Das syrische Schlachtfeld und der Westen

LABORATORIUM DER WECHSELNDEN ALLIANZEN
I. Syriens Freunde
Nach der Rückeroberung Aleppos zeichnet sich – zum Leidewesen der EU-Spitze und der EU-Medien – langsam ein Sieg der Koalition rund um den syrischen Präsidenten ab. Damit setzt sich die Position durch, die Rußland seit Anfang des Konflikts international und diplomatisch und seit vorigem Jahr auch militärisch vertreten hat: Syrien ist als Staat in seinen bisherigen Grenzen wiederherzustellen und Baschar Al-Assad ist der rechtmäßige Präsident Syriens.

Ganz verkehrt und sehr tendenziös ist das pseudo-besorgte Fazit des Israel-Korrespondenten von „El País“:

„Weit entfernt davon, den Krieg gewonnen zu haben, bleibt der Präsident unter der Vormundschaft Rußlands und des Irans, als Anführer eines Landes, das sich auf eine Spaltung hin orientiert … Es herrscht kein Zweifel, daß das Regime seinen beiden großen Paten in Moskau und Teheran zutiefst verpflichtet ist, nachdem sie ihm zu seinem größten Triumph verholfen haben.“ (El País, 16.12. 2016)

Erstens hat Rußland mehrmals deutlich gemacht, daß es eine Teilung Syriens nicht akzeptieren würde. Zweitens hat Rußland keinerlei Forderungen an die syrische Regierung, die deren Interessen widersprechen würden. Im Gegenteil. Rußland kann sich sicher sein, daß Syriens Regierung, und mehr noch dann, wenn es gelingt, die völlige Souveränität über sein Territorium wiederzuerlangen, Rußland in Zukunft alles an Unterstützung, Stützpunkten usw. gewähren wird, auf die Rußland Anspruch erhebt. Sogar mit besonderem Eifer: bitte bleibt da und beschützt uns! Und Assad und Rußland können sich auch sicher sein, daß der größte Teil der syrischen Bevölkerung hinter dieser Bündnispolitik stehen wird. Davon zeugen die in unseren westlichen Medien nicht sehr populären Videos von Freuden- und Freundschaftskundgebungen der Bevölkerung syrischer Städte gegenüber Rußland.
Auch der Iran und die Hisbollah werden keine maßlosen Ansprüche an Syrien stellen – ihnen wird es genügen, eine den Schiiten gegenüber freundliche und mit dem Iran verbündete Macht wiederherzustellen, die ihnen gegen die Prätentionen der Golfstaaten auf völlige Unterwerfung der Schiiten den Rücken stärkt. Auch materielle Zuwendungen können diese beiden Partner von dem zerstörten Land nicht erwarten – im Gegenteil, eher wird auch ein befriedetes Syrien ihrer Unterstützung beim Wiederaufbau bedürfen.

Schließlich, in dem oben zitierten Ausblick in „El País“ wird die Türkei als ebenfalls vorhandener Mitspieler in diesem neuen „Great Game“ des Nahen Ostens nicht erwähnt. Das hat gute Gründe. Bei der Türkei ist nämlich überhaupt nicht klar, welchen Interessen sie dient und welche Interessen sie selbst verfolgt. Weder kann sie als Statthalter westlicher Interessen betrachtet werden – das war übrigens schon vor dem Putsch so – noch kann sie ohne weiteres der Koalition zur Wiederherstellung Syriens zugerechnet werden.

Dazu später.


II. Die Feinde und Aasgeier Syriens

Die – relativ typischen – Kassandrarufe des El País-Kommentators malen unbekannte Gefahren an die Wand, weil er sich den Gegnern Assads verpflichtet fühlt und zähnekrirschend deren Felle davonschwimmen sieht. Unter anderem hat er die Interessen Israels vor Augen.

