WAS HAT RUSSLAND IN DER UKRAINE VOR?
Rußland hat im März dieses Jahres die Krim heim ins Reich geholt. Das hat einen Sturm der Entrüstung in den westlichen Medien hervorgerufen, die seinerzeit nichts dabei fanden, als sich die Ukraine von der Sowjetunion abspaltete und die Krim dabei mitnahm. Um die Krim und deren Bewohner kann es also nicht gehen. Es ist einfach alles, was Rußland nützt oder Rußland Vorteile bringt, ein einziger völkerrechtlicher Skandal.
Seither wird der russischen Regierung nachgesagt, sie wolle sich die ganze Ukraine einverleiben, die Ukraine teilen, oder zumindest einen Teil der Ukraine einkassieren. Der Hunger des russischen Bären sei unersättlich, wird der westlichen Öffentlichkeit suggeriert. Putin ante portas! Vor allem in Polen und im Baltikum werden alte Ängste wieder erweckt und geschürt.
Und dafür, um diesen unersättlichen Landhunger zu stillen, würde Putin beinahe im Alleingang irgendwelche Agenten im Osten und Süden der Ukraine fernsteuern.
1. Rußland und die ostukrainischen Aufständischen
Es ist eine interessante Unterscheidung zwischen den Bewohnern der Ukraine, die hier vorgenommen wird: Während einige Tausend vom Westen unterstützte Krawallmacher eine Regierung stürzen dürfen und dabei als Repräsentanten des ukrainischen Volkes gehandelt werden, so, als hätten sie damit den Willen der Bevölkerung exekutiert – währenddessen sind ebensolche Aufständischen im Osten, die sich gegen die solchermaßen in Kiew eingesetzten Hampelmänner stellen, Separatisten, Agenten einer auswärtigen Macht, womöglich aus Rußland eingeschleust. Auf keinen Fall repräsentieren sie jedenfalls Volkes Willen.
Daß die „Separatisten“ überhaupt zu solchen geworden sind, hat sowohl mit der Haltung des Westens als derjenigen Rußlands zu tun.
Rußlands Position ist seit Wochen, daß die Ukraine als einheitlicher Staat – allerdings ohne Krim – weiterbestehen soll, aber sich eine im Unterschied zur derzeitigen zentralistischen Verfassung eine föderalistische geben soll. Die Ukraine sollte sich nach dem Vorbild von zweifelsohne demokratischen Staaten wie der BRD, Österreichs oder der Schweiz organisieren, mit Regionalwahlen und eigenen Landesparlamenten. Diese Position wird aber von niemandem ernsthaft diskutiert, weder von den Kiewer Hampelmännern, noch von deren Gönnern in USA und EU. Eine solche Verfassung würde nämlich die imperialistische Benützung der Ukraine verunmöglichen, da es nicht mehr möglich wäre, mit der Zentralregierung Verträge auszuhandeln und dann auf diese Druck auszuüben, damit sie die unerfreulichen Bedingungen derselben landesweit durchsetzt.
Diejenigen Bewohner der Ukraine, die sich mit Autonomie begnügt hätten, wurden also von Kiew her schroff abgewiesen.
Rußland hingegen will von einem (weiteren) Anschluß von ukrainischen Gebieten nichts wissen. Es hat alle Hände voll zu tun, um die Krim administrativ und ökonomisch einzugliedern und legt keinen Wert auf weitere Gebiete. Das wurde den Bewohnern der Ostukraine auch klar mitgeteilt.
Denjenigen Unzufriedenen, die die Kiewer Putschisten, die „Junta“ nicht als rechtmäßige Regierung anerkennen wollen, blieb also praktisch kein anderer Weg als der der Eigenstaatlichkeit, weshalb auf die ominösen Abstimmungszettel auch nur mehr diese Variante Eingang fand.
