GEZERRE UM EINEN STAAT, DER NICHT FRONTSTAAT SEIN WILL
1. Georgien in der SU
Das Land, das als die Heimat des sowjetischen Kaugummis, eines giftgrünen Estragon-Sprudelgetränks, der besten Küche der SU und vieler anderer Spezialitäten gilt, war immer ein kultureller Rivale Rußlands. Der Georgier, der die SU beherrschte, hielt seine Landsleute für höherwertiger als die versoffenen Russen – leider waren es zu wenige, um daraus eine Weltmacht zu formen. Bis lange nach Stalins Tod genoß Georgisch den Status einer Staatssprache der SU.
Diese Rivalität setzte sich fort auf dem Gebiet der Filmindustrie – Georgien war als Drehort populär, es besaß eine renommierte Filmindustrie, eines der ältesten Filmstudios der Welt und stellte viele Regisseure und Schauspieler der SU.
Die Moskauer Dominianz auf dem Gebiet des Schachs bekämpfte Tiflis mit einer Offensive im Frauenschach, die der Welt einige Schachweltmeisterinnen bescherte.
Sogar auf dem Gebiet der Dissidenz setzte sich diese Rivalität fort: Der Publizist und Übersetzer Swiad Gamsachurdia gab als erster den „Archipel GULAG“ Solschenizyns in einer Samisdat-Druckfassung heraus und inspirierte vermutlich damit die russische Dissidenz dazu, ein „Tamisdat“ in Frankreich in die Wege zu leiten, um gegenüber Georgien wieder die Nase vorn zu haben.
Neben dem Georgier, der die SU groß machte, sollte ein zweiter nicht vergessen werden, der zu ihrem Untergang beitrug und dann eine wechselhafte Karriere als georgischer Präsident hinlegte.
2. Die Rolle Georgiens beim Zerfall der SU
Obwohl Georgien nicht zu den Beschlußmächten der Auflösung der SU gehörte, betrieb die georgische dissidentische Fraktion dieselbe bereits vorher eifrig und veranstaltete im Herbst 1990 Wahlen, die von der Partei Gamsachurdias „Freies Georgien“ gewonnen wurde.
Ein Referendum im Frühjahr 1991, das die „staatliche Wiederherstellung“ Georgiens (lies: „Unabhängigkeit“) zum Thema hatte, wird mit widersprüchlichen Resultaten im Internet zitiert: Einerseits soll sich eine überwältigende Mehrheit dafür ausgesprochen haben, andererseits sollen sich Abchasien und Südossetien dagegen ausgesprochen haben. Man kann annehmen, daß die Fragen so formuliert waren, daß sie in dieser Frage Mehrdeutigkeiten zuließen.
Im April 1991, also 8 Monate vor dem offiziellen Ende der SU, erklärte Georgien seine Unabhängigkeit. Man kann also die Georgier als Beschleuniger des Zerfallsprozesses der SU ansehen.
Die Unabhängigkeit Georgiens wurde praktisch sofort von den USA anerkannt.
3. Das freie und unabhängige Georgien
Es folgten 1 bis 2 veritable Bürgerkriege in den und gegen die rebellischen Regionen, die ihren Anschluß an die SU verkündeten und sich gegen von der Zentralregierung in Tiflis entsandte „Besatzungs“-Truppen verteidigten. (Sogenannte „illegitime“ Separatisten, in der heutigen Leseart …)
Nach dem Zerfall der SU erklärten diese Regionen ihre Unabhängigkeit, die bis heute nur von Rußland anerkannt und auch militärisch abgesichert wird. De facto sind es Territorien Rußlands, in denen der Rubel zirkuliert, de jure gehören sie nach wie vor zu Georgien.
In den turbulenten Zeiten zwischen der Ausrufung der Unabhängigkeit und einer Beruhigung der Lage um 1994 wurde der erste gewählte Präsident Gamsachurdia erst gestürzt und dann ermordet. Seine Vorstellungen eines unabhängigen Georgiens, zwischen ethnischen Vertreibungen und Steinerscher Anthroposophie, erwiesen sich als undurchführbar. Die Putschisten wählten Schewardnadse zum Präsidenten, die dieses Amt mit einigen Aufs und Abs von 1992 bis 2003 ausübte, bis er auch durch einen Putsch, die sogenannte „Rosenrevolution“, gestürzt wurde.
Als einzige Konstante in all diesen Auseinandersetzungen zwischen Separatisten, Clans, Paramilitärs und Mafiabossen erwies sich die Orthodoxe Kirche Georgiens als einigende und versöhnliche Kraft, weswegen auch bis heute keine Regierung an ihr vorbei kann.
Symbol dieser Entwicklung ist die Sameba-Kathedrale, zu der Schewardnadse den Grundstein legte, die von seinem Nachfolger Saakaschwili 2004 eingeweiht und vom heutigen starken Mann Georgiens, Bidsina Iwanischwili, finanziert wurde.
4. Klare Verhältnisse
Der in Rußland zu Geld gekommene Unternehmer Iwanischwili war der Mentor und finanzielle Unterstützer Saakaschwilis. Dessen Stern begann zu sinken, als sich Iwanischwili von ihm abwendete, vor allem nach dem mißglückten Ossetienkrieg 2008.
Mit der Partei „Georgischer Traum“ gewann Iwanischwili 2012 die Parlamentswahlen. Seither bestimmt er die Politik, zieht Präsidenten und Minister aus dem Ärmel und ernennt Regierungschefs. Das Präsidentenamt wurde durch eine Verfassungsänderung 2013 mehr oder weniger auf eine Repräsentations-Funktion reduziert.
Das stört die jetzige Amtsinhaberin sehr, die ihrer prowestlichen Einstellung kaum noch Geltung verschaffen und Taten folgen lassen kann.
