Die Ukraine und der europäische Banksektor

EINE FINANZTECHNISCHE ZEITBOMBE
Die Raiffeisen-Bank

Die vorläufig letzte Meldung in der Frage war das Bekenntnis der österreichischen Raiffeisenbank, heuer einen herben Verlust bis zu 500 Millionen einfahren zu müssen, vor allem wegen der Ukraine-Krise:
„Vor allem die politische Krise um die Ukraine treibt die Kreditwertberichtigungen in die Höhe. In Summe dürften die Kreditrisikovorsorgen im Konzern 2014 nun zwischen 1,5 und 1,7 Mrd. Euro ausmachen. Bisher war die Bank von 1,3 bis 1,4 Mrd. Euro ausgegangen. Die Raiffeisentochter Aval Bank betreibt ein riesiges Filialnetz in der Ukraine. Ihr droht eine Markenwertabschreibung von 60 Mio. Euro.“ (Kleine Zeitung, 23.9. 2014)
Man blicke kurz in die Geschichte:
„Die Bank wurde im März 1992 als eine der ersten Geschäftsbanken der Ukraine gegründet. Dank der erfolgreichen Zusammenarbeit mit der ukrainischen Pensionskasse, der Post sowie der Zollbehörde erzielte die Bank rasch eine Spitzenposition im ukrainischen Bankensektor. Raiffeisen wurde 2005 mit dem Erwerb von 93,5 Prozent der Geschäftsanteile zu einem Preis von 1.024 Millionen USD Mehrheitseigentümer der Bank. Dieser Kaufpreis macht die Akquisition zur bislang größten der Raiffeisen Bankengruppe. Die Akquisition war auch von maßgeblicher Bedeutung für den ukrainischen Bankensektor und unterstrich die Attraktivität des lokalen Marktes für ausländische Investitionen. Als Teil des RBI-Konzerns erlebte die Raiffeisen Bank Aval ihre erfolgreichsten und – infolge der internationalen Finanzkrise – auch ihre schwierigsten und herausfordernden Zeiten.“ (Selbstdarstellung Raiffeisen 2012)
Voriges Jahr sollte die Bank verkauft werden, der Verkauf wurde aber im Februar abgeblasen, weil die Interessenten alle zurückgetreten waren.
Angesichts dieser Zahlen ist die Meldung des Raiffeisen-Chefs Sevelda, der Verlust für 2014 werde eine halbe Milliarde „keinesfalls überschreiten“, als frommes Wunschdenken bzw. eine Beruhigungspille für die Finanzmärkte zu werten.
Dazu eine Meldung vom Februar dieses Jahres, als Janukowisch gerade frisch gestürzt war:
„Wie in Ungarn oder Kroatien haben sich viele Ukrainer in Fremdwährungen verschuldet. Rund 70 Prozent der Darlehen wurden in Fremdwährungen vergeben. Die österreichischen Banken, in der Ukraine die Raiffeisen Bank International (RBI) und die Bank Austria, hatten an dem Boom einen großen Anteil. … Beide haben laut Ratingagentur Moody’s zusammen Kredite in Höhe von acht Milliarden Euro im zweitgrößten Land Europas vergeben.“ (Standard, 27.2.)
Die Erste Bank
Diese 8 Milliarde waren noch ohne die Verbindlichkeiten der Erste Bank, die sich damals bereits unter großen Verlusten aus der Ukraine zurückgezogen hatte:
„Der Vorstand bezifferte die kumulierten Abschreibungen am Freitag mit etwa 300 Mio. Euro. Mit einer letzten Abschreibung auf Währungsschwankungen von 76,6 Mio. Euro in der Konzernbilanz 2013 schloss die Erste das Kapitel Ukraine für sich ab.“ (Format, 28.2.)
