Serie „Lateinamerika heute“. Teil 19: Guatemala

DIE UNGLÜCKLICHEN ERBEN DER MAYA

Guatemala ist heute nur wegen der Flüchtlingsproblematik hin und wieder in den Medien – als Ausgangs- und als Transitland für die Flüchtlinge Lateinamerikas. Es hat eine geringe ökonomische Bedeutung, weil der größte Teil seiner ca. 18 Millionen Einwohner zu arm ist, um einen nennenswerten Markt darzustellen, und weil es auch über keine besonderen Bodenschätze, seltenen Erden usw. verfügt. Nur als Anschauung: Das BIP Guatemalas betrug 2022 umgerechnet 78 Milliarden Euro, dasjenige Österreichs 480 Milliarden.

Es hat im Unterschied zu vergangenen Zeiten auch eine relativ geringe strategische Bedeutung, da inzwischen für die imperialistischen Ambitionen der USA in der näheren Umgebung genug andere Territorien zur Verfügung standen oder stehen, wie Honduras, Puerto Rico und verschiedene kleinere Inseln der Karibik.

Der Tourismus wegen der reichlich vorhandenen Ruinen der Mayas wäre ein wichtiger Erwerbszweig, der aber auch nicht so recht in die Gänge kommt, da die Rechtssicherheit in Guatemala schlecht ist – eine Art Teufelskreis. Wegen Armut => Kriminalität, wegen Kriminalität => Unattraktivität für Investoren, Touristen und sonstige Leute mit Geld, daher => wenig Erwerbszweige => Armut => Kriminalität.

Die Landbevölkerung und die Mayas

Die Mayas sind die bestbeforschte und bekannteste der präkolumbianischen Kulturen. Der Kult um sie steht in beachtlichem Widerspruch zu der Behandlung, mit der ihre Nachfahren im Laufe der Zeit und bis heute konfrontiert sind.

41% der Bevölkerung Guatemalas sind direkte Nachkommen der Mayas, und über 50% sind Mestizen, also teilweise Nachfahren der Mayas. Der Rest teilt sich auf in Nachfahren der Europäer, Einwanderer aus dem Nahen und Fernen Osten und afrikanischer Sklaven. Weniger als 10% der Bevölkerung sind also Kreolen, Weiße, und sie besitzen fast alles, was nicht in ausländischer Hand ist. Die einheimische Landbevölkerung verteilt sich auf den Petén, den nördlichen Teil, der zu einem guten Teil nicht erschlossener Dschungel ist, und die südlichen, gebirgigen Gebiete. Sie haben keine Eigentumsrechte und können jederzeit vertrieben werden, sobald jemand im In- und Ausland Interesse an diesen Gebieten bekundet, sei es für eine Plantage oder ein Bergbauunternehmen. Sie sind in ihrem eigenen Land also nur geduldet.

In der spanischen Kolonialzeit war die Lage etwas entspannter. Die Kolonialherrschaft erstreckte sich lediglich auf den gebirgigen, leichter zugänglichen Teil im Süden, der nördliche Teil abseits der Küste blieb sich selbst überlassen. Um die Lebensmittelproduktion zu sichern, wurden den Einheimischen gewisse Konzessionen gemacht und in königlichen Dekreten Gemeindeland zugesichert.

Plantagen und Zwangsarbeit

In der postkolonialen Zeit war die Kontrolle und die Benutzung der Landbevölkerung das wichtigste Ziel verschiedener Caudillos. Da sich bei den Kämpfen der Sezession von der Mittelamerikanischen Republik ein liberaler General – mit gewissen Erfolg – der indianischen Bevölkerung bedient hatte, beschloß der guatemaltekische General und Präsident Carrera und auch einige seiner Nachfolger, die Nachfahren der Eingeborenen mit allen Mitteln niederzuhalten, um die Stellung der Kreolen, also spanischstämmigen Grundherren und katholischen Geistlichen abzusichern.

Die Eingeborenen blieben land- und rechtlos und wurden unter der Regierung des Generals Barrios 1877 mit der „Taglöhner-Regelung“ sogar zu Zwangsarbeit verpflichtet, nachdem ihnen vorher das noch aus der Kolonialzeit verbriefte Gemeindeland weggenommen worden war.

Diese Benutzung der Eingeborenen war ein Service an die neu ins Land geholten belgischen und deutschen Agrarkapitalisten, die die landwirtschaftliche Produktion im Land beleben sollten und den Kaffee als Haupt- – und praktisch einziges – Exportprodukt Guatemalas etablierten.

Unter dem Präsidenten Reina Barrios wurde dieses Gesetz aufgehoben und erstmals ein Schulsystem eingerichtet, das den Analphabetismus – von 93% der Bevölkerung – bekämpfen und auch die Beherrschung des Spanischen unter der Landbevölkerung verbreiten sollte.

Rund um den Kaffee-Boom, eine Weltausstellung, den Bau der Eisenbahn und Verschuldung bei britischen Banken kam es 1897 zu einem Staatsbankrott, der in einem Aufstand und der Ermordung des Präsidenten gipfelten, dessen Reformen den Eliten Guatemalas zu weit gegangen waren. Außerdem hatte die Verschuldung erwiesen, daß sich Guatemala so etwas wie ein modernes Staatswesen mit Schulen und Infrastruktur überhaupt nicht leisten konnte.

Das Taglöhnergesetz wurde wieder in Kraft gesetzt.

Die Periode der Bananenrepublik: Unter dem Einfluß USA und die United Fruit Company

Sein Nachfolger wandte sich hilfesuchend an die USA, um eine britische Inkasso-Intervention zu verhindern. Unter diesem Präsidenten Cabrera begann die Karriere Guatemalas als Bananenrepublik der United Fruit Company (UFC). Der Ausbau der Dominanz der USA in Guatemala und den Nachbarstaaten verlief parallel zum Bau des Panamakanals und den Kriegen gegen die Spanier in Kuba.

