Desintegrationserscheinungen

KATALONIEN
Die katalanische Regionalregierung hat für den 1. Oktober ein Referendum über die Unabhängigkeit, d.h. die Abspaltung von Spanien angesetzt.
Während das seinerzeitige schottische Referendum mit Zustimmung der britischen Regierung durchgeführt wurde, geschieht das katalanische ohne die Erlaubnis der Zentralregierung in Madrid und verstößt damit gegen die gültige spanische Verfassung von 1978.

Die rechtliche und ökonomische Situation

Spanien wollte nach Francos Tod einen Neustart in Sachen Territorialverwaltung und Nationalitäten machen. Das Modell des „Regionalstaates“, für das sich die spanischen regierenden Eliten entschieden, unterscheidet sich vom Bundesstaat oder Föderalstaat zunächst in einem sehr wesentlichen Punkt: Es wird ausdrücklich festgehalten, daß die Zentralregierung aus eigenem Entschluß Hoheitsrechte abtritt. Eine Abstimmung über Unabhängigkeit ist nicht vorgesehen, ebensowenig wie ein Recht auf Austritt. Darin unterscheidet sich die spanische Verfassung von derjenigen der Sowjetunion und Jugoslawiens, in denen das Recht auf Austritt gewährt wurde, aber auch von derjenigen Großbritanniens.
Im Gegenzug für diese Klarstellung, wer letztlich das Sagen hat, werden den spanischen Provinzen in dieser Verfassung sehr viele administrative Zugeständnisse gemacht, unter anderem bezüglich ihrer Finanzierung. Spaniens autonome Provinzen dürfen Anleihen ausgeben. Diejenige, die den meisten Gebrauch davon gemacht hat, ist Katalonien. Mit 77,5 Milliarden Euro ist sie die mit Abstand höchstverschuldete Provinz, die ihre Schuld nur aufgrund eines von der Zentralregierung eingerichteten Liquiditätsfonds bedienen kann.
Was das verfassungswidrige Referendum betrifft, so erhebt sich die Frage, wer eigentlich abstimmen darf? In Katalonien leben viele Personen aus anderen Teilen Spaniens, da es in Katalonien Jobs gibt, die in Andalusien, Murcia, Extremadura und anderen Provinzen eher rar sind. Es ist zweifelhaft, daß diese Leute für die Unabhängigkeit stimmen werden. Außerdem ist es aus ähnlichen, also wirtschaftlichen Gründen von Rumänen, Ukrainern und anderen Osteuropäern, Südamerikanern, Nord- und Schwarzafrikanern, und ähnlichen vom Standpunkt des Unabhängigkeitsstrebens unsicheren Kantonisten bevölkert. Werden die von der Teilnahme ausgeschlossen, obwohl sie dort wohnen? Müssen alle, die abstimmen wollen, einen Katalanen-Nachweis erbringen, ähnlich wie im Film „8 baskische Nachnamen“ bis hin zu den Urgroßeltern? Im Falle der Unabhängigkeit, dürfen die Zuagroasten bleiben oder müssen sie gehen?
Die spanische Regierung wirkt rat- und hilflos. Der spanische König ebenfalls. Fährt er nach Katalonien, so riskiert er, mit Tomaten oder Ähnlichem beworfen zu werden.
Inzwischen soll verstärkt Polizei nach Katalonien verlegt werden. Aber zu welchem Zweck? Prügelnde Polizisten vor illegalen Wahllokalen hätten eine sehr schiefe Optik. Da überhaupt nicht klar ist, wer zu dem Referendum gehen wird, ist auch unklar, was da an Polizei oder Militär benötigt werden würde.
Außerdem ist auch gar nicht klar, ob alle Organe des Staates den Befehlen folgen würden, wenn es wirklich hart auf hart geht. Der Staat ist sich seines Gewaltapparates nicht sicher. Katalonien hat noch dazu eine eigene Polizei – aufeinander losgehende katalanische und spanische Polizisten würden dem Ruf Spaniens als Standort und als Tourismusdestination sehr schaden. Vor einem solchen Szenario hat auch die Bürgermeisterin von Barcelona kalte Füße und versucht sich mit allen Seiten möglichst gutzustellen.
