GRUNDSÄTZLICHES ÜBER GELD UND KREDIT IN DER EU (UND AUSSERHALB)
Wenn heute von der „Corona-Krise“ geredet wird, ist das irreführend, weil die wirtschaftlichen Verwerfungen aufgrund der Lockdowns treffen auf ein Wirtschafts- und Währungssystem, das schon vorher höchst wackelig war. Es geht also nicht um eine neue, zyklische Krise, nachdem die vorige überwunden worden wäre, sondern um die Verschärfung einer sowieso auf die Dauer unhaltbaren Lage.
Wie man auf Spanisch sagt: Llueve sobre mojado – es regnet auf nassen Grund.
1. Die Rolle der EZB
Lagarde hat gleich bei Amtsantritt angekündigt, das Aufkaufsprogramm ihres Vorgängers fortzusetzen, was ja auch schon gewaltige Geldmengen zumindest in die Bankenwelt geleert hat, indem Staats- und Firmenanleihen aufgekauft wurden. Vergessen wir dabei auch nicht die Bankanleihen, zur Vermeidung von Bankencrashes.
Dieses Programm wurde von Draghi kurz nach seiner Übernahme verkündet, nachdem Trichet die EZB mehr schlecht als recht und durch ad-hoc-Aufkäufe durch den Anfang der Euro-Krise manövriert hatte.
Draghi sagte damals sinngemäß: Wir werden alles Nötige tun, um den Euro zu retten.
Diese Maßnahme war zunächst als Überbrückungsmaßnahme gedacht, bis „die Konjunkturlokomotive wieder anspringt“, ein ordentliches Wachstum zustandekommt, usw. usf.
Was nicht eingetreten ist.
Bis zum Wechsel Draghi-Lagarde war bereits klar, daß es sich hierbei um eine Dauereinrichtung handeln wird, weil all die Jubelmeldungen um 1,5%-Wachstümer irgendwo in der EU nicht darüber hinwegtäuschen konnten, daß auch die kreditfinanziert waren und der große Sprung nach vorn nicht mehr passieren wird.
Damit war auch entschieden, daß man dieser Tatsache ins Auge sehen muß und die EZB daher in Zukunft eher mehr als weniger Geld in die Wirtschaft pumpen muß. Das war bereits vor der Coronakrise klar.
Die Klage vor dem deutschen Verfassungsgericht mit dem Anliegen, der EZB die Schuldenfinanzierung zu untersagen, war ebenfalls bereits vorher anhängig und wurde erst jetzt, zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt, entschieden.
(Wer sind eigentlich die Kläger?)
2. Die Rolle der Nationalbanken
Die Notenbanken in der Eurozone haben inzwischen andere Aufgaben als die außerhalb derselben.
Die Notenbanken Ungarns, Polens usw. sind darauf verpflichtet, ihren Wechselkurs zum Euro, an den sie in ausschließlicher Form gebunden sind, durch Anleihen-Emissionen auf Euro-Börsen halbwegs stabil zu halten. Dadurch, daß sie bei ihrem Beitritt die Bindung an andere Währungen in Form von Währungs-Körben aufgeben mußten, stärken sie den Euro, ohne an ihm teilzuhaben, und erweitern sein Spektrum. Sie sind dadurch weitaus abhängiger und schwächer, als es diverse westeuropäische Währungen vor der Einführung des Euro waren. Um das an einem Beispiel zu veranschaulichen: Der heutige Forint ist eine lokal begrenztere Währung als es die Drachme vor der Euro-Einführung war.
Das zeigt sich auch an den großen Unterschieden, die zwischen An- und Verkaufskurs dieser Währungen zum Euro bestehen – mit Ausnahme etwas stärkerer Währungen, wie der schwedischen, dänischen oder tschechischen Krone.
Die NB-Chefs Ungarns, Polens oder Rumäniens usw. sind deshalb im Wesentlichen mit Währungspflege beschäftigt, mit Zinsfuß hinauf und hinunter, um ihre Staatsanleihen attraktiv zu halten. Ein guter Teil ihrer Staatsschuld ist also dem Aufrechterhalten des Wechselkurses geschuldet.
Anders die Notenbanken der Euro-Staaten: Ihre Direktoren sitzen im Aufsichtsrat der EZB und bestimmen den EZB-Kurs mit. Die Staaten mit intaktem Kredit kritisieren schon seit einiger Zeit das Aufkaufsprogramm der EZB und die sich daraus ergebenden Null- und Niedrigzinsen, was auf eine gewisse Kurzsichtigkeit von deren Vertretern hinweist: Der Euro besteht nur solange, als sich auch die auf der Verliererschiene befindlichen Staaten finanzieren können, und auch Deutschlands Export funktioniert nur, indem im EU-Ausland genug Zahlungsfähigkeit existiert.
De facto kreditieren die produzierenden Staaten die konsumierenden, um ihr Zeug loszuwerden. Und das müssen sie auch, um dieses schiefe Verhältnis weiter aufrechtzuerhalten.