Für die UFC kamen die Taglöhnergesetze gerade recht, sie fand ideale Ausbeutungsbedingungen vor. Der guatemaltekische Präsident war auch Aktionär der UFC, die Interessen gingen Hand in Hand. Auch die von der UFC zu Ende gebaute Eisenbahn und der Karibikhafen von Puerto Barrios wurden von der UFC betrieben, die damit den größten Teil des Exports und Imports Guatemalas abwickelte.

Unter der Herrschaft der UFC und der USA stellte sich eine Art ökonomische Zweiteilung ein: Der Kaffee wurden von guatemaltekischen Plantagenbesitzern europäischer Herkunft angebaut und exportiert, aus dieser Ökonomie flossen magere Einnahmen in die Kassen des Staates. Die Bananen, obwohl sie auch auf guatemaltekischem Boden abgebaut und mit guatemaltekischer Arbeitskraft erzeugt und abtransportiert wurden, waren eine Art exterritoriales Produkt, deren Gewinne die UFC exklusiv für sich beanspruchte.

Unter der Diktatur des Präsidenten Cabrera wurde auch eine Geheimpolizei eingerichtet, die alle Unzufriedenheit unter der Landbevölkerung im Keim ersticken sollte, und ein Gefängnissystem, das Unzufriedene hinter hohen Mauern verschwinden ließ.

Unter diesen Bedingungen waren es vor allem Kräfte aus dem Schoß der Kirche, Studenten und städtische Arbeiter, die eine Bewegung initiierten, die 1920 den Präsidenten stürzte.

Die Weltwirtschaftskrise führte zum Sturz der volksfreundlichen Regierung und brachte den Militär Ubico an die Macht. Unter diesem Präsidenten, einem Anhänger des europäischen Faschismus, der aber dennoch den USA Tür und Tor öffnete, um sich an der Macht zu halten, wurde die Polizei zur Ermordung gefährlicher oder krimineller Personen ermächtigt. Davon machte sie auch reichlich Gebrauch.

Ubico hatte das Taglöhnergesetz zwar aufgehoben, im Gefolge der Weltwirtschaftskrise erließ er jedoch ein neues „Gesetz gegen den Müßiggang“, in dem Vagabundentum unter Strafe gestellt und die vorher aufgehobene Arbeitspflicht wiedereingeführt wurde, und ein Straßenbaugesetz, das jeden Bürger entweder zu Zahlung oder zu Arbeitsleistung für den Straßenbau verpflichtete. Die guatemaltekische Lehrerbildungsanstalt wurde militarisiert, d.h. neben der pädagogischen einer militärischen Ausbildung unterworfen.

Die bei Großbritannien aufgelaufene Schuld, die Cabrera an die Macht gebracht und Guatemala zur Bananenrepublik gemacht hatte, wurde erst unter Ubico zurückgezahlt.

Nach Streikwellen und deren Niederschlagung etablierten die USA im Rahmen des II. Weltkriegs Basen in Guatemala.

Nach wachsendem Widerstand der Eliten übergab Ubico im Juli 1944 die Macht an eine Militärjunta. Diese versuchte, weiterzumachen wie bisher, wurde jedoch ein paar Monate später durch die „Oktoberrevolution“ (ja, auch Guatemala hat eine solche!) gestürzt, die ein zivil-militärisches Trio, die „revolutionäre Junta“ an die Macht brachte.

Der „guatemaltekische Frühling“

Diese neue Regierung war mit dem Status der Bananenrepublik gründlich unzufrieden. Sie erließ eine neue Verfassung und es kam zu den ersten Wahlen in Guatemala.

Der Präsident Arévalo gilt als der erste, der demokratisch gewählt wurde. Allerdings war bei diesen Wahlen nur ungefähr ein Achtel der Bevölkerung wahlberechtigt, aufgrund eines Registrierungsverfahrens, der die analphabetische Landbevölkerung nicht erfaßte. Die Schulgründungen und die Volksbildung waren nämlich schnell wieder aufgegeben worden, als sich herausstellte, daß Schüler und Studenten sich besonders oft gegen die herrschenden Verhältnisse empörten.

Während der Regierungszeit (von 1945 bis 1951) Arévalos, der sich vor allem an F.D. Roosevelts Politik orientierte, fanden 30 Putschversuche statt. Er sah sich im In- und Ausland mit wachsendem Widerstand konfrontiert. In den USA wurden zaghafte Schritte in Richtung Demokratie zur Zeit McCarthys als Kommunismus gebrandmarkt, die UFC war empört über die Versuche der Regierung, die Eingeborenen aus dem Status der Rechtslosigkeit herauszuholen und das Bananengeschäft zumindest teilweise dem guatemaltekischen Staatssäckel zuzuführen, um ehrgeizige Projekte wie ein Schul- und Gesundheitswesen zu finanzieren.

Arévalo konnte sich gegen die ganzen Putschversuche nur deshalb halten, weil er einen Verteidigungsminister hatte, der die Fäden im Militär in der Hand hielt und diese ganzen Versuche vereiteln konnte. Als dieser Mann schließlich mit einem Erdrutschsieg die nächsten Wahlen gewann – inzwischen durfte schon rund ein Sechstel der Guatemalteken wählen – war für USA-Regierung, den CIA und die United Fruit endgültig klar, daß hier grundlegende Maßnahmen notwendig werden, um einen Präzedenzfall im Hinterhof und womöglich ein Kippen ganz Mittelamerikas zu verhindern.

Um so mehr, als der neue Mann, Jacobo Arbenz, sich eine Reform des Rechtswesens und eine Landreform vornahm, die zu Lasten der UFC gegangen wäre. Und nicht nur das: Er setzte auch Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, die das Monopol der UFC in Fragen Transport brechen sollten, wie einen Hafen und eine Straße zum Atlantik.