Einfach zuschauen und warten, bis die katalanischen Nationalisten an ihren eigenen Widersprüchen scheitern, kann die Zentralregierung aber auch nicht. Das wäre ein zu deutlicher Souveränitätsverzicht und würde zum Zerfall Spaniens führen. Nicht einmal das illegale Referendum kann Spanien zulassen, weil damit hätte die Regierung das Ignorieren der spanischen Verfassung toleriert.
Nationalismus
Was bewegt eigentlich die katalanischen Politiker, und ihre offenbar zahlreiche Gefolgschaft, einen solchen Schritt anzustreben? Es ist der sehr einfache, sehr untertänige und gleichzeitig sehr aufmüpfige und militante Standpunkt, eine eigene Herrschaft zu wollen und die fremde abzuschütteln. Ähnliches bewegte die Führer der meisten Befreiungsbewegungen der 70-er Jahre. Damals gab es immerhin noch 2 Systeme, zwischen denen man wählen konnte. Heute ist es nur mehr die Marktwirtschaft, aber die soll doch gefälligst von rassereinen Häuptlingen verwaltet und verordnet werden, denen sich der selbstbewußte Bürger, der citoyen, froh und eifrig beugen kann!
Alle Begründungen, warum man weg will von Madrid, sind Scheinbegründungen, weil sie nur Bebilderungen des negativen Urteils über die Fremdherrschaft sind, das schon längst vorher und unabhängig von jeglicher Begründung feststeht. Wenn sich jemand z.B. über die vielen Steuern beschwert, die von Katalonien nach Madrid abgeliefert werden müssen, so lebt das von der Idee, daß jeder nach Madrid abgehende Euro sowieso hinausgeschmissenes Geld ist.
Diese fixe Idee ist ziemlich wasserdicht gegenüber jeder Argumentation in Sachen Vor- und Nachteile, weil sie das Heilige der eigenen Nation gegen jede Einmischung von außen hochhält und sich mit Erbsenzählerei gar nicht abgeben mag.
Man fragt sich, wie in Katalonien wohl die Fronten zwischen den Regionalpolitikern in Sachen pro und contra aussehen und wie viele Leute womöglich geteert und gefedert aus Katalonien vertrieben werden, falls die Unabhängigkeit konkrete Formen annimmt.
Genauso vorstellbar ist natürlich die andere Möglichkeit: daß die Sieger ihre Kollegen mit irgendeinem Amtl oder Gschaftl versehen, um sie damit auf ihre Seite zu ziehen.
Reaktionen von auswärts
Auch Brüssel und anderen Metropolen der EU ist eine gewisse Verlegenheit angesichts der katalanischen Umtriebe anzumerken. Irgendwie blicken alle peinlich berührt weg. Der EU-Kommissionspräsident Juncker wiederholt gebetsmühlenartig regelmäßig, daß ein unabhängiges Katalonien erst wieder um Aufnahme in die EU ansuchen müßte. Das kommt fast einer Ermunterung des Separatismus gleich: macht weiter so! Sehr passend ist darauf auch die Antwort des katalanischen Regierungschefs Puigdemont: Eine EU, die sogar den Beitritt der Türkei erwägt, wird Katalonien auf jeden Fall mit offenen Armen aufnehmen!
Angesichts des Schocks, den der Brexit bei der EU-Spitze ausgelöst hat, ist diese Pseudo-Coolness gegenüber Katalonien etwas seltsam. Sind sich die EU-Granden bewußt, was ein Austritt Kataloniens für die gesamte spanische Staatsschuld auslösen kann? Noch dazu, wo Spanien Garantiemacht der beiden Rettungsfonds ist, und als solche zweifelhaft würde, wenn die Bedienung der eigenen Schuld ins Wanken gerät?
Glauben alle, die EZB wirds schon richten?
Denken sie sich: lieber ein europageiles Katalonien als ein innerlich zerstrittenes Spanien?