5. Unruhe im Kaukasus
Der Ukraine-Krieg hat etwas Unruhe in diese prästabilisierte Harmonie gebracht.
Zunächst flüchteten Ukrainer mit georgischen Verbindungen und Russen, die dem Militärdienst entgehen wollten, nach Georgien. Anfängliche Streitereien zwischen diesen beiden Personengruppen wurden inzwischen beigelegt, mit dem notwendigen behördlichen Nachdruck.
Der Freie Westen entdeckte Georgien als einen russischen Hinterhof, in dem man Unruhe stiften und womöglich nationale Ressentiments anstiften könnte, Stichwort verlorene Territorien.
Die altbekannten Schlachtrosse der Homosexuellen-Rechte und der Menschenrechte sowie Korruptionsbeschuldigungen wurden losgeschickt. Die US-Botschafterin begann, etwas lauter zu werden und von Georgien Anschluß an die westlichen Sanktionen und Verurteilung Rußlands zu verlangen.
Der „Georgische Traum“ reagierte schließlich mit dem Gesetzesentwurf gegen ausländische Agenten, der weltweit als „russisches Gesetz“ gegen Oppositionelle gebrandmarkt wird, aber in Rußland selbst seinerzeit aus der US-Gesetzgebung übernommen und schöpferisch weiterentwickelt worden war.
Dieses angebliche „Knebelgesetz“ gegen die Opposition ruft seither Straßenproteste hervor, die vor allem von jüngeren Leuten getragen werden, die in internationalen Organisationen und NGOs arbeiten und um ihren Arbeitsplatz fürchten. Sie stehen aber, trotz aller medialen Aufmerksamkeit, auf verlorenem Posten.
Erstens, weil das georgische Parlament zersplittert ist. Dort sitzen neben 11 unabhängigen Abgeordneten und 10 leeren Sitzen (alles Ergebnisse verschiedener Spaltprozesse innerhalb der Parteien) 15 (!) verschiedene Parteien, viele von ihnen aus 1 oder 2 Abgeordneten bestehend. Davon besetzt der „Georgische Traum“ 75 Sitze aus 150. Die größte Oppositionspartei, diejenige des inzwischen inhaftierten ehemaligen Präsidenten Saakaschwili, besitzt 16 Sitze. Mit den restlichen sich als pro-europäisch bezeichnenden Parteien ist sie restlos zerstritten – so wie viele dieser Mini-Parteien untereinander auch. Das Gesetz geht also auf jeden Fall durch das Parlament, notfalls hilft der „Georgische Traum“ mit etwas Bakschisch bei einzelnen Abgeordneten nach.
Zweitens, weil der Gewaltapparat fest hinter dem „Georgischen Traum“ steht. Erst seitdem Iwanischwili auf die politische Bühne Georgiens trat, werden Militär und Polizei nämlich anständig bezahlt und ordentlich ausstaffiert.
Drittens, weil die Präsidentin, die in ihrem Palast vor sich hintobt und ihre politische Ohnmacht verflucht, das Gesetz durch Vetos nicht ewig verhindern kann:
„Das Veto der Präsidentin kann nur erwirken, daß das Parlament es einer erneuten Abstimmung unterwirft, wonach der Text endgültig Gesetz wird.“ (El País, 14.5.)
Der extra angereiste US-Beamte O’Brien wurde von Iwanischwili nicht empfangen, weil er sowieso keine ausländischen (westlichen) Politiker sehen will, solange er das Geld nicht zurückkriegt, das ihm im Rahmen der Credit Suisse-Rettung vom Westen, der „Partei des Globalen Krieges“, gestohlen worden ist.
"(…) Aus dem westlichen Ausland kommen warnende Worte und Drohungen. Michael Roth, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages und Hardliner in der SPD, forderte bei seinem gemeinsamen Besuch mit anderen europäischen Parlamentariern in Tiflis EU-Maßnahmen gegen das Land. Brüssel hatte bereits vor der Annahme das Gesetz als Hindernis auf dem Weg zur Mitgliedschaft bezeichnet. Über Konsequenzen will Brüssel aber erst später beraten. Seit vielen Jahren spricht die EU von einer europäischen Zukunft Georgiens und hält das Land auf unwürdige Weise dennoch auf Distanz. Dass man 2023 nicht den Status des Beitrittskandidaten erhielt, obwohl man besser als etwa die Ukraine oder die Türkei dasteht, sorgte im Kaukasus für Unverständnis und Verbitterung.
Auch die USA könnten Schritte gegen den Kaukasusstaat unternehmen. Medienberichten zufolge befindet sich der Europa- und Asienbeauftragte des US-Außenministeriums, Jim O’Brien, in Tiflis und hat dort Gespräche mit Premierminister Irakli Kobachidse geführt. O’Brien ist auch für Sanktionen verantwortlich.
Georgien ist die dritte ehemalige Sowjetrepublik, die ein »Ausländische-Agenten-Gesetz« bekommt. Erst kürzlich hatte Kirgistan ein noch strikteres Gesetz als das russische erlassen. Auch Kasachstan hat bereits eine Liste von Organisationen und Personen, die angeblich Gelder aus dem Ausland beziehen, veröffentlicht. Ein Moskauer Masterplan steht jedoch nicht hinter den Gesetzen. Vielmehr dienen sie den Regierenden in Kirgistan und Georgien zum Machterhalt."