Da er sich auch von Mitgliedern der Arbeiterpartei Guatemalas beraten ließ, war klar, daß hier der Kommunismus bekämpft werden mußte, um nicht den ganzen Kontinent zu erfassen.

Der Sturz von Arbenz und der Bürgerkrieg

Um die Regierung von Arbenz zu stürzen, wurde alles aufgeboten, was nur gut und teuer war. Ein Botschafter, der vorher erfolgreich in Griechenland den Kommunismus bekämpft hatte, machte sich in Guatemala ans Werk. Bestechungsgelder flossen reichlich. Eine – allerdings recht jämmerlich ausgestattete – Invasionsarmee wurde von Honduras aus losgeschickt.

Vor allem aber wurde medial alles aufgeboten, was damals möglich war. Die Kampagnen neuerer Zeiten wurden damals auch bereits durchgespielt. Sowohl in den US-Medien als auch in der internationalen Presse wurde Arbenz als Steigbügelhalter der Sowjetunion dargestellt, der dem Kommunismus auf dem amerikanischen Kontinent Tür und Tor öffnen würde, und alle so enteignen, wie er es mit der UFC vorhatte. Die UFC wurde sozusagen mit dem ehrbaren Bürger gleichgesetzt, dem man seine Scholle und sein Erspartes wegnehmen würde.

In Guatemala selbst wurde mit einem CIA-gesponserten Radiosender gegen das Böse in Form von Arbenz und der mit ihm verbündeten Arbeiterpartei gehetzt. Auch die katholische Kirche legte sich propagandistisch ins Zeug. Der Erzbischof von Guatemala schuf eine eigene Christusfigur für Wallfahrten, in denen für die Erlösung vom Kommunismus gebetet wurde.

All das führte dazu, daß Arbenz schließlich Ende Juni 1954 abdankte und das Land verließ, weil er eine Intervention der US-Armee fürchtete, wenn er die interne Rebellion erfolgreich unterdrücken würde.

Arbenz und seine Familie wurden von der Propaganda und dem CIA weiter verfolgt, und scheiterten bei Asylansuchen in verschiedenen Staaten. Arbenz selbst verfiel dem Alkohol und starb im Alter von 57 Jahren Jahren unter ungeklärten Umständen in Mexiko. All das sollte verhindern, daß er jemals wieder Anteil an der Politik Guatemalas nahm.

In Guatemala selbst setzte unter dem von den USA unterstützten Putschisten Castillo Armas und seinen Nachfolgern eine Hexenjagd gegen alle Unterstützer und Anhänger von Arbenz ein. Die Landreform wurde zurückgenommen. Die katholische Kirche krallte sich einen guten Teil des Schulsystems. Wer konnte, flüchtete ins Ausland.

Der Präsident Ydigoras genehmigte das Training der späteren Schweinebucht-Invasoren auf einer guatemaltekischen US-Basis. Das führte 1963 zu seinem Sturz – er wurde von den USA für die Invasion verantwortlich gemacht, um das eigene Scheitern zu bemänteln.

Mitte der 60-er Jahre begannen die Repression und der Widerstand sich zu einem regelrechten Bürgerkrieg auszuwachsen. Der allmähliche Abstieg der United Fruit Company auf dem Weltmarkt trug dazu bei, daß Guatemala für die USA und die Kommunismusbekämpfung zweitrangig wurde. Die Unterstützungsgelder für die Militärregierungen flossen spärlicher.

Die extrajudikalen Morde durch die Polizei und das Militär wurden wieder aufgenommen. Das System des „schmutzigen Krieges“, das später in Argentinien seine theoretische Grundlage fand und seinen Höhepunkt erreichte – die Entführung und Ermordung von Verdächtigen, oft unter Verschwindenlassen der Leichen – wurde zunächst in Guatemala ausprobiert und ging in Serie. Internationale Aufmerksamkeit erregte der Falle einer 1967 auf diese Art ermordeten ehemaligen „Miss Guatemala“.

Einen neuen Schwung erhielt der Bürgerkrieg durch den Sieg der Sandinisten in Nicaragua und der Finanzierung der Contras in Honduras. Die Militärs in Guatemala wurden außer von den USA von Israel unterstützt.

Im Zuge dieses Bürgerkrieges kam es zur Erstürmung der spanischen Botschaft in Guatemala City im Jänner 1980 durch die guatemaltekische Polizei, bei der 39 Personen ums Leben kamen und das Gebäude von der Polizei in Brand gesetzt wurde. Der spanische Botschafter hatte versucht, im Bürgerkrieg zu vermitteln und deshalb Mitglieder der Guerilla und ehemalige guatemaltekische Politiker in die Botschaft gelassen, auf den exterritorialen Status derselben vertrauend.

Die Tochter eines der in der Botschaft Ermordeten thematisierte die Verhältnisse in Guatemala. Sie erhielt 1992 den Nobelpreis.

Der zentrale Teil Guatemalas wurde in diesem Bürgerkrieg ziemlich verwüstet, da das guatemaltekische Militär bei der Guerillabekämpfung Methoden eingesetzt hatte, die der US-Kriegsführung in Vietnam entnommen und nach Guatemala transferiert worden waren. Außerdem war Guatemala eine Art großes Ausbildungslager für die Aufstandsbekämpfung, in dem diverse in der „School of the Americas“ ausgebildete Militärs im Gelände üben konnten.

Der Bürgerkrieg wurde 1996 formell beendet. Bis dahin wurden die Opfer auf 200.000 Tote, 100.000 Vertriebene und 45.000 Verschwundene geschätzt.

Nach dem Ende des Kalten Krieges: Außer Spesen nichts gewesen.

Daß unter solchen Bedingungen die Nationalökonomie nicht so richtig vorankam, ist nachvollziehbar. Dazu kamen noch ein schweres Erdbeben im Jahr 1976.

