Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 14.6.: Ein Gespräch mit dem Politologen und Militärexperten Alexej Podberjoskin

WIE LANGE WIRD DIE WESTLICHE AUSRÜSTUNG FÜR DIE STREITKRÄFTE DER UKRAINE AUSREICHEN UND WAS WIRD ALS NÄCHSTES IN DER ZONE DER SPEZIALOPERATION PASSIEREN?

„KP: Was war für Sie das Interessanteste, was Ihnen bei dem Treffen zwischen Putin und Militärkorrespondenten aufgefallen ist?

AP: Das war die Frage der Mobilisierung, und Putin gab eine eindeutige Antwort. Er hat sich zu der derzeitigen Lage sehr konkret geäußert.
Ich sagte, dass wir drei Möglichkeiten haben, die Streitkräfte zu vergrößern: Vertragssoldaten, Freiwillige und private Sicherheitsdienst-Mitglieder. Putin nannte konkrete Angaben, es hätten sich ungefähr 160.000 Freiwillige und Vertragssoldaten gemeldet. Daher ist im Augenblick kein Bedarf für eine weitere Mobilisierung.

KP: Will Kiew unsere Reserven ausdünnen?

AP: Ja, entlang der Grenze zu Belgorod, Brjansk und Kursk soll militärisch möglichst Druck gemacht werden. Damit Moskau Reserven dorthin wirft.

Eine Pufferzone von 500 km

KP: Was sagt Putin über die Sicherheits-Pufferzone – mit welchen Kräften soll sie ausgestattet werden?

AP: Ich habe vor etwa zwei Monaten darüber gesprochen, dass wir eine »No-Go-Area« gegen feindliche Kräfte einrichten müssen.
Wir haben kein Recht, Bedrohungen zuzulassen, die sich in einer Entfernung von 500 Kilometern von unseren Grenzen befinden. Anscheinend hatte Putin genau das im Sinn. Ansonsten erwischen uns nicht nur vom Boden abgeschossene Raketen – die HIMARS können auch mit ballistischen taktischen Raketen mit einer Reichweite von bis zu 500 Kilometern ausgerüstet werden –, sondern auch Drohnen, für die 500 Kilometer keine Distanz sind.

KP: 500 Kilometer sollten unter der Kontrolle der russischen Streitkräfte stehen?

AP: Sicherheitszonen rufen auch andere Staaten aus. Israel zum Beispiel, zumindest teilweise.

KP: Nun, wir werden sie ein paar hundert Kilometer zurückdrängen – und dann stellt sich heraus, dass sie jetzt unser Charkow beschießen …

AP: Verwechseln Sie nicht Politik, militärische Sicherheit und Recht. Ich sage aus Sicht der militärischen Sicherheit, dass wir einen Abstand von mindestens 500 Kilometern zur Kontaktlinie“ (= Front/Grenze/Feindberührung?) „gewährleisten müssen, um uns in Sicherheit zu fühlen.

KP: Wo wird diese Linie dieses politischen Kontakts verlaufen?

AP: Sie sollte entlang der Grenze der UdSSR verlaufen, die vor 1991 lag. Einschließlich Transnistriens und Moldawiens.

KP: Warum genau dort?

AP: In Rumänien wird derzeit die 101. Luftlandedivision der USA gruppiert, militärische Ausrüstung angesammelt und Flugplätze vorbereitet.
Das Manöver, das jetzt in Europa begonnen hat, wird sich weitgehend auf die Möglichkeit einer Konzentration der Luftfahrt stützen. Dies ist die Hauptangriffsmacht der NATO in diesen Regionen. Wir müssen allen sagen, dass wir ihre Sicherheit garantieren, aber auch, dass sie uns eine Zone „außerhalb ihres Zugriffs“ 500 Kilometer von dieser Grenze entfernt garantieren.“

Ambitioniert.
Rußland fordert also eine demilitarisierte Zone bis zu 500 km und nennt das mehr oder weniger als Kriegsziel. Also eine Demilitarisierung nicht nur der Ukraine, sondern auch Moldawiens.

„Dem Westen geht der Nachschub aus?

KP: Nicht nur Russlands militärisch-technische Fähigkeiten, sondern auch die des Westens werden auf die Probe gestellt?

AP: Ja. Putin hat auch darüber gesprochen. Wir produzieren fünf- bis siebenmal mehr Munition als der gesamte Westen zusammen. Und die westlichen Kapazitäten an Munition und Waffen sind praktisch erschöpft.
Bereits jetzt werden die Bestände Israels und Südkoreas für die Versorgung der Ukrainischen Armee genutzt.“

Interessant, daß diese Staaten Waffen herausrücken – die sie ja auch selber benötigen könnten. Beide Staaten sind ja auch dauer-wehrhaft, wegen eines Feindes vor der Haustüre.

„Doch solange der Westen über militärisch-technische Fähigkeiten verfügt, wird er Widerstand leisten.

KP: Wie steht es um die Ukrainische Armee?

AP: Sie hat nur noch geringen Spielraum im operativen Bereich, für ca. 3 Wochen. Ich habe vor zwei bis drei Monaten gesagt, dass der Konflikt in derzeitiger Intensität alle verbleibenden Ressourcen verschlingen wird.
Als der Konflikt begann, schätzten wir die ukrainische Luftwaffe auf 150–200 aktive Flugzeuge. Nun wurden bereits 450 vernichtet – und zwar mit Nachschub aus osteuropäischen Beständen. Nun, sie werden sogar diese berüchtigten F-16 liefern …

KP: Stimmt es, dass sie nicht besser sind als MiG-29?

AP: Im Allgemeinen nicht stärker. Es geht um die Raketen, mit denen die F-16 für die Streitkräfte der Ukraine ausgerüstet werden sollen. Und unsere T-90-Panzer sind nicht schlechter als die Leopard-2, selbst die neuesten Modifikationen.

KP: Die Truppen loben den T-90 „Durchbruch“.

AP: Sein offensichtliches Plus ist das Gewicht, das 20 Tonnen geringer ist als das der »Leopard«. Er ist dadurch viel geländegängiger.
Dazu kommt die Frage der Reparatur. Wohin werden sie ihre kaputten Panzer tragen? Nach Polen, nach Deutschland? Wenn die Abrams geliefert werden, wird es die gleiche Geschichte sein.
Und dann die Frage der Munition. Sie haben dort bereits 25 Artilleriesysteme. Sie sind alle unterschiedlich groß. Noch schwieriger ist es, sie mit Munition zu versorgen. Nehmen wir eine Hochwassermarke von 3 Millionen Stück Munition pro Jahr, als Annahme – das ist eine Sache. Aber wenn man sie auf 25 Systeme aufteilt, sieht das ganz anders aus.

Eine andere Weltordnung

KP: Wir machen ihre Ausrüstung platt, sie können nicht mehr in Kolonnen weiterfahren und mit der Reparatur haut es auch nicht so hin – was kommt dann?