1. Israel
Israel hat den Aufstand gegen Assad mit Freuden zur Kenntnis genommen und vielleicht sogar vorbereiten geholfen. Darüber wird möglicherweise irgendwann in der Zukunft einiges ans Tageslicht kommen. Israel könnte offenbar sehr gut mit einem radikal-islamischen Staat oder Territorium unklaren Status’ vor seiner Haustüre leben, wenn es dafür endgültig die Golan-Höhen seinem Territorium einverleiben könnte.
Israel hat sich auch aktiv am Krieg gegen Assad beteiligt, hat Ziele in Syrien bombardiert, um Assad und die Hisbollah zu schwächen, und hat auch verletzte Kämpfer des Islamischen Staates in seinen Gesundheitseinrichtungen wieder zusammenflicken lassen.
Man muß sich das nur vor Augen halten, daß derjenige Staat, der regelmäßig Gaza bombardiert und sich als säkuläre und tolerante Oase gegen den islamischen Fundamentalismus präsentiert, ohne weiteres mit diesen Halsabschneidern gemeinsame Sache macht, wenn es den eigenen geostrategisch-nationalen Interessen dient.

2. Saudi-Arabien und Katar
Diese beiden Staaten maßen sich aufgrund ihres Ölreichtums und ihrer (bisherigen) Rückendeckung durch die USA eine Position in der arabischen bzw. muslimischen Welt an, die ihnen aufgrund ihrer wahren Größe und kulturellen und wirtschaftlichen Bedeutung gar nicht zukommt. Sie würden gerne die gesamte Region mit Regierungen vollpflastern, an deren Spitze ihnen verpflichtete, also sunnitische religiöse Fanatiker stehen, denen sie je nach Belieben und mittels Öffnen des Geldbeutels ihre Interessen diktieren können.
Gegen diese Anmaßung der Beherrscher Mekkas und des Stecknadelkopfes auf der Landkarte wehren sich übrigens nicht nur Syrien, Jemen und der Iran, sondern unter der Hand, also nicht offiziell und laut, auch der Irak, der gesamte Maghreb, Ägypten und Jordanien; inzwischen sogar Pakistan und Afghanistan. Alle diese Staaten sehen ihre nationalen Interessen durch die Interventionen, Waffenlieferungen und diplomatischen Vorstöße dieser beiden Staaten gefährdet.
Assad, Rußland und der Iran können sich daher eines Haufens derzeit noch geheimer Sympathien sicher sein, die sich möglicherweise offener äußern könnten, wenn die USA ihre Nahostpolitik ändern.

3. Die USA
Während bei den staatlichen Akteuren der Region die Interessen relativ klar sind, so gibt die Weltmacht Nr. 1 hier etwas größere Rätsel auf. Es handelt sich nämlich um einen Zickzack-Kurs, dessen Richtung sich öfter ändert.
Zunächst steht der angestrebte Sturz Assads in einer Reihe mit angestrebten Regime-Changes in der Welt: man räumt mißliebige, sich den Interessen der USA entgegenstellende Regierungen weg und setzt eigene Hurensöhne ein, die dann nach der Pfeife Washingtons tanzen.
Dieses sehr brutale Ideal und Vorgehen orientiert sich an den Erfolgen, die die USA und die EU seinerzeit in den 90-er Jahren in etwas holpriger Zusammenarbeit auf dem Balkan erzielt haben.
Die Umsetzung in der muslimischen Welt hingegen ist recht gründlich mißglückt. Im Irak und in Afghanistan sind ebenso schwache wie ungeeignete Regierungen an die Macht gehievt worden, die dennoch mit viel Aufwand gestützt werden mußten und nach wie vor müssen, wenn man das völlige Scheitern der eigenen politischen Absichten verhindern will.
Diesen Mißerfolgen der Direktintervention folgten dann die Versuche, mit der Unterstützung regionaler Staaten und Gruppierungen das ganze besser über die Bühne zu kriegen, und dieser Politik verdankt die Welt die Kriege und das Chaos, die seit dem „arabischen Frühling“ im Nahen Osten und Nordafrika an der Tagesordnung sind.

