Die Nationalökonomen treten an zur Rettung der Welt

SOROS UND CO. WOLLEN DEN KAPITALISMUS RETTEN
Der Spekulantenkönig hat ein neues Institut gegründet:
„Investorlegende George Soros ist überzeugt, die etablierte Volkswirtschaftslehre braucht eine radikale Runderneuerung. Mit viel Geld fördert er deshalb eine neue VWL – mit erstem Erfolg: Noch nie ging die Zunft so hart mit sich ins Gericht wie auf der ersten Tagung seines Instituts.
50 Millionen Dollar hat Soros daher in sein Institut gesteckt. Von New York aus soll es neues ökonomisches Denken fördern. Die weltweit führenden Universitäten sind aufgerufen, sich um das Geld zu bewerben. Die Konferenz Ende vergangener Woche im King’s College markierte den Startschuss, mehr als 200 Wissenschaftler trafen sich zum Krisengipfel – vom Nobelpreisträger bis zum wissenschaftlichen Außenseiter. Unter dem Strich offenbarten die vier Tage in Cambridge vor allem eines: Die Zeiten, in denen die VWL sich als “Königin der Sozialwissenschaften” verstehen durfte, sind vorbei – eine tiefe Ratlosigkeit hat die Ökonomen ergriffen.“ (HB, 12.4.)
Soros möchte gleichermaßen die Weltwirtschaft und seine Geschäftsgrundlage retten, und ruft daher alle diejenigen, die das auch wollen, zusammen.
Es gab einmal Zeiten – in der Frühzeit des Kapitalismus – da versuchten die Nationalökonomen, wie Smith und Ricardo, zu verstehen, wie der sich eben erst entwickelnde Kapitalismus funktioniert, um damit die Politiker darüber aufzuklären, wie sie mit dieser neuen Wirtschaftsform umzugehen hätten, zum Wohle ihrer Nation.
Später, und bis heute, ist nur mehr der Wille zum Dienst für die Macht (und die Ökonomie) übriggeblieben und der wissenschaftliche Ehrgeiz hat sich verflüchtigt. Die Nationalökonomie hat sich zu einer Wissenschaft entwickelt, die vor allem Interpretationen von sich gibt, wie man den Kapitalismus zu betrachten hat, und sie bemüht sich um die Entwicklung von Modellen, wie Wirtschaft funktionieren könnte, aber nicht funktioniert.
Jetzt sind die Nationalökonomen gefordert: Wie retten wir den Kapitalismus? und kommen drauf, daß ihr Instrumentarium sehr dürftig ist.
„Klar ist, dass das Vertrauen in die Selbstheilungskraft der Märkte, das in den vergangenen drei Jahrzehnten die Mainstream-VWL dominierte, zutiefst erschüttert ist. Das Gleiche gilt für die Überzeugung, private Märkte hätten einen natürlichen Hang zur Stabilität und dass staatliche Interventionen in der Wirtschaft stets mehr Schaden als Nutzen anrichten.“ (ebd.)
Ein „Vertrauen“ ist „erschüttert“, eine „Überzeugung“ ist futsch. Man glaubt fast, man ist in der Kirche. Der Glaube an den Herren ist abhanden gekommen.
Hier wird im Nachhinein über die Qualität der zahllosen Artikel, mit denen Wirtschaftswissenschaftler das p.t. Publikum in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten über die Marktwirtschaft belehrt haben, ein hartes Urteil ausgesprochen: Mit Wissen über diese Wirtschaft, mit Erklärungen ihrer Momente hatte das nichts zu tun, sondern nur mit voreingenommen Sichtweisen über die angeblichen Segnungen dieser Wirtschaftsweise, mit Wunschdenken, Gesundbeten usw.
Kapitalismus erzeugt Armut und Elend? Mitnichten! Es liegt nur daran, daß irgendetwas „noch nicht“ geschehen ist. Noch nicht genug Konkurrenz und Freiheit zur Bereicherung sind in die Welt gesetzt worden!
Jeder kann es zu was bringen! Das ändert zwar nichts daran, daß es einfach mehr Tellerwäscher braucht als Millionäre, aber dennoch soll sich doch jeder fest ins Zeug legen, dann kommt die Ökonomie voran!
