SONNENFLECKEN ODER TREIBHAUSGASE?
Der Klimawandel ist derzeit in aller Munde und es fehlt nicht an Weltuntergangsprognosen, was alles auf uns zukommt, wenn nicht … – ja was nur?
Man kann der Klimawandel-Debatte als erstes einmal entnehmen, in was für einem trostlosen Zustand sich sowohl die Wissenschaft als auch das Alltagsdenken befinden: Jede Menge Prognosen und Zukunftsforschungs-„Studien“ ersetzen eine fundierte Debatte über die Ursachen und wie man den negativen Folgen begegnen könnte.
Vor Jahren habe ich mich einmal dem Thema gewidmet und in Zweifel gezogen, daß die CO2-Emissionen der einzige Grund sind, warum sich die Erde erwärmt, die Jahreszeiten verschieben, Naturkatastrophen häufiger werden usw.
Unter „Klimawandel“ werden nämlich sehr unterschiedliche Phänomene in einen Topf geworfen und alle auf eine einzige Ursache zurückgeführt, was bei vielen denkenden Menschen Zweifel hervorruft.
siehe: DIE IMPERIALISTISCHE SHOW ZUR RETTUNG DER WELT
Diese Zweifler werden dann oftmals hysterisch als Klimawandel-„Leugner“ beschimpft, obwohl das gar nicht der von ihnen eingenommenen Position entspricht..
Der CO2-These treten auch andere gegenüber und behaupten, ja, einen Klimawandel gäbe es, aber der hätte nichts damit zu tun, was „wir“ tun, also was die kapitalistische Vernutzung des Globus anrichtet.
Das wieder erscheint mir als eine Generalabsolution der Naturbenützung, die ebenso wenig glaubhaft ist.
Aufgrund der erhitzten Gemüter vor allem vieler junger Leute hätte ich hier gerne einmal eine halbwegs seriöse Debatte darüber, was es denn mit dem Klimawandel auf sich hat. Wer da mehr weiß, bitte Studien posten, die man dann hier diskutieren kann.
Kategorie: Migration
Serie „Lateinamerika heute“. Teil 12: El Salvador
(ER)LÖSUNG NICHT IN SICHT
Der Name dieses Staates – „Der Erlöser“ steht in ziemlichem Kontrast zum Zustand, in dem es sich befindet.
Wie wir im Folgenden sehen werden, ist das nicht die einzige Ungereimtheit, der einem in El Salvador begegnet.
1. Land der Landlosen
Da das Gebiet des heutigen El Salvador keine Bodenschätze verbirgt, war es seit jeher auf die Landwirtschaft als Quelle der Bereicherung verwiesen.
Während der spanischen Kolonialherrschaft und noch einige Jahrzehnte später war das wichtigste Exportprodukt das Indigo, neben den üblichen Kolonialprodukten wie Kaffee, Kakao usw. Als die chemische Herstellung des Indigo die natürliche verdrängte, entwickelte sich der Kaffee zum wichtigsten Exportprodukt, und das ist er bis heute geblieben.
Rund um den Kaffeeanbau und -export entwickelte sich die Elite El Salvadors, und sie achteten auf ihre Einkommensquelle insofern, als sie sich nach und nach alles brauchbare Land für die Kaffee-Plantagenwirtschaft unter den Nagel rissen. Im Jahr 1882 schließlich wurde den indigenen Gemeinden ihr Land per Dekret weggenommen. Das führte dazu, daß die indigene, bäuerliche Bevölkerung ohne Land blieb, und entweder als Taglöhner oder als Kleinpächter der Großgrundbesitzer ihr Leben fristen oder in die Städte abwandern mußte. Es führte außerdem dazu, daß die Volksnahrungsmittel teilweise eingeführt werden müssen, was sie verteuert, weil das fruchtbare Land für Cash Crops verwendet wird.
Ein Präsident, der diese für die Mehrheit der Bevölkerung unerfreuliche Entwicklung mit Sozialprogrammen abfedern wollte, wurde 1913 umgebracht.
Das Mißverhältnis zwischen Armut und Reichtum mündete, verstärkt durch die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, 1931/32 in einem von der kommunistischen Partei El Salvadors angezettelten und dann von den landlosen Bauern weitergetriebenen Aufstand.