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182163.georgien-georgiens-alb-traum-vom-gesetz.html
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Arnold Schölzel: Georgien macht blau
Demonstrationen und Festnahmen in Tbilissi vor Entscheidung über »Agentengesetz«. EU-Kommission will seit Dezember 2023 auch eins
(…) Unterbelichtet bleibt, dass Regierung wie Opposition in Georgien für den Beitritt zur EU eintreten. Laut einer Analyse der Berliner Zeitung vom Montag wird aber der Protest maßgeblich von Anhängern des früheren Präsidenten Micheil Saakaschwili getragen. Er löste 2008 mit der Beschießung des in Südossetien seit 1992 stationierten russischen Friedenskontingents einen Krieg mit Russland aus und sitzt seit seiner Rückkehr aus dem Exil 2021 eine Haftstrafe ab. Ein wesentliches Motiv für das Gesetz liegt demnach darin, dass in dem 3,7-Millionen-Einwohner-Land »kleine, aber finanzstarke NGOs tätig sind, deren ausländische Geldgeber der oppositionellen ›Vereinigten Nationalbewegung‹« Saakaschwilis nahestehen. Der Streit dreht sich offenbar um EU-Beitritt mit oder ohne Krieg gegen Russland. Das kann schon, siehe Ukraine, einen Regimewechsel wert sein.”
https://www.jungewelt.de/artikel/475276.agentengesetz-in-georgien-georgien-macht-blau.html
Wie aus obigem Blogbeitrag hervorgeht, ist die Partei Saakaschwilis klein und wurde seinerzeit auch von Iwanischwili aufrecht gehalten. Die Proteste sind also auch von dieser Seite her schwach gegenüber dem derzeitigen georgischen Establishment.
Was den EU-Beitritt angeht, so wird hierzulande, ausgehend von Brüssel, immer das Bild vermittelt, daß alle Länder nichts lieber wollten als in die EU und diese es sich aussuchen kann, wen sie in diesen exquisiten Zirkel aufnimmt.
Die Wahrheit ist aber, daß die EU Erweiterung braucht, um Erfolg vorweisen zu können und deshalb ihre Tentakel auch nach Asien ausgestreckt hat.
Iwanischwili und sein Umfeld haben auch gar nichts gegen den EU-Beitritt, solange sie sich dadurch Vorteile ausrechnen.
Wenn nicht, dann halt nicht.
Der Ball ist bei der EU, wenn das Gesetz angenommen wird.
Einmal sehen, ob sie Georgien von der Kandidaten-Liste streicht.
„Foreign Agent“-Gesetz in Georgien und EU, Michael Roth in Tiflis und deutsche Doppelmoral
https://www.nachdenkseiten.de/?p=115340
https://www.vorwaerts.de/international/georgien-die-tuer-nach-europa-laesst-sich-jederzeit-wieder-oeffnen
https://taz.de/Aussenpolitiker-Roth-ueber-Georgien/!6011155/
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Die Ideologie, dass das gemeinsame Europa für nix als für den Frieden einstehe, macht der SPD-Außenpolitiker Michael Roth deutlicher: in diese Gemeinschaft des Friedens sollte man nur mit dem eigenen Willen zum Krieg gegen Russland aufgenommen werden, – und für solche Sprüche wird man heutzutage von den Medien als Sozialdemokrat gehypt. Frau Barley als Spitzenkandidatin für solches Europa hat sich letztens mit der Forderung nach der Bombe selbst ins Gespräch gebracht. https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/verteidigung-atomare-abschreckung-100.html
All das macht die Europa-Wahl als Friedenswahl erst so richtig knackig ….. https://geskrit.wordpress.com/wp-content/uploads/2024/05/broschure-wahlen-ist-verkehrt.pdf
Europa nämlich – ist nicht nur (irgendeine Friedens-) Ideologie von Europa …
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/35-jahre-eg-teil-i
https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/35-jahre-eg-teil-ii
Auf Georgien wird vor allem von Seiten der EU Druck gemacht, sich doch gefälligst den Sanktionen des Westens gegen Rußland anzuschließen und eine 2. Front zu eröffnen, wie sich der Bürgermeister von Tiflis, der ehemalige Fußball-Star und Mitglied der Regierungspartei Kacha Kaladse beschwert. Außerdem wird den georgischen Politikern, die sich zu russenfreundlich verhalten, offen mit Attentaten gedroht:
„Aber die Worte des georgischen Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse klangen noch alarmierender. Er war empört darüber, dass einer der EU-Kommissare in einem Gespräch mit ihm mit dem Beispiel des jüngsten Attentats auf den slowakischen Premierminister Robert Fico drohte!
Selbst vor dem Hintergrund der endlosen Erpressung (aus dem Westen) war es eine atemberaubende Bedrohung! In einem Telefongespräch mit mir listete einer der EU-Kommissare eine Reihe von Maßnahmen auf, die westliche Partner gegen Georgien ergreifen könnten, und bemerkte am Ende: »Sie haben gesehen, was mit Fico passiert ist, und Sie sollten sehr vorsichtig sein!« gab Kobachidze die Worte des EU-Beamten wieder.“
(KP, 25.5.)
Hmmm.
War der Fico-Attentäter am Ende doch kein durchgeknallter Einzeltäter, sondern hatte Auftraggeber oder zumindest Anstachler? möglicherweise außerhalb der Slowakei?
Inzwischen wissen wir auch, wer der europäische Diplomat war:
„Die EU, ihre Werte und die lieben jungen Georgier
»In der aktuellen politischen Situation in Georgien habe ich große Anstrengungen unternommen, um die georgische politische Führung davon abzuhalten, das Gesetz über die Transparenz ausländischer Einflussnahme zu verabschieden, das Georgiens Weg in die EU untergraben könnte.«
Das sagte Olivér Várhelyi, der europäische Erweiterungskommissar, am Donnerstag (23.5.24) in einer offiziellen Erklärung. (…)
Irakli Kobakhidze, der georgische Regierungschef, hat in einer auf Facebook veröffentlichen Erklärung ausgesagt, dass ihm der ungarische EU-Kommissar Várhelyi gedroht habe. Wörtlich »Du hast gesehen, was mit Fico passiert ist, und du solltest sehr vorsichtig sein.«
Kein Dementi dieser Aussage durch Várhelyi! Stattdessen das eingangs zitierte offizielle Statement. Dort sagt Várhelyi quasi als Verständnis heischende Erklärung, er sei sich der »starken Pro-EU-Stimmung in der georgischen Bevölkerung bewusst« und habe Angst vor einer »weiteren Polarisierung«.