Die Kiewer Regierung und ihre mediale weltweite Unterstützung betreiben weiterhin die Denunziation der ostukrainischen Aufständischen als fremde Elemente – von Rußland unterstützt, von Rußland eingeschleust, – um den verfassungswidrigen Einsatz des ukrainischen Militärs gegen die eigene Bevölkerung zu rechtfertigen. Obendrein werden sie als „Terroristen“ bezeichnet, also als Leute, die keinen politischen Zweck verfolgen, sondern nur den negativen, die bestehende Ordnung zu stören.
Wobei von einer Ordnung im Sinne eines staatlichen Gefüges in der Ukraine eigentlich keine Rede sein kann …
2. Rußlands Pläne und Vorgehen
Die Website des Kaukasus-Emirates veröffentlichte vor einigen Wochen angebliche Pläne Rußlands für einen militärischen Einmarsch in die Ukraine. Der Bericht war etwas zu detailliert, um der bloßen Einbildungskraft eines Dschihadistengehirns entsprungen zu sein: der mit der Planung beauftragte General wurde genannt, und auch einige Details, welche Truppen wie eingesetzt würden.
Solche Pläne gibt es sicherlich, und sie werden von der russischen und militärischen Führung ebenso sicher erwogen wie auch wieder verworfen. Erstens ist die politische und militärische Reaktion des Westens nicht absehbar. Die NATO könnte eine Besatzung der Ukraine durch Rußland als Anlaß für einen Dritten Weltkrieg nehmen. Zweitens ist auch die rein militärische Durchführbarkeit fraglich. Ein endloser Partisanenkrieg vor den Toren Rußlands könnte drohen. Afghanistan läßt grüßen, von Tschetschenien und anderen Kaukasus-Unruheherden ganz zu schweigen.
Rußlands Interesse an der Ukraine ist ebenso stark wie unentschieden. Strategisch ist die Ukraine ein unverzichtbarer Bestandteil der russischen Grenzsicherung, ein Gebiet, in dem es auf keinen Fall NATO-Truppen sehen will. Ökonomisch bezieht Rußland noch immer einen Haufen von Produkten aus der Ukraine, auf die die russische Führung nicht verzichten will. Neben Erzeugnissen der Schwerindustrie gehören dazu auch Bauteile für militärisches Gerät, die Rußland bis heute nicht auf dem eigenen Hoheitsgebiet herstellen kann. Schließlich kann sich Rußland auch keinen Bürgerkrieg in der Ukraine leisten, der gigantische Flüchtlingsströme nach Rußland verursachen würde. Schon heute wurden in den angrenzenden Gebieten Rußlands Anlaufstellen eingerichtet für den seit Jahresanfang stetigen Zustrom von Umsiedlern, die sich in Rußland sicherer fühlen als in der Ukraine.
Natürlich unterstützt Rußland die Aufständischen in der Ostukraine mit Waffen und Beratern, vor allem von der und über die Krim. Natürlich hält es Truppen in Grenznähe in Bereitschaft. Ein tatsächlicher Einmarsch wäre aber nicht im Sinne Rußland, weil die Konsequenzen eines solchen Schrittes nicht berechenbar sind.
3. Der Kampf der Oligarchen und Rußland
Die ukrainischen Oligarchen haben sich die Reichtumsquellen der Ukraine in hartem Kampf unter sich aufgeteilt. Dieser Kampf ist natürlich nie zu Ende. Kaum zeigt sich bei einem Konkurrenten eine Schwäche, so versuchen andere, auf sein Terrain vorzudringen. Julia Timoschenkos Gefängnisaufenthalt hat sie z.B. aus der Gas-Transit-Branche hinausgedrängt und sie wird es wahrscheinlich nicht mehr schaffen, ihre frühere Position wiederzuerobern.
Jeder der Oligarchen hat eine „Sicherheitsdienst“ genannte private Schlägertruppe, die gegebenenfalls mit Fußballfans und Angestellten zu einer kleinen Privatarmee aufgestockt werden kann. Ihre Macht kann jedoch das in der Ukraine fehlende Gewaltmonopol nicht ersetzen. Jeder trachtet danach, notfalls in Koalition mit anderen, möglichst nahe an die politische Macht zu gelangen, Parteien zu gründen oder für sich zu kaufen, um die politischen Entscheidungen in seinem Sinne beeinflussen zu können.