Die spanische Regierung ist selber verwundert, wie wenig Rückendeckung sie aus Brüssel und Berlin erhält, obwohl sie es doch an Bravheit und EU-Treue nicht hat fehlen lassen.
Während niemand die Hände zusammenschlägt und sagt: Was fällt euch ein! – wird auch nirgends der Freiheitswille der tüchtigen und fleißigen Katalanen gelobt. Man findet keine verständnistriefenden Artikel in europäischen Medien.
Hinter deutschem Wahlkampf, nordkoreanischen Raketen, USA-Säbelrasseln und regelmäßigen Armutsreports geht die Auflösung Spaniens irgendwie unter.
Und in Spanien selbst? Der baskische Regierungschef Urkullu laviert und will es sich mit keiner Seite verscherzen. Mal sehen, denkt er sich offensichtlich. Vielleicht machen wir auch was in die Richtung, wenn es sich bewährt. Oder aber wir versuchen, uns unsere Nibelungentreue gegenüber Madrid irgendwie belohnen zu lassen.
Und so halten es auch andere spanische Politiker in Opposition und Regionen. Unverbindliches Zeug schwatzen, in alle Richtungen freundliche Gesichter machen und glauben, damit kann man sich dann an irgendeine Macht anschmiegen, die aus der Konfrontation als Sieger hervorgeht.
Oh Zeit, oh Sitten! Vor 100 Jahren war in Barcelona das Zentrum des internationalen Anarchismus.
Heute kräht nach der Vorstellung einer Gesellschaft ohne Staat und Herrschaft kein Hahn mehr …

Um was geht es beim Kommunismus?

BEDÜRFNISBEFRIEDIGUNG UND PLANWIRTSCHAFT
Aufgrund der Debatten auf diesem Blog habe ich mich entschlossen, eine eigene Seite zum Thema „Kommunismus“ einzurichten.
Kommunismus heißt: eine Gesellschaft, die ohne Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht auskommt. Nach dem Spruch von Marx in der „Kritik des Gothaer Programms“ „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“
Eine solche Gesellschaft ist erstrebenswert, und aufgrund der derzeitigen technischen Gegebenheiten möglich.
Die Frage ist jetzt: Wie kommt man dahin?
Man muß dafür Werbung machen, indem man gegen alle Vorstellungen von Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht argumentiert.
Das heißt, einmal der Menschheit zu erklären, was Geld, Tausch, Markt, Gewalt und Recht bedeutet, um allen begreiflich zu machen, warum diese gewaltmäßig eingerichteten Einrichtungen schädlich sind für die Individuen.
Das ist die Aufgabe von Kommunisten.
Dafür sind alle heutigen technischen Möglichkeiten zu nutzen.
Ich ersuche alle Diskussionseilnehmer, folgende Regeln zu beachten:
Immer unter dem gleichen Blognamen zu posten.
Auf die Argumente der Vorposter einzugehen.
Sich bitte bitte auf einen Punkt zu konzentrieren, und davon nicht abzulassen, bevor das Thema erledigt ist.
Ich ersuche andere Blogteilnehmer – Neoprene und Krim – sich ein bißl um die Moderation der Debatte zu bemühen, weil ich selbst hab wirklich 1000 Sachen um die Ohren und kann mich kaum um meinen Blog kümmern. (das war so für einen Blogger nicht vorauszusehen.).

Alle paar Jahre wieder: Italiens Banksektor

DIE TOTGEBETETE KRISE
Die Medien sind in den letzten Monaten, oder schon seit dem Vorjahr, voll von Jubelmeldungen über das anziehende Wachstum und die angeblich gute Konjunktur der Eurozone, die nur hin und wieder durch „Altlasten“, wie Griechenlands Ökonomie und eben Italiens Banksektor, gefährdet sind. Diese Problemfälle werden irgendwie als Ungehörigkeit abgetan, als eine Art politischer Ungehorsam, lokale Besonderheiten, fast schon eine Art Folklore.