Der Friedensschluß 1996 wurde möglich, weil die Kommunismusgefahr nach dem Ende der SU vorbei war. Ähnlich wie in El Salvador endete der Krieg mit einer völligen Niederlage der Guerilla.

Ein Bischof, der Material für die von der UNO und der Regierung gemeinsam eingerichtete Kommission zur „Historischen Aufklärung“ über die Morde und das Vorgehen der Streitkräfte gesammelt hatte, wurde 1998 ermordet. Die katholische Kirche muß die Sorge um das Seelenheil der Bewohner inzwischen mit evangelikalen Kirchen teilen, die als eine Art fundamentalistische Vorposten der US-Interessen zahlreich in Guatemala anzutreffen sind.

Der Hurrikan Mitch 1998 und ein weiterer 2005 trugen weiter dazu bei, daß in Guatemala mehr oder weniger alles beim alten Elend blieb. Einzig die UFC bzw. ihre Nachfolgerin Chiquita wurde durch andere Agrarunternehmen in den Hintergrund gedrängt. Der Grundbesitz ist nach wie vor in den Händen weniger In- und Ausländer. Der Rest der Bevölkerung hält sich hauptsächlich mit Subsistenz, Lohnarbeit und kriminellen Aktivitäten über Wasser.

Der Kaffee und die Bananen sind nach wie vor die wichtigsten Exportprodukte, neben anderen, neueren, rein für den Export angebauten Cash Crops wie Broccoli und Kardamom.

Es ist nicht klar, wer heute die tatsächliche Macht in Guatemala in der Hand hat. Vermutlich ist es nach wie vor das Militär, das sämtliche Regierungen seither davon abhält, zu sehr an den etablierten Verhältnissen zu rühren oder die Rolle von Polizei und Militär bei der Bekämpfung der Guerilla zu untersuchen. Dafür dürfen die Politiker sich bereichern, so gut sie können. Der vorige Präsident Morales war ein Komiker, der jetzige Giammattei ist ein ehemaliger Gefängnisdirektor.

Unter Morales unterzeichnete Guatemala ein Schubabkommen mit den USA, in dem es sich bereit erklärte, nicht nur guatemaltekische Bürger zurückzunehmen, sondern auch solche aus anderen Staaten, sobald nachgewiesen ist, daß sie über das Territorium Guatemalas in die USA gekommen sind.

Bei den 39 Toten, die im März 2023 in Ciudad Juarez in Mexiko in einem Gefängnis für illegale Migranten verbrannten, weil sie sich gegen die Abschiebung in ihre Heimatländer zur Wehr setzen wollten, stammten 18 aus Guatemala.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich hier.

Die Auflösung der ETA

DAS (VORLÄUFIGE) ENDE EINES STAATSPROJEKTS

Die ETA (Abkürzung für „Euskadi Ta Askatasuna“, „Baskenland für Freiheit“) hat vor einigen Wochen offiziell ihre Selbstauflösung verkündet. De facto war sie seit dem „Waffenstillstand“ von 2011 nicht mehr aktiv gewesen, jetzt wurde der Schlußakt formal vollzogen.
Das hat hierzulande kein besonderes Echo gefunden, genausowenig, wie die jahrzehntelange Tätigkeit dieser Organisation niemanden außerhalb Spaniens besonders gestört hat.

Die ETA war nämlich nicht in die Konfrontation des Kalten Krieges eingebunden. Sie suchte den Kontakt mit der Sowjetunion nicht und erhielt von dort keine Unterstützung. Die SU soll Ende der 70-er Jahre sogar angeboten haben, die ETA zu beseitigen, wenn Spanien der NATO nicht beitrete. Die damalige spanische Regierung (Suarez) reagierte, wenn überhaupt, ablehnend.

Daraus sieht man, daß die spanischen Eliten mit dem ETA-Terror gut leben konnten. Im Gegenteil, der ständige Kampf gegen einen inneren Feind kam als Rechtfertigung vieler höchst unangenehmer Maßnahmen gerade recht.

Die Vorwegnahme des Staates als Gewaltapparat

In ihre Gründungszeit herrschten noch verschiedene Vorstellungen über die Ziele dieser Organisation, die in Spaltungen und Vereinigungen mündeten. Als Ziel setzte sich schließlich die Unabhängigkeit des Baskenlandes durch und verschiedene terroristische, also gewaltsame Akte zur Durchsetzung dieses Ziels.
Dieser vornehme Auftrag, der gebeutelten Nation endlich zur ihr zustehenden Entfaltung zu verhelfen, gab den Mitgliedern von ETA das gute Gewissen, von ihrer Gründung 1968 bis 2011 nach offiziellen Zählungen 853 Menschen umzubringen.

„Wir haben eine alte Sprache, daher sind wir ein Volk und deshalb werden wir einen Staat haben“ – mit diesen Worten charakterisierte eine französische Juristin seinerzeit das Selbstverständnis der ETA.
Der Wille zu einem eigenen Staat einte die ETA mit verschiedenen Befreiungsbewegungen des 20. Jahrhunderts. Es gibt aber wenige Organisationen, die diese Sehnsucht so sehr in Reinkultur verkörpert haben wie die ETA.

Diese Vorstellung, sich als ideelle Staatsmacht mit der realen gleichzusetzen, zeigt sich auch an den angebotetenen „Waffenstillständen“. Da ist es unwichtig, ob sie gehalten haben oder gebrochen wurden. Die ETA definierte dieses Angebot auf Gewaltverzicht als einen Hoheitsakt, bei dem eine kriegsführende Seite sich mit der anderen auf etwas verständigt.

Der Kampf des spanischen Staats gegen die ETA

Der Umstand, daß die ETA nach Francos Tod nicht die Waffen streckte und weiter aktiv blieb – und sich auch einer gewissen Unterstützung im restlichen Spanien erfreute, aufgrund der Tatsache, daß sie die einzige Organisation war, die dem Regime die Stirn geboten hatte – kam den spanischen Eliten gerade recht. Mit Berufung auf „Bekämpfung des Terrorismus“ konnte die Übergangsregierung unter Suarez und die Nachfolgeregierungen auch gegen linke Studenten- und Arbeiterorganisationen vorgehen und den Gewaltapparat aus der Franco-Zeit 1:1 übernehmen. Er diente jetzt der „Verteidigung der Demokratie“.