Viel genutzt hat das auch nicht:
„Die Erste Group hatte am Vorabend nach Börsenschluss für heuer einen drastischen Verlust von bis zu 1,6 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. Eine Dividende wird es für das laufende Jahr nicht geben … Der Grund: Die Bank muss viel mehr Geld auf die Seite legen – vor allem für faule Kredite in Ungarn und Rumänien. Die Risikovorsorgen werden von den veranschlagten 1,7 Mrd. auf 2,4 Mrd. Euro steigen.“ (Kurier, 3.7. 2014)
Das blieb auch nicht ohne Folgen auf die Aktie der Bank:
„Die Aktie der Erste Group ist heute nach der Verlustankündigung des Bankkonzerns mit einem massiven Kurseinbruch in den Handel gestartet. Bis 10.20 Uhr büßten die Erste-Aktien 14,20 Prozent auf 20,00 Euro ein. Am frühen Nachmittag stieg das Minus auf über 15 Prozent. Donnerstagabend lag der Schlusskurs noch bei 23,78 Euro, bei Börsenstart am Freitag fiel die Aktie rasant auf 20,8 Euro.“ (ebd. )
Die Bank Austria
„Die der UniCredit gehörende Bank Austria hat den Schnitt schon hinter sich: Sie hat schon in der Bilanz 2013 alle Ostbanken-Firmenwerte auf null abgeschrieben, die im März vorgelegte Bilanz 2013 schloss mit einem Rekordverlust von 1,6 Mrd. Euro.“ (ebd. )
Die Bilanz der BA für 2014 steht noch aus, läßt aber nichts Gutes erwarten. Schließlich ist der „Firmenwert“ eine Sache, die von der Bank und ihren Ost-Töchtern vergebenen und nicht bedienten Kredite stehen auf einem anderen Blatt.
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Auch die Aktie der RZB hat nachgegeben und die Erste auch noch mitgenommen:
„An der Wiener Börse sind die RBI-Aktien am Montag um über 11 Prozent ins Minus gerasselt. Die Aktien der Branchenkollegin Erste Group folgten der RBI-Aktie am Dienstag in der Früh mit minus 3,7 Prozent in die Verlustzone.“ (Die Presse, 23.9.)
Der Wertverlust der Erste-Aktie im Sommer hatte damals bereits Folgen:
„Auch international schlagen die Turbulenzen Wellen: Die Wertpapierexperten von JPMorgan haben das Kursziel für die Erste Group von 30 auf 21 Euro gesenkt. Gleichzeitig stufen sie die Aktie von “Overweight” auf “Neutral” zurück. UBS hat das Kursziel von 26,50 auf 25,00 Euro gesenkt, die Bewertung der Aktien belassen sie bei “Neutral”. Auch die Wertpapierexperten der Credit Suisse haben das Kursziel der Erste Group von 30 auf 26,37 Euro gesenkt.“ (Kurier, 3.7. 2014)
Es ist eben nicht so, daß sich die Probleme der österreichischen Banken auf Österreich eingrenzen ließen.
Die Deutsche Bank, als Beispiel für Kalkulationen des europäischen Banksektors
Im März veröffentlichte Die Zeit einen Artikel, in dem es vor allem um die Kapitalflucht aus der Ukraine ging. Darin steht unter anderem:
„Die Deutsche Bank ist zu diesem Zeitpunkt seit mehr als 15 Jahren in der Ukraine aktiv. Im Jahr 2009 entscheidet sie sich, ihre Präsenz im Land auszubauen. Sie erwirbt eine Banklizenz und gründet eine Tochtergesellschaft in Kiew. In der Folge vergibt sie Kredite an ukrainische Banken und Unternehmen, der Schwerpunkt des Geschäfts aber liegt im Global Transaction Banking, der Abwicklung inländischer und grenzüberschreitender Zahlungen. Jürgen Fitschen, heute einer der beiden Vorstandschefs der Deutschen Bank, schwärmte damals, sein Haus werde in der Ukraine zu einer »idealen Bankplattform« für Kunden in Ost- und Mitteleuropa. Er glaube an die »Wachstumschancen der Ukraine«.“ (Die Zeit, 21.3.)
Angesichts dessen ist schwer vorstellbar, daß sich die Deutsche Bank nicht auch anderwärtig in der Ukraine engagiert hat, außer in der Abwicklung von Geldtransfers.
Dann gibt’s noch irgendwelche Hedgefonds-Zocker, die mit ukrainischen Staatsanleihen spekulieren, weil die gute Renditen haben:
„Der ukrainische Staat hat derzeit Bonds in einem nominellen Wert von rund 45 Milliarden Dollar ausstehen; die in US-Dollar denominierten Staatsanleihen werfen derzeit eine Rendite von rund 12 Prozent ab, so JP Morgan. »Ukrainische Staatsanleihen waren besonders gesucht, aber einige haben auch bei ukrainischen Unternehmensanleihen zugelangt«, zitiert die russische Nachrichtenagentur ITAR-TASS einen Händler in Kiew.“ (Wirtschaftswoche, 27.3. 2014)
Ähnlich war es ja seinerzeit (2002) bei Argentinien. Nur: von wem kaufen die Hedgefonds die Anleihen um einen Bruchteil ihres Werts? In wessen Bilanzen entstehen somit Löcher? Und was ist mit denen, die nicht verkaufen? Die ukrainischen Staatsanleihen sinken mit jedem Tag im Wert.