Dieser Beschwichtigungs-Berichterstattung ist der Wille zu entnehmen, die Kosten und Symptome der Krise vom alltäglichen Gang der Geschäfte zu trennen. Der gescheiterte Kredit soll isoliert werden, ähnlich wie seinerzeit die toxischen Papiere, um frischem Kredit Platz zu machen, der aber seinerseits wieder nicht in die gewöhnlichen Erfolgsbilanzen eingeht. Der Kredit soll – und da assistiert das Finanzkapital kräftig – zu einer Art eigener Sphäre werden, die von den Erfolgen und Mißerfolgen der „Realwirtschaft“, also der gewöhnlichen Waren- und Mehrwertproduktion endgültig getrennt ist.
Die Frage ist nur, ob das auch geht. Also ob sich der Kredit auf Dauer nur aufgrund der eigenen Bewegung und politischer Garantien bewähren kann, und ob das auf diesen Bewegungen des Finanzkapitals beruhende Staatspapiergeld – zumindest das bisher international gültige – als Maß der Werte behaupten kann.
Zur Lage der italienischen Staatsschuld und der italienischen Banken sei auf zwei frühere Blogeinträge hingewiesen:
Die Eurokrise in Süd- und Südosteuropa: WARUM ITALIEN?
Pressespiegel: El País, 23.1. 2016: ITALIEN FÜRCHTET EINEN ZUSAMMENBRUCH DER BANKEN DURCH NOTLEIDENDE KREDITE
1. Italiens Banken – Täter und Opfer der Finanzkrise
Zunächst haben Italiens Banken alles mögliche unternommen, um an den Grundlagen für die 2008 eingetretene Finanzkrise mitzuarbeiten.
Sie haben erstens jede Menge Unternehmenskredite vergeben, um denen Rationalisierung, Modernisierung und Aufbruch zu neuen Märkten zu ermöglichen und damit Italiens Wirtschaft entsprechend gefördert.
Sie haben zweitens jede Menge Konsumentenkredite vergeben, und damit verhindert, daß die Reallohnverluste, die die italienische Arbeiterklasse nach dem EU-Beitritt und Berlusconis Amtsantritt hinnehmen mußte, sich in einem spürbaren Kaufkraftverlust niederschlagen. Außerdem wurde damit Unzufriedenheit und Murren bei den italienischen Proleten schaumgebremst, was in einem Land wie Italien wichtig war, wo das Wort „Streik“ zum Alltagsvokabular gehörte, und der Streik selbst zu einer Art Volkssport.
Italien wurde dadurch auch attraktiv fürs Kapital, und das brachte eine Art Boom hervor, der durch den Euro noch gestärkt wurde. Die – aus Sicht des verwertungsbereiten Kapitals – zwei alten Kinderkrankheiten der italienischen Wirtschaft, Arbeitsniederlegungen und Inflation, waren geheilt, man konnte investitionsmäßig durchstarten.
Die Kreditvergabe der italienischen Banken war also im Interesse der EU und diente ihren Zielen. Das sollte man sich vor Augen halten, wenn heute von Miß- und Freunderlwirtschaft, Korruption und politischer Beeinflussung geschwatzt wird.
Als es 2008-2009 auch in Italien im Gebälk des Kredit-Überbaus zu krachen begann, stellten viele Kreditinstitute eine mangelnde Eigenkapitalausstattung fest, und versuchten diese durch Anteilsscheine zu beseitigen. Börsengänge, also Aktienausgabe waren in diesem Klima nicht ratsam und bargen außerdem die Gefahr feindlicher Übernahmen in sich. Also wurden ihre Sparbuch- und Girokonten-Besitzer dazu überredet, sich doch mit Anteilsscheinen an der Bank zu beteiligen, was eine höhere Rendite versprach als Spar- und Kontozinsen und als bombensichere Investition galt.
Man erinnere sich an die Anfangszeiten dieses Milleniums, als Sparer überall als altmodische Kleinbürger beschimpft wurden und jeder Normalo dazu angehalten wurde, doch gefälligst an der Börse zu spekulieren, um seine Übereinstimmung mit dem Zeitgeist zu demonstrieren. Und Bankpapiere aller Art galten als das allersolideste, neben Staatsanleihen, sie fanden sich in jedem „konservativen“, also mehr auf Wertsicherung als auf Gewinn ausgerichteten Portfolio.