Eine besondere Rolle kam dabei der Guardia Civil zu. Diese spezielle Einheit, die als „Gendarmerie“ übersetzt wird, wurde 1844 als eine Art Militär für das Inland gegründet, zur Überwachung der ländlichen Bevölkerung. Ihre Mitglieder leben in Kasernen, kommen aus anderen Landesteilen und dürfen sich nicht mit der Bevölkerung vor Ort verbrüdern, verheiraten usw. Nach Ablauf ihrer Dienstzeit werden sie versetzt und in die nationale Polizei übernommen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Guardia Civil eine Art interne Terrororganisation gegen das aufständische Landproletariat Spaniens. Im Baskenland wurde sie zu einer Besatzungsarmee. Sie verfügte über spezielle Vollmachten, die alle demokratischen Gepflogenheiten außer Kraft setzten. Während die baskische Polizei, die Ertzaintza, mehr oder weniger auf verkehrspolizeiliche Maßnahmen und ähnliches beschränkt war, konnte die Guardia Civil problemlos in Wohnungen eindringen, Hausdurchsuchungen vornehmen, Leute verhaften und tage-, sogar wochelang Leute in Gewahrsam nehmen, verprügeln, demütigen, usw., ohne ihre Angehörigen auch nur in Kenntnis zu setzen.

Es ist nicht herauszukriegen, wieviele Personen der Repression der Sicherheitskräfte seit 1975 zum Opfer gefallen sind. Darüber wird offenbar keine Statistik geführt, während die Opfer der ETA genau verzeichnet wurden. Zu den Ermordeten, ob ETA-Mitglieder oder nur der ETA-Mitgliedschaft Verdächtigen, muß man auch diejenigen hinzuzählen, die durch die Polizeihaft bleibende Schäden erlitten haben.

Das war aber offenbar dem Staat noch nicht genug.

Von 1983 bis 1987 übten die paramilitärischen Einheiten der GAL (Antiterroristische Befreiungsgruppen), die vom Innenministerium zur Zeit der sozialistischen Gonzalez-Regierung organisiert wurden, ihre Tätigkeit aus, die später als „schmutziger Krieg“ bezeichnet wurde. Ihnen werden 27 Morde zugeschrieben. Sie entführten Personen und ermordeten sie, auch in Frankreich.

Die Organisationsstruktur der ETA

Die ETA verfügte mit der 1978 von aus dem Exil heimgekehrten Politikern gegründeten Partei Herri Batasuna („Volkseinheit“), die sich 1986 formal als Partei gründete, über ein legales Standbein im baskischen Regionalparlament, bis HB und auch Nachfolgeorganisationen 2003 verboten wurden.

Die „Volkseinheit“ definierte sich als „patriotische Linke“, womit sie erstens die Liebe zur Heimat als linke Tugend definierte, und zweitens sich als ehrbare Opposition darstellte, die letztlich immer für das Gute und gegen das Böse war.
Zur Erreichnung dieser hohen Ziele sind natürlich alle Mittel erlaubt.

Die paramilitärischen Einheiten, die „Kommandos“, agierten unabhängig voneinander, sodaß die Verhaftung eines oder mehrer Mitglieder eines solchen Kommandos keine Auswirkungen für die anderen hatte. Auch unter Folter konnten die Verhafteten keine Informationen weitergeben, weil sie keine hatten.
Die Unabhängigkeit der Kommandos bezog sich auf die Wahl der Opfer, der Tatorte, die Form der Ausführung, und auch auf Geldbeschaffung und Einbrüche in militärische Depots zur Beschaffung von Sprengstoff.

Ein Moment der Dauerhaftigkeit und Unterstützung der ETA war das absolute Verbot des Konsums von Alkohol und Drogen.

In der Zeit der Transición, des Übergangs zur Demokratie, wo sich eine ganze Generation mit Heroin zu- und wegtörnte – durchaus von den Behörden geduldet –, war das ein Anziehungspunkt. Den meisten Eltern war es lieber, wenn ihre Kinder sich in ETA-Kreisen herumtrieben, als sie im Drogenmilieu versumpfen zu sehen.
Ihre Mittel beschaffte sich die ETA über Schutzgelderpressung – mit sehr glaubwürdigen Drohungen unterlegt –, über Entführungen von Unternehmern und das dafür gezahlte Lösegeld, und über Einbrüche in Munitionsdepots.

Die Unterstützer der ETA

Das Staatsprojekt der ETA fand auf der Welt wenig Unterstützer. Spekulationen auf Unterstützung von Seiten der Sowjetunion oder anderer Staaten des Warschauer Paktes werden nicht einmal von den größten Antikommunisten in die Welt gesetzt.
Auch der CIA hatte nichts mit der ETA zu tun, weder vor noch nach Francos Tod. Die USA waren mit Spanien hochzufrieden, sie hätten gar keinen Grund dafür gehabt.

Die ETA wurde lange von Algerien unterstützt. Die Regierungen von Boumedienne und Bendjedid sahen offenbar im nationalen Befreiungskampf der ETA eine Parallele zur eigenen Befreiung von der Kolonialmacht. Algerien diente sowohl als Versteck und Zufluchtsort für ETA-Mitglieder, die in Spanien gesucht wurden, als auch als Ausbildungslager für die Mitglieder der Kommandos.
Aus verschiedenen lateinamerikanischen Staaten erhielt die ETA ebenfalls Unterstützung, vor allem aus Mexiko, Venezuela, Argentinien und Uruguay. Von staatlicher Seite wurde diese Unterstützung nur geduldet, nicht aktiv betrieben. Die Freunde der ETA waren in diesen Staaten republikanische Flüchtlinge und deren Angehörige sowie Nachfahren baskischer Auswanderer.