„Den Anlegern an den internationalen Kapitalmärkten dämmert langsam, dass die Ukraine pleite ist: Sie bereiten sich auf einen Schuldenschnitt vor. Misslich für den europäischen Steuerzahler ist die Tatsache, dass die Ukraine vermutlich mit europäischen Steuergeldern gerettet werden muss. … Den Investoren wird nach Ansicht von Experten die schwierige Lage des Landes zunehmend bewusst. Die Wirtschaft wird 2014 Schätzungen der Zentralbank zufolge um bis zu zehn Prozent schrumpfen. Die Waffenruhe in dem von einem Separatisten-Aufstand erschütterten Osten der Ukraine könnte zugleich den Weg für eine Umschuldung frei machen, sagte Ökonom David Spegel von BNP Paribas der Nachrichtenagentur Reuters.“ (Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 23.9.)
Fazit
Die Ukraine hat einen Haufen Staatsanleihen ausgegeben, vor allem seit 2008, weil sie seit damals als „sicher“ galt, aufgrund der IWF-Verhandlungen und eines Kredites des IWF. Die Ukraine hat sich für viele Banken als Krisen-Ventil bewährt, wo man den Kredit ausweiten konnte, während er woanders schrumpfte. Alle möglichen Banken, allen voran die österreichischen, haben sich in der Ukraine engagiert, nach dem bewährten, in anderen osteuropäischen Ländern angewandten Schema: vermeintlich „sichere“ Kredite an Staat und Konsumenten zu vergeben, weil die im Unterschied zu windigen Unternehmen nicht aufgelöst werden können.
Jetzt stehen die alle auf dem Spiel, und das wird weitere Löcher im europäischen Geldsystem verursachen.
Das Problem ist übrigens keineswegs auf die EU beschränkt: Auch die russische Sberbank oder Kolomojskis ukrainische PrivatBank werden unter der allgemeinen Zahlungsunfähigkeit des ukrainischen Staates leiden.
Dazu kommen noch Gasrechnungen … Der Winter naht.
Einmal sehen, wie die Politiker und Banker das hinkriegen.

Der umstrittene Assoziationsvertrag

WEM GEHÖRT DIE UKRAINE, UND WER WIRD FÜR SIE BEZAHLEN?
„Das europäische Parlament und die Oberste Rada – das ukrainische Parlament – haben diesen Dienstag in parallelen und per Videokamera verbundenen Sitzungen den Assoziationsvertrag zwischen den beiden Blöcken ratifiziert. Die Ratifikation bezieht sich nicht auf den ökonomischen – und am meisten umstrittenen – Abschnitt, der mindestens bis Anfang 2016 in der Schwebe bleibt. Solange bis er in Kraft tritt, erhält die Ukraine von der EU den Status eines bevorzugten Handelspartners.“ (El País, 16.9.)
Diese Meldung hat es in sich.
Man rekapituliere zunächst einmal die Geschichte dieses brisanten Schriftstückes: Die Nicht-Unterzeichnung dieses Abkommens im Herbst 2013 führte zum von den westlichen Regierungen genährten Maidan-Aufstand und dem Sturz Janukowitschs. Das solcherart entstandene Putschparlament ernannte einen Regierungschef und Parlamentspräsidenten, die bis heute keinerlei demokratische Legitimation – in dem Sinne, wie es in der EU üblich ist – besitzen. Dann fanden im Mai Präsidentschaftswahlen statt, wo das Ergebnis schon vorher zwischen westlichen Regierungen ausgeschnapst war. Die EU hat sich also an der in der Ukraine seit jeher üblichen Wahlfälschung beteiligt, um einen offiziell demokratisch legitimierten Statthalter einzusetzen. Wie weit sich dieser als solcher bewähren würde, war und ist immer noch offen. Poroschenko unterzeichnete im Juni das Assoziationsabkommen, ohne sich vorher mit dem Parlament ins Benehmen zu setzen. (Janukowitsch hatte die Unterzeichnung verweigert, nachdem die Rada es abgelehnt hatte.) Seit den Ereignissen vom März hat sich die Partei der Regionen praktisch aufgelöst, ihre Vertreter sind entweder anderen Parteien beigetreten oder haben Kiew den Rücken gekehrt. Die Kommunistische Partei wurde im Juli aus der Rada ausgeschlossen, aufgrund eines Gesetzes, das einige Tage vorher von ebendemselben Parlament beschlossen worden war. Und dieses – nach allen bisher gültigen Maßstäben völlig ohne Legitimation agierende – Parlament hat jetzt das Assoziationsabkommen ratifiziert.