Heute gelten diese kleinen Leute, die oft auch anders von der Krise betroffen sind, durch Entlassung oder Pensionskürzungen, als „Investoren“, die man bei der Bankensanierung ruhig zur Kasse bitten kann, wenn es nach der EU-Spitze und manchen ihrer Anhänger geht.
2. Die europäische Bankenrettung und ihre Richtlinien
Anläßlich der Zypern-Krise wurde eine Richtlinie erlassen, wonach nicht mehr der Staats- oder EU-Kredit für Bankenstützungen strapaziert werden sollte, sondern Banken wie gewöhnliche Unternehmungen pleite gehen sollten, unter Schröpfung ihrer Besitzer.
Einer der Gründe für diesen Beschluss war natürlich die Idee, den Staatskredit aus der Schusslinie zu nehmen, der in vielen Staaten durch Bankenrettungspakete belastet worden war. Staaten sollten als Schuldner wieder außer Konkurrenz laufen – zumindest die erfolgreichen. Es war ein Versuch, die Spreu vom Weizen zu trennen und guten Kredit von schlechtem zu unterscheiden.
Ein Ergebnis eines solchen Verfahrens wäre es jedoch gewesen, manche Staaten zu „entbanken“. In Griechenland ist durch den Verkauf der griechischen Banken so etwas schon teilweise geschehen. Der griechische Staat kann sich nicht mehr auf seinen Banksektor stützen. Damit wären die betroffenen Staaten endgültig von jeder nationalen oder internationalen privaten Kreditquelle ausgeschlossen und völlig von der Kreditierung durch EU-Institutionen oder Gläubigerstaaten abhängig geworden.
Die EU hätte sich damit ihre eigene kleine Welt geschaffen und ihren Hinterhof am Gängelband gehabt. Sie dachte dabei vermutlich an Staaten wie Griechenland, Zypern oder Malta, und manche osteuropäischen Staaten. Das Baltikum zum Beispiel.
Bei der Richtlinie war offenbar nicht eingeplant, daß Staaten wie Italien oder Spanien in diese Situation geraten. So ist zu erklären, warum Politiker dieser Staaten diesen Beschluß seinerzeit ebenfalls unterstützt haben.
Er läßt sich nämlich dort nicht durchführen.
3. Italiens Bankenrettung geht nur mit EU-Kredit
Die EU hat in Zypern ausprobiert, wie man Banken zusperren oder gesundschrumpfen kann, ohne weitere Rettungspakete zu schnüren, die den EU-Kredit belasten. Was aber in der Mini-Ökonomie Zyperns irgendwie möglich war – die dadurch zwar ruiniert wurde, aber ohne besondere oder zumindest spürbare Folgen für den Rest der Eurozone und EU – läßt sich auf Italien nicht übertragen.
Nicht nur, daß das politisch heikel wäre und die Bevölkerung in die Arme der von EU-Politikern aller Lager gefürchteten 5-Sterne-Partei treiben würde.
Es ist übrigens bemerkenswert, daß heute keine Kommunismus-Gefahr mehr heraufbeschworen wird, wenn die Arbeiterklasse verarmt wird, sondern ein Fehlverhalten derselben an den Wahlurnen. Also nicht Streiks, Straßenkämpfe oder Revolution machen den heutigen Machthabern Angst, sondern eine unberechenbare, aber keineswegs kapitalfeindliche Opposition. Das ist einerseits Ausweis des Erfolges der derzeitigen Politiker, aber auch Ausdruck ihrer Überheblichkeit, oder Machtvollkommenheit. Die EU-geilen Eliten sehen sich als eine „closed shop“, zu der nur Auserwählte Zugang haben dürfen.