AP: Was als nächstes passiert, hängt von den Kräfteverhältnissen ab. Auf die Lage, auf das Gleichgewicht der politischen Kräfte, die sich rasch verändern. Bisher haben wir über die militärisch-technische Seite gesprochen, aber versuchen Sie, einen Schritt weiter zu gehen und diese Veränderungen in den internationalen Beziehungen in der allgemeinen Weltordnung zu betrachten.

KP: Bis vor kurzem waren die Änderungen nicht zu unseren Gunsten.

AP: Betrachten wir nur die sowjetische Besatzungszone in Deutschland – unter welchen Bedingungen wurde sie Teil der NATO-Koalition? Dort nahm das Problem seinen Anfang, das wir nun lösen müssen. Sie werden uns nicht in Ruhe lassen. Sie werden uns immer weiter zurückdrängen. Solange, bis wir uns am Ende eben selbst eine Sicherheitszone und eine Flugverbotszone schaffen.

KP: In welchem Umfang?

AP: Zumindest bis Warschau. Ein amerikanischer Experte, der Berater von Reagan war und dann mit dem Establishment in Konflikt geriet, machte kürzlich die gleiche Vorhersage – die meinige wurde im Wesentlichen bestätigt.
Wir müssen diese natürlichen Grenzen besetzen, wie Kljutschewski sagte, die im Russischen Reich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Das alles gehörte natürlich uns. Alles, was in den späten 1980er- und 1990er-Jahren getan wurde, widersprach den nationalen Interessen Russlands. Und wir sind jetzt damit beschäftigt, das zurückzubekommen, was uns rechtmäßig zusteht.

KP: Und die baltischen Staaten müssen wieder Teil Rußlands werden?

AP: Selbstverständlich. Ich spreche zwar nicht von Finnland und auch nicht von Polen, aber darüber kann man streiten.

KP: Die Polen haben eine starke Armee …

AP: Aber was, es gibt dort keine starke Armee. Es ist eine Sache, 2.500 bis 3.000 Dummköpfe und Kriminelle in die Ukraine zu schicken, die Geld verdienen wollen. Im Moment bilden sie dort“ (= in Polen) „ein Korps. Im Juli und August wollen sie es ohne Koordination irgendwohin schicken. Drei polnische Brigaden, die nach ein paar Tagen aufgerieben sein werden.

KP: Wenn die Rückkehr an die Grenzen der Sowjetunion angestrebt wird, so werden das ehemalige Preußen, das Großfürstentum Litauen und das Rzeczpospolita (das polnisch-litauische Königreich) auch wieder aktuell werden.

AP: Die militärisch-politische Lage wird nicht von den Wünschen einzelner Länder und auch nicht von historischen Hinterlassenschaften und Erfindungen bestimmt, sondern von den Realitäten, die sich in der Welt abzeichnen. Wir bewegen uns nirgendwo hin – wir müssen diese Probleme vor Ort lösen.“

Schöne Aussichten.

23 Gedanken zu “Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 14.6.: Ein Gespräch mit dem Politologen und Militärexperten Alexej Podberjoskin

  1. „Die Medien erfuhren von Kiews Vorwürfen gegen Tel Aviv wegen der »Neutralität« im Konflikt“

    Die Anführungszeichen sind eigenartig. Einerseits soll damit gesagt sein, daß Israel ja nicht wirklich neutral ist, andererseits wird sich beschwert darüber, daß es neutral ist.

    „Der Leiter des Büros des Präsidenten der Ukraine, Andrij Jermak, warf den israelischen Behörden »Neutralität« in Bezug auf den Ukraine-Konflikt vor und forderte Tel Aviv auf, Kiew stärker zu unterstützen. Dies teilte der israelische Radiosender Kan am Dienstag, 20. Juni, mit.

    »Es ist an der Zeit, dass [der israelische Ministerpräsident] Benjamin Netanjahu die Ukraine besucht, um uns zu unterstützen und seine Unterstützung zu zeigen. Israel kann uns bei der Verteidigung gegen iranische Drohnen helfen. Warum ist Israel neutral?« sagte Jermak, dessen Worte vom Radiosender zitiert werden.

    Er wies darauf hin, dass Israel derzeit »das neutralste Land« sei, das »gute Beziehungen zur Ukraine« unterhalte.“

    Eine eigenartige Ausdrucksweise. Was ist „neutralst“? Entweder man ist neutral oder man ist Partei.

    „Gleichzeitig, so der Büroleiter des ukrainischen Staatschefs, müssten sich diese Beziehungen weiterentwickeln, auch wenn es Probleme gebe.

    »Freundschaft muss funktionieren, auch wenn es Probleme gibt, und es reicht nicht aus, nur einen Dialog zwischen Regierungsbeamten zu führen. Das Niveau der Beziehungen sollte wachsen«, sagte Jermak.

    Die Behörden Israels haben bisher darauf verzichtet, Kiew militärische Hilfe und Waffenlieferungen zu leisten, und beschränkten sich ihren Angaben zufolge nur auf humanitäre Lieferungen.

    So dementierte das israelische Verteidigungsministerium am 19. Juni Berichte mehrerer Medien über den Transfer von Merkava-Panzern nach Kiew.

    Zuletzt hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im April erklärt, dass sein Land keine Entscheidung über die Lieferung von Waffen an die Ukraine getroffen habe, aber dem Land humanitäre Hilfe leiste.“

    (Izvestija, 20.6.)

    Israel, das in ständigem Kriegszustand mit seinen Vertriebenen und verschiedenen Nachbarstaaten lebt (Syrien wird regelmäßig bombardiert), hat sicher keine Waffen zum Herschenken.

  2. das hatte sich die Reporterin der US-Zeitung „Washington Post“ sicher auch etwas anders vorgestellt, als sie den Chef des ukrainischen Generalstabs, Walerij Saluschnyj, in seinem Büro in Kiew besuchte. Statt eines aufgeräumten Gesprächs wurde Isabelle Khurshudyan mit einer Wutrede konfrontiert (hier der Originaltext bei der „Washington Post“).

    Gegen wen genau sich Saluschnyjs Ärger richtet, wird nicht ganz klar, aber eingrenzen lässt es sich: Gegen die Regierungen im Westen, die so zögerlich bei ihren Waffenlieferungen sind und gleichzeitig offensichtliche militärische Wunder vom ukrainischen Militär erwarten. Namen nennt der General keine. 