Dem – zumindest bis zum Ende der Ära Obama intakten – Ziel, Assad zu stürzen, entsprach die direkte und indirekte Unterstützung islamischer Fanatiker, die seither in der Region und in ganz Europa Angst und Schrecken verbreiten. Der ideologisch nicht ganz einfache Spagat, die eigene Unterstützung für diese schamlosen Mörder zu rechtfertigen, besteht in dem von den breiten Massen nicht gut aufgenommenen Versuch, sie in gute – Moderate – und böse – Extremisten – zu unterscheiden.
Dann wurden Jordanien und die Türkei ermuntert, sich zur Aufmarschbasis und zum Hinterland der mit dem Kosenamen „Rebellen“ versehenen Assad-Gegner zu machen, und Israel ebenfalls darin bestärkt, die „Moderaten“ mit Rückendeckung Washingtons zu unterstützen. An ihrer Weigerung, dabei mitzumachen, zerbrach um ein Haar die ohnehin brüchige Regierungskoalition des Libanons.
Als der IS durch das medial wirksame Enthaupten eines amerikanischen Journalisten und anderer Propaganda-Videos klare Zeichen setzte, daß er keineswegs Vollstrecker amerikanischer Interessen sei, sahen sich die USA genötigt, in eine Art 2-Frontenkrieg einzutreten, da sie neben der nun notwendig gewordenen Bekämpfung des IS ihr ursprünglches Ziel, Assad zu stürzen, keineswegs aufgeben wollten.

Im Rahmen dieses Widerspruchs ermunterten die USA die Kurden Syriens (in der Sprache der kurdischen Nationalisten „Westkurdistans“), sich von Syrien loszusagen und an einer Vereinigung aller Kurdengebiete zu arbeiten. Damit wollten sie sowohl Assad schwächen als auch sich den USA verpflichtete Bodentruppen gegen den IS schaffen.

Ohne diese ihre Ziele zu erreichen, brachten die USA damit die Türkei (in den Augen der kurdischen Nationalisten Okkupant „Nordkurdistans“) und die besitzenden Eliten des irakischen Kurdistans („Südkurdistans“) gegen sich auf. Sie schufen also weitere Fronten, ohne ihrem Ziel näherzukommen, und zerstörten dabei die ebenfalls sehr fragmentierte regionale Koalition gegen Assad.
Mit dem Eingreifen Rußlands traten die USA als Akteur endgültig in den Hintergrund, da sie außerstande waren, trotz militärischer und geheimdienstlicher Präsenz in der Region an irgendwelchen Fäden zu ziehen. Verschiedene ehemalige Verbündete nahmen zwar weiterhin gerne Geld und Unterstützung in Anspruch, machten aber, was sie wollten.

Wenn die neue US-Regierung sich daher aus diesem Schlachtfeld zurückziehen will, so tut sie das aus der Einsicht heraus, daß für sie als Weltmacht dort kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist.
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Fortsetzung: Die EU, die Türkei und eine Zwischenbilanz

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siehe dazu auch:

DAS SYRISCHE SCHLACHTFELD 24.8. 2016
AL ASSAD: ES GIBT 80 STAATEN, DIE DIE TERRORGRUPPEN IN SYRIEN UNTERSTÜTZEN 22.2. 2016
DER DURCH UND DURCH VERLOGENE IMPERIALISTISCHE AUFMARSCH GEGEN DEN IS 10.12. 2015
RUSSLAND SETZT FAKTEN IN SYRIEN 8.10. 2015
DSCHIHAD 25.8. 2014
IST RUSSLAND IMPERIALISTISCH? 3.4. 2014
DIE PRAKTISCH-FAKTISCHE WIDERLEGUNG DES GESAMTEN DEMOKRATIE-NONSENS VON 2011 25.8. 2013
NUR EIN SCHRITT NOCH BIS ZUM CHAOS 7.2. 2012
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im GegenStandpunkt:
Luftschläge und eine neue Allianz – Politik der USA gegen den Heiligen Krieg des Islamischen Staates (GSP 4/14)
Giftgas in Syrien: Die Weltführungsmacht statuiert ein Exempel ihrer Glaubwürdigkeit (GSP 4/13)
Syrien – der aktuelle Hauptfall für die Konkurrenz um die Weltaufsicht (GSP 3/12)