Dem Inhalt nach sah dieses Schriftstück die Abkoppelung der ukrainischen Wirtschaft vom russischen Markt vor, die Übernahme von EU-Normen und ein Freihandelsabkommen, das den EU-Waren uneingeschränkten Zugang zum ukrainischen Markt gewährt. Es war also seiner Absicht nach eine völlige Einverleibung der Ukraine, das weit über die wirtschaftlichen Beziehungen hinausging. Im Kern war es jedoch ein wirtschaftliches Dokument, ein Handelsvertrag. Es fragt sich jetzt, wie diese Einverleibung ohne den wirtschaftlichen Teil über die Bühne gehen soll? Weiters fragt sich, wie diese ukrainische Führung, die offensichtlich kein Gewaltmonopol über ihr Territorium besitzt, irgendwelche in dem Abkommen niedergelegten Bestimmungen durchsetzen soll? Es fragt sich, was für eine Art von Dokument da eigentlich unterzeichnet wurde?
Schließlich, und diese Frage stellte sich die offizielle Presse nie, wie sollte und soll eigentlich die neue ökonomische Ausrichtung dieses Landes finanziert werden? Woher soll die Zahlungsfähigkeit der ukrainischen Konsumenten und des ukrainischen Staates kommen? Seit dem Herbst 2013 hat die Hrywna mehr als 40% ihres Wertes verloren. Der ukrainische Goldschatz wurde bereits im Frühjahr außer Landes gebracht und in die USA verfrachtet. Wer wird die Kredite geben, um dieses Land zahlungsfähig zu machen? Die EZB? Der IWF? Die europäischen Banken mit ihren maroden Bilanzen? Und mit was für Garantien? Stürzt die Stützung der Ukraine den Euro in seine nächste Krise?
Und da sind die politischen Verwicklungen, gegenwärtige und kommende Aufstände und Kämpfe, und die Rolle Rußlands noch gar nicht einbezogen …

Portugal macht wieder von sich reden

DER HEILIGE GEIST GIBT DEN GEIST AUF
„Die portugiesische Regierung erwägt Insidern zufolge, der angeschlagenen Banco Espirito Santo (BES) mit Steuergeld unter die Armee zu greifen. … Der Verlust der größten an der Börse notierten portugiesischen Bank belief sich in den sechs Monaten auf 3,6 Milliarden Euro. Damit wurden alle Kapitalpuffer vernichtet, die Kernkapitalquote fiel unter den von der Notenbank vorgeschrieben Wert. … Am Mittwoch hatte die Bank für das erste Halbjahr den größten Verlust verkündet, den jemals ein portugiesisches Bankhaus verzeichnet hatte.“ (Handelsblatt, 1.8.)
Wie konnte es dazu kommen?
Die Bank und Holding Espirito Santo – die Familie heißt wirklich so! – war einer der großen Gewinner des Estado Novo Salazars. In der Interessensverflechtung von Staat und Wirtschaft dominierte das Unternehmen den Handel mit den Kolonien, die Lebensmittelindustrie, Handel und Versicherungswesen. Das ganze Firmenkonglomerat rund um die Bank war eine der Säulen, auf der der Estado Novo beruhte. Nach der Revolution von 1974 wurde ihre Stellung für die neue Regierung untragbar. Die Bank wurde verstaatlicht, der Geschäftsführer vor Gericht gestellt. Das Imperium wurde zerschlagen, die Unternehmerfamilie verließ das Land.
Dergleichen Schritte der portugiesischen Regierung waren nicht, oder nicht ausschließlich ideologisch begründet oder inneren Machtkämpfen geschuldet. Dergleichen Staaten innerhalb des Staates, Monopolkapitale waren mit der angestrebten EG-Integration unvereinbar, wie auch die Jahre später in Spanien verfügte Auflösung und Teilverstaatlichung der Rumasa-Holding zeigt.
Die Familie Espirito Santo begann, mittels ihrer im Ausland verbliebenen Assets ein neues Imperium aufzubauen. Es kam zu einer Firmengründung in Luxemburg, dem Kauf von Banken in Florida, London und Paris. Als die portugiesische Regierung unter dem derzeitigen Präsidenten und damaligen Premierminister Cavaco Silva ab 1985 eine umfangreiche Re-Privatisierung einleitete, nahm die Familie Espirito Santo die Chance wahr, sich wieder in Portugal einzunisten. Ihre strategischen Partner dabei waren Credit Agricole und Chase Manhattan.