    Hier eine Zusammenstellung der zentralen Aussagen – und Anschuldigungen: 

    • Über großflächige Rückeroberungen sagt er: „Ohne eine vollständige Ausrüstung sind diese Pläne eigentlich überhaupt nicht durchführbar. Aber sie werden durchgeführt. Ja, vielleicht nicht so schnell, wie es die Teilnehmer der Show, die Beobachter, gerne hätten, aber das ist ihr Problem.“
    • Während die wichtigsten westlichen Unterstützer Kiews niemals eine Offensive ohne Luftüberlegenheit starten würden, habe die Ukraine immer noch keine modernen Kampfflugzeuge erhalten. Aber es werde erwartet, dass sie rasch Gebiete von den russischen Besatzern zurückerobere.
    • „Es ist keine Show, bei der die ganze Welt zuschaut und Wetten abschließt oder so etwas. Jeder Tag, jeder Meter wird mit Blut gespendet“, sagt er über die Gegenoffensive. 
    • „Es kotzt mich an“, antwortet er, wenn er auf die eher langsamen Fortschritte der ukrainischen Truppen an der Front angesprochen wird. 
    • Seine Truppen müssten mindestens so viele Artilleriegeschosse abfeuern wie der Feind, aber wegen der begrenzten Ressourcen seien sie manchmal um das Zehnfache unterlegen.
    • Über sein Verhältnis zum US-Generalstabschef Mark Milley sagt er: „Wir sind rund um die Uhr in Kontakt. Manchmal rufe ich an und sage: ‚Wenn ich in einer Woche nicht 100.000 Geschosse besorge, werden 1000 Menschen sterben. Versetz dich in meine Lage.‘ Aber es ist nicht Milley, der entscheidet, ob wir Flugzeuge bekommen oder nicht. Es ist nur so, dass in der Zeit, in der diese Entscheidung getroffen wird, jeden Tag eine Menge Menschen sterben – eine Menge. Nur weil noch keine Entscheidung getroffen wurde.“
    • Über die zerstörten Leopard-Panzer sagt er: „Wir haben die Leoparden nicht, damit sie bei Paraden mitfahren oder damit sich Politiker oder Prominente mit ihnen fotografieren lassen. Sie sind hier, um Krieg zu führen. Und ein Leopard auf dem Schlachtfeld ist kein Leopard, sondern eine Zielscheibe.“
    • Auf die Debatte um die Lieferung von Kampfjets angesprochen, sagt er: „Sagen wir einfach, die Zahl der Flugzeuge, die in der Nähe unserer westlichen Grenzen im Einsatz sind, ist doppelt so hoch wie die Zahl der russischen Flugzeuge, die unsere Stellungen verwüsten. Warum können wir nicht wenigstens ein Drittel davon von dort hierher verlegen?“ Und weiter: „Ich brauche keine 120 Flugzeuge. Ich werde nicht die ganze Welt bedrohen. Eine sehr begrenzte Anzahl würde ausreichen. Aber sie werden gebraucht. Weil es keinen anderen Weg gibt. Weil der Feind eine moderne Generation von Flugzeugen einsetzt. Es ist, als ob wir jetzt mit Pfeil und Bogen in die Offensive gehen würden.“
    • Über die jetzt nach Belarus verlegten Wagner-Truppen sagt er: „Ich habe viele Ängste, und Wagner ist eine davon. Und sie ist nicht die einzige. Wenn wir jetzt anfangen, darüber zu reden, dreht sich mein Kopf. … Unsere Aufgabe ist es, uns auf die schlimmsten und wahrscheinlichsten Szenarien vorzubereiten. Und wir werden versuchen, die möglichen Folgen dessen, was sein könnte, zu minimieren.“

    Aus Tagesspiegel aktuell. Übersetzt aus dem Artikel in der Washington Post vom 30.06.2023:

    Ukraine’s top general, Valery Zaluzhny, wants shells, planes and patience

  3. Ich denke, diese Wunschliste immer wieder zu wiederholen, ist die Methode, auf die sich die ukrainische Führung geeinigt hat.
    Immer wenn Vorwürfe kommen aus dem Westen, daß sich nichts tut an der Front, so werden sie sagen: Weil ihr nicht genug liefert!

    Dieses Spiel läßt sich ad infinitum weiter fortsetzen.

  4. Dieses Spiel läßt sich ad infinitum weiter fortsetzen.

    Nein, natürlich nicht. Nur solange bis die Ukraine am Ende ist. Denn egal ob das Interview nun erfunden wurde, egal ob Saluschnyj nun noch lebt oder schon außer Dienst ist, inhaltlich stimmt es ja, daß die Ukraine gegen die Wand fährt, wenn es so weitergeht wie bisher. Und daran kann die NATO nun wirklich nichts mehr ändern, denke ich. Und ihren Kurs ändern, den Krieg aufgeben, daß kann die NATO natürlich erst recht nicht. Also wird es bis zum Zusammenbruch der ukrainischen Streitkräfte weiter gehen müssen. Wenn es die Ukraine wirklich Ernst meint mit der Fortsetzung ihrer Offensive, dann könnte dieses Ende schneller kommen als manche bisher denken, du z.B.

  5. Ich bin gespannt wie ein Bogen, wann es so weit ist. laugh
    Natürlich hast du recht und es läßt sich nicht ewig fortsetzen, aber Zelenskij und Co. tun so, als ginge das.

    Nach Auskunft der »Izvestija« meint ein Militärexperte, der erste Teil der ukrainischen Offensive sei gescheitert. Sie fand vor allem im Raum der Zaporozhja-Front statt, gegen die Verteidigungslinie Vasiljevka (am Djepr) – Orechov – Guljajpolje – Velika Novosjelka.
    Jetzt werden sie es woanders versuchen, namentlich bei Cherson (Stadt), so seine Vermutung.

  6. Um Neoprenes These zu stützen:

    „Oleg Soskin, ein ehemaliger Berater von Kutschma, sagte auf seinem Youtube-Blog, dass die Ukrainer das Land verlassen sollten, bevor der Sommer vorbei sei. Laut Soskin ist es im Sommer einfacher, sich an einen neuen Ort zu gewöhnen.

    »Die Aussichten sind nicht gut. Der Sommer wird schnell vergehen, der Herbst wird schrecklich sein«, warnte er. Soskin stellte fest, dass es nichts gebe, womit die Streitkräfte der Ukraine angreifen können, und glaube daher nicht an den Erfolg der Gegenoffensive der ukrainischen Armee.“

    (Moskovskij Komsomoljets, 2.7.)

  7. Publicly, Ukrainian officials have expressed frustration with critics of the pace at which the counteroffensive has played out thus far. But in private, military planners in Kyiv have relayed to Burns and others bullish confidence in their aim to retake substantial territory by the fall; move artillery and missile systems near the boundary line of Russian-controlled Crimea; push further into eastern Ukraine; and then open negotiations with Moscow for the first time since peace talks broke down in March of last year, according to three people familiar with the planning.

    “Russia will only negotiate if it feels threatened,” said a senior Ukrainian official.

    Whether Ukraine can deliver on those plans, on such a truncated timeline, remains to be seen. The CIA declined to comment when asked for Burns’s assessment of the offensive’s prospects.

    aus dem Artikel "CIA director, on secret trip to Ukraine, hears plan for war’s endgame" in der Washington Post vom 30.06.2023, Hervorhebung von mir.