Wenn das der Fall wäre und es eine so starke »Pro-Europa-Stimmung« in Georgien gibt, wird es allerdings immer unerfindlicher, warum sich die EU vor einer Offenlegung ausländischer Finanzströme fürchten sollte – dann wären ja alle sowieso pro-europäischen Georgier nur froh und dankbar für das viele Geld, das jetzt schon fließt, und könnten allen, die noch nicht ganz so pro-europäisch denken, die Vorteile deutlich machen, die auf das Land warten …
Várhelyis Erklärung, seine Aussage »Du hast gesehen, was mit Fico passiert ist, und du solltest sehr vorsichtig sein« sei seiner Angst vor einer »weiteren Polarisierung« bzw. »möglichen unkontrollierten Situationen auf den Straßen von Tiflis«, geschuldet, sollte man in diesem Fall durchaus auf die Goldwaage legen.
Ganz im bewährten Stil warnt dieser Mann die georgische Regierung in ihrem ureigensten Interesse vor einer Entwicklung, die die EU offenbar heraufbeschwören will, wenn das Gesetz, das sie nicht mag, nicht zurückgenommen wird.
Und in der Tat: Genügend »junge pro-europäische Georgier« gibt es wahrscheinlich, die naiv genug sind, angesichts der Perspektivlosigkeit in ihrem Land an die wunderbaren Möglichkeiten glauben, die ihnen in der EU oder den USA angeblich offenstehen und von denen sie angeblich »nur« eine uneinsichtige Regierung trennt. Angeblich sind es allein in Tiflis Zehntausende, die finanziell direkt oder indirekt an den Jobs der NGO hängen (…)“
(Overton-Magazin, 29.5.)
Möglicherweise ist aber auch dieser schrille Tonfall der EU darauf zurückzuführen, daß sie eben nicht so viele Anhänger auf die Straße bringen kann, wie sie gerne würde bzw. wie nötig wären, um wirklich die Regierung zu stürzen, — wie seinerzeit Saakashvili Schewardnadse gestürzt hatte.
Daß Várhelyi sich so exponiert, liegt möglicherweise daran, daß er den schlechten Ruf Ungarns bei der EU-Spitze verbessern will, indem er sich hier als treuer Vollstrecker der EU-Ziele präsentiert.
Georgien hat das umstrittene Gesetz über ausländische Agenten erlassen:
„Beschluss des georgischen Parlaments
Westen fordert Rücknahme von "Agenten-Gesetz"“
Es ist schon stark, wie sich die EU in die Gesetzgebung anderer Länder einmischen möchte. Georgien hat heuer – 2024 – den Kandidatenstatus erhalten und wird schon behandelt wie ein EU-Mitglied, das sich den EU-Standards anzupassen hätte.
Zur Erinnerung: Den Kandidatenstatus hat auch die Türkei – seit geraumer Zeit – und da würde es der EU nicht einfallen, diesen Tonfall anzuschlagen.
Man merkt also, daß dort ein neuer Hinterhof eingerichtet werden soll.
„Der Druck auf Georgiens Regierung wächst: Nach der Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes zur Kontrolle von Medien und NGOs fordern Vertreter der EU, der USA und der NATO Tiflis auf, den Kurs zu ändern. Die EU droht mit Konsequenzen.
Georgien würde gerne EU-Mitglied werden, doch mit dem Umstrittenen "Agenten-Gesetz", welches das Parlament gestern beschlossen hatte, verbaut sich das Land nach Aussage von EU-Vertretern den Weg in die Union.“
Man merkt irgendwie sowohl Ärger als auch Ohnmacht der EU in dieser Beschwerde.
Wenn die EU das Gesetz so stört, dann eben wieder auf Georgien verzichten!
Aber an dieser Beschwerde merkt man auch, daß die EU Georgien will und braucht, um sich als imperialistisches Staatenbündnis selbszubespiegeln und zu bestärken.
„Die Entscheidung über die weitere Richtung liege in Georgiens Händen. "Wir fordern die georgischen Behörden nachdrücklich auf, das Gesetz zurückzuziehen, ihr Bekenntnis zum EU-Beitritt aufrechtzuerhalten und die in den neun Schritten beschriebenen notwendigen Reformen voranzutreiben."“
Und wenn nicht, gibt es eben Konsequenzen:
„Wie die Financial Times berichtete, wolle die EU den weiteren Prozess auf dem Weg Georgiens zu einer Mitgliedschaft auf Eis legen, sollte das Gesetz tatsächlich in Kraft treten.“
(Tagesschau, 15.5.)
Das El País zählt auf, was jetzt alles zurückgenommen wird. Man sieht daran, was bisher alles finanziert wurde …
Im Rahmen einer „Friedensinitiative“ wurden Polizei und Militär mit „nicht letalen“ Dingen aufgerüstet. Das soll jetzt unterbleiben.
Die Visafreiheit für Georgier soll aufgehoben werden – teilweise sogar für Diplomaten.
Das „Roaming“ soll aufgehoben werden.
Man merkt an alledem, daß die EU kaum Mittel in der Hand hat, um Georgien zu „bestrafen“. Sie könnte den Kandidatenstatus wieder entziehen, aber damit wäre die EU aus Georgien völlig ausgemischt.
Außerdem gilt Georgien als sicheres Land und man kann Georgier dorthin abschieben. Georgien hat ein Schubabkommen mit der EU unterzeichnet.
Das alles steht jetzt auf dem Spiel …
China wird einen Hafen an der georgischen Schwarzmeerküste bauen. Das stärkt die Beziehungen zwischen Tiflis und Peking. Wie wird das Geschäft die Zukunft des Mittleren Korridors beeinflussen?