Der neue starke Mann El Salvadors, Maximiliano Hernández Martínez, der sich im Dezember 1931 an die Macht geputscht hatte und auch vorher bereits den Repressionsapparat kontrolliert und ausgebaut hatte, machte kurzen Prozeß. Nachdem er den Gründer und Anführer der kommunistischen Partei El Salvadors, Agustín Farabundo Martí und einige seiner Genossen verhaften und ohne Verfahren erschießen hatte lassen, ging er mit aller ihm zur Verfügung stehender Gewalt gegen die Aufständischen vor.
Das ganze wirtschaftliche System El Salvadors, wo die Grundbesitzerklasse fast alles Land besaß und der Rest der Bevölkerung gar nichts, wollte verteidigt sein.
Bei der Niederschlagung des Aufstandes wurden Zehntausende von Menschen ohne irgendein Verfahren getötet. Dieses Vorgehen, das in El Salvador als „La Matanza“ bezeichnet wird – das Massaker, aber auch: Das große Morden – kam ganz ohne irgendwelche Beweise oder Rücksichtnahme aus. Es genügte, wenn jemand als Indigener erkennbar war, um ihn oder sie umzubringen, unabhängig vom Alter.
Die politische Klasse El Salvadors, die diesen Massenmord unterstützte, wollte ein für allemal klarstellen, daß die Nachfahren der Ureinwohner dieses Staates keinerlei Rechte besaßen, und jedes Einklagen derselben, geschweige denn Anspruch auf Land, mit dem Tod bestraft würden.
Das große Morden endete nicht mit der Niederschlagung des Aufstandes oder mit dem Jahr 1932. Hernández Martínez regierte bis zu seinem Sturz im Jahre 1944. Bis dahin blieb es lebensgefährlich, als Indigener erkennbar zu sein. Die indianischen Bewohner El Salvadors waren vogelfrei und konnten jederzeit von Militär, Polizei oder paramilitärischen Truppen liquidiert werden. Die Sprache der Ureinwohner, das Nahuat, wurde verboten.
Um zu überleben, legten die Indigenen El Salvadors ihre traditionelle Kleidung ab, gaben ihre Sprache auf und unterließen alles, was sie als Indigene kennzeichnen konnte. Das große Morden führte zur Auslöschung der indigenen Traditionen.
Ansonsten lebten sie weiter in großem Elend. Außerdem lehnte der Diktator jegliche Schulbildung für die bäuerliche Bevölkerung ab. Der Analphabetismus blieb das einzige Merkmal, das die Nachfahren der Ureinwohner von der kreolischen Oberschicht und den besser integrierten Mestizen grundlegend unterschied.
2. Die Kirche
a) Die Theologie der Befreiung in El Salvador
Als der Papst Johannes XXIII. das 2. Vatikanische Konzil einberief, um eine Erneuerung der Kirche einzuleiten, fielen die Beschlüsse dieses Konzils gerade in Lateinamerika auf sehr fruchtbaren Boden. Sie knüpften nämlich an die ruhmreicheren Traditionen der katholischen Kirche an, die vom Dominikanerpater Bartolomé de las Casas, dem „Vertreter der Indianer“ im 16. Jahrhundert begründet worden waren. Auf der Konferenz von Medellín verpflichteten sich die Bischöfe Lateinamerikas 1968 darauf, sich die Anliegen der Armen und Entrechteten zu eigen zu machen und sich um ihr Wohlergehen im Diesseits zu kümmern, anstatt sie bloß auf das Jenseits zu verweisen.
In keinem Land Lateinamerikas fanden diese Beschlüsse eine so flächendeckend positive Aufnahme wie in El Salvador. Ein guter Teil des Klerus’ El Salvadors, von den Barfuß-Geistlichen in den Dörfern bis zu den Seelsorgern in den Städten, und auch die Spitzen der Hierarchie machten sich daran, für ihre Schäfchen bessere Lebensbedingungen zu erstreiten. In Predigten, mit Initiativen zur Volksbildung, und mit Forderungen an die lokalen Behörden, doch Schulen zu errichten und die Landfrage auf die Tagesordnung zu setzen.
