Die mediale Aufarbeitung von terroristischen Anschlägen

ATTENTATE
Irgendwie gehören Anschläge in der EU inzwischen zum Alltag. Man gewinnt den Eindruck, sie können immer und überall passieren. Die meisten Medien berichten darüber, als handle es sich um Naturkatastrophen. Die Frage nach dem Warum? verbietet sich mehr oder weniger. Die Attentäter sind verrückt, unmenschlich, Fanatiker, ihre Motivation liegt im Dunkeln. Den Gerichten bleibt es überlassen, nach Motiven zu suchen, die mediale Öffentlichkeit will von ihnen nichts wissen. Barack Obama hat es anläßlich einer Schießerei in einer Schule seinerzeit programmatisch formuliert: die Tat sei unerklärlich. Damit war ein Befehl bzw. Verbot ausgesprochen: Nachforschungen nicht erwünscht! Sie könnten ein schlechtes Licht auf den Zustand der Gesellschaft, die Tätigkeit der Institutionen usw. werfen.
Seither folgt die Berichterstattung über Anschläge einer Art Drehbuch, das von verschiedenen Zeitungen, Radios und Fernsehsendern eingehalten wird. Mit Entsetzen und Aufregung wird berichtet, was geschehen ist. Die Wortwahl tropft vor Betroffenheit und moralischer Entrüstung. Dann werden Augenzeugen vors Mikrofon gebeten, die stammeln: Es war schrecklich! Wenn sie noch möglichst unter Schock stehen oder ihnen die Tränen herunterlaufen – um so besser! Das wirkt authentisch.
Der Rest der Berichterstattung ist den Opfern gewidmet. Ihre Nationalität, ihr Alter, ihre Lebensläufe werden aufgearbeitet, Angehörige interviewt. Man sieht Kerzen- und Kranzmeere – ganz fremde Leute zeigen ihre Ergriffenheit. Wie rührend!
Die Politik hat natürlich ihre Sternstunden. Verschiedene Politiker überbieten sich darin, den Anschlag / die Anschläge / alle Anschläge / alle Fanatiker zu verurteilen.
Was soll man sich davon kaufen? – wäre eine angebrachte Frage. Es hat ja wirklich niemand erwartet, daß sie Beifall klatschen. Dieses entrüstete Blabla ist völlig folgenlos und kann den aufmerksamen Beobachter nicht darüber hinwegtäuschen, daß die hohen Herrschaften jedenfalls keine ernsthaften Maßnahmen zur Vermeidung von dergleichen Anschlägen vorhaben.
Das ganze Theater, mit dem die mediale Aufarbeitung dann abgeschlossen ist, erspart jedem lästiges Stirnrunzeln über die Innen- und Außenpolitik der diversen EU-Staaten.
Ersteres betrifft den Zustand der Ökonomie, die immer mehr Leute für überflüssig erklärt, und die sozialstaatliche Behandlung der Betreffenden.
Die inzwischen auch medial abgesegnete Armutsverwaltung in der EU folgt der 3-Schritt-Betrachtungsweise: 1. ist jeder selber schuld, wenn er keinen Job und kein Geld hat. 2. kümmert sich die Demokratie dennoch vorbildlich um diese Nichtsnutze. 3. sind die dann oftmals so undankbar und verblödet, daß sie die falschen Herren wählen, den falschen Gott anbeten und weitere unerklärliche und störende Verhaltensweisen an den Tag legen. Eigentlich ein ziemlicher Abschaum, „gefährliche Klassen“, die sich hier „bei uns“ breitmachen, und zusätzlich auch noch diese ganzen Wirtschaftsflüchtlinge, die es auf „unseren Wohlstand“ abgesehen haben!
Aus diesem Konglomerat von Unerwünschten, die die reife Demokratie leider! leider! nicht einfach vernichten oder in die Wüste schicken kann, stammen dann auch die Attentäter, und jedes Attentat wird von den Medien dafür benützt, weiter gegen die Armen, die Banlieue, die bildungsfernen Schichten, islamische Mitbürger usw. zu hetzen.
Die Zeiten sind übrigens lang vorbei, als dergleichen Propaganda nur bei den bei Intellektuellen übel beleumundeten Massenblättern üblich war. Inzwischen konkurrieren die Intellektuellenblattln mit Bild und Krone und die staatlichen Medien mit den kommerziellen darum, wer hier die Nase vorn hat.
Der zweite Themenkomplex, der bei dergleichen Betroffenheitsgedusel fein heraußen ist, ist die Außenpolitik der EU. Unterstützung von Regimes, die ihr Nachbarland mit Krieg überziehen, den islamischen Terror unterstützen, bei sich zu Hause die Todesstrafe für Ehebruch anwenden usw., wie Saudi Arabien – kein Problem für die europäische Wertegemeinschaft! Ein Kniefall vor dem Sultan, der einen Teil des eigenen Landes mit Krieg überzieht, jahrelang die Plünderung und Zerstörung Syriens aktiv betrieben hat – eine realpolitische Notwendigkeit angesichts des „Flüchtlingsproblems“, das die EU tatkräftig in die Wege geleitet hat, und wo nur Erdogan helfen konnte. Die Zerstörung Syriens und Libyens, der Ende-Nie-Krieg in Afghanistan – da wollte und will die EU unbedingt dabei sein. Aber wenn die Geschädigten all dieser Unternehmungen bei ihr an die Tür klopfen, dann hat sie ein Problem.
Afrika wiederum wird seit Jahrzehnten als Rohstoff- und Agrarlieferant zugerichtet, bei großer Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Natur. Aber die Hungerleider, die wir geschaffen haben, die wollen wir nicht! Das sind doch nur faule Hunde, die es auf unsere Frauen abgesehen haben!
So schließt sich der Kreis. Das unerklärliche Böse, der per se aggressive Islam, die fremde Kultur verbündet sich mit der gemeinen Berechnung und kriminellen Energie der armen Leute und gefährdet unseren Wohlstand und unsere Lebensart.
Die Bewohner Barcelonas, oder zumindest einige von ihnen, spielen auch brav ihren Part. Sie geben ihr Einverständnis in die ganze Berichterstattung, marschieren auf und verkünden: Wir haben keine Angst!!