Nachrufe auf einen Revolutionär

FIDEL CASTRO RUZ, 1926 – 2016
Die Reaktion der westlichen Leitmedien auf das Ableben des Máximo Lider ist gemischt und eine gewisse Unzufriedenheit klingt aus den Meldungen hervor.
Sich so richtig freuen und eine große Fiesta machen wie die Exilkubaner in Miami, schickt sich erstens nicht für pietätvolle Schmierfinken, und die Freude ist auch getrübt, weil eben mit Fidel Castros Tod das System, das er mit aufgebaut hat, nicht verschwindet. Im Gegenteil. Sein allem Anschein nach recht rüstiger Bruder bekräftigt seine Entschlossenheit, so weiterzumachen wie bisher, und er hat offenbar ein Team, das ihn dabei kräftig unterstützt.
Der sehr kindische, aber demokratisch durchgesetzte Führerkult blamiert sich hier wieder einmal. Es hängt nicht an einer Person, ob in Kuba Kommunismus, Versorgungswirtschaft oder Marktwirtschaft herrscht. Die kubanische Form Staat zu machen beruht auf einem relativ breiten Konsens in Regierung und Bevölkerung und war nicht ein Spleen eines durchgeknallten Alleinherrschers. Nicht nur, daß die Führungsmannschaft kein Zeichen von Schwäche zeigt – auch in der Bevölkerung bahnt sich offenbar kein Aufruhr an, obwohl die Medienfuzis mit Taschenlampe und Lupe nach Zeichen von „Widerstand“ suchen.
Diese Enttäuschung darüber, daß sich mit Fidels Abgang gar nix ändert, prägt die Schlagzeilen.
Castro tot – Kuba leider immer noch sozialistisch
Und was jetzt, Kuba? Immer noch „Sozialismus oder Tod“? titelt „Die Welt“ vor 4 Tagen. Ärgerlich ist dabei, daß die Frage beantwortet ist, und zwar nicht im Sinne der „Welt“: Der Sensenmann hat nur Castro geholt, den Sozialismus hat er dortgelassen.
In der gleichen Diktion geht es weiter:
„Es ist die Stunde Null in Havanna.“
Zum Leidewesen der „Welt“ eben nicht.
„Fidel Castro wurde von vielen Kubanern vergöttert“
– völlig zu Unrecht, wie die „Welt“ weiß.
„ – doch er war auch das größte Hindernis für einen Neubeginn.“
Vielleicht wurde er genau dafür so geschätzt?
„Doch über einem neuen Anfang liegen bereits Schatten.“
Womöglich wird aus diesem angestrebten „neuen Anfang“ gar nix.
Besondere Anstrengungen, Castro und sein Kuba schlechtzureden, macht das „El País“, dessen Korrespondent bereits vor Jahren wegen seiner regierungsfeindlichen Ansichten und Tätigkeit der Insel verwiesen worden war.
Fidel ist ein Mythos, eine Erfindung, deren Schöpfer und Darsteller er in einem ist.“
Leider verschwindet dieser vom „El País“ geschmähte Mythos nicht mit seinem Darsteller …
„Sein Sozialismus ist ein Mythos: wir sehen den Zusammenbruch des sowjetischen Modells.“
Leider ist er in Kuba nicht zusammengebrochen …
„Genauso ist es mit demjenigen vom souveränen Vaterland: um dieses von der US-Abhängigkeit zu lösen, unterwarf er es der sowjetischen Abhängigkeit“,
die der kubanische Sozialismus leider auch überlebt hat.
„Fidel Castro: ein disproportioniertes ökonomisches Erbe“
Man fragt sich nur, disproportioniert für wen?
„Cuba ist eine seltene Kombination von sozialen Indikatoren der 1. Welt mit wirtschaftlichen Indikatoren der 3. Welt“
So kann man es ausdrücken, daß die Kubaner nicht so arm sind, wie sie laut „El País“ eigentlich sein müßten.
„Laut dem vom UNO-Programm für Entwicklung (UNDP) erstellten Index für Menschliche Entwicklung steht Kuba in ganz Lateinamerika und der Karibik immer noch an erster Stelle, was Erziehung betrifft, und an zweiter bezüglich der Lebenserwartung.“
Na super, sollte man meinen. Von wegen Mythos, Abhängigkeit, Zusammenbruch usw.!
„Nun ja, diese Erfolgsstory kann man auch als Scheitern betrachten, wenn man einen anderen Gesichtspunkt einnimmt und sich fragt: wieso ist ein Land mit solchen außerordentlichen Fortschritten auf sozialem Gebiet wirtschaftlich so arm?“
Wir von „El País“ wollen es auf jeden Fall als Ungehörigkeit betrachten, wenn ein Land wie Kuba sich ein Unterrichts- und Gesundheitssystem leistet, von dem manche Armen in Spanien nur träumen können.
Letztlich, so dieser luzide Artikel, gibt es dort weder Kapital noch Eigeninitiative und das ist unerhört.
Auch ein Nachruf im „Spiegel“ windet sich und wirft ihm Betrug an seinen Idealen vor – der übliche billige Trick derer, die meinen, Gesellschaftskritik sei schön, hätte aber folgenlos zu bleiben:
„Er galt als moderner Revolutionär, der Kuba von der Diktatur befreit hatte und in ganz Lateinamerika zum Vorbild wurde mit seinem Versprechen einer gerechteren Gesellschaft. Doch seine moralische Weste hatte längst Risse bekommen: In seinem Land wurden Dissidenten verfolgt, Bürger bespitzelt, wurde Mangel verwaltet.“
Na und? möchte man fragen. Das ist offenbar kein Widerspruch gegenüber dem ohnehin zweifelhaften Ideal von „Gerechtigkeit“.
„Über den Golf von Mexiko hinweg beteiligte Castro sich an der großen Auseinandersetzung seiner Zeit: Kommunismus gegen Kapitalismus, das kleine Kuba mittendrin.“
Und immer noch kommunistisch, obwohl nicht mehr mittendrin!
„Seiner Ideologie schwor er nie ab, auch wenn sie sein Land zurückwarf.“
„Zurück“ gegenüber was? Haiti? Oder dem Glamour, das Puff der USA zu sein, wie unter Batista? Der Ärger darüber, daß in Kuba nicht marktwirtschaftlich produziert und kalkuliert wird, ist unüberhörbar.
Auch die „New York Times“ läßt sich nicht lumpen und erinnert daran, daß sie seit 1959 auf einen Nachruf für Fidel Castro vorbereitet hat, x Entwürfe verfaßt wurden, und jetzt können sie ihn endlich schreiben.
„Es gab eine Menge Prophezeiungen auf Unruhen, die bei Fidels Tod ausbrechen würden, aber diese Aussichten verblaßten, als er die Amtsgeschäfte erfolgreich seinem Bruder Raúl übergab.“
Wieder nix! Kein Hoffnungsschimmer!
„Castros Tod entblößt einen Generationskonflikt in Havanna.“
Man wartet auf Enthüllungen. Allerdings vergeblich.
„Nach Jahrzehnten von nicht eingelösten Versprechen bezüglich Wirtschaftswachstum könnte Castros Tod inner- und außerhalb Kubas Gräben bezüglich des einzuschlagenden Weges aufreißen.“
Der Wunsch ist unüberhörbar, daß es doch so kommen möge, obwohl nichts dafür spricht.
„Eine unabhängige Bloggerin … erwartet, daß Fidels Tod zu mehr Meinungsvielfalt bei der Führung führen könnte.“
Wow, die aufständische Jugend meldet sich zu Wort!
„Viele junge Leute zeigten keine sichtliche Regung, als Fidels Tod bekannt wurde. Am Sonntag verbrachten sie den Tag wie gewöhnlich und meinten, daß sich mit Fidels Abgang wenig ändern würde.“
Das befürchtet die NYT auch.
Also, die Begeisterung der Journaille hält sich in Grenzen. Fidel ist alt geworden und in Ehren gestorben, und das „Regime“ in Kuba wankt nicht.
Man kann zur Tagesordnung übergehen und sich anderen Themen widmen.
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Siehe dazu auch noch:
DEMOKRATISCHER PERSONENKULT 2014