Sie arbeiteten dabei natürlich auch fallweise mit den in der Zwischenzeit entstandenen linken Guerillaorganisationen zusammen, die das Gleiche vorhatten.
b) Der Vatikan und El Salvador
Als Karol Wojtyla 1978 zum Papst gewählt wurde, war eines seiner wichtigsten Anliegen, die „Theologie der Befreiung“, sozusagen den Kommunismus innerhalb der Kirche, mit allen Mitteln zu bekämpfen. Ihm standen dabei Ernennungen von vakanten Posten, Hirtenbriefe und sonstige Anweisungen an die Diözesen zur Verfügung. Der Vatikan hatte es auch in der Hand, staatliche Repression gegen Geistliche zu rechtfertigen, als Willen Gottes gegen Abtrünnige, die den rechten Weg verlassen hatten.
In den 80-er Jahren wurde der Spruch „Bring einen Priester um!“ zu einer Art Anweisung an die Militärs und Paramilitärs von El Salvador. Und sie befolgten diese Anweisung. Bis heute sind nur die Morde an wichtigen Vertretern der Kirche und ausländischen Priestern und Missionaren Gegenstand von Untersuchungen. Wie viele unbekannte, unbedeutende Geistliche dran glauben mußten, wurde nie erfaßt.
Als der Erzbischof von San Salvador, Óscar Romero, 1980 am Altar während der Zelebrierung eines Gottesdienstes erschossen wurde, konnte der Auftraggeber dieses Mordes, Roberto D’Aubuisson, sicher sein, dafür den Segen des Papstes zu haben. (D’Aubuisson wurde später eindeutig als der Mann im Hintergrund ermittelt, er starb nur rechtzeitig, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden.) Der polnische Papst kann also als direkter Komplize dieses Mordes bezeichnet werden. Romeros Tod machte den Weg frei für eine Neubesetzung seines Postens. Seither sind die Erzbischöfe von San Salvador und der gesamte höhere Klerus des Landes verläßliche Unterstützer der weltlichen Macht, und im Vatikan konnten alle ruhig schlafen.
Óscar Romero ist heute heiliggesprochen und hat auch einen Platz auf der Westminster Abbey, wo Märtyrer des 20. Jahrhunderts als Statuen verewigt wurden. Seine Heiligsprechung war aber lange umstritten, weil sich die Frage auftat: Wurde er wegen seines Glaubens ermordet oder aus politischen Gründen? Nur im ersteren Fall kann er nämlich heiliggesprochen werden. Unter Ratzinger ruhte das Gesuch, erst Papst Franziskius sprach ihn 2015 erst selig und dann 2018 heilig.
c) Die Kirche heute
Inzwischen hat der Klerus in El Salvador verstanden, auf welcher Seite er zu stehen hat.
El Salvador hat das strengste Anti-Abtreibungsgesetz der Welt. Unter keinerlei Umständen ist Abtreibung erlaubt. Abtreibung wird bis zu 8 Jahren Freiheitsentzug geahndet, aber wenn eine Abtreibung als beabsichtigter Mord qualifiziert wird – was sehr üblich ist – so drohen bis zu 40 Jahren Haft.
Viele Fehlgeburten werden auch als Abtreibung eingestuft und damit eröffnet sich die Möglichkeit, auch da Strafen bis zu 40 Jahren Freiheitsentzug zu verhängen.
Alle möglichen NGOs und Menschenrechtsanwälte laufen gegen dieses Gesetz Sturm, bisher ohne Ergebnis.
Das Interessante ist: Wie kommt es zu diesem Gesetz?
Die von D’Aubuisson gegründete Partei ARENA erließ dieses Gesetz unter ihrem Präsidenten Armando Calderón Sol im Jahr 1998. Im Jahr darauf erhielt dieses Gesetz auch Verfassungsrang.
Der damalige Erzbischof von San Salvador, Fernando Sáenz Lacalle, unterstützte dieses Gesetz, ebenso wie die inzwischen zahlreich vertretenen evangelikalen Kirchen des Landes. Es war eine Art Bund zwischen der geistlichen und der weltlichen Macht in El Salvador, mit der sie ihre Zusammenarbeit besiegelten: Mit Recht und Gesetz gegen die Armen, und mit Gott!