Die EZB will mit ihrem Programm diesen Zustand weiter aufrechterhalten und Geld ohne Ende in die Ökonomien der EU oder zumindest Eurozone hineinleeren.
Andere Staaten, so vermute ich, denken schon eine einen möglichen Crash des Euro und wollen sich für die Zeit danach mit möglichst wenigen Verbindlichkeiten belasten. Es ist übrigens auffallend, daß dieser Einwand inzwischen von Regierungschefs und nicht von Notenbankchefs verkündet wird.
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Eine Erinnerung an einen anderen Schauplatz: Argentinien ist de facto zahlungsunfähig. Die einzige Möglichkeit, einen neuerlichen Bankrott zu verhindern, besteht darin, daß der IWF die Schulden übernimmt. Das hieße aber, daß der der IWF praktisch zu einer Stützungsinstitution für US-Banken wird, die die Haupt-Gläubiger Argentiniens sind.
Die Entscheidung darüber wird durch Fristverlängerungen hinausgeschoben, aber das geht auch nicht ewig.
Ginge Argentinien neuerlich bankrott, wäre das als Scheitern des IWF zu verbuchen, mit unabsehbaren Konsequenzen, und würde das US-Bankensystem und das weltweite Währungssystem erschüttern. Diesmal ließe es sich nämlich nicht, wie 2002, als eine kleine Störung im Getriebe handhaben und wegwischen.
Kategorie: Nationalismus
Die neue Pandemie II
DIE MEDIZINISCH-SEUCHENPOLITISCHEN MASSNAHMEN ZUM CORONAVIRUS
Es ist wieder einmal Zeit, eine neue Seite zu eröffnen.
Bitte die Posts zur Ökonomie, wenns geht, unter diesem Thread abwickeln.
Let’s get Brexit done!
GESCHAFFT?
Nachdem sich die mediale Öffentlichkeit lange an einer sichtlich uneinigen britischen Politikermannschaft ergötzt hatte, ist inzwischen eine Mischung zwischen Erleichterung, Ernüchterung und und Ärger eingetreten.
Sie haben es doch wirklich gemacht!
Die Bilder von vereinzelten und verhärmten EU-Fans, die auf den Straßen Londons EU-Fahnen wedeln und gegen den Brexit protestieren, werden uns also in Zukunft erspart bleiben.
Die überall breitgetretene Hoffnung, daß es sich die Briten doch überlegen und ein 2. Referendum ansetzen und schön brav wieder in die EU zurückkehren werden, haben sich endgültig in Luft aufgelöst. Insofern ist tatsächlich etwas geschehen, d.h. Fakten sind gesetzt worden.
1. Vom Referendum zum Austritt
sind ja immerhin dreieinhalb Jahre vergangen, in denen einem Uneinigkeit der britischen Eliten in Sachen Brexit und EU vorgeführt wurde.
Wie kam es eigentlich zu dem Referendum?
David Cameron bestritt unter anderem damit seinen Wahlkampf: Er erklärte 2013, ein Referendum „EU-Mitgliedschaft: Ja oder Nein?“ abhalten zu wollen, sollte er die Wahl gewinnen. Er gewann sie 2015 und setzte für das folgende Jahr diese Abstimmung an.
Der innenpolitische Grund für diese Abstimmung war also, auf eine gewisse Anti-EU-Stimmung zu setzen, auch im Lager der Opposition, und darüber auf Stimmenfang zu gehen.
Was die außenpolitische Lage angeht, so wollte der britische Premier sich über eine solche Abstimmung Rückendeckung und eine bessere Ausgangslage für Neuverhandlungen über den Mitgliedsstatus verschaffen. Die Veränderungen in der EU selbst wären Teil einer auch von anderen EU-Staaten angestrebten Reform gewesen, wo verschiedene Staaten mehr Handlungsfreiheit, mehr Unabhängigkeit und weniger Zahlungen auf Kosten anderer durchsetzen wollten. Diese Reform war also kein britisches Sonderprojekt.
Noch vor dem neuerlichen Wahlsieg Camerons ging 2014 das schottische Unabhängigkeitsreferendum über die Bühne. Über die vorangegangenen Entscheidungen und die britisch-schottische Parteienkonkurrenz, die diese Abstimmung zur Folge hatte, mögen Interessierte woanders nachlesen. Es stellte allerdings in Westeuropa eine Besonderheit dar – normalerweise sind Zugehörigkeit von Territorium und Separatismus Gewaltfragen, die mit der Waffe in der Hand entschieden werden, siehe Jugoslawien – und fand dann auch in Katalonien Nachahmer.
Das wichtige für die Brexit-Frage war jedoch, daß das schottische Referendum als eine Art Probegalopp für das Brexit-Referendum angesehen wurde. Da es mit relativ hoher Beteiligung – über 84% – recht bequem für den Verbleib Schottlands im Staatsverband ausging – 55,3: 44,7 –, waren alle beruhigt, daß das EU-Refrendum eine reine Formsache, eine g’mahte Wiesn für die EU-Anhänger sein würde. Dieser Zweckoptimismus herrschte bis zum Vortrag des Referendums in den Medien.