Dieses labile Gleichgewicht ist durch die Ereignisse in Zypern sehr durcheinander gebracht worden. Alle ukrainischen Oligarchen machen den Großteil ihrer Geschäfte mit Rußland und anderen Staaten des ehemaligen COMECON, bzw. mit Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens. Parken tun sie ihre Barvermögen, ihren „Reservefonds“ jedoch mehrheitlich in der Eurozone, um es in richtiges Weltgeld umzuwandeln. Da mußten sie schon in Zypern Federn lassen. Die lockere Art, mit der sich in Zypern ukrainisches und russisches Vermögen einkassieren ließ, hat womöglich die EU-Politiker erst so richtig wagemutig und frech werden lassen, der Ukraine diesen Assoziationsvertrag unbedingt aufs Aug drücken zu wollen.
Jetzt, rund um die Ereignisse des Maidan, hat die EU wiederum Druck ausgeübt: Wer nicht mit uns ist, wird als Verbrecher, Geldwäscher behandelt und sein Geld ist futsch! Und deshalb haben sich die meisten Oligarchen auf die Seite der EU bzw. der USA gestellt.
Nicht so der größte Oligarch der Ukraine, Rinat Achmetov. Achmetov kontrolliert wie kein anderer den Osten der Ukraine. Wenn er heute seine Arbeiter in verschiedenen Städten patrouillieren läßt, so handelt er im Einklang und in Absprache mit Rußland, und übrigens auch mit einem guten Teil der „Separatisten“ wider Willen, zumindest mit deren Führung.
Mit ihm wird sich auch Poroschenko einigen müssen, sollte er es irgendwie schaffen, diese Wahl-Farce als einen Sieg darzustellen und versuchen, die Ukraine zu regieren. Alle Versuche der Rivalen, Achmetov zu diskreditieren und zu entthronen, sind zum Scheitern verurteilt, eben weil er die Rückendeckung Rußlands hat. Er, nicht sein Hampelmann Janukowitsch, war und ist der eigentliche „Namestnik“, Statthalter Rußlands.
Auch Poroschenko muß sich mit Rußland arrangieren. Vermutlich hat er bereits Schritte in diese Richtung getan. Ohne den russischen Markt kann ein guter Teil seiner Unternehmen zusperren. Ohne Rußlands Zustimmung kann er die Ukraine nicht regieren.
4. Perspektiven
Es fragt sich allerdings, ob er es selbst mit Rußlands Rückendeckung schaffen wird. Denn die Karten für die Einflußnahme auf die Ukraine sind ja schon verteilt. IWF, EU und USA warten, um ihre miteinander, mit den Interessen der Ukraine und mit denen Rußlands unvereinbaren Ansprüche zu präsentieren.
Nicht zu vergessen ein Haufen bewaffneter Ukrainer, deren jeder die jeweils andere Fraktion als den ersten Feind betrachtet …
Kategorie: Recht und Gewalt
Pressespiegel 2: RT na russkom, 12. März
DIE HECKENSCHÜTZEN DES MAIDAN
Der Ex-Leiter des SBU (des ukrainischen Geheimdienstes), Alexander Jakimenko: Die Schüsse kamen aus einem Gebäude, das von Aktivisten des Maidan kontrolliert wurde
Die Scharfschützen, die auf die Teilnehmer an den Protesten in Kiew schossen, befanden sich im Gebäude der Philharmonie. Zum Zeitpunkt der Ereignisse kontrollierte dieses Gebäude der „Kommandant des Maidan“ Andrej Parubij. … Nach Meinung Jakimenkos war Parubij in Verbindung mit den Leuten, die für US-Sicherheitsdienste arbeiteten. …
Aus diesem Gebäude fielen die Schüsse am 20. Feber, auch aus automatischen Waffen. Sie unterstützten den gewalttätigen Angriff auf die Sicherheitskräfte des Innenministeriums, die bereits demoralisiert waren und eigentlich in Panik flüchteten, sie wurden gejagt wie Kaninchen … Sie wurden von Bewaffneten verfolgt. Deren Bewaffnung war unterschiedlich. In diesem Augenblick wurde das Feuer auf diejenigen eröffnet, die die Polizisten angriffen, und es kam bei ihnen zu Verlusten. All das geschah aus dem Gebäude der Philharmonie. Als die erste Welle der Schüsse verebbte, bemerkten viele, daß 20 Personen dieses Gebäude verließen. Sie waren gut gekleidet, trugen spezielle Kleidung, hatten Umhängetaschen für die Spezialflinten für Scharfschützen und auch Kalaschnikows mit speziellem optischem Zubehör. Alle sahen sie. Das Interessante ist, daß nicht nur unsere Mitarbeiter sie sahen, sondern auch die Vertreter des Maidan – Mitglieder von „Swoboda“, dem „Rechten Sektor“, „Vaterland“ und „UDAR“.