Nicht ganz klar erschließt sich die Rolle Frankreichs. Die ETA hätte sich nie so lange halten können, wenn die französischen Behörden mit den spanischen zusammengearbeitet hätten. Aber daran bestand offenbar kein Interesse von Seiten Frankreichs.
So diente das französische Baskenland als Rückzugsgebiet und logistisches Hinterland. Der Sprengstoff kam aus französischen Militäreinrichtungen, die weniger streng bewacht waren als die spanischen. Aktionen der spanischen Polizei und Guardia Civil in Frankreich, bei denen öfters auch französische Staatsbürger zu Schaden kamen, wurden zwar geduldet, führten aber regelmäßig zu Verstimmungen und Protesten von französischer Seite.
Diese Duldung ist um so verwunderlicher, als der Wunsch nach einem eigenen Staat durchaus auch das französische Baskenland bedrohte und damit die Einheit Frankreichs. Zunächst konzentrierte sich die ETA auf den spanischen Teil – Hegoalde, die „südlichen Länder“ –, aber der Norden – Iparralde – lag als Fernziel durchaus im Staatskonzept der baskischen Patrioten.

Schließlich ist auch eine Unterstützung der ETA bei der baskischen Unternehmerschaft nicht zu unterschätzen. Nicht alle wurden genötigt, Schutzgeld zu zahlen. Es gab auch in der Unternehmerschaft welche, denen die Vorstellung eines unabhängigen Baskenlandes angenehm war und die dafür gerne etwas ablegten.
Sie erhofften sich dadurch geringere Abgaben und damit höhere Profite.

Die Attentate

Der bewaffnete Arm der ETA betrachtete sich als Nachfolger der baskischen Armee im Bürgerkrieg, der Finger saß recht locker am Abzug. Sie betrachtete sich als Armee im Krieg und wollte den Feind treffen, wo es nur ging. Die Auswahl ihrer Opfer fand so statt, daß diese Personen von den Mitgliedern der Kommandos für lebensunwert betrachtet und zur Liquidierung verurteilt wurden.
Die Attentate erfolgten in Form von Hinrichtungen mit Schußwaffen, oftmals aus nächster Nähe – der Attentäter ging zu seinem Opfer und teilte ihm vorher mit, daß es jetzt erschossen würde.

Andere Attentate erfolgten mit Bombenanschlägen. Die Frequenz von Anschlägen mit Bomben hing davon ab, welche Mengen der ETA gerade zur Verfügung standen. Die Anschläge erfolgten teilweise auf Wohneinheiten der Guardia Civil.
Oftmals wurden aber einfach auf Lokale, Flughäfen, Bahnhöfe und Supermärkte Anschläge verübt, weil die ETA die als legale Ziele gegen die Besatzungsmacht ansah.

Mit der Zeit bürgerte sich ein, daß bei den Bombenattentaten in öffentlichen Gebäuden vorher eine Warnung erfolgte, damit die betreffende Örtlichkeit rechtzeitig geräumt werden konnte.
Beim Attentat auf den Hipercor in Barcelona 1987, das 21 Todesopfer forderte, war die Warnung von der Polizei ignoriert worden, weil sie es für günstig hielt, mit einem blutigen Attentat die Stimmung in der Bevölkerung gegen die ETA aufzuhetzen. Die Toten von damals kann man also als Gemeinschaftswerk von Polizei und ETA betrachten.
Beim Bombenattentat auf den Flughafen Barajas 2006 war der Flughafen zwar geräumt worden, zwei Ecuatorianer, die in ihren Autos schliefen und deshalb die Evakuierung verschliefen, fielen der Explosion jedoch zum Opfer.

Die Opfer der ETA

Die ETA hatte ein relativ breit gestreutes Spektrum an Opfern.

Der größte Teil ihrer Opfer waren Mitglieder der Exekutive – der Guardia Civil und der Polizei, des Militärs, sowie deren Angehörige. Es gab keinerlei Bedenken oder Reue, wenn bei einem Attentat gegen eine als Feind definierte Zielperson auch deren Partner und Kinder umkamen, oder die Erschießung ihres Vaters mit ansehen mußten. Die ETA betrieb also bei ihren Attentaten auch eine Art Sippenhaftung.

Weiters wurden Lokalpolitiker – Bürgermeister oder Gemeinderäte von nicht-baskischen Parteien – ins Visier genommen, mit ähnlich tolerierten Kollateralschäden. Sie waren immerhin Verräter, die sich trotz ihrer baskischen Abstammung dem spanischen Kolonialherren andienten.
Ein – sogar baskischstämmiger – Schulwart wurde vor einem Haufen Schüler am hellichten Tag an seinem Arbeitsplatz erschossen – in der irrigen Annahme, er hätte früher einmal bei der Polizei gedient.

Gerne und reichlich wurden Taxifahrer, Kellner oder Barbetreiber erschossen, weil die ETA von ihnen annahm, daß sie Spitzel waren. Sie hatten nämlich hin und wieder Polizisten in ihren Taxis geführt oder in ihren Etablissements bewirtet, waren also eindeutig Kollaborateure der Besatzungmacht.
Bei diesen Menschen war auch noch zusätzlich verdächtig, daß sie oftmals aus anderen Teilen Spaniens stammten, also schon ihrer Herkunft nach als Feinde zu gelten hatten. In dieser Logik wurden auch diverse Andalusier oder aus Kastilien, Murcia oder Extremadura stammende Leute einfach so erschossen, um klarzustellen, daß die ETA keinen Wert auf Zuzug legte.

Auch Leute, die die ETA verlassen hatten, weil sie genug von diesem Wahnsinn hatten, wurden hingerichtet, sobald sie sich wieder ins Baskenland wagten, in der irrigen Annahme, daß über die Sache Gras gewachsen sei.