Georgien hat jetzt bekannt gegeben, dass ein chinesisches Konsortium das einzige Angebot für den Bau eines ausgedehnten Tiefseehafens in Anaklia abgegeben hat. Dies ist das erste große Projekt an der Schwarzmeerküste, das von chinesischen Unternehmen gebaut und betrieben wird.
https://www.telepolis.de/features/China-steigt-am-Schwarzen-Meer-ein-9760270.html
…. und nun erhalten also chinesische Firmen den Zuschlag für einen strategischen Tiefseehafen, der einst u.a. auch mithilfe von Amerikanern gebaut werden sollte, – und. vgl. dazu ein dt. Filmprojekt von 2022, das kund tut, dass anscheinend auch noch weitere ökonomische Interessenten im Spiel waren. (Ach sorry, die antirussische “Meinung der Bevölkerung” wird da natürlich nur zitiert: ” Dabei stehen in GEORGIENS HAFEN DER HOFFNUNG aber immer die Menschen und ihr Schicksal im Vordergrund: ihre Träume und wie diese zerstört werden.”)
http://www.filmpunkt.com/de/filmsDetailed/anaklia/30/
https://www.google.de/maps/place/Anaklia,+Georgien
Kommentar der US-Botschafterin:
https://caucasuswatch.de/de/news/kommentar-der-us-botschafterin-zum-georgischen-hafen-anaklia-und-den-beziehungen-georgiens-zu-china.html
Es ist interessant, wie in solchen geopolitschen Fragen mit Armut und Reichtum jongliert wird.
Georgien gilt als „verarmt“, in Rußland leben die Leute sowieso in totaler Armut, nur ein paar Oligarchen schwimmen im Geld und bauen sich Paläste, genauso wie der Kreml-Chef.
Bei uns hingegen fließen Milch und Honig, bei uns in der EU gibt es „Wohlstand“, die EU ist ein „Garten“ und die anderen leben draußen im Dschungel und wollen rein. (O-Ton J. Borrell in Singapur, hat einigen Aufruhr verursacht in „Dschungel“-Ländern)
Das ist das Setting, wo man dann die rußlandfreundliche Fraktion in Georgien bezichtigen kann, ihrer Nation den Wohlstand vorzuenthalten.
Es ist jedenfalls nicht heraußen, wie viele Leute in Georgien diesen Schwachsinn glauben. Mir kommt langsam vor, diese ganzen Stories sind für den internen Konsum bestimmt: Um hier in der EU das p.t. Publikum bei der Stange zu halten, vor allem diejenigen, die den angeblichen Wohlstand nicht so richtig kennen.
Was den Hafen angeht: Auf Google-Maps ist dort keine Bautätigkeit zu erkennen. Anaklia ist ein Urlaubsort und liegt an der Grenze zu Abchasien. Das könnte auch die Wahl des Hafens beeinflußt haben. Also entweder um die abchasische Führung zu provozieren oder um eine gemeinsame Wirtschaftszone dort zu gründen.
Die zitierte US-Botschafterin pflegte angeblich manchmal bei irgendwelchen Regierungsstellen aufzukreuzen und dort mehr oder weniger in Madeleine-Albright-Manier zu fordern, doch endlich das zu machen, was die USA wollen. Da wurden schon Szenen gemacht und Türen zugeknallt von dem Frauenzimmer.
Es mag sein, daß die georgischen Behörden dergleichen jetzt abgestellt haben, sodaß die gute Frau in ihrer Botschaft in ihrem Saft kocht, genauso wie die Präsidentin in ihrem Palast.
Das mit „Hafen der Hoffnung“ erscheint mir ebenfalls eine west-propagandistische Erfindung für ein Projekt zu sein, wo seit Jahren nix weitergeht. Ach, die armen Georgier hoffen so auf unsere Entwicklungshilfe und die böse Regierung blockiert das seit Jahren, weil sie Rußlandknechte sind!
Ich schau einmal, was ich dazu in russischen Medien finde.
In sowjetischen Zeiten befand sich in Anaklia ein Stützpunkt der Schwarzmeerflotte, was das leere und etwas sumpfartige eckige Gelände südlich des Ortes erklärt. Und auch, warum die Wahl für den Hafen auf diesen Ort gefallen ist.
Seltsam ist nur, daß überhaupt keine hafenartigen Einbuchtungen oder hafenähnliche Anlagen dort zu sehen sind.
Von 1994 bis 2006 waren dort russische Truppen stationiert, als Friedensstifter. D.h., das verträumte Örtchen scheint strategische Bedeutung zu haben. 30 km landein liegt die Stadt Zugdidi, eine der größeren Städte Georgiens.
Mir erscheint, daß dieser Hafen der Hoffnung ein strategischer Stützpunkt werden soll, den sowohl China als auch die USA gerne hätten.
An dieser Stelle sei an das Interview der KP mit dem Eurasier Chasin erinnert, der darauf hinwies, daß China ursprünglich den Hafen von Jewpatoria auf der Krim zu einem Umschlagplatz für chinesische Waren machen wollte.
Als daraus nichts wurde, baute die chinesische Firma Cosco zunächst 2 Piere im Hafen vom Piräus zu großen Containerterminals aus. Es erscheint jedenfalls logisch, daß sie nach wie vor auch einen Hafen im Schwarzen Meer haben wollen – eben nicht nur aus ökonomischen, sondern auch aus strategischen Gründen.
Man sollte natürlich auch die ökonomische Seite nicht unterschätzen: so ein Hafen würde den ganzen Schwarzmeerhandel enorm beflügeln. Vor allem, wenn der Ukraine-Krieg vorbei ist.
Rußland ist es sicher lieber, China sitzt dort als die NATO.