Jakimenko erzählt, daß er sogar von ukrainischen Oppositionellen gebeten wurde, die Gruppe „Alpha“ einzusetzen, um die Gebäude im Zentrum von Kiew von Heckenschützen zu säubern: „Als der Kugelhagel sich verlangsamte, aber weiterhin anhielt, wandten sich sowohl der „Rechte Sektor“ als auch die „Swoboda“ an mich mit der Bitte, diese Gebäude zu stürmen und von Heckenschützen zu säubern.“
Seine Leute wären auch dazu bereit gewesen, erzählt Jakimenko weiter, aber um den Maidan zu betreten, bedurfte es der Erlaubnis Parubijs. Sonst wären die Selbstverteidigungskräfte des Maidan uns in den Rücken gefallen. Parubij gestatte dies jedoch nicht. Keine einzige Waffe oder Ausrüstung konnte ohne die Erlaubnis Parubijs auf den Maidan gebracht werden. Keine Pistole, keine Jagdflinte, schon gar nicht mit optischen Zielfernrohren.
Nach Jakimenkos Angaben könnten die Heckenschützen Ausländer gewesen sein. „Wir besaßen Informationen, wonach ehemalige – zu dem Zeitpunkt bereits entlassene – Mitglieder des Militärgeheimdienstes der Ukraine in die Ereignisse verwickelt waren. Dabei soll es sich um Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien gehandelt haben. Außerdem hatten wir Informationen über Söldner aus anderen Ländern.“
Der „Kommandant des Maidan“ (Parubij) befand sich im Einflußbereich von Personen der US-Sicherheitsdienste. „Diese gewannen auch Poroschenko, Gwozd und Malamusch für sich. Auch Gritsenko gehört dieser Gruppe an. Diese Leute führten alles aus, was ihnen die USA-Führer befahlen. Sie besuchten mindestens einmal täglich die US-Botschaft.“ …
Während der Zuspitzung des Konfliktes, der Konfrontationen in Kiew wurde einige Male darüber gesprochen, daß Heckenschützen sowohl auf die Protestierenden als auch auf die Sicherheitskräfte geschossen hätten. Unter ihren Kugeln starben mehrere Dutzend Personen.
Die Frage, wer diese Heckenschützen angeworben hat und zu welchem Zweck, ist noch offen. Der Außenminister Estlands, Urmas Paet, äußerte im Gespräch mit Catherine Ashton die Vermutung, daß diese Schützen von Führern des Maidan gemietet worden sind.
In diesem Gespräch berichtet Paet, daß alle Hiтweise darauf deuten, daß sowohl die toten Maidan-Demonstranten als auch die toten Polizisten von den gleichen Schützen erschossen wurden. „Es gibt Anlaß zur Besorgnis, daß die neue Koalition diese Ereignisse nicht untersuchen lassen will, obwohl sich immer klarer abzeichnet, daß nicht Janukowitsch, sondern jemand aus der neuen Koalition hinter diesen Heckenschützen steht“, sagte er.