Um was geht es beim Kommunismus?

BEDÜRFNISBEFRIEDIGUNG UND PLANWIRTSCHAFT
Aufgrund der Debatten auf diesem Blog habe ich mich entschlossen, eine eigene Seite zum Thema „Kommunismus“ einzurichten.
Kommunismus heißt: eine Gesellschaft, die ohne Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht auskommt. Nach dem Spruch von Marx in der „Kritik des Gothaer Programms“ „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
Eine solche Gesellschaft ist erstrebenswert, und aufgrund der derzeitigen technischen Gegebenheiten möglich.
Die Frage ist jetzt: Wie kommt man dahin?
Man muß dafür Werbung machen, indem man gegen alle Vorstellungen von Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht argumentiert.
Das heißt, einmal der Menschheit zu erklären, was Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht bedeutet, um allen begreiflich zu machen, warum diese gewaltmäßig eingerichteten Einrichtungen schädlich sind für die Individuen.
Das ist die Aufgabe von Kommunisten.
Dafür sind alle heutigen technischen Möglichkeiten zu nutzen.
Ich ersuche alle Diskussionseilnehmer, folgende Regeln zu beachten:
Immer unter dem gleichen Blognamen zu posten.
Auf die Argumente der Vorposter einzugehen.
Sich bitte bitte auf einen Punkt zu konzentrieren, und davon nicht abzulassen, bevor das Thema erledigt ist.
Ich ersuche andere Blogteilnehmer – Neoprene und Krim – sich ein bißl um die Moderation der Debatte zu bemühen, weil ich selbst hab wirklich 1000 Sachen um die Ohren und kann mich kaum um meinen Blog kümmern. (das war so für einen Blogger nicht vorauszusehen.).

Pressespiegel El País, 6.2. Flüchtlinge in Mittelamerika

„DIE MAUER BEGINNT IM SÜDEN“
Reportage von der guatemaltekisch-mexikanischen Grenze
„Mexiko verzeichnet Rekordzahlen, was Ausweisungen von Flüchtlingen betrifft, während die Asylansuchen um 1000 % in die Höhe schnellen. Organisationen sprechen von einer „humanitären Krise“ an seiner Südgrenze.