  8. „Exclusive: Zelensky calls Putin ‘weak’ and says Russian President’s power is ‘crumbling’

    Odesa, Ukraine CNN — Vladimir Putin’s response to the armed Wagner rebellion was “weak” and the Russian President is losing control of his own people, Ukrainian President Volodymyr Zelensky told CNN in an exclusive interview. (…)

    “We see Putin’s reaction. It’s weak,” Zelensky told CNN’s Erin Burnett in Odesa, in an interview taped on Sunday.

    “Firstly, we see he doesn’t control everything. Wagner’s moving deep into Russia and taking certain regions shows how easy it is to do. Putin doesn’t control the situation in the regions. All that vertical of power he used to have is just crumbling down.”

    Zelensky said Ukrainian intelligence reports showed the Kremlin was measuring support for Prigozhin, and he claimed that half of Russia supported the Wagner boss and the paramilitary group’s mutiny.

    The interview with Zelensky comes at a critical time – not only in the wake of Prigozhin’s failed insurrection, but also weeks into Ukraine’s slow push to recapture territory occupied by Russia.
    That effort has come under intense scrutiny from Western allies and on Saturday a US official told CNN the head of the US Central Intelligence Agency (CIA), Bill Burns, had visited Kyiv recently and met with Zelensky and Ukrainian intelligence officials.

    Zelensky told CNN he was “surprised” to see his meeting with Burns reported in the media. “My communication with the CIA chief should always be behind the scenes,” he said. “We discuss important things – what Ukraine needs and how Ukraine is prepared to act.”

    While the thrust of Kyiv’s efforts have focused on recapturing territory in the south and east of Ukraine, Zelensky told Burnett that his ultimate goal was to liberate Crimea, the peninsula annexed by Russia in 2014 in violation of international law.

    “We cannot imagine Ukraine without Crimea. And while Crimea is under the Russian occupation, it means only one thing: the war is not over yet,” he said.

    Asked whether there was any scenario under which there could be peace without Crimea, Zelensky said: “It will not be victory then.”

    (CNN, 3.7.)

    Nun ja, die Ziele sind nach wie vor hoch gesteckt. Aber es ist richtig, was Zelenskij sagt: Alles außer der Rückeroberung der Krim wäre eine Niederlage.
    Daran erinnert er seine Verbündeten.

  9. Tagesspiegel aktuell vom 3.7.23:

    die ukrainische Offensive kommt nur langsam voran, langsamer jedenfalls als von manchem Beobachter, westlichen Politikern und Experten erwartet. Aber ist das wirklich eine Überraschung? Nein, sagen zwei, die sich mit der Materie auskennen. Der eine: US-Generalstabschef Mark Milley. Der andere: der niederländische Admiral Rob Bauer, seines Zeichens Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, der obersten militärischen Instanz der Nato. 

    Hier die Einschätzung von Milley: "Die Ukrainer arbeiten sich stetig und zielstrebig durch sehr schwierige Minenfelder vor … 500 Meter am Tag, 1000 Meter am Tag, 2000 Meter am Tag. Ich habe gesagt, dass das sechs, acht, zehn Wochen dauern wird und dass es sehr schwierig sein wird. Es wird sehr lange dauern und es wird sehr, sehr blutig werden. Und niemand sollte sich diesbezüglich irgendwelche Illusionen machen." (Quelle hier)

    Hier die Einschätzung von Bauer: "Niemand sollte denken, dass das ein Spaziergang ist. Die Gegenoffensive ist schwierig. Wir haben im Zweiten Weltkrieg in der Normandie gesehen, dass es sieben, acht, neun Wochen dauerte, bis die Alliierten die Verteidigungslinien der Deutschen durchbrechen konnten. Es ist also keine Überraschung, dass es nicht schnell geht." Und weiter: Die ukrainischen Streitkräfte seien zu Recht vorsichtig, um hohe Verluste zu vermeiden, während sie nach Möglichkeiten für Durchbrüche suchten. "Es ist extrem schwierig, diese Art von Operation durchzuführen, und ich denke, die Art und Weise, wie sie es tun, ist genau richtig." (Quelle hier)

    Das Fazit: Der Westen und die Ukrainer selbst brauchen Geduld. Wie der britische Militärhistoriker Lawrence Freedman mit Blick auf die ukrainischen Erfolge im vergangenen Jahr schrieb: "Erst geht es nur nach und nach voran und dann ganz plötzlich sehr schnell."

    "Die ukrainischen Streitkräfte seien zu Recht vorsichtig, um hohe Verluste zu vermeiden". Ach! Wenn das schon "vorsichtig" war, was für Verluste sind denn einkalkuliert, wenn die Offensive richtig losgeht, 20.000 pro Tag wie am 1. Juli 1916 an der Somme?

    "Erst geht es nur nach und nach voran und dann ganz plötzlich sehr schnell." Ja, das denke ich ja auch. Wenn erst die Sturmbrigaden der Ukraine zerschlagen sein werden, dann kann der Sieg für Rußland in der Tat schon sehr "schnell" kommen, vielleicht schon in diesem Herbst.

  10. Diese sehr vorsichtigen, aber dennoch optimistischen Einschätzungen der Chancen der Ukraine stehen in ziemlichem Kontrast zu den Einschätzungen vor dem russischen Einmarsch.

    Damals hieß es, die Russen würden die Ukraine plattmachen, diese hätte ihnen gar nichts entgegenzusetzen, weder an Personen noch an Waffen, der – natürlich! – heldenhafte Kampf der Ukraine wäre schnell vorbei.

    Ich nehme an, das war Teil der Taktik, die russische Seite zum Einmarsch zu provozieren.

    Nach ca. 2 Monaten und dem Abzug der russischen Armee aus Kiew und Umgebung wurde der Spieß umgedreht: Die Ukraine kann mit unserer Hilfe Rußland schlagen! Denn Russen gehen die Raketen aus. Die russische Armee ist ein Sauhaufen. Eine Hand weiß nicht, was die andere tut. Rußland muß geschlagen und zerteilt, am besten auf Moskau und Umgebung reduziert werden. Usw. usf.

    Damit wurde der ukrainische und westliche Kriegswille befeuert.

    Die in deinem Posting von dem holländischen Militär ausgedrückte Zimperlichkeit bezüglich der ukrainischen Verluste ist ganz neu. Bisher war das doch kein Thema, wieviele Ukrainer bei den verschiedenen Aktionen draufgehen. Sie verteidigen doch unsere Werte und  – die Freiheit! Süß und ehrenvoll ists, für diese hohen Güter zu sterben …

    Ich bin neugierig, was als nächstes kommt.