Dieser Bund ist als eine Art Distanzierung gegenüber den Irrwegen der 70-er und 80-er Jahre zu verstehen, als sich die Kirche auf die falsche Seite begeben hatte.
3. Bürgerkrieg
Seit den 60-er Jahren bildeten sich Widestandsnester, aus Bauern, Studenten, Journalisten und anderen Unzufriedenen. El Salvador befindet sich eigentlich schon seit damals in einem Zustand des Bürgerkrieges. Es ist verkehrt, den Bürgerkrieg erst mit dem Jahr 1980 anzusetzen, wie das allgemein üblich ist.
Ein Ergebnis des allgemeinen Terrors gegen die Bevölkerung war die fälschlicherweise als „Fußballkrieg“ bezeichnete Auseinandersetzung mit Honduras im Jahr 1969. Die Regierung des ebenfalls nicht sehr prosperierenden Honduras eröffnete in diesem Jahr eine Art Hetzkampagne und Vertreibung gegen die aus El Salvador geflüchteten Bauern, die sich in den Grenzgebieten niedergelassen hatten. Das Land sei nicht deshalb knapp, weil es auch in Honduras Großgrundbesitz und Plantagenwirtschaft für Cash Crops gibt, sondern weil die Salvadorianer sich dort breitgemacht hätten, wurde den Honduranern mitgeteilt.
Im Zuge von Fußballspielen der Nationalmannschaften wurde dieser Konflikt international bekannt. Der Grund dieser Auseinandersetzung war der Terror, den die Regierungen beider Länder gegen ihre Landbevölkerung führten. Den Medien weltweit gefiel es jedoch, das als eine Art Spinnerei der Bevölkerung beider Staaten zu qualifizieren, die einfach fußballnarrisch oder nationalistisch waren. So mußte nicht die unangenehme Wahrheit bemüht werden, daß Eigentum Ausschluß bedeutet, und daß der Grund und Boden in beiden Ländern im Besitz einer privilegierten Schicht ist.
Die Auseinandersetzung zwischen Militärs, Polizei, Gendarmerie und paramilitärischen Gruppierungen einerseits, und Studentenorganisationen, Gewerkschaften, Landarbeiterorganisationen und Guerilla andererseits erreichte nach der Ermordung Romeros einen neuen Höhepunkt. Damals verließen die Kommunistische Partei und mit ihnen verbündete Gruppen den Weg der demokratischen Wahl, der aufgrund des salvadorianischen Wahlsystems und des Klientelismus nie zu Wahlsiegen führen konnte, und wählten den Weg des bewaffneten Widerstandes.
Gegen den Gewaltapparat des Staates hatten sie nie eine Chance. Viele Mitglieder des Militärs und Geheimdienstes von El Salvador waren in der School of the Americas ausgebildetet worden. Sie praktizierten eine Politik der verbrannten Erde gegenüber jeglicher Art von Widerstand. Gegen Studenten, Landarbeiter, Gewerkschafter und sonstige Subversions-Verdächtige wurde alles aufgeboten, was gut und teuer war: Entführungen, extrajudikale Hinrichtungen, Auslöschung ganzer Dörfer, Folter und Verstümmelung, usw. usf.
Es wurde dabei auch das Land verwüstet, das die Bauern genutzt hatten, sodaß heute in El Salvador viel Land brachliegt, das die landlosen Bauern nicht nutzen können und die Grundherren nicht nutzen wollen.
Der Bürgerkrieg in El Salvador hat nach offiziellen Angaben um die 75.000 Tote gefordert.
Vor diesem Terror flüchteten viele Bewohner El Salvadors: in die Nachbarländer Honduras, Guatemala, Nicaragua. Und mehr als eine Million in die USA.
4. Die Banden
Die Flüchtlinge aus El Salvador waren mehr oder weniger die unterste Schicht der lateinamerikanischen Flüchtlinge. Sie hatten gar nichts und keinen Staat, der sie irgendwie schützte. Die politische Klasse El Salvadors war froh, sie los zu sein. Sie betrachtet ja schon seit langem die Besitzlosen des Landes als überflüssig, unnötig und gefährlich für ihre eigene privilegierte Position.