Man darf übrigens auch nicht vergessen, daß Kriegsschiffe von Nicht-Anrainerstaaten nicht durch den Bosporus fahren dürfen, außer mit einer Spezialerlaubnis der Türkei, nach dem Vertrag von Montreux.
Alles wird jetzt ins Feld geführt, was sich gegen Georgien finden läßt, so auch die angeblich bedrohten Rechte von Schwulen und Lesben (die es in Georgien gar nicht gibt, aber nach Meinung unserer Medien unbedingt geben muß, damit das Land EU-reif würde):
„In Georgien droht nichtheterosexuellen Personen politische Verfolgung
Die LGBTIQ-Community rechnet mit dem Schlimmsten. Grund ist ein Gesetz, das ihre Rechte massiv beschneiden soll und Georgien "näher an den russischen Dunstkreis" bringt. (…)“
(Standard, 18.6.)
Hier sieht man sehr schön ein Schema der westlichen Hetzpropaganda: Es ist noch gar nichts passiert, schon wird gewettert: Es „droht“ nämlich! – und was für Greueltaten gibt es zu berichten? „Verbrannte Regenbogenfahnen“ (nach der letzten, illegalen und abgebrochenen Pride-Parade).
„Die georgische Staatssicherheit hat damit begonnen, aus der Ukraine zurückkehrende Söldner zum Verhör vorzuladen
Die Fernsehgesellschaft »Mtavari Archi« berichtet, dass der Staatssicherheitsdienst Georgiens damit begonnen hat, Bürger, die bei den Ukrainischen Streitkräfte gekämpft haben, zum Verhör vorzuladen – untersucht wird ein möglicher Staatsstreich.
Dem Bericht zufolge wurden Nadim Chmaladze und Vazha Tsetsadze, die auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte gekämpft hatten, zur Befragung vorgeladen.“
Die Frage ist tatsächlich, warum sie zurückgekommen sind? Und vor allem – wann?
Lief ihr Vertrag mit der ukrainischen Regierung aus?
Hatten sie die Nase voll von dem Krieg?
Oder aber, das scheint die Grundlage dieser Vorladungen zu sein, hatten sie einen Auftrag?
Wenn ja, von wem?
„Sie werden zu einem »versuchten Staatsstreich« in Anwesenheit eines Richters am Stadtgericht Tiflis verhört, da sie sich geweigert haben, vor dem Staatssicherheitsdienst Georgiens zu erscheinen.
Gleichzeitig handelt es sich hier um eine Befragung hinter verschlossenen Türen, zu der sich Chmaladse und Tsetsadse nicht im Detail gegenüber Journalisten äußern dürfen.
»Mtavari Archi« erfuhr ebenso, dass kürzlich im Rahmen der Ermittlungen in Sache »Unruhen und Staatsstreich« der Söldner Lascha Tschigladze, der auf der Seite der ukrainischen Streitkräfte kämpfte, verhört worden war.
Der Staatssicherheitsdienst Georgiens berichtete zuvor, dass er eine Gruppe von Bürgern untersucht, die im Oktober und Dezember 2023 Unruhen im Land organisieren wollten, um einen gewaltsamen Machtwechsel einzuleiten.
Als Drahtzieher dieses Plans gelten nach Ansicht der georgischen Geheimdienste der stellvertretende Leiter des Innenministeriums während der Regierungszeit von Micheil Saakaschwili, Georgi Lortkipanidse, Saakaschwilis ehemaliger Leibwächter Micheil Baturin und der Kommandeur der Georgischen Legion in der Ukraine, Mamuka Mamulaschwili.“
(MK, 21.7.)
Die armenische Regierung entscheidet sich gegen Rußland:
„Nach 32 Jahren verließen russische Grenzsoldaten den Flughafen Eriwan
Grenzschutzbeamte der Russischen Föderation haben offiziell 32 Dienstjahre am Flughafen Eriwan Zvartnots abgeschlossen (…)“
(MK, 31.7.)
Ein sehr unfreundlicher Artikel über Abchasien in der KP deutet darauf hin, daß sich die neue georgisch-russische Freundschaft in einer Art Wiedereingliederung zumindest Abchasiens in den georgischen Staatsverband ankündigen könnte.
Die EU, vor allem die abgehalterte Möchtegern-Führungsmacht gibt keine Ruhe:
„Erst als eine NGO die Organisation der Demonstrationen übernommen haben, gelang es, mehr Leute auf die Straße zu bringen. Die dabei federführende NGO ist eine erst im April 2024 gegründete Organisation namens „Daitove“, die auf ihrer Webseite keinerlei Informationen über ihre Finanzierung gibt, aber mit den Symbolen der EU wirbt.“
Es ist nicht üblich, auf Websiten über seine Finanzierung zu schreiben.
Falls das in Georgien inzwischen Gesetz ist, so gibt es ja ohnehin eine Handhabe.
„Man kann also festhalten, dass der Westen der georgischen Regierung nun vollkommen offen den Kampf angesagt hat und ebenfalls vollkommen offen versucht, in Georgien einen Putsch durchzuführen.“
(Anti-Spiegel, 12.11.)
Irgendwie wirkt das alles sehr verkrampft.
Die EU-Politiker werden feststellen, daß Georgien nicht Moldawien ist – und an Rußland grenzt, nicht an die EU.
Abchasien bald wieder georgisch?
„Aufruhr gegen einen Ausverkauf an Russland
Abchasien steht unter militärischem Schutz Russlands. Die Soldaten sind willkommen, doch die Einwohner wehren sich dagegen, dass Ausländer Immobilien kaufen dürfen. Sie fürchten einen Ausverkauf an Russland.
In Abchasien haben Demonstranten das Parlament und den Präsidentensitz gestürmt, um die Verabschiedung eines Investitionsabkommens mit Russland zu verhindern. Sie fordern den Rücktritt des umstrittenen Präsidenten Aslan Bschania.