Dies alles nur zur Illustration dessen, daß keiner der Verantwortlichen den Brexit wollte. Er ist ihnen „passiert“. Das Volk hatte gesprochen.
Rücktritte und Schuldzuweisungen folgten. Nachdem sich in Brüssel das Entsetzen gelegt hatte, bildeten sich 2 Strategien heraus:
1. Das war ein Versehen, man sollte ein neues Referendum abhalten und die Wählerschaft entsprechend bearbeiten, wie es ja bisher in der EU auch ein paarmal gelungen war: So lange abstimmen, bis das Ergebnis paßt, – das war die erfolgreiche Strategie in Irland 2008, Holland und Frankreich 2005, wenn Plebiszite gegen die Generallinie der EU waren.
2. Wenn die Briten wirklich ernst machen, so sollte man sie hart bestrafen und schauen, daß sie ohne EU praktisch in der Unterhose dastehen.
In den folgenden Jahren stellte sich heraus, daß sich für Variante 1 keine Anhänger in GB finden würden, da das Votum eben kein Versehen war, und ein weiteres Referendum deutlich mehr Stimmen für den Austritt erbringen würde, nach dem Motto: Jetzt erst recht!
Unter 2. stellte sich heraus, daß die EU sich ein solches Vorgehen nicht leisten kann, weil GB ein zu wichtiger Handelspartner ist, dem man nicht einfach abschütteln kann, ohne negative Folgen für die Rest-EU.
Innenpolitisch hat sich bei der letzten Wahl gezeigt, daß in GB ein entschlossenes Auftreten für den Austritt satte Mehrheiten bringt.
2. Was heißt eigentlich „Austritt“?
Zunächst wurde einmal festgestellt und von der EU anerkannt, daß die britische Führung in Zukunft ihr Heil außerhalb des Bündnisses suchen will und wird.
Obwohl noch immer nicht klar ist, was das im Detail alles für Folgen haben wird, so ist mit diesem Schritt schon einiges passiert: Ein Land hat „Nein!“ gesagt und damit kundgetan, daß es seine nationalen Ambitionen bei diesem Bündnis nicht gut bedient sieht. Die EU ist dadurch schwächer geworden, und es ist nicht absehbar, wie sehr dieses Beispiel Schule machen und weitere Austritte nach sich ziehen wird.
Immerhin ist ja jetzt ein Präzedenzfall gesetzt, an dem andere Unzufriedene sich orientieren können.
Der Separatismus in der EU erhält ebenfalls Auftrieb, da Schottland sich gerne abspalten würde. Das wird die Londoner Regierung zwar nicht zulassen, aber die Lockrufe aus der EU werden erstens nationale Spannungen in Großbritannien verschärfen, und zweitens auch andere Abspaltungstendenzen befeuern, wie in Katalonien und Flandern.
Nordirland befindet sich in einer unklaren Situation, da die Frage der Grenze zwischen Irland und Nordirland nicht gelöst und letztlich auch nicht lösbar ist. Es würde eines Krieges bedürfen, um hier klare Verhältnisse zu schaffen.
Ein ausgetretenes Großbritannien hat außerdem die Möglichkeit, durch bilaterale Handelsverträge einen weiteren Spaltpilz in die EU zu pflanzen.
Schließlich gibt es auch Pläne, GB zu einer großen Steueroase zu machen.
In diesem Falle müßte sich GB verstärkt über Verschuldung finanzieren und das Pfund, das im Schatten des Euro groß geworden ist, würde in offene Rivalität zum Euro treten, mittels Zinsfüßen und Risikoprämien.
3. Stimmungsbilder-Reportagen statt Analyse
Den Medien kann man wenig über diese Überlegungen und Risiken entnehmen. Mit geschmäcklerischen Urteilen über Engländer – vor allem ältere und arme – und kulturphilosophischen Leerformeln über „Europa“ bis hin zu Häme und Schadenfreude – „Es wird euch schon noch leid tun!“ – wird man hingegen überschüttet.
Die selbsternannten Hüter des imperialistischen Auftrags der EU – als Bündnis zu einer Großmacht zu werden – und Gegner aller Zeichen von Schwäche bei der Verfolgung dieses Ziels haben ein Feindbild gefunden, das an Großbritannien mit Reportagen und Feulletons ausgemalt wird: Das sind die Ausgesteuerten, die Mindestrentner, die Perspektivlosen, die dann irgendwelchen Scharlatanen nachrennen und sie wählen – von Trump über Johnson (Corbyns Sieg wäre den Jounalisten und Kommentatoren natürlich auch nicht recht gewesen) bis zur AfD.
Die Grundlage der demokratischen Ermächtigung von Herrschaft: 1 Person = 1 Stimme wird von ihnen mehr oder weniger in Zweifel gezogen. Am liebsten wäre es ihnen, die Arbeiterklasse, die Armen und Überflüssigen in große bewachte Ghettos zu sperren, und ihnen das Stimmrecht zu entziehen.
Noch wird dergleichen nicht offen ausgesprochen, aber die Verachtung der Unterschicht ist den meisten dieser Brexit-Artikel deutlich anzumerken.