Die Immigranten fingen also ganz unten an und wurden bald auf das US-Bandenwesen für die Armen und Elenden verpflichtet. Um überleben zu können, bildeten sie eigene Banden und brachten sich gegenüber Schwarzen und anderen Lateinamerikanern weiter, die alle mehr Erfahrung im Leben als Outlaw angesammelt hatten. Die Kids aus EL Salvador lernten schmerzhaft und verlustreich, wie man sich in der unmittelbaren Gewalt-Konkurrenz bewährt.
Im Jänner 1992 wurden die Friedensverträge von Chapultepec in Mexiko unterzeichnet. Sie stellten ein völlige Niederlage der Guerilla und der Landlosenbewegung dar. Alles blieb beim alten, das Land blieb bei den Großgrundbesitzern, und die Militärs und sonstigen Killer erhielten mehr oder weniger Straffreiheit. Um nicht eine ganz schiefe Optik zu erzeugen, wurden einige Schlichtungs- und Wahrheitskommissionen ins Leben gerufen.
Damit war die Duldung der El Salvadorianer in den USA vorbei – jetzt ist ja alles in Ordnung, keine Gefahr mehr in der Heimat! – und sie wurden in großen Mengen ausgewiesen und „nach Hause“ deportiert. Jede Menge armer Schlucker stand auf einmal in El Salvador auf der Straße und hatte nichts. Es ist begreiflich, daß sie zum Überleben das Einzige einsetzten, was sie aus den USA mitgebracht hatten: Organisierte Gewalt.
Die Banden beherrschen heute das Alltagsleben El Salvadors. Die größte, die Mara Salvatrucha, soll zwischen 50.000 und 100.000 Mitglieder haben. Sie operiert auch in den Nachbarländern.
Wer das nötige Kapital in El Salvador hat, kann sich bis an die Zähne bewaffnete Schutztruppen leisten. Außerdem wissen die Banden ganz genau, an welche wichtigen Leute sie sich nicht heranwagen dürfen.
So bleiben Kleingewerbetreibende als Objekt für Schutzgelderpressung, und wer nichts zu bieten hat, kann sich immer noch für Prostitution oder Mitgliedschaft in der Bande einspannen lassen. Wer nein sagt, wird bald tot in einem Straßengraben gefunden.
Der herrschenden Klasse El Salvadors kommt diese Selbstverwaltung der Armut durchaus gelegen, bei allem Gejammer. Die Maras bilden, ähnlich wie die Mafia und verwandte Organisationen in Italien, ein „Sottogoverno“, eine Sub-Regierung: Sie machen den Staatsterror gegen die Armen auf eigene Faust und kosten die Staatskasse nichts.
Gerade einmal ist ein junger Mann aus El Salvador mit seiner kleinen Tochter im Rio Bravo ertrunken, weil er unbedingt in die USA gelangen wollte.
Nun ja.
Es ist jedenfalls nachvollziehbar, warum jemand aus einem Land wie El Salvador abhauen möchte.
Syriens Rückkehr zur Normalität
DAS EINSAMMELN VON DAVONGESCHWOMMENEN FELLEN
Mehr als 8 Jahre seit den ersten Unruhen und mehr als eine geschätzte halbe Million Tote später, nach 11 Millionen Flüchtlingen im In- und ins Ausland, und nach Zerstörung eines guten Teiles der ganzen Infrastruktur und Produktion sieht es so aus, als ob die vereinigten Anstrengungen der syrischen Armee, der Hisbollah, der russischen und iranischen Hilfstruppen und deren logistischer Unterstützung dazu geführt hätten, ihrem Ziel sehr nahe gekommen zu sein: Syrien in seinen Grenzen und die auf die Aleviten gestützte Regierung Baschar El Assads zu erhalten.
Das freut natürlich die USA, die EU und Israel gar nicht, weil sie gerne eine Regierung nach ihrem Gutdünken dort eingesetzt und das Territorium Syriens unter ihre Freunde verteilt, bzw. sich etwas davon genommen hätten.
Die Türkei hatte und hat Ähnliches vor, muß sich jedoch aus verschiedenen Gründen mehr zurückhalten, als es Erdogan und Co. lieb ist.