  11. Laut NBC kontaktieren ehemalige US-Beamte kremlnahe Persönlichkeiten bezüglich möglicher Friedensverhandlungen mit der Ukraine

    Eine Gruppe ehemaliger hochrangiger nationaler Sicherheitsbeamter der USA hat geheime Gespräche mit prominenten und kremlnahen russischen Bürgern geführt, um den Grundstein für mögliche Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu legen, berichtete NBC.

    Der russische Außenminister Sergej Lawrow gehörte zu den Mitgliedern, die sich im April in New York mehrere Stunden lang mit US-Beamten trafen, wie NBC exklusiv berichtete. Auf der Tagesordnung des Treffens standen einige der heikelsten Themen des Krieges in der Ukraine, darunter die Suche nach einer von beiden Seiten akzeptierten diplomatischen Lösung.

    An den Diskussionen beteiligten sich neben Lawrow auf russischer Seite auch Wissenschaftler, Leiter großer Denkfabriken und Forschungsinstitute sowie andere Personen aus der russischen Außenpolitik, die Präsident Wladimir Putin nahe stehen.

    (El País, 6.7.)

  12. Daß es solche Gespräche gegeben hat, ist ja noch nicht mal das Erstaunliche. In jedem Krieg wird es sowas geben, wenn beide Seiten halbwegs "vernünftig" sind. Selbst im heißesten Kalten Krieg gab es das. Erstaunlich ist, daß sowas jetzt in die Medien gebracht wird. Um dem Selenskyj-Regime zu zeigen, wir können auch anders? Um die Öffentlichkeit auf einen demnächst angestrebten Wechsel der Kriegspolitik einzustimmen? Um Druck auf die US-Regierung zu machen, endlich "realistisch" zu werden?

  13. Die KP sinniert heute über die Abweisung der Ukraine als NATO-Mitglied und was daraus folgt.

    Laut dem Autor des Artikels, Grischin, will der Westen keine unabhängige Ukraine, wie Rußland sie gefordert hat. (Stillschweigend wird unterstellt, daß es sich notgedrungen um eine „Restukraine“ handeln muß, ohne die 4 im Vorjahr annektierten Territorien.)

    Also wird es auf eine völlige Zerstörung der Ukraine hinauslaufen – darunter werden es beide Seiten nicht geben.

    Die Frage ist im weiteren, wie weit diese Zerstörung gehen wird und was nachher kommt – eine Teilung, eine Annexion durch Rußland, beides mit einer unbewohnten Sperrzone, à la Korea? (Voll mit Minen und Streumunition …?)

  14. Für ein "Einfrieren" des Konflikts mit einem Waffenstillstand und einer DMZ entlang der bisherigen Frontline scheint es mir keine Chance zu geben. Warum sollte sich Rußland auf sowas einlassen müssen? Die sind doch recht siegessicher und haben die Puste, bis zum endgültigen Sieg über die Ukraine weiter zu kämpfen.

    Mag sein, daß der Westen keine "unabhängige" Restukraine haben will, aber wenn Rußland eben nur "ihr" Teilgebiet des Staates eingliedern will, was soll denn dann im Lemberger Gebiet passieren? Wenn diese Restukraine nicht an Polen gehen soll, wofür es in der NATO wohl kaum viel Unterstützung geben würde, dann muß dieses demilitarisierte Gebiet eben zum Armenhaus der EU werden, was denn sonst noch?

  15. Na ja, wenn eine Osterweiterung nur mit Hilfe von Eingliederung möglich ist, so hat Polen nicht so schlechte Karten.

  16. Ich weiß nicht wirklich, wo genau diese News in die bisherigen Threads einzuordnen sind.

    Kolomoisky wurde verhaftet, Selensky isoliert sich weiter

    Der ukrainische Oligarch Igor Kolomoisky, der Selensky an die Macht gebracht hat, wurde wegen Korruption angeklagt. Selensky isoliert sich damit in der Ukraine weiter und setzt ganz auf die Unterstützung der US-Regierung.

    Selensky wurde vor allem dank der Unterstützung des ukrainischen Oligarchen Igor Kolomoisky ukrainischer Präsident, denn sowohl seine beliebten Comedy-Shows als auch die Fernsehserie, in der er einen gerechten ukrainischen Präsidenten gespielt hat, sind in dem Fernsehsender von Kolomoisky ausgestrahlt worden. Ohne die tatkräftige Unterstützung von Kolomoisky hätte Selensky weder das Image eines gerechten Präsidenten schaffen können, noch hätte er die mediale Basis gehabt, um im ukrainischen Wahlkampf eine Rolle zu spielen.

    Selensky hatte nie eine politische Hausmacht in der Ukraine, denn seine extra gegründete Partei ist ein Kunstprodukt, das sich ebenfalls auf Gelder von Oligarchen gestützt hat.

    Allerdings musste Selensky recht schnell mit Kolomoisky brechen, da dieser Selensky nicht aus Nächstenliebe ins Amt geschoben hat, sondern weil er eine Erstattung für seine unter Präsident Poroschenko verstaatlichte Bank haben wollte. Es ging um Milliarden.

    Aber das wollten die USA nicht“

    Warum eigentlich?

    „und daher hat der IWF jede Entschädigung für Kolomoisky nicht nur abgelehnt, sondern zur Bedingung für weitere Finanzhilfen gemacht, dass das ukrainische Parlament ein »Anti-Kolomoisky-Gesetz« verabschiedet, das jede Entschädigung an den Oligarchen ausschließt.

    Da Selensky darauf eingehen musste, dürfte das Verhältnis zwischen Selensky und Kolomoisky schon schweren Schaden genommen haben.

    Nun dürfte das Verhältnis zerstört sein, denn Selensky hat Kolomoisky verhaften lassen. Der ukrainische Geheimdienst SBU, der dem Präsidenten untersteht, hat Anklagen gegen Kolomoisky erhoben und vielleicht muss er sogar in Untersuchungshaft. Selensky, das muss man festhalten, hat in der Ukraine keinerlei mächtige Unterstützer mehr, dafür aber immer mehr Feinde. An der Macht kann Selensky sich nur dank der US-Regierung halten. Ob es allerdings intelligent von Selensky ist, sich auf die USA zu verlassen, die schon einige ihrer „Verbündeten“ fallen gelassen haben, wenn es politische Vorteile brachte, bleibt abzuwarten.

    Am Samstagabend wurde gemeldet, dass Kolomoisky für zwei Monate in Untersuchungshaft muss, die Kaution wurde auf über 13 Millionen Dollar festgesetzt. Nach ersten Informationen will Kolomoisky die Kaution nicht zahlen, sondern juristisch gegen die Untersuchungshaft vorgehen,

    Die russische Nachrichtenagentur TASS hat über die Ereignisse berichtet und ich übersetze den TASS-Artikel:

    ——

    Kutschmas ehemaliger Berater bringt die neue Anklage gegen Kolomoisky mit Selenskys USA-Reise in Verbindung

    Oleg Soskin zufolge muss der ukrainische Präsident dem US-Regierungschef Joe Biden zeigen, dass er die Korruption bekämpft

    Die Anklageerhebung gegen den Geschäftsmann Igor Kolomoisky steht im Zusammenhang mit den Versuchen des ukrainischen Präsidenten Wladimir Selensky, vor seinem Besuch in den USA den Anschein zu erwecken, die Korruption zu bekämpfen. Diese Meinung vertrat der ehemalige Berater des ehemaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma, Oleg Soskin.