Einmal ETA – immer ETA!

Die Nachfolgeorganisation Bildu

Die Organisation Bildu (= „versammelt“) ist das Ergebnis verschiedener Koalitionen, die sich aus baskischen Kleinparteien seit dem sogenannten „Abkommen von Gernika“ im Jahre 2010 gebildet hat. Damals wurde der Waffenstillstand, also das Ende des bewaffneten Kampfes vereinbart, und alle anderen politischen Organisationen auf die Zusammenarbeit mit der ETA verpflichtet.

Hier ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, daß die ETA jahrzehntelang keine Organisationen der spanischen oder sogar internationalen Linken auf dem Territorium des Baskenlandes duldete. Sobald irgendwelche anarchistischen, trotzkistischen, maoistischen, marxistischen und ähnlichen Gruppen eine Filiale im Baskenland eröffnen wollten, erhielten sie einen Besuch, der ihnen davon abriet, weil dergleichen mit Gefahr für Leib und Leben verbunden sei. Diese Drohungen betrafen auch den französischen Teil des Baskenlandes.
So ergab es sich zwangsläufig, daß alle Organisationen, die sich dort bildeten, ob sozialistisch oder ökologisch orientiert, als erstes die nationale Frage in ihre Statuten oder sonstigen Absichtserklärungen aufzunehmen hatten. Sie hatten sich als baskische Patrioten zu definieren, mußten sich einen baskischen Namen geben und hatten ihre Veröffentlichungen auf Baskisch zu machen.

Man kann sagen, daß die ETA sich auf diese Art und Weise den Boden für den Übergang in die Legalität vorbereitet hat. Erstens hat sie eine Infrastruktur für die Teilnehme am demokratischen Machtkampf zugelassen, derer sie sich jetzt bedienen kann. Zweitens hat sie damit gesorgt, daß alle Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen sich nur innerhalb der „patriotischen Linken“ artikulieren kann. Dadurch hat sie drittens ein breites Reservoir von jungen Anhängern und Wählern, denen es selbstverständlich ist, ihre gesamten Anliegen zu Bildu und deren Koalitionspartnern zu tragen.
Der Übergang in die Legalität ist also geglückt. 44 abgeurteilte und nach langen Haftstrafen wieder entlassene Etarras, also ehemalige ETA-Kämpfer, kandidieren jetzt für die laufenden Gemeinderatswahlen und werden es vermutlich auch schaffen, auf einen Gemeinderatssitz zu kommen. Dort sitzen sie bald neben den Anhörigen ihrer ehemaligen Opfer, die sich bei anderen Parteien betätigen und oft erst als Ergebnis der Ermordung ihrer Väter zu einem politischen Engagement entschlossen haben.
Alle Einsprüche gegen diese Umwandlung von ETA in Bildu – oft mit Zwischenschritten über andere, kurzlebige Organisationen wurden abgeschmettert.
Es ist anzunehmen, daß die PNV mit Bildu Pakte geschlossen hat, um möglichst viele Gemeinderatssitze für die nationale Sache zu sichern und andere Parteien nach Möglichkeit aus dem Baskenland zu entfernen.

Die Vereinigung mit dem Norden ist weiterhin nicht ausgeschlossen, wenngleich derzeit auf die Gemeindeebene reduziert: Bildu bzw. mit der Partei verbündete Parteien kandidieren auch in Frankreich.

Eine ausführlichere Version dieses Artikels findet sich hier:

DAS (VORLÄUFIGE) ENDE EINES STAATSPROJEKTS

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 26.4.: Reziproke Enteignungsmaßnahmen

„RUSSLAND REAGIERT AUF DIEBSTAHL: WARUM HAT PUTIN EINE EXTERNE VERWALTUNG FÜR EINIGE WESTLICHE UNTERNEHMEN VERORDNET?

Ausländische Anteile an Unipro und Fortum wurden an die Verwaltung der Bundesanstalt für Liegenschaften übertragen.
Die Bundesverwaltung für Staatseigentum (Rosimuschtschestvo) erklärte, dass die in der Liste verzeichneten Anlagen von großer Bedeutung für das stabile Funktionieren des russischen Energiesektors seien.

„Gespiegelte“ Maßnahmen

Im vergangenen Jahr geriet Rußlands im Ausland befindliches Eigentum in Gefahr – nach dem Beginn der Spezialoperation blockierten westliche Länder russisches Staats- und Privatvermögen. Gegen Moskau wurden bereits mehrere Sanktionspakete erlassen und die Hälfte der Devisenreserven unseres Landes in Höhe von 330 Milliarden Dollar eingefroren. Ein Ende einer solchen Politik ist nicht in Sicht. Zuletzt wurde z.B. bekannt, daß Deutschland die notwendigen rechtlichen Rahmenbedingungen für den Verkauf von Rosneft-Vermögenswerten geschaffen hat, die zuvor de facto von Berlin angeeignet worden waren. Nun bereiten die deutschen Behörden den Verkauf einer russischen Ölraffinerie in Schwedt vor.“

Sieh da, sieh da. Die Raffinerie in Schwedt ist eigentlich russisches Eigentum. Hier wird vermutlich treuhandmäßig vorgegangen: Erst enteignen, dann zusperren.