Nach ihrer Neustrukturierung in Portugal wurde die Bank BES (Banco Espirito Santo) zum Pionier des Hypothekarkredits, der Kreditkarten und des Leasing. Sie galt als effizienteste portugiesische Bank und unternahm 1993 einen erfolgreichen Börsengang in New York. Mit der EU-Integration, der Liberalisierung des Kreditwesens und der Einführung des Euro expandierte die Bank weiter. Als besonderer Wachstumsmarkt galt ihr Angola, das vor ungefähr einem Jahrzehnt aufgrund seiner Rohstoffe ein Hoffnungsmarkt für Spekulationen aller Art wurde, die zu einem guten Teil über die BES abgewickelt wurden.
Von der Krise 2008 wurde die BES natürlich auch betroffen. Sie reagierte mit Kapitalaufstockungen und Wertpapieremissionen. Staatliche Hilfe lehnte sie ab, weil sie dann behördlichen Prüfern Einsicht in ihre Bilanzen hätte gewähren müssen. 2011 war die BES eine der drei portugiesischen Banken, die sich weigerten, weiter Staatsanleihen aufzukaufen und damit die portugiesische Regierung nötigten, bei der EU um Kreditstützung, irreführenderweise „Rettungsschirm“ genannt, anzusuchen.
Es ist lustigerweise, oder vielleicht notwendigerweise gerade die in den Zeitungen vielbejubelte „Erholung“ Portugals, die offizielle Beendigung der Kreditstützung im Mai dieses Jahres, die die BES-Holding in Schwierigkeiten brachten. Auf einmal richtete sich der Blick des internationalen Finanzkapitals wieder auf Portugal, und es stellte sich heraus, daß viele der Kapitalaufstockungen der BES den Vorschriften der Finanzbranche widersprochen hatten.
Bereits 2013 hatte sich herausgestellt, daß ihre Tochterbank in Angola ein paar Milliarden Euro in den Sand gesetzt hatte. Der angolesische Kreditsektor konnte nur durch Garantien des Staates aufrechterhalten werden. Eine Verstaatlichung der angolesischen Tochterbank steht ins Haus.
Zu den Institutionen, die der BES in den letzten Jahren unter die Arme gegriffen haben, gehört die portugiesische Telefongesellschaft, die BES-Anleihen in der Höhe von 900 Millionen Euro gekauft hat. Außerdem wurden in den vergangenen Jahren alle möglichen Schulden so „bewältigt“, daß Tochterunternehmen die Bank oder die Bank die Tochterunternehmen kreditierte. In diesem Hin- und Herschieben von Schuldtiteln und teilweise obskuren, halb geheimen Wertpapierausgaben sind ein paar Milliarden an Schulden aufgelaufen. Man vermutet, daß die derzeit offiziell gewordenen 3,6 Milliarden nur die Spitze des Eisbergs sind.
Die blöde Agenturmeldung (das HB schreibt auch nur mehr von Agenturen ab), daß die portugiesische Regierung erwägt, der Bank „mit Steuergeld unter die Armee zu greifen“, hats auch in sich. Die BES könnte Portugal in diesem Falle ein zweites Mal in die Zahlungsunfähigkeit schicken. Schon jetzt gehen die Zinsen für portugiesische Anleihen wieder in die Höhe. Die Einrichtung einer Bad Bank wird erwogen – auch die würde den portugiesischen Staatskredit belasten.
Die BES ist ein integraler Teil des portugiesischen Unternehmens-Panoramas. Viele Unternehmen sind entweder Schuldner der Bank oder Gläubiger eines ihrer Tochter-Unternehmen. Schon aus nationalem Interesse kann sich Portugal nicht leisten, die Bank pleite gehen zu lassen.
Auch die internationalen Verflechtungen haben es in sich. London, Paris und New York spüren die Beben, die derzeit von Portugal ausgehen, schon allein wegen der zahlreichen Beteiligungen, die entweder BES bei ausländischen Banken, oder diese bei der BES haben. Es ist ja außerdem nicht so, daß die Praktiken und die Situation der BES so ein Ausnahmefall in der EU wären. Jede Menge andere Banken ist in ähnlicher Lage – ein kleiner Vertrauensverlust, zu genaues Nachschauen durch einen Prüfer, und schon kann das Ding kippen.
Vermutlich ist wieder einmal de EZB aufgerufen, hier irgendwie Geld und Garantien zu liefern – also den Euro-Kredit mit weiteren entwerteten Schuldtiteln zu belasten.
Vor zwei Monaten freuten sich alle: Portugal generiert Wachstum, die Arbeitslosenrate wurde auf 15% (!) reduziert, es geht bergauf!
Aus der Traum, und die Propagandaabteilung der EU tut sich derzeit schwer.