    »Jetzt reist Selensky in die USA, er muss [US-Präsident Joe] Biden und allen anderen zeigen, dass er die Korruption und die Oligarchie bekämpft. Und sie haben beschlossen, Kolomoisky zur Vogelscheuche zu machen, einer Vogelscheuche, die von allen Seiten beraubt wird«, sagte er in einem Video, das auf seinem YouTube-Kanal veröffentlicht wurde.

    Ihm zufolge zeigt diese Situation die tiefste Undankbarkeit von Selensky, denn es war Kolomoisky, der »diesen drittklassigen Komiker aus der Provinz, den niemand brauchte, genommen, gewaschen … und ihn schließlich zum Präsidenten gemacht hat. … Das ist in vielerlei Hinsicht eine sehr lehrreiche Geschichte«, schloss Soskin.

    (…)

    (Anti-Spiegel, 3.9.)

    Zu diesen Infos muß man noch hinzufügen, daß Kolomojskij als Drahtzieher des Odessa-Massakers gehandelt wird.
    Der Mann weiß also viel und das könnte sich auf seine Gesundheit nachteilig auswirken.

    Außerdem wird er in den Gerichtsakten als Staatsbürger Israels oder Zyperns geführt, da ihm bereits vor einiger Zeit die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen wurde.
    Das ist bemerkenswert, weil – zum Unterschied von Saakaschvili, mit dem auch so verfahren wurde, – ist er wirklich aus der Ukraine.

  17. Ein recht interessanter Artikel in der KP mit einem Russen aus Lugansk, der in den USA aufgewachsen ist und 11 Jahre in den US-Streitkräften gedient hat.

    „KP: Wie könnte es aussehen, wenn das US-Militär direkt in den Konflikt in der Ukraine verwickelt wird?

    Stanislav Krapivnik: Die Szenarien können sehr unterschiedlich sein. Natürlich werden die Amerikaner nicht eine direkte Konfrontation mit den Russen suchen. Dergleichen ist derzeit schwer vorstellbar.
    Es ist jedoch möglich, dass sie sich gemeinsam mit den Briten an der Verstärkung einiger Mitgliedsstaaten der NATO beteiligen. Zum Beispiel für die Polen, wenn sie sich entscheiden, Lemberg einzunehmen.
    Sie können so etwas wie einen Vorfall im Golf von Tonkin arrangieren (1964 griffen vietnamesische Boote angeblich den US-Zerstörer Maddox an, woraufhin der Vietnamkrieg begann. – KP). Im amerikanischen Stil – eine „falsche“, also die Flagge eines anderen, zu verwenden, um Feindseligkeiten auszulösen. In diesem Fall werden natürlich diejenigen amerikanischen Einheiten teilnehmen, die jetzt an der Grenze zu Russland sitzen: Die 82. Luftlandedivision, sie ist in Polen. Die 101. Hubschrauberdivision – in Rumänien. Es gibt auch die Erste Infanterie- und die Erste Panzerdivision, die ebenfalls in Polen stationiert sind.
    Biden hat bereits 4.000 Reservisten aus der Reserve gerufen, das ist eine Brigade, sie wird auch in Polen eintreffen.
    Die Hauptfrage ist, ob sich ein solcher Konflikt auf den ukrainischen Schauplatz beschränken wird oder ob er in eine globale Phase übergehen wird. Ich befürchte Letzteres.

    KP: Wer wird gewinnen?

    Stanislav Krapivnik: Es ist schwer vorherzusagen. Aber ich glaube nicht, daß die Amerikaner als Sieger hervorgehen werden.
    Ihr Militärsystem steckt in einer tiefen Krise. Einer der Gründe dafür ist, dass sie fast 20 Jahre lang auf Brigadeebene in Afghanistan und im Irak gekämpft haben. Jetzt versuchen sie, auf die Ebene der Divisionen zurückzukehren, auch mit schweren Panzern. Dies kann jedoch nicht schnell geschehen, ein solcher Übergang wird Jahre dauern. Die Menschen haben vergessen, wie man in großen Formationen kämpft; sie müssen bei Null anfangen.
    Auch die Aufnahme von LGBT- und Transgender-Personen brachte viele Probleme mit sich. Es wird begonnen, Frauen in die Infanterie- und Panzereinheiten zu rekrutieren, und es ist für sie körperlich schwierig, dort zu bleiben.
    Viele erfahrene Leute verließen die Armee aufgrund von Impfexperimenten – das US-Militär wurde tatsächlich zu Versuchskaninchen gemacht.
    Infolgedessen verfügt die Armee nicht über genügend Rekruten. Letztes Jahr haben sie die 24.000-Marke nicht erreicht. Das sind zwei Divisionen!
    Weiters gibt es Probleme sowohl mit der Disziplin als auch mit dem moralischen Klima. Es ist so weit gekommen, dass Veteranen ihre Kinder davon abhalten, zum Militärdienst zu gehen. Und das, obwohl Armeedynastien in den USA schon immer die zuverlässigste Quelle für neue Kämpfer waren.

    DIE ABRAMS-PANZER WERDEN GENAUSO GUT BRENNEN (WIE DIE RESTLICHEN WESTLICHEN PANZER)

    KP: Es wird viel über die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte nach NATO-Standards gesprochen. Was sind ihre Vor- und Nachteile?

    Stanislav Krapivnik: Es gibt keine NATO- oder russischen Standards. Alle Armeen lernen aus ihren eigenen Erfahrungen und denen anderer.
    Haben die Ukrainer bei ihrer »Gegenoffensive« NATO-Standards angewandt? Es war nicht einmal annähernd so. Es war eine sehr schwache Kopie, es gab keine Kontrolle über den Luftraum und auch keine ausreichende Feuerdichte. Sie griffen nicht mit mehr als einem Bataillon an. Allerdings mussten sie mit mindestens zwei Brigaden die Verteidigung eines anderen durchbrechen – jeweils zwei Bataillone vorwärts, jeweils ein Bataillon unterstützend.
    Die Ingenieure hätten die Felder mit Rauch bedecken müssen, damit die Durchbruchstelle nicht erkennbar wäre. Wegen der schweren Artillerie hätte niemand den Kopf heben dürfen. Nichts davon ist passiert und es wäre auch gar nicht möglich gewesen.
    In drei bis vier Monaten ist es unmöglich, ein Bataillon, geschweige denn eine Brigade, auf eine so schwierige Arbeit vorzubereiten, daher war das Ergebnis der „Gegenoffensive“ eine ausgemachte Sache.