Eines haben die USA, die EU und die von ihnen unterstützten Dschihadisten jedenfalls erreicht: Syrien ist ökonomisch ziemlich am Boden.
Und dort soll es, wenn es nach diesen westlichen Leuchttürmen der Freiheit geht, auch bleiben.
1. Sanktionen
Die EU hat kürzlich wieder einmal alle bestehenden Sanktionen gegen Syrien bestätigt und verschärft.
Sie beziehen sich auf Import und Export von Energieträgern, Blockierung von Finanztransaktionen, Verbot des Exports von Erdöl- und Kommunikationstechnologie nach Syrien, Flugverbote für syrische Flugzeuge und Flüge nach Syrien, u.a.
Es ist klar, daß damit Syrien die Möglichkeit genommen werden soll, durch Ölverkäufe Devisen zu erwirtschaften, seine eigene Energieversorgung aufrecht zu erhalten und an internationale Zahlungsmittel zu kommen, um Güter aller Art auf dem Weltmarkt zu erwerben.
Diese Sanktionen zielen vor allem darauf, zu verhindern, daß Syrien zu Geld kommt und seine zerstörte Wirtschaft wiederaufbauen kann. Das wird natürlich von den wohlmeinenden Staaten der westlichen Wertegemeinschaft alles nur gemacht, um die armen Syrer von ihrem „Regime“ zu befreien. Alles also letztlich im Interesse des p.t. Publikums.
Diese Sanktionen, ähnlich wie die gegen andere Schurkenstaaten wie Kuba oder den Iran oder Venezuela, rufen im Land zwar Verwerfungen und Versorgungsmängel hervor, haben aber letztlich für die verhängenden Länder zur Folge, daß sie einen Markt verlieren. Das betroffene Land muß sich nach anderen Importquellen umsehen. Und ärgerlicherweise gibt es die. So springen Rußland, China, Katar, Ägypten, der Libanon und andere Länder als Krediteure, Lieferanten und Transitländer ein und machen diejenigen Geschäfte, die das Kapital der die Sanktionen verhängenden Staaten nicht mehr machen kann.
Die Sanktionen sind somit ein zweischneidiges Schwert, und das merken vor allem die EU-Staaten. Der Preis, auf dem US-Markt weiter präsent sein zu dürfen, ist der, andere Märkte aufzugeben. Der Selbsterhalt des EU-Bündnisses und seiner Währung bedeutet also wirtschaftliche Selbstbeschränkung und wachsende Abhängigkeit von den USA.
2. Die Justiz im Reich des Guten, Teil 1: Anklage gegen Dschihadisten geht gar nicht!
Kürzlich hat Trump für einige Aufregung gesorgt, als er die EU-Staaten aufgefordert hat, ihre Dschihadisten zurückzunehmen.
Diejenigen IS-Kämpfer und ihre Familien, die bei den Kämpfen der letzten Jahre von den kurdischen mit ihnen verbündeten arabischen Milizen Milizen im Nordosten Syriens gefangenengenommen wurden, vor allem vor und nach dem Fall von Rakka, sitzen dort nämlich in Lagern herum und niemand weiß, wohin mit ihnen. Die Vertreter der Kurden haben schon öfter verlangt, von diesem menschlichen Ballast befreit zu werden. Sie haben nämlich weder das Interesse noch die Kompetenz, sie vor Gericht zu stellen. Erst als Trump die Sache zur Sprache brachte, kam eine Reaktion aus der EU. Seither wälzen diverse Politiker, die Medien und „Experten“ aller Art die Frage, ob man denn das könnte oder wollte?
Wessen sollen sie eigentlich angeklagt werden? Halsabschneiden, Dienst in einer fremden Armee, Unterstützung einer terroristischen Vereinigung?
Alles gaaanz schwierig. Für dort begangene „Gräueltaten“ brauchte man Beweise, um diese Gotteskrieger verurteilen zu können. Man müßte mit kurdischen Milizen und syrischen Behörden zusammenarbeiten.
Nur das nicht!
Was die Kurden anginge, so wären sie damit von der EU ein Stück weit als halbstaatliche Autorität anerkannt, die Türkei wäre sauer, und es könnte zu Verwicklungen aller Art kommen.
