Island nicht innerhalb der nächsten drei Monate die 4 Milliarden Euro zurückzahlt, die der Icesave-Fond der isländischen Landsbanki seinerzeit bei britischen und holländischen Anlegern aufgenommen hat, oder zumindest die Zahlung der Schuld einleitet, so streben diese beiden Staaten eine Klage gegen Island an.
In Island selbst hat sich die Bevölkerung in zwei Referenden gegen die Zahlung dieser Schuld ausgesprochen.
Die Klage – es ist gar nicht klar, wo sie eingereicht werden wird, also welcher Gerichtshof dafür überhaupt zuständig ist – wäre auf jeden Fall ein Präzedenzfall in mehrerer Hinsicht: Es müßte einmal klargestellt werden, in welchem Ausmaß ein Staat für das Treiben seiner Banken verantwortlich gemacht werden kann, und welche Verantwortung die Bankenaufsicht Großbritanniens und Hollands für den Zahlungsausfall von Icesave trifft – sie haben das Agieren dieses Fonds innerhalb ihres Kreditsektors ja zugelassen.
Als GB und Holland 2008 ihre Antiterrorgesetze anwendeten, um isländische Aktiva auf ihrem Territorium zu beschlagnahmen und damit die Zahlungsunfähigkeit Islands und den Bankrott seiner Banken auslösten, gestanden sie damit praktisch ein, in ihrer Bankengesetzgebung gar keine adequaten Mittel zu besitzen, um mit einem Fall dieser Art umzugehen.
Sollte es also zur Klage kommen, so würde mit diesem Streitfall nicht nur völkerrechtliches Neuland betreten, sondern es stünde die gesamte Bankenliberalisierung der letzten 2-3 Jahrzehnte vor Gericht. Und auch die von der Finanzkrise praktisch schon in Frage gestellte Überzeugung, daß Kredit der Hebel des Wachstums sei, das sich auf diese Art und Weise ad infinitum fortsetzen ließe. Also, ob in einer Art von self fulfilling prophecy der Anspruch auf künftigen Profit denselben sozusagen bereits garantieren würde.
Paul Krugman, der gerne Staaten, die ihre Schulden aufkündigen, als „Modell“ für das Handhaben von Schuldenkrisen sieht, vergleicht wieder einmal Island und Irland und schreibt in der NYT:
“Why, it’s almost as if defaulting on debts run up by runaway bankers and letting your currency depreciate works better — even from the point of view of investors — than socializing private-sector losses and grimly sticking with a fixed exchange rate.”
Bei Krugman werden halt leider Äpfel mit Birnen verglichen. Der Umstand, daß Island weder Mitglied der EU noch der Eurozone war, macht hier den Unterschied ums Ganze aus. Es handelt sich nicht um die Frage, ob es gescheiter war, Zahlungsunfähigkeit anzumelden und Schulden zu streichen, als sich mit Hilfe von „Rettungspaketen“ weiter zahlungsfähig zu machen und damit Verschuldungsfähigkeit zu bewahren. Sondern es geht darum, daß man sich eine solche Entscheidung erst einmal leisten können muß. Irland oder Griechenland könnten sie sich aus Rücksicht auf die EU nicht leisten, bzw. die EU selbst kann es sich nicht leisten, ein Mitglied für zahlungsunfähig zu erklären, weil das den Euro ruinieren würde.
Außerdem handelt es sich bei Island mit seinen etwas mehr als 300.000 Einwohnern um eine ganz andere Volkswirtschaft als Irland und die eingeforderten 4 Milliarden sind eine Kleinigkeit gegen die Geldsummen, die beim „keltischen Tiger“ auf dem Spiel gestanden sind, oder auch bei Griechenland auf dem Spiel stehen.
Solche als anti-neoliberal und daher „links“ geltenden Sprüche leisten daher nichts anderes, als dem p.t. Publikum über die Natur des internationalen Kreditwesens, also das, was Kredit und Schulden sind, Sand in die Augen zu streuen.