    KP: Welche Rolle wird in der US-Armee den Konzepten »Heldentum«, »Kein Schritt zurück«, »Stirb selbst und rette deinen Kameraden« zugeschrieben?

    Stanislav Krapivnik: Der Westen hat ein anderes Konzept. In Russland gibt es die Devise »Stirb, aber erledige deine Aufgabe«“

    – geht schon ein bißl Richtung Kamikaze –

    „und dort heißt es »Erfülle deine Aufgabe oder stirb«. Amerikaner und Europäer haben kein »Ausharren bis zum Schluß«. Wenn man umzingelt ist und keine Munition mehr hat, ist es keine Schande, sich dem Feind zu ergeben. Und in dieser Hinsicht betrachten sie uns als Wilde. Sie glauben, dass das Durchhalten bis zur letzten Kugel ein Zeichen technologischer Schwäche sei.
    Und sie halten es auch für eine Schwäche, dass wir versuchen, die Zivilbevölkerung zu schützen. Im Westen hat noch nie jemand an die Bevölkerung gedacht. Wenn eine Schlacht im Gange ist, ist es normal, die Städte des Feindes zusammen mit ihren Bewohnern niederzubrennen. Wenn du das nicht tust, bist du ein Schwächling.

    KP: In den letzten Jahren versuchten die USA generell, aus der Distanz zu kämpfen – mit Flugzeugen und Raketen …

    Stanislav Krapivnik: Ich würde sagen, in den letzten dreihundert Jahren (lacht). Die USA und Großbritannien waren nie stark in der Infanterie, aber sie verfügen über eine starke Marine und Luftwaffe. Sie zögerten nicht, die Städte Japans, Deutschlands, Nordfrankreichs und Italiens dem Erdboden gleichzumachen. Und dann warfen sie mehr Bomben auf Vietnam als auf Deutschland.

    KP: Könnten sie im aktuellen Konflikt die gleichen Taktiken anwenden?

    Stanislav Krapivnik: Ich bin mir nicht sicher, ob das passieren wird. Denn Sie müssen gegen eine starke russische Luftverteidigung kämpfen. Und unsere Flugzeuge und Hubschrauber sind nicht schwächer als ihre eigenen.“

    Das dürfte eine der unangenehmen Erkenntnisse sein, die die NATO-Militärs und Politiker bisher aus diesem Krieg gewonnen haben.

    „KP: NATO-Ausrüstung hat in der Ukraine bereits gezeigt, dass es sich nicht um eine Wunderwaffe handelt: Leoparden und Bradleys brennen einwandfrei. Sind amerikanische Abrams-Panzer stärker? Erwartet sie das gleiche Schicksal auf den Schlachtfeldern der Ukraine?

    Stanislav Krapivnik: Sie planen, die Ukraine mit dem alten Abrams-Modell M1 zu beliefern. Es stimmt, es wird ein 120-mm-Geschütz haben und nicht ein 105-mm-Geschütz wie das Original. Aber das ist der einzige Unterschied zu den alten Maschinen. Die Panzerung des Abrams-M1 besteht aus Stahl und nicht aus verschiedenen Schichten wie bei den neuesten Modellen. Also ja, sie werden nicht weniger brennen als die Leopard-Panzer.

    (…)

    (KP, 7.9.)

  18. Russischer Pilot feuerte Raketen:
    Bericht über Beinahe-Abschuss von Briten-Jet

    Ein russischer Pilot schoss im vergangenen Jahr wohl absichtlich eine Rakete auf einen britischen Aufklärungsflieger. Der Zwischenfall hätte fast die Nato auf den Plan gerufen.

    Das Manöver hatte das Potenzial, ein Mitglied der NATO in eine militärische Konfrontation mit Russland zu verwickeln: Ein russischer Pilot hatte im September des vergangenen Jahres offenbar versucht, ein britisches Überwachungsflugzeug mit rund 30 Personen an Bord abzuschießen. Eine erste Rakete verfehlte ihr Ziel nur knapp, eine zweite fiel zu Boden.“

    So so. Ein Überwachungsflugzeug mit 30 Personen an Bord. Was die dort wohl „überwachen“, so weit weg von zu Hause?
    Nicht unbegreiflich, daß die Versuchung, solche Erkundungsmissionen zu vereiteln, groß ist.

    „Moskau beteuerte damals, der russische Kampfjet habe einen technischen Defekt gehabt – das britische Verteidigungsministerium akzeptierte diese Erklärung. Jetzt kommt ans Licht: Der angebliche technische Defekt war wohl nur eine Ausrede.

    Aus den abgefangenen Funksprüchen geht offenbar hervor, dass einer der beiden russischen Piloten glaubte, er hätte die Erlaubnis erhalten, das britische Flugzeug abzuschießen.

    Zweiter russischer Pilot protestierte gegen Abschuss

    Die genauen Details der Kommunikation wurden zwar nicht veröffentlicht. Eine der Quellen teilte der BBC jedoch mit, die Bodenstation hätte sinngemäß gesagt: "Sie haben das Ziel". Der zweite russische Pilot protestierte zwar noch, brüllte seinen Kollegen sogar an – der andere feuerte jedoch die Raketen ab.

    _________________________
    Im März war eine unbemannte US-Militärdrohne im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer mit einem russischen Kampfjet zusammengestoßen. ZDF-Reporterin Claudia Bates berichtet.
    _________________________

    Wohl Missverständnis über Erlaubnis zum Abschuss

    Unter Berufung auf "drei hochrangige westliche Verteidigungsquellen" berichtet die BBC von einer ganz anderen als der offiziellen Version des Vorfalls: Demnach sei der Flieger der Royal Air Force am 29. September 2022 bei einer Überwachungsmission über dem Schwarzen Meer im internationalen Luftraum auf zwei russische SU-27-Kampfjets getroffen.

    Die Verwendung einer eher "lockeren Sprache" zeige "ein hohes Maß an Unprofessionalität der Beteiligten", zitiert die BBC ihre Quellen. Im Gegensatz dazu würden Nato-Piloten eine sehr präzise Sprache verwenden, wenn sie um eine Schusserlaubnis bitten und diese erhalten.

    Vorfall hätte Nato auf den Plan rufen können

    Etliche geleakte Dokumente, die online veröffentlicht wurden, beschrieben den Vorfall ebenfalls als "Beinahe-Abschuss". Ein hochrangiger Beamter aus dem Verteidigungsministerium bezeichnete den Zwischenfall nach einem Bericht der "New York Times" als "wirklich, wirklich beängstigend". Der Vorfall sei weitaus schwerwiegender als ursprünglich dargestellt und hätte eine kriegerische Auseinandersetzung auslösen können, heißt es weiter in dem Bericht.