Mit dem Soros-Institut werden auf jeden Fall ein paar weitere Arbeitsplätze für Leute, die gerne Unsinn verzapfen, geschaffen.
Soviel zur zu erwartenden Produktion von weiterem Blödsinn.
Die Gründung dieses Instituts hat aber auch eine realistische Seite.
Der Mann, der noch vor ein paar Wochen großspurig verkündet hat, den Euro auf eine Parität von 1:1 mit dem $ bringen zu wollen, weil das angeblich seinem „wahren Wert“ entspricht, hat scheints inzwischen selber kalte Füße bekommen.
Wenn er und seine Spekulanten-Genossen es nämlich soweit bringen, daß der Euro in Folge ihrer eigenen Tätigkeit, der Schuldenprobleme Griechenlands und anderer EU-Staaten und der Streitigkeiten der EU-Politiker darüber, wie jetzt eigentlich vorzugehen sei, als Projekt den Bach hinuntergeht und deshalb auch als Weltgeld zusammenbricht, so haben er und andere ein großes Problem: Dann wird nämlich jede Menge Geschäft zerstört, nicht nur Geldvermögen löst sich in Luft auf, sondern auch produktives Kapital wird vernichtet, und dabei verlieren nicht nur Soros und Co, sondern auch Kapitalisten aller Sparten und Nationen ihr Vermögen.
Also hat er sich entschlossen, in Sachen Währungsspekulation ein wenig leiser zu treten und sich lieber als verantwortungsbewußter Mahner nach Regulativen und Lösungen ins Spiel zu bringen.
Was jetzt noch fehlt, aber sicher kommt wie das Amen im Gebet, ist ein dickes Lob und Selbstlob von Attac und ähnlich gestrickten Organisationen: Sogar Soros hat eingesehen, daß wir recht haben! Mehr Regulative müssen her! Wir habens ja immer schon gesagt!
Kapitalismus-, pardon: Marktwirtschafts-Freunde unter sich.

Griechenland deklariert sich zum Schwellenland

DIE ENTWICKLUNGSLÜGE WIRD EINDRUCKSVOLL VORGEFÜHRT
In der imperialistischen Staatenwelt gibt es erfolgreichere und weniger erfolgreiche Staaten, bis hin zu solchen, wo fast gar keine Reichtums- und deshalb auch keine Produktion stattfindet, wie z. B. Haití.
Die offizielle Leseart von Finanzinstitutionen und Medien zu diesen „Ungleichgewichten“ lautet: Die einen dieser Staaten seien „entwickelt“ und „reich“, die anderen seien arm, weil sie „unterentwickelt“ sind und sich erst „entwickeln müssen“. Deswegen wird ihnen dann auch oft „Entwicklungshilfe“ geleistet.
Diese Idee der Entwicklung enthält eine Wahrheit und eine Lüge.
Die Wahrheit besteht darin, daß diese Staaten sich ständig darum bemühen müssen, für das internationale Kapital nützlich zu sein und Land und Leute in einem fort darauf beäugen, ob sie sich irgendwie zu Geld machen lassen. Die Regierungen der Staaten Afrikas oder Lateinamerikas versuchen daher dauernd, aus ihrem Land und ihrer Bevölkerung irgendetwas Weltmarkttaugliches herauszuquetschen und die letzten Oasen des Selbstversorgertums zu vernichten. In diesem Sinne werden diese Länder wirklich ständig für den Weltmarkt „entwickelt“, also aufgesperrt und zur Verfügung gestellt.
Die Lüge hingegen, die dieser Begriff enthält, besteht in der Vorstellung, daß diese „Entwicklung“ eine Verbesserung der ökonomischen Situation bedeutet. Wenn nicht heute, dann doch morgen gehört man auch zum Kreis der erfolgreichen Nationen, kann eine eigene Kapitalakkumulation und satte Profitraten vorweisen, seine Bevölkerung anwenden und ausbeuten, anstatt sie dauernd nur als Störfaktor und Ordnungsproblem wahrzunehmen. Es ist nur eine Frage der Zeit, der Kredite und der richtigen Wirtschaftspolitik, dann kann man auch mitspielen bei den Großen.