Carla, nach drei Versuchen, in den Vereinigten Staaten zu kommen, zwei Kindern und einer Vergewaltigung, hat es aufgegeben, Mexiko zu durchqueren und trägt lieber Bier auf der Chapín(1)-Seite aus.
Die Grenze zwischen Mexiko und Guatemala erstreckt sich etwa 1.000 Kilometer lang, entlang des Tecún Umán, einem braunen Fluss, kniehoch während der Trockenzeit, der direkt neben der Zollstation ohne Fragen oder Papiere zu Fuß überquert werden kann.

Hier ist die guatemaltekische Seite der Grenze ein Stück Land, wo Händler/Schmuggler, Drogenkuriere, Migranten, Prostituierte, normale Bewohner und Geldwechsler leben, und auch Leute, die ganz unerwartet vor aller Augen einem gerade erjagtem Opposum die Haut abziehen, als wäre es eine Zirkusvorführung.
»Der Hurensohn von einem Zug!«, sagt José über den Unfall, bei dem ihm die Beine abhanden kamen, als er versuchte, auf den Zug mit dem Namen »La Bestia« (das Untier) aufzusteigen, der Mexiko von Süd nach Nord bis zum Golf von Mexiko durchquert.

Sowohl Carla als José sind auf der anderen Seite des unsichtbaren Südmauer gestrandet.
Die intensive polizeiliche Überwachung, das „Untier“, Verbrecher-Kartelle, die Netze des Menschenhandels und Abschiebungen sind die Bausteine einer virtuellen „Mauer“, die sich 3.000 Kilometer südlicher erhebt als die, die Donald Trump bauen will.
»Die Mauer, die den Migranten Angst macht, ist Mexiko, nicht diejenige von Trump«, erklärt Mario Hernani, Koordinator des Casa del Migrante (Haus des Migranten) in Tecún Umán, Guatemalas letzter Gemeinde vor der Grenze. »Alle, die diesen Route wählen, wissen, dass sie angegriffen, erpresst oder vergewaltigt werden, in erster Linie von den Behörden«, fügt er hinzu.
Laut der Dachorganisation der Verteidiger der Migranten (Redodem), die mehr als 30.000 Migranten, die in ihren Unterkünften Zuflucht gefunden haben, befragt hat, war für fast die Hälfte der an ihnen begangenen Verbrechen im Jahr 2015 die Polizei verantwortlich (41%), für den Rest die organisierte Kriminalität und gewöhnliche Verbrecher.

Jedes Jahr durchqueren 400.000 Personen Mexiko, zumeist aus Mittelamerika, mit durchschnittlich 60 $ in der Tasche, Teilnehmer eines stillen Exodus, um der Gewalt zu entkommen.
Marcelo, 36, und Nancy, 20, flohen aus El Salvador am 4. Januar, als ein Typ des Mara-Salvatrucha, der größten kriminellen Bande im Land, bei ihnen zu Hause erschien, mit dem Kolben der Pistole die Tür einschlug und ihnen 24 Stunden gab, das Haus zu verlassen. Es war die letzte Warnung. Sie hätten gewollt, daß Nancy für sie zu arbeitet.
Am Dreikönigstag, kaum daß sie den Fluß überquert und mexikanischen Boden betreten hatten, wurde ihnen alles Geld und ihre alten Handys gewaltsam abgenommen.
Einen Monat später sitzen sie im Hof einer Herberge der Scalabrinianer (eines katholischen Mönchsordens), und das Gerede vom „Anziehungseffekt“ kommt ihnen seltsam vor.
»Aber was, ich bin aus Angst weg aus El Salvador, nicht wegen einer Mauer, weil mich sonst die Typen von der Salvatrucha-Bande am nächsten Tag in Stücke gehaut hätten«, versichert Marcelo, während er die Hand seiner Freundin hält. »Mauer hin oder her, ich mußte weg.«

In den letzten sechs Jahren haben die Asylanträge in Mexiko mehr als 1000% zugenommen. Die Kurve ist der UNHCR zufolge von einigen hundert Fällen im Jahr 2011 fünf Jahre später auf fast 9000 geschnellt. Und für das kommende Jahr rechnen diese Behörde mit einer Verdopplung.
Mehr als 90% dieser Anträge kamen von Menschen aus dem nördlichen Dreieck von Mittelamerika – Honduras, El Salvador und Guatemala, auf der Flucht aus Städten wie San Salvador in El Salvador oder San Pedro Sula in Honduras, die zu den gewalttätigsten in der Welt gerechnet werden.