    Die Royal Airforce setzt ihre Überwachungsflüge über dem Schwarzen Meer fort. Seit dem Zwischenfall haben die Flüge jedoch Begleitschutz von Eurofightern.“

    (ZDF, 14.9.)

    Man erfährt nicht, wo über dem Schwarzen Meer, aber es mag sein, daß die Briten sich seither etwas vorsichtiger gegenüber dem russischen Luftraum verhalten.

    Interessant ist der Tonfall des Artikels, wo das Schwarze Meer sozusagen als „unser“ Meer besprochen wird, in das sich leider hin und wieder unprofessionelle Russen verirren.

  19. Laut einem Dokument, das dem US-Senat vor einer Anhörung der beiden Politiker Christine Wormuth (Armee-Ministerin) und Randy George (Generalstabschef) vorgelegt wurde, haben die USA bisher auf ihren Stützpunkten in Deutschland

    über 17.000 ukrainische Soldaten ausgebildet,
    1,5 Millionen Artilleriegeschosse, sowie
    162 Schützenpanzer der Marke Bradley,
    131 Radschützenpanzer Stryker,
    31 Abrams-Panzer,
    21 HIMARS-Raketenwerfer und ein Abwehrsystem Patriot
    übergeben.

    (Nur eine einzige Patriot-Abschußrampe? D.h., andere müssen aus anderen Staaten gekommen sein.)

    (Izvestija, 18.4.)

    Diese Zahlen sind m.E. als Minimalzahlen zu betrachten.
    D.h., es wurde viel mehr geliefert, aber diese obigen Zahlen werden einmal offiziell bestätigt.
    Es ist anzunehmen, daß, wenn der volle Umfang der Unterstützung bekannt würde, der Unmut der Abgeordnete angesichts der mageren Resultate wachsen würde.

  20. „Drohnen-Schreck "Dragonfire"
    Ukraine kann auf Laser-Waffe aus Großbritannien hoffen

    Die britische Laser-Waffe "Dragonfire" besticht in ersten Tests vor allem durch ihre Präzision. Die Laser-Waffe soll in der Lage sein, eine Münze aus einem Kilometer Entfernung zu treffen. Jetzt deutet Großbritannien eine Lieferung in die Ukraine an.“

    (ntv, 16.4.)

    Es ist beachtlich, wie die Verwendung der Ukraine als Waffen-Testgelände in den Medien buchstäblich gefeiert wird.

  21. Die lang angekündigten F-16 – Rohrkrepierer?

    Ein deutscher Journalist macht Zelenskijs Hoffnungen auf die F-16 zunichte

    Der deutsche Journalist Julian Roepke (BILD) meinte, dass russische Truppen die amerikanischen F-16-Kampfflugzeuge zerstören könnten, die der Westen in einigen Wochen in die Ukraine transferieren will.
    Der Experte stellte fest, dass eine Reihe russischer Angriffe auf kritische Infrastruktureinrichtungen in der Ukraine, die aufgrund des Munitionsmangels der Luftverteidigungssysteme nicht abgewehrt werden konnten, ein direkter Hinweis darauf sei.

    Ohne eine verstärkte Luftabwehr droht den westlichen Jägern das gleiche Schicksal, warnt Roepke.

    Zuvor hatte auch die Schweizer NZZ darauf hingewiesen, dass ukrainische Luftverteidigungssysteme nicht mehr in der Lage seien, strategische Ziele in der Ukraine zu schützen.

    Der Vertreter der Luftwaffe der ukrainischen Streitkräfte, Ilja Jevlasch, sagte, dass die Ukraine zur zuverlässigen Abdeckung wichtiger Einrichtungen bis zu 25 amerikanische Patriot-Systeme sowie viele andere Luftverteidigungssysteme benötige.“

    (KP, 20.4.)

  22. Angesichts der Genehmigung der Ukraine-Hilfe durch den US-Kongreß eine Rückerinnerung:

    „Seit Kriegsbeginn haben die USA rund 42,5 Milliarden Euro an Militärhilfe bereitgestellt. Zusammen mit den Beiträgen europäischer Verbündeter erhielt die Ukraine bis Januar 2024 über fast 100 Milliarden US-Dollar an Militärmaterial.

    Die 57 Milliarden, die der Kongress genehmigt hat, sind für einen Plan von Präsident Joe Biden bestimmt, der über 2024 hinausgeht.“

    Es ist aber nicht klar, wie viel davon überhaupt für die Ukraine bestimmt ist. Zunächst scheint es sich – analog zum großen Paket von 2022, das inzwischen ziemlich verpufft ist – um ein Subventionspaket für die US-Rüstungsindustrie zu handeln.
    Das heißt aber, daß die Waffen, die davon an die Ukraine gehen sollen, erst produziert werden müssen. Es ist also keinesfalls als Soforthilfe zu verstehen, zum Unterschied von 2022, als alle ihre Arsenale Richtung Ukraine leerten.

    „Die amerikanische Rüstungsindustrie, auch die der europäischen NATO-Staaten, ist an der Produktionsgrenze und die Lieferung militärischer Ausrüstung nach Kiew wird deshalb nur tropfenweise fließen.
    Immer mehr europäische Staats- und Regierungschefs erheben ihre Stimme dafür, dass die EU die Verteidiger-Rolle der USA übernimmt, angesichts der wachsenden Skepsis in ihrer politischen Klasse und in ihrer Gesellschaft, sich auf die russische Bedrohung einzulassen.“

    Die Formulierung ist so vage, daß man nicht weiß, auf welche Bevölkerung und politische Klasse sich der Autor bezieht.

    „Länder wie die baltischen Staaten, die Niederlande, Dänemark, Norwegen, die Tschechische Republik, aber auch Deutschland haben in diesem Jahr ihre Waffenlieferungen an die Ukraine verstärkt.“

    Das mag sein, aber wo nicht viel da ist, kann auch nicht viel verstärkt werden.
    Deutschland hat zudem viel an Israel geliefert, da der Gaza-Krieg Priorität hatte.
    Die hier erwähnten Lieferungen mußten die offenbar ganz bis größtenteils ausbleibenden aus den USA, GB und Polen ersetzen.

    (El País, 20.4.)

    „Einige Republikaner wollten, dass die Hilfe für die Ukraine als Darlehen verpackt wird, und es wurde eine Kompromisslösung gefunden. Von den insgesamt knapp 61.000 Millionen müssen die 10.000 Millionen Wirtschaftshilfen zurückgezahlt werden, allerdings ist auch eine Klausel enthalten, nach der der Präsident diese Kredite ab 2026 erlassen kann. Das würde es Trump ermöglichen, im Gegensatz zu nicht rückzahlbaren Hilfen, sie einzufordern, wenn er die Wahlen gewinnt, und Biden ermöglichen, sie Kiew zu erlassen, falls er wiedergewählt wird.“

    (El País, 20.4.)

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