Abchasien ist eine von Georgien abtrünnige Region. Sie hatte sich bereits nach einem Krieg Anfang der 1990er-Jahre von Georgien abgespalten und zur Republik erklärt. Nach einem weiteren Krieg 2008 erkannte Russland den subtropischen Küstenstreifen am Schwarzen Meer als unabhängig an und errichtete dort Militärstützpunkte mit mehreren Tausend Soldaten.
Georgien und dessen Verbündete beschreiben Abchasien als russisch okkupiert. Die Mehrheit der 240.000 Bewohner betrachtet sich hingegen als unabhängig, auch wenn Abchasien von Finanzierung und Energiezufuhr aus Russland abhängig ist. Hunderttausende russische Touristen sorgen jeden Sommer für Einnahmen in der Region, die sonst noch Kohle an die Türkei verkauft.
Angst vor russischer Übernahme
Jedoch wehren sich die Menschen in Abchasien seit Langem gegen politische Einflussnahme aus Moskau und vor allem gegen Gesetze, die den Erwerb von Grundstücken und Wohnraum durch ausländische Staatsangehörige ermöglichen. Sie befürchten den Ausverkauf ihres Landes an Russland. Insbesondere die ethnischen Abchasen wehren sich dagegen, dass sie erneut zur Minderheit werden wie zu Sowjetzeiten, als ethnische Georgier die Mehrheit stellten.
Der Aufruhr nun ist der Höhepunkt von Protesten gegen Präsident Bschania. Er gilt als Kreml-hörig, weil er bereits mehrfach dem Druck Russlands nachgegeben hat. Dazu zählt die Auftragsvergabe an einen Kreml-nahen Investor für die Sanierung des brachliegenden Flughafens. Der Vertrag ist laut Opposition so nachteilig gestaltet, dass der Investor am Ende Besitzer des Geländes werden könnte.
Widerstand gegen Abkommen mit Russland
Als vergleichbar nachteilig für Abchasien beschreiben Vertreter der Zivilgesellschaft das Investitionsabkommen mit Russland. Wirtschaftsministerin Kristina Ozgan unterzeichnete es bereits in Moskau – ohne die vorgeschriebene Zustimmung des Parlaments, die nun nachgeholt werden sollte. Oppositionelle hatten im Vorfeld die Bevölkerung dazu aufgerufen, ihre Abgeordneten von einer Ablehnung zu überzeugen.
Als fünf Oppositionelle nach einer Veranstaltung in Gudauta aus ihrem Auto heraus vom Staatssicherheitsdienst wie Schwerverbrecher festgenommen wurden, besetzten Hunderte die Verkehrsknotenpunkte der Region, bis die fünf wieder freigelassen wurden.
Vor der Abstimmung über das Investitionsabkommens stürmten Hunderte das Parlament und den Sitz von Präsident Bschania. Es wurde berichtet, dass einige Einsatzkräfte zu den Demonstranten übergelaufen seien. Der Pressedienst Bschanias teilte daraufhin mit, dass er die Rücknahme des Abkommens vorbereite.
Strategisch von Bedeutung
Bschania gelang es als Präsident kaum, zwischen dem Druck aus Moskau und der sehr lebendigen Zivilgesellschaft zu balancieren. Für Russland hat der 240 Kilometer lange Küstenstreifen strategische Bedeutung. Das Schwarze Meer wird als Teilstrecke eines Transportkorridors zwischen Asien und Europa immer wichtiger. In Sichtweite Abchasiens plant Georgien seit Jahren einen Tiefseehafen. Die EU plant ein Unterseekabel als Kommunikations- und Stromleitung durch das Meer.
Im Krieg Russlands gegen die Ukraine gewann Abchasien zudem militärisch an Bedeutung. Im Oktober 2023 sagte Bschania der russischen Zeitung Izvestija, er habe mit Russland ein Abkommen über die Einrichtung eines ständigen Stützpunktes der russischen Marine in der Region Otschamtschire geschlossen. Der Hafen dort ist Stützpunkt des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, dem auch die Grenztruppen unterstellt sind. Für Kriegsschiffe müsste die Hafenanlage ausgebaut werden, wofür es zuletzt auf Satellitenbildern Anzeichen gab.“
(Tagesschau, 15.11.)
Man sollte nicht die Hand beißen, die einen füttert.
Bschania soll inzwischen geflüchtet sein – ob auf einen russischen Stützpunkt, nach Rußland oder an einen unbekannten Ort …
Vielleicht marschieren bald georgische Truppen ein, um das „Machtvakuum“ zu füllen.
Bschania kündigt Wahlen an und erklärt sich bereit, zurückzutreten.
(KP, 16.11.)
„Demonstranten bauen vor dem georgischem Parlament Zelte auf (…)
Das ganze Wochenende gab es in der georgischen Hauptstadt Demonstrationen, deren Teilnehmerzahlen wuchsen. Am Sonntagabend versammelten sich einige tausend Menschen vor dem Parlament und blockierten die Hauptstraße und bauten dort erste Zelte auf. Ein erster versuchter Durchbruch der Demonstranten zum Parlament mit Autos wurde von der Polizei am Sonntagabend verhindert.
Vor dem Parlament harren die Nacht über vielleicht tausend Demonstranten aus, die bereits mehrere Zelte aufgebaut haben.
Interessant wird es am Montagmorgen um 9 Uhr, denn dann sollen die Abgeordneten ins Parlament kommen, während die Demonstranten das Parlament blockieren wollen. Derzeit campen sie auf der Hauptstraße vor dem Parlament, während die Polizei den Seiteneingang sichert, durch den die Abgeordneten das Parlament betreten wollen.
Die Demonstranten haben angekündigt, genau das verhindern zu wollen. Ob die Polizei die Gegend vor dem Parlament vorher noch räumen will, ist nicht bekannt. Wenn nicht, sind Zusammenstöße der Demonstranten mit der Polizei am Morgen zu erwarten, wenn die Abgeordneten ins Parlament kommen wollen.“
(Anti-Spiegel, 25.11.)