Rußland besteht auf der Untersuchung der Verbrechen der Heckenschützen. Das gab der Vorsitzende des Verfassungsgerichtes, Valerij Sorkin, heute bekannt.
Die Besprechung der Weltpolitik
DEMOKRATISCHER PERSONENKULT 2014
„Wählen, was Putin will“ (Die Zeit, 16.3.) – „Putin, der auf Währungsreserven sitzt, die zu den größten der Welt gehören“ (Tiroler Tageszeitung, 17.3.) – „Wie hart muss der Westen Putin bestrafen?“ (Bild, 17.3.)
„Verzocken Janukowitsch und Asarow die Ukraine?“ (Berliner Tageszeitung, 29.11. 2013) – „Janukowitsch möchte das Handelsabkommen unterzeichnen“ (Huffington Post, 12.12. 2013)
„Präsident Obama schlug die Russen mit Sanktionen“ (New York Daily News, 6.3.) – „Obama stärkt Jazenjuk den Rücken“(ORF, 12.3.) – „Obama muss sich als Krisenmanager bewähren“ (Standard, 3.3.)
„Merkel ringt Putin in Krim-Krise Zugeständnis ab“ (n-tv 16.6.) – „Merkel bekräftigt Drohung mit EU-Wirtschaftssanktionen“ (FAZ, 13.3) – usw.
Brechts „Fragen eines lesenden Arbeiters“ drängen sich auf:
„Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?“
Wenn man dergleichen Meldungen ernst nehmen würde, so entsteht der Schein, es wären wirklich nur ein paar Supermänner und -frauen, die die Welt regieren, der Rest sind Statisten, oder bloße Befehlsempfänger.
Damit wird ein demokratisches Ideal verbreitet und gepflegt: daß sich die werte Bevölkerung brav in regelmäßigen Abständen die Personen aussucht, die dann Land und Leute beherrschen und benützen, und sich nach der Bestellung ihrer Herren widerstandslos für alle Ziele der Politik einspannen läßt.
Mit dieser Art der Berichterstattung soll dem Leser/Hörer auch nahegelegt werden, sich vorzustellen, man müßte nur eine böse oder unnötige Figur wegräumen, entweder durch Krieg und Enthauptung, wie Saddam Hussein, oder durch einfaches Einsetzen eines geeigneten Technokraten, wie Monti oder Papadimos, oder durch eine sogenannte Revolution von der Straße, wie Mubarak oder eben jetzt Janukowitsch – und alles würde gut. Trotz der gegenteiligen Beispiele aus Irak, Ägypten usw. wird zäh an diesem Personenkult festgehalten: Die Welt wird so dargestellt, als gäbe es auf der einen Seite einen allmächtigen Alleinherrscher, und auf der anderen Seite das passive, gehorsame Volk.
Erstens haben ja sowohl Putin als auch Merkel eine Regierungsmannschaft hinter sich, die ihre Entscheidungen mitträgt und unterstützt. Zweitens haben auch beide große Teile der Bevölkerung ihres Landes auf ihrer Seite. (Das wird von der Presse im Falle Deutschlands wohlwollend quittiert und als Charisma der Kanzlerin positiv verbucht, während es in Rußland verärgert und als „Gefahr für die Demokratie in Rußland“ zur Kenntnis genommen wird.) Es sind also keineswegs einsame Entscheidungen, die diese Machthaber treffen, sondern sie beruhen auf Konsens und werden daher von einer Mehrheit mitgetragen. Die Regierungen Rußlands und Deutschlands sind also handlungsfähig.
Schon ein wenig anders ist die Lage bei Barack Obama. Der Präsident der Weltmacht Nr. 1 kann zwar Pakistan mit einem Drohnenkrieg überziehen und dort regelmäßig Dörfer in Schutt und Asche legen. Aber im eigenen Land schafft er es nicht, eine landesweite Krankenversicherung durchzusetzen, und inzwischen hat sich das