Mexikos Reaktion war, das Budget für die Inhaftierung von Migranten und Flüchtlingen zu erhöhen, mit der Einrichtung des mehrdeutigen „Planes Südgrenze“, unterzeichnet im Jahr 2014 im Rahmen der Merida-Plans, der die Zusammenarbeit mit den USA für Bekämpfung der organisierten Kriminalität verstärkt. Seitdem ist die Zahl der Verhaftungen und Deportationen gestiegen.
Barack Obama war derjenige Präsident, der die meisten Migranten abgeschoben hat, 2,8 Millionen Menschen zwischen 2008 und 2016. Allerdings hat inzwischen Mexiko die USA als Gendarm im Süden abgelöst und in den letzten zwei Jahren die USA bezüglich Abschiebungen übertroffen. Letztes Jahr deportierte die USA 96.000 Migranten, Mexiko 147.000, nach offiziellen Angaben im Durchschnitt 293 Personen pro Tag.
Während 60% der aus den USA Abgeschobenen jedoch irgendein Verbrechen begangen hatten, waren in Mexiko die meisten Ausgewiesenen ohne Vorstrafe.

Mexiko macht die Drecksarbeit für die USA, das ist sein Auftrag, und den erfüllt es perfekt … Gleichzeitig hat Mexiko jedoch eine Anerkennungsrate von 64% der Asylanträge, weit höher als viele andere Staaten, was an die ruhmreichen Anerkennungsquoten seiner Vergangenheit erinnert, als es viele Bürgerkriegsflüchtlinge aus Spanien und Mittelamerika aufnahm.
Verängstigt aufgrund der schwierigen Bedingungen, unter denen sie nach Tapachula kamen, warten Marcelo und Nancy in der Bethlehem-Herberge auf das Ausstellen von gültigen Dokumenten für Flüchtlinge, um weiterreisen zu können.
»Ich will in die USA und wenns nicht geht, bleib ich auch in Mexiko. Aber nicht in Tapachula, hier hab ich Angst«, beschwert sich Marcelo über die Polizei und das feindselige Klima gegenüber Migranten. »Sie nennen uns Ratten, Entführer, Kriminelle, Bandenmitglieder.« Das salvadorianische Paar hatte das Pech, gerade in dem Augenblick nach Tapachula zu kommen, als es Plünderungen aus Protest gegen die Erhöhung der Benzinpreise gab, und die ganze Stadt war ein einziges Chaos.
Der Bürgermeister von Tapachula, Néftali de Toro von der PRI, leistete seinen Beitrag zur aufgehetzten Stimmung gegen die Migranten, indem er sie als Anstifter der Plünderungen bezeichnete, obwohl sich damals Anfang Jänner dergleichen in ganz Mexiko abspielte, mit mehr als 100 Überfällen pro Tag.
»Tapachula ist verseucht durch die Migranten« sagte damals der Bürgermeister einer Stadt mit 400.000 Einwohnern, 3 500 Wirtshäusern und Bordellen, und einer Bibliothek.“
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(1) Eine Art hochgeschlossene Sandale mit Korksohle, die heute als ein Symbol Guatemals gilt.
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Wer Donald Trump zum ausländerfeindlichen Buhmann stilisiert, will vom US-amerikanischen und weltweiten Umgang mit Flüchtlingen nichts wissen. Die Mauer zu Mexiko ist auch nur eine Verlegenheitslösung, wenn sie überhaupt gebaut wird, die den Ansturm der Habenichtse und Vertriebenen nur erschweren, aber nicht aufhalten kann. Sie wird höchstens mehr Menschen aufs Meer treiben, sodaß man sich in Zukunft auf Nachrichten von Ertrinkenden auch vor den US-Küsten einstellen können wird …
Ein weiterer Aspekt dieses Artikels ist der Zustand mancher mittelamerikanischen Staaten, deren Wirtschaft dermaßen am Boden ist, daß ein legales Überleben dort für so viele unmöglich ist, da dort praktisch bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen – nicht aus politischen, sondern aus ökonomischen Gründen.
Armut, erinnern wir uns, ist genausowenig ein Asylgrund wie Krieg …