Trumps Triumph

„EIN VERRÜCKTER ALS VORSTAND DES IRRENHAUSES“ (1)
Es ist schon bemerkenswert, wie die westlichen Leitmedien den neuen Präsidenten der USA in seinem Amt willkommen heißen – vor allem, wenn man sich an die Euphorie erinnert, mit der sein Vorgänger seinerzeit begrüßt worden ist.

„Ein traumatischer Wahlkampf zeitigt ein erschreckendes Ergebnis“ (Washington Post)
„Die Nacht bricht herein über Washington“ (El País, Redaktion)
„USA-Wahlen: Die Wut hat gewonnen“ (Le Monde)
„Schockierende Verstörung, da ein Außenseiter die Unzufriedenheit der Wähler für sich nutzen konnte“ (New York Times)
„Für jeden neuen Präsidenten gilt zunächst einmal die Unschuldsvermutung“ (Kommentator im ORF)
„Eine Welt bricht vor unseren Augen zusammen“ (Spiegel)
„Trumps Sieg ist ein Donnerschlag“ (Kommentar in der SZ)
„Trumps Sieg ist ein dunkler Tag für die Welt … eine amerikanische Katastrophe“ (Guardian, Redaktion)

Einzig die italienischen Zeitungen geben sich gelassen, mit dem Tenor: ein USA-Berlusconi, das läßt sich überleben.