Nicht, daß diese „Entwicklung“ ganz unmöglich wäre. China, auch Indien oder Brasilien sind dank ihre sowohl territorialen als auch bevölkerungsmäßigen Masse im letzten Jahrzehnt wirklich ein Stück weit vorgerückt. Die allgemeine Verlaufsform dieser Entwicklung ist jedoch, daß dergleichen Staaten ständig ärmer werden, daß ihrer Bevölkerung immer mehr die Einkommensquellen entzogen werden, das Territorium verpfändet wird und die Verschuldung ansteigt, bis zu einem Punkt, wo sie niemand mehr kreditiert und sie eine Karriere als „gescheiterter Staat“ antreten.
Als Entwicklungsland auf dem Kreditmarkt aufzutreten heißt also soviel wie: als Bittsteller, als fragwürdiger Teilnehmer des Weltmarktes, und als unsicherer Kantonist für diejenigen, die über solche Kredite entscheiden. Deshalb müssen diese Länder für die von ihnen aufgenommenen Kredite auch höhere Zinsen bieten als die Heimatländer des Kapitals.
Jetzt hat Griechenland, also ein Land, das noch bis vor einigen Monaten zu den „reichen“ zählte, beschlossen, sich als Entwicklungsland zu deklarieren, um seine Anleihen überhaupt noch irgendwie anbringen zu können. Die Überlegung der griechischen Politiker und Bankfachleute, die sich zu diesem Schritt entschlossen haben, ist offenbar, daß man als Entwicklungsland irgendwie noch besser dasteht als als Bankrotteur.
Ob dieses Etikett den gewünschten Erfolg bringt – Käufer für die griechischen Staatsanleihen – ist zweifelhaft. Schließlich handelt es sich hier um ein Land, das offensichtlich in der Konkurrenz der Nationen gescheitert ist von seinen Bündnispartnern im Stich gelassen wird. Ein Land, dem es, obgleich mit einer Weltwährung ausgestattet, nicht gelungen ist, sich zu einem erfolgreichen Kapitalstandort zu machen, und das praktisch zahlungsunfähig ist. Wenn das jetzt auftritt und sagt: Hallo, ich bin ein Entwicklungsland und hab eine große Zukunft vor mir! so ist das, gelinde gesagt, unglaubwürdig.

Die „Einigung“ der EU bezüglich der Behandlung Griechenlands

SCHÖNE AUSSICHTEN – FRAGT SICH NUR, FÜR WEN
Die EU-Häuptlinge haben sich angeblich geeinigt, den griechischen Schuldenproblemen mit einer Mischung aus bilateralen Krediten und der Einbeziehung des IWF zu begegnen.
Was bedeutet also zunächst einmal die Hinwendung zum IWF?
(Zum IWF: http://www.gegenstandpunkt.com/msz/html/88/88_6/iwf.htm)
Erstens, und das dürfte vor allem die Sorge Deutschlands gewesen sein: Die vom IWF gewährten Kredite kosten erst einmal die EU-Staaten nichts, d.h., sie blähen das durch Bankenstützungspakete gewaltig angewachsene Kreditvolumen nicht noch weiter auf. Gerade Deutschland hat diesbezüglich den Arsch offen und will nicht noch ein Schäuferl zulegen, vor allem für ein Projekt, in dem es seine nationalen Interessen derzeit nicht gut bedient sieht. Während nämlich laut trompetet wird, daß Griechenland „schlecht gewirtschaftet“ hätte, ist Deutschlands Staatsschuld dem Volumen nach ein Vielfaches der griechischen, und nur deshalb nicht Thema, weil Deutschland erfolgreicher Kapitalstandort ist, also dort die Akkumulation und das Gewinne-Machen funktionieren, während Griechenland diesbezüglich auf der Strecke geblieben ist.
Deutschland ist also besorgt um seine eigene Kreditwürdigkeit, wenn seine Politiker und Medien gegen den angeblichen griechischen Schlendrian ins Feld ziehen.
Diese Griechenland-Hetze hat auch darin einen Pferdefuß, daß Griechenland ein Absatzmarkt für deutsche Produkte ist, und deutsche Unternehmen vor Ort in Tourismus und Schiffbau investiert haben. Aber deutsche Politiker sehen offenbar das Interesse ihrer Geschäftsleute als zweitrangig an, wenn es um so ein hohes Gut geht wie die Kreditwürdigkeit des deutschen Staates.