Und erst die syrischen Behörden! Man müßte den Unrechtsstaat und den „Schlächter“ als Regierung anerkennen, um mit syrischen Behörden zusammenarbeiten zu können.
Auch der „Dienst in einer fremden Armee“ als Tatbestand hat es in sich. Damit wäre der IS als Staat anerkannt, was ja auf keinen Fall sein soll.
Schließlich ist es auch mit der „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ nicht ganz einfach. Was heißt „Unterstützung“? Wenn diverse Frauenzimmer sich darauf berufen, doch nur für ihren Schatz gekocht und ihm die Wäsche gewaschen bzw. sich ihm als Beischläferin zur Verfügung gestellt zu haben, können sie dafür verurteilt werden?
Die Dschihadisten wiederum rasieren sich ihren Bart ab, nehmen wieder eine westliche Ästhetik an und beteuern, nur Sanitäter gewesen zu sein bzw.in der Küche Kartoffeln geschält zu haben.
Um ihnen nachzuweisen, daß das nicht so war, sind kostspielige Untersuchungen notwendig, Befragung von Milizmitgliedern, Einsatz von Dolmetschern, Juristen, Reisen in Gebiete, wo man sich auch heute noch nicht ganz sicher fühlt und womöglich in sehr bescheidenen Unterkünften hausen muß, weil die 4 Stern-Hotels alle dem Bürgerkrieg zum Opfer gefallen sind.
Die mit so einem Fall befaßten Juristen könnten sich da ein recht genaues Bild davon machen, wie die Aufständischen in Syrien gehaust haben, und es ist nicht sicher, ob das für die deutsche oder französische oder andere Regierungen angenehm wäre. Immerhin könnte man da anfangen, über Gründe und Hintergründe des Krieges nachzudenken und ein unerfreuliches Bild über die Beteiligung diverser EU-Staaten gewinnen.
Diese Variante – heimholen und hier vor Gericht stellen – ist aber auch deswegen die populärste und naheliegendste, weil Väter und Mütter der Dschihadisten und ihrer Dulcineas mehr oder weniger laut fordern, doch ihre lieben Kinder und die herzigen Enkerln, die oftmals auch schon Halsabschneider-Kurse durchlaufen haben, bei sich haben zu können.
Die nächste Idee, die aufkam, war die, dortselbst Gerichte einzurichten und die über das konsularische Personal zu betreuen.
Das ist natürlich eine besondere Schnapsidee. Erstens haben weder die syrische Regierung noch die kurdische Verwaltung ein Interesse, sich zu Handlangern der europäischen Justiz zu machen. Ansonsten gibt es in Syrien Wichtigeres zu tun, als langwierige Gerichtsverfahren gegen fanatische Killer zu führen.
Der Irak, der die Angeklagten oder auch nur Verdächtigen in Schnellverfahren zu Tode verurteilt – und auch hinrichtet –, ist kein Vorbild für Syrien. Weder die syrische Justiz noch die Behörden Rojavas haben vor, es ihm gleichzutun. Diese Henker-Tätigkeit lehnen sie ab.
Zweitens ist es eine Illusion und auch eine Frechheit, anzunehmen, Syrien oder die kurdischen Behörden würden so etwas wie eine exterritoriale Jurisdiktion bei sich dulden, also die Rechtssprechung fremder Länder bei sich zulassen.
Und schließlich haben Konsulatsbeamte keine strafrechtliche Ausbildung oder Kompetenz.
Ein weiterer Vorschlag lautete, doch einen internationalen Gerichtshof einzusetzen. Auch dieser Vorschlag prosperiert nicht.
Die internationalen Gerichthöfe betreffend Ruanda und Ex-Jugoslawien verdanken ihr Zustandekommen einer außerordentlichen Konstellation, als Rußland und China auf Kooperation mit den USA und der frischgebackenen EU setzten und deshalb im Sicherheitsrat einem solchen Gerichtshof zustimmten. Diese Situation ist aber heute nicht mehr gegeben. Ohne ein solches Mandat läßt sich aber ein solcher Gerichtshof nicht mehr einrichten.