„Als Reaktion auf diese feindseligen Schritte unterzeichnete Präsident Putin ein Dekret über Maßnahmen für den Fall, dass Rußland, seinen Bürgern oder juristischen Personen das Eigentum an Vermögenswerten in »unfreundlichen« Ländern entzogen wird. Selbst im Falle der Androhung solcher Aktionen durch andere Staaten hat Rußland jetzt das Recht, ihr Eigentum, einschließlich der Anteile ausländischer Organisationen an russischen Firmen, vorübergehend unter seine Kontrolle zu bringen. Der entsprechende Präsidialerlass vom 25. April ist mit einer Liste der Vermögenswerte versehen, die bereits unter die neue Regelung fallen.
Bisher geht es nur um Wertpapiere – unter der externen Kontrolle der Bundesanstalt für Vermögensverwaltung befanden sich 83,7 % der Aktien der Unipro AG, im Besitz der deutschen Holding Uniper SE, und etwa 98 % davon die Aktien der Fortum AG, die von der finnischen staatlichen Energiefirma Fortum kontrolliert werden.
Neben Wertpapieren kann die vorübergehende Verwaltung in Russland bewegliches und unbewegliches Vermögen ausländischer Personen und Unternehmen, die sich auf dem Territorium unseres Landes befinden, ihre Anteile am gesetzlichen Kapital russischer juristischer Personen sowie persönliche Eigentumsrechte umfassen.
Die Verwaltungsbehörde für Staatseigentum erklärte, dass die in der Liste aufgeführten elektroenergetischen Anlagen von größter Bedeutung für das stabile Funktionieren des russischen Energiesektors seien.

Um die Bedeutung von Unipro und Fortum zu begreifen, genügt es, sich daran zu erinnern, dass sie 12 Wärmekraftwerke (5 davon Unipro und 7 Fortum) umfassen, darunter die E-Werke Surgutskaja 2, Schaturskaja, Smolenskaja, Njaganskaja (eines der größten und modernsten thermischen Kraftwerke in Rußland) etc.
Das Portfolio von Fortum (ehemals Vereinigte Russische E-Werke) umfasst auch einen Windpark in der Region Uljanowsk und Solarkraftwerke in der Region Orenburg und Baschkortostan. Es ist offensichtlich, dass die Unternehmen von strategischer Bedeutung für die Wirtschaft des Landes sind, aber die Kontrolle über sie gehörte immer noch ausländischen Holdings. Die Eigentümer der Unternehmen haben sich jedoch nicht geändert, es handelt sich lediglich um deren Übergabe an eine vorübergehende Verwaltung, die jederzeit auch durch Beschluss des Präsidenten beendet werden kann.“

Eigentlich interessant und hierzulande recht unbekannt, wie sehr sich EU-Unternehmen in den russischen Energiesektor eingekauft haben.

„Russische Experten schlagen bereits vor, dass Unipro und Fortum nun wie Staatsunternehmen Dividenden zahlen sollten – also mindestens 50 % des Nettogewinns. Und da die Bundesanstalt für Liegenschaften (Bundesverwaltungsorgan) zum Interimsmanager geworden ist, gehen die Dividenden an den Staat.

Ausländern werden Milliardengewinne entzogen

»Dies ist natürlich keine Beschlagnahme, sondern es sind Maßnahmen als Antwort auf die Aktionen unfreundlicher Staaten, die sich erstens erlaubt haben, die Gold- und Devisenreserven der russischen Zentralbank zu blockieren, d.h. sie haben sich am souveränen Eigentum der Russischen Föderation vergriffen.
Darüber hinaus wurden die Bankkonten russischer Staatsunternehmen und Personen, die in diesen Ländern Geschäfte tätigten, eingefroren bzw. eingezogen. Was soll ich sagen? Diese feindseligen Aktionen betrafen viele Personen, die dort Konten und Immobilien besaßen oder Investitionen getätigt hatten. Alle diese Vermögenswerte sind ebenfalls gesperrt«, sagte Maria Jarmusch, Anwältin, Fachanwältin für Zivil- und Völkerrecht, im Radio „Komsomolskaja Prawda“.

»Daher übertrug der Präsident der RF in Form von Spiegelmaßnahmen zur Vergeltung das Vermögen westlicher Unternehmen, die sich auf dem Territorium der Russischen Föderation befinden, an die Bundesbehörde für Vermögensverwaltung.
Und das sind vor allem die beträchtlichen Vermögenswerte von Wärmekraftwerken, die deutschen und finnischen Unternehmen gehören und riesige Gewinne erzielen.
Zum Beispiel hat ein deutsches Unternehmen im vergangenen Jahr 105 Milliarden Rubel verdient (wir sprechen von Unipro, dessen Umsatz im Jahr 2022 105,8 Milliarden Rubel betrug – Red.). Aber jetzt können ausländische Unternehmen nicht über diese Vermögenswerte verfügen – sie können sie nicht verkaufen, sie können nicht abstimmen und an der Verwaltung teilnehmen, sie können keinen Gewinn erzielen.“

Das wären ca. 1,17 Milliarden €, die Uniper durch die Lappen gegangen sind. Die deutsche Muttergesellschaft konnten ja an das Geld nicht dran, dank Sanktionen.
Man erinnere sich, Uniper ging voriges Jahr pleite und mußte verstaatlicht werden, was den deutschen Staat um einige Milliarden mehr kostete …

„Wie wird sich die Situation weiter entwickeln? Laut dem Experten gibt es Listen ausländischer Unternehmen, die Einnahmen in Milliardenhöhe aus Quellen in der Russischen Föderation erhalten, deren Vermögen wohlbekannt ist, und auf die gleiche Weise (wie bei den vorher benannten Firmen) kann dieses Vermögen ohne weiteres an die Verwaltung der Russischen Behörde für Vermögensverwaltung übertragen werden mit dem Recht, darüber zu verfügen.
Diese Behörde kann genannte Aktiva allerdings an niemanden verkaufen. Und wie die Sache weitergeht, ist noch schwer zu sagen – vieles hängt jetzt von der geopolitischen Lage ab.

Bisher hat der Markt auf die Nachrichten zur Einführung der vorläufigen Verwaltungs-Übertragung“ (an Rosimuschtschestvo) „optimistisch reagiert. Die Aktien der russischen Energieunternehmen, die der deutschen Uniper und der finnischen Fortum gehören, stiegen während des Handels an der Moskauer Börse um mehr als 10 % an.“