Die good news der IWF-Beteiligung lauteten also: Deutschland muß seinen Kredit nicht weiter strapazieren.
Zweitens aber, und das waren die Bedenken der meisten anderen Staaten: Damit wird dem IWF, einer Institution, die eigentlich bisher hauptsächlich für die Zahlungsschwierigkeiten von Ländern der 3. Welt zuständig war, Einmischung in die Geld- und Steuerpolitik eines Landes der Euro-Zone zugestanden. Diese übernationale Institution, die für die Zahlungsfähigkeit von Staaten sorgen soll, damit andere – Private – weiter mit diesem Staat Geschäfte machen können, darf sich nicht nur in die Angelegenheiten Griechenlands einmischen, sondern auch in diejenigen der EZB. Wie diese Zusammenarbeit aussehen wird und welche Konflikte daraus entstehen, wird erst die Zukunft weisen. Eines ist aber damit klar: Das ganze Euro-Projekt ist teilweise unter Kuratel gestellt, und Staaten wie die USA, China und Rußland haben ein Stück weit Einblick, vielleicht sogar Mitspracherecht in die inneren Belange der europäischen Einheitswährung.
Bei seinem Versuch, den eigenen Nationalkredit zu retten, hat Deutschland somit Abstand genommen von dem von ihm selbst seinerzeit initiierten europäischen Einigungsgedanken, mitsamt dessen imperialistischer Wucht nach außen.
Schließlich, drittens, ist es dem Gutdünken anderer EU-Staaten anheimgestellt, Griechenland zu unterstützen, also den eigenen Nationalkredit für eine Stützung der griechischen Kreditwürdigkeit einzusetzen. Gegen bilaterale Kredite hat Deutschland sich nur so lange gewehrt, als es befürchten mußte, selbst dafür in die Pflicht genommen zu werden. So hingegen, wenn die Gewährung solcher Kredite den EU-Institutionen entzogen und der nationalen Geldpolitik der einzelnen Mitglieder überantwortet wird, darf jeder der EU-Staaten Griechenland nach eigenem Ermessen unter die Arme greifen.
Es wird also damit gerechnet, daß diejenigen Staaten, die ein gesteigertes Interesse an Griechenlands Zahlungsfähigkeit haben, sich an dieser Aktion beteiligen – und damit Griechenland als Handelspartner für Deutschland funktional erhalten werden! Deutschland möchte also die Unkosten, die die Wahrnehmung der unternehmerischen Interessen ihrer eigenen Kapitalisten verursacht, auf andere Staaten abwälzen.
Übrigens, noch was: Bargeld – „wir zahlen nicht!“ usw. – fließt bei all diesen Manövern überhaupt keines. Es wird also nicht irgendein Geldbeutel oder Safe aufgemacht und gutes Geld nach Griechenland verschoben. Nein, einem betroffenen Staat wie Griechenland wird gegen entsprechende Einschränkungen in seinem Budget Kredit gewährt, damit sich dieser Staat weiter verschulden, also Zahlungsversprechen in die Welt setzen kann, und dafür Käufer findet.
Die Spekulanten, die derzeit zwar beschimpft werden, in deren Hände sich aber alle Staaten und Unternehmen begeben, und vor deren Einschätzung auch alle Ausgeber von Wertpapieren bestehen wollen, erhalten dadurch neue Anhaltspunkte für ihre Spekulation, und wenn jemand bei diesen Stützungsaktionen reich wird, dann sie.
Mit dem Steuerzahler, dieser trostlosen Figur, die immer dann aus dem Besenkammerl geholt wird, wenn irgendwo brave Untertanen jammern wollen oder ausländische Subjekte bedrängt werden sollen, hat das alles gar nichts zu tun. Die Bürger liefern ihre Steuern ab, damit ihre jeweiligen Staaten die Freiheit erhalten, sich grenzenlos zu verschulden, und dann wieder ihren Steuerzahlern Sparprogramme und Hartz IV-Maßnahmen zu verordnen. Mit der kindischen Vorstellung einer Haushaltskasse, in die man was einzahlt und dann wieder etwas herausbekommt, ist dieses Verhältnis völlig falsch bestimmt.
Auf diese Einsicht könnte man allerdings nicht erst bei der griechischen Schuldenkrise kommen.