Auch ökonomisch wäre es nicht gangbar, so große Banken – immerhin der 4t-größten Wirtschaft der EU – einfach zusammenkrachen zu lassen, unter Mit-Einbeziehung ihrer Kundschaft. Ganze Regionen Italiens würden veröden, unter anderem das wirtschaftlich potente Veneto. Ein wichtiger Standort und Markt der EU würde flöten gehen, und ihre wirtschaftliches Volumen als ganzes spürbar schrumpfen lassen. Außerdem ist Italien, genauso wie Spanien, das ähnlich beinander ist, Garantiemacht der Rettungspakete der Pleitestaaten – das ganze Gebäude der Kreditstützung Griechenlands würde endgültig zusammenbrechen, wenn Italiens Zahlungsfähigkeit zweifelhaft würde.
4. Die graue Eminenz im Hintergrund: Italiens Staatsschuld
Italien weist die höchste Staatsverschuldung der EU auf: Die Schuldenuhr weist derzeit einen Schuldenstand von 2 Billionen und 277,85 Milliarden Euro aus. In einem früheren Blogeintrag habe ich für Italien einen jährlichen Schuldendienst von 45 Milliarden Euro nur für die Zinszahlungen errechnet, dazu kommen noch zusätzlich die Tilgungsraten der Altschuld.
Italien kann diese Zahlungen nur durch wachsende Neuverschuldung decken, und die kann es sich nur leisten, weil die Anleihen des italienischen Staates von der EZB allem Anschein nach fast zum Nulltarif und ohne Obergrenze angekauft werden.
Die Milliarden, die in den Stützungsfonds Atlante und in die jetzige Rettung zweier mittelgroßer Banken gesteckt wurden und werden, sind einerseits nicht das Ende der Angelegenheit – Italiens Banken werden damit nur weitergeschleppt, aber nicht saniert. Das geht angesichts ihrer Bilanzlöcher und der wirtschaftlichen Lage Italiens nicht.
Zweitens belasten sie den italienischen Staatskredit, der nur von der EZB am Leben gehalten wird. Diese Rettungspakete können also nur auf dem gewöhnlichen Weg der Ausgabe von Staatsanleihen, die dann über die italienischen Banken ihren Weg in die EZB finden, finanziert werden.
5. Bankenrettungen als Teamwork
Schließlich sei auf eine neuere Facette der sogenannten Bankenrettung hingewiesen: die EU und die EZB nehmen anscheinend die Großbanken ins Gebet, sich – gegen entsprechende Garantien – selber stärker an der Sanierung des nationalen Bankenschlamassels zu beteiligen. So hat Santander – vermutlich unter Garantiezusagen aller Art – sich schon in Portugal als Bankenretter beteiligt, unter Belastung des portugiesischen Staatskredits, und sich jetzt in Spanien auf ähnliche Weise die pleitegefährdete Banco Popular einverleibt.
Ähnlich hat sich jetzt die zweitgrößte italienische Bank, Intesa Sanpaolo, an der letzten Bankenrettung in Italien beteiligt.
Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Im Österreich der Zwischenkriegszeit wurden immer wieder (noch) zahlungsfähige Banken durch politische Intervention dazu genötigt, die insolventen zu übernehmen. Nachdem die solchermaßen bereits selbst ins Strudeln geratene Bodencreditanstalt 1929 von der CA übernommen wurde, meldete die CA selbst 1931 Insolvenz an.
Die Übernahme der Bodencreditanstalt durch die CA wird von manchen Historikern als Auslöser des Black Friday angesehen … Der Konkurs der CA hatte jedenfalls einen Domino-Effekt auf das ganze europäische Bankenwesen und wirkte als Katalysator der Weltwirtschaftskrise.
Fazit: Die Bemühungen der Medien und die Politik der EU, vor allem repräsentiert durch das Staatsschulden-Aufkauf-Programm der EZB, laufen auf dasselbe hinaus: Den Kredit der EU unendlich und unangreifbar zu machen, und sich gerade dadurch als Weltgeld zu behaupten.
Das hat ein argentinischer Banker vor Jahren bereits auf den Punkt gebracht: Ein großes Pyramidenspiel?