Auf die Beschimpfung des Siegers folgt sofort tiefes Mitgefühl für die Verliererin, die für den Job doch soooo viel besser gewesen wäre! Killary und ihre „Tragik“ nehmen in der Berichterstattung des „Tages danach“ viel mehr Raum ein als der strahlende Sieger, der sonst in einem solchen Fall im Scheinwerferlicht steht.
Kann sich jemand erinnern, daß die Medien Mitt Romney oder John McCain oder sonst irgendeinem Kandidaten die Tränen getrocknet hätten, als selbige bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen sind?

Aus dem allen kann man mehreres entnehmen.

1. über die Demokratie, die angeblich durch Donalds Wahlsieg gefährdet ist.
Demokratie ist, wenn der Kandidat (oder die Kandidatin) gewinnt, die die Medien als Königsmacher haben wollen, und es geht gar nicht um das übliche Prozedere, das zur Ermächtigung führt.
So werden die amerikanischen Wähler hier indirekt beschimpft, den Falschen gewählt zu haben
– sie hätten sich von Emotionen bewegen lassen, und zwar nur bei der Wahl Trumps, denn die „Vernunft“ hätte ja für Clinton gesprochen (man sieht weinende Clinton-Wähler)
– sie hätten sich von einem Politclown übertölpeln lassen
– die Frauen seien verantwortungslos zu Hause geblieben und hätten ihre eigenen Interessen verleugnet
– sie seien auf falsche Versprechungen hereingefallen (bei gleichzeitigem Zittern der Kommentatoren, daß Trump diese Versprechen wahr machen könnte)

2. über die Art von Macht, die sich ihr Personal durch dieses Wahlverfahren bestellen läßt: Die Repräsentanten dieser Macht müssen der Wirtschaft, d.h. dem Kapital dienen und für die Durchsetzung der Kapitalinteressen auch zu Kriegen ohne Wenn und Aber bereit sein – sobald sich hier Zweifel regen, ist der Kandidat in der gewichtigsten Demokratie der Welt eine Fehlbesetzung.

3. über die imperialistische Staatenkonkurrenz in Zeiten der Krise
Es ist vor allem die Kriegstreiberei gegen Rußland und seine Verbündete, die die feindlichen Brüder in EU und USA zusammenhält – Risse in dieser Front führen zu einem Zittern und Zagen über mögliche neue Fronten, neue Feinde und Unwegsamkeiten von ohnehin wackligen Bündnissen.

So fordert Merkel vom neuen Präsidenten Achtung vor der Menschenwürde, wenn er mit ihr zusammenarbeiten möchte, und stellt dadurch in den Raum, daß sie die Zusammenarbeit mit der Weltmacht Nr. 1 ja auch verweigern könnte. Eine ganz leere Drohung, mit der aber auch der Anspruch einhergeht, selbst als Führungsmacht auftreten zu wollen.

In Polen wird gar die Gefahr einer neuen Jalta-Konferenz heraufbeschworen, wo Osteuropa wieder an Rußland ausgeliefert werden könnte. Polens Politiker fürchten um ihre Aufwertung zum Frontstaat, die mit der Gegnerschaft zu Rußland steht und fällt.

Neben dem Zorn der professionellen Meinungsmacher darüber, daß sie doch keine sind, ist den Reaktionen von Journalisten und Politikern auch zu entnehmen, daß sie um den Bestand der gültigen Weltordnung bangen. Sie sprechen damit die Wahrheit aus, daß die Führungsmacht der USA auch die Grundlage ihrer Stellung in der Hierarchie der Nationen ist, und daß die Rolle der USA als Weltpolizist nicht in Stein gemeißelt ist.
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(1) Titel einer Kolumne in „El País“.
Abgesehen von der wenig schmeichelhaften Charakterisierung des neuen Amtsinhabers werden hier gleich die ganzen USA zu einem Käfig voller Narren erklärt – schon etwas frech von dem Schreiberling.

Rückerinnerung:
WAS IST EIGENTLICH POPULISMUS?