Sollte die georgische Regierung wirklich keine Wafferwerfer haben?
„Tausende Demonstrierende gingen in Tiflis auf die Straße und blockierten die Haupstraße vor dem georgischen Parlament. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Pfefferspray ein.
Tausende Georgier haben vor dem Parlament in Tiflis protestiert, nachdem Ministerpräsident Irakli Kobachidse eine Aussetzung des EU-Beitrittsgesuchs angekündigt hatte. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Pfefferspray gegen die Protestierenden ein.
Kobachidses Entscheidung, die Beitrittsgespräche bis 2028 auszusetzen, kam kurz nachdem das Europäische Parlament das Wahlergebnis der Parlamentswahlen Ende Oktober wegen erheblicher Unregelmäßigkeiten abgelehnt hatte.
Das Europäische Parlament forderte Georgien auf, die Wahlen innerhalb eines Jahres unter internationaler Aufsicht zu wiederholen.“
Schon recht frech von der EU, was sie da von Georgien fordert.
„Kobachidse beschuldigte Brüssel der »Erpressung«. Er sagt, seine Regierung werde sich für die Umsetzung der notwendigen Reformen zur Wiederaufnahme der Beitrittsgespräche einsetzen. Bis 2028 soll Georgien am besten von allen Kandidaten auf den EU-Beitritt 2030 vorbereitet sein.
Größter Protest seit Wochen
Die Menschen in Georgien protestieren weiter gegen die Regierung. Tausende kamen in der Hauptstadt Tiflis auf die Straße, auch aus anderen Städten gab es Berichte über Proteste. In Tiflis blockierten die Demonstrierenden die Hauptstraße den Rustaweli-Prospekt vor dem Parlamentsgebäude. Ana, eine Demonstrantin in Tiflis sagt über die Regierung: »Sie gehen gegen den Willen des georgischen Volkes vor und wollen zurück in die UdSSR, aber das wird niemals geschehen, denn das georgische Volk wird das niemals zulassen.«“
Man hat langsam das Gefühl, seit Monaten wird immer der gleiche Artikel mit leichten Modifikationen von diversen Zeitungen weitergereicht und abgedruckt.
(euronews, 29.11.)
Die (Wieder-)Einverleibung Abchasiens kommt voran:
„In Abchasien ist das russische Geld aufgebraucht: Es gibt nichts, um den Staatsangestellten Gehälter zu zahlen
In Abchasien hat sich eine kritische Finanzierungssituation entwickelt, und die Republik sieht sich mit der Unfähigkeit konfrontiert, den Mitarbeitern des öffentlichen Sektors, darunter auch den Strafverfolgungsbeamten, Gehälter zu zahlen. Dies erklärte der amtierende Finanzminister Vladimir Delba.
Während eines Treffens, an dem der amtierende Präsident Abchasiens, Badra Gunba, teilnahm, stellte Delba fest, dass derzeit keine Haushaltsmittel für die Gehälter von Mitarbeitern des öffentlichen Sektors bereitgestellt werden. (…) Darüber hinaus fehlt auch das Geld die Finanzierung anderer gesetzlich vorgesehener Pflichtausgaben.
Der amtierende Leiter der Finanzabteilung stellte klar, dass alle verfügbaren Haushaltsmittel ausschließlich zur Finanzierung von Stromlieferungen aus der Russischen Föderation verwendet würden. (…) und daher die Zahlung von Gehältern an Angestellte des öffentlichen Sektors unmöglich werde.
Seit September hat Russland die Sozialzahlungen an Abchasien eingestellt, die zuvor für zusätzliche Zahlungen an Lehrer, medizinisches Personal und Polizeibeamte verwendet wurden.“
Abchasien war also ein Zuschußbetrieb für Rußland, der langsam aber sicher an Georgien übergeben werden soll …
„Gleichzeitig begann man unter den Bedingungen der Stromknappheit im Herbst und Winter, Stromlieferungen aus der Russischen Föderation zu kommerziellen Tarifen durchzuführen.
Der Grund für diese Änderungen war die Nichteinhaltung Abchasiens seinen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Harmonisierung der Gesetzgebung mit der russischen Gesetzgebung.
Jeden Winter, von November bis April, kommt es in Abchasien aufgrund des erhöhten Stromverbrauchs zu Energieengpässen. Die wichtigste Energiequelle der Region, das Wasserkraftwerk Ingur, reduziert die Produktion aufgrund eines Rückgangs des Wassers im Stausee. Um den Mangel auszugleichen, ist die Republik gezwungen, Strom aus Russland zu importieren, der täglich 15 Millionen Rubel kostet.
Da diese Ausgaben nicht im Haushalt 2024 enthalten waren, ist die Regierung gezwungen, Sofortmaßnahmen zu ergreifen, um Mittel zu beschaffen.“
Bis dahin verließ sie sich offenbar drauf, daß Rußland weiter den Energieverbrauch Abchasiens subventionieren wird.
„Eine dieser Maßnahmen ist die Einführung von Stromabschaltungen für 4 Stunden am Tag, um Strom zu sparen.
„Vor kurzer Zeit hat das abchasische Parlament unter dem Druck der sogenannten Opposition beschlossen, russischen Unternehmen die Tätigkeit in der Republik zu verbieten. Dies war ein starker Affront Richtung Russland, das aufgefordert wurde, diese Entscheidung der abchasischen Elite zu akzeptieren (…) Das Fest dauerte nur kurz. Die heutigen Nachrichten aus Abchasien können nur Genugtuung“ (in Rußland) „hervorrufen. Die Abchasen begannen wirklich, auf sich allein gestellt zu leben«, schreibt Jurij Podoljaka.
(MK, 6.12.)