Darüber hinaus war der Untersuchungsgegenstand dieser Gerichte ein anderer. Da ging es um die Aburteilung eines sozialistischen Staates als Verbrechen überhaupt, und um die Zurechtstutzung der Nachfolgestaaten zu subalternen Hinterhöfen der EU. Oder, im Falle Ruandas und Burundis, um die Aburteilung eines Genozids, um so etwas überhaupt einmal durchspielen zu können, durchaus mit Absicht auf etwaige Folge-Prozesse.
In Syrien schaut das ganz anders aus.
Ein Gerichtshof wegen Kriegsverbrechen in Syrien könnte sich nicht nur auf den IS beschränken. Die meisten Staaten sind aber nicht daran interessiert, Al Nusra-Front-Mitglieder, Weißhelme und ähnliche auf die Anklagebank zu setzen, weil sie teilweise von ihnen unterstützt wurden und werden. Großbritannien würde da nicht gut aussehen, die Türkei schon gar nicht, und Saudi-Arabien wäre gar nicht erfreut, wenn auch nur ein Teil seiner IS-Unterstützung ans Licht käme. Und erst die USA …
3. Die Justiz im Reich des Guten, Teil 2: Anklage gegen Freunde der Kurden oder der Regierung Assad geht schon!
Deutschland möchte sich offenbar im Spiel halten für einen Regime Change in Damaskus und an seiner Feindschaft gegen Assad festhalten.
Nachdem es seinerzeit nicht gelungen ist, den internationalen Gerichtshof in Den Haag für dieses Projekt zu gewinnen, ist die deutsche Justiz selber tätig geworden.
Sie zieht eine eigene Gerichtsbarkeit gegen Assad auf, wo frühere Mitglieder von Geheimdiensten, Regierung usw. vor Gericht gestellt werden sollen. Das alles mit Fotodokumenten und Zeugen, und möglicherweise auch besonders behandelten Kronzeugen unter den Flüchtlingen, die, hmmm, zu gewissen Aussagen überredet oder sonstwie gebracht werden sollen. Immerhin kriegt man sicherer Asyl, wenn man sich als vom Assad-Regime als verfolgt bezeichnet …
Um die Sache weiterzubringen, werden auch Verhaftungen vorgenommen.
Auch für syrische Juristen, die sich dafür einspannen lassen, gibt es bei diesem Gericht Jobs.
Deutschland maßt sich da eine Jurisdiktion über eine fremde Staatsgewalt an, das ist schon recht gewagt. Offenbar will es aus den vielen syrischen Flüchtlingen politisches Kapital schlagen. Da es aber gar keine Mittel hat, um die etwaigen Urteile gegen syrische Verantwortliche auch zu vollstrecken – sofern sie sich nicht in Deutschland befinden – haben derartige Verfahren auch etwas Lächerliches an sich. Man merkt sowohl den Anspruch als seine Haltlosigkeit.
Auch linke Kämpfer, die auf Seiten der YPG gekämpft haben, kommen vor Gericht.
Immerhin ist die PKK in Deutschland offiziell als terroristische Vereinigung eingestuft, die YPG-Milizen gelten als ihre syrische Filiale, und daß da jemand sich sozusagen Revolutions- und Aufstands-Unterricht holen könnte, das gefällt den Behörden gar nicht.
Auch in Spanien werden Mitglieder einer linken Gruppe, die nach Rojava sind, um dort den IS zu bekämpfen und sich Tips für den bewaffneten Kampf zu holen, vor Gericht gestellt, weil sie sich dort Milizen angeschlossen haben, „die von der terroristischen Organisation PKK-KCK abhängen“.
Fazit
Man merkt, die Bekämpfung des IS war und ist nicht erste Priorität vieler EU-Staaten.
Man merkt auch, der System-Change in Syrien ist nicht gelungen, wird aber dennoch gerade von Deutschland nicht aufgegeben.
Die Außenpolitik der EU-Staaten in Syrien und Umgebung ist zusätzlich kopf- und auch zahnlos geworden, seitdem die USA ihren Rückzug angekündigt haben.
Die Justiz erweist sich als ein eher mattes Mittel der Außenpolitik und kann Armeen und Waffensysteme nicht ersetzen.
Die EU verliert durch ihre Bündnistreue zu den USA jedes Jahr mehr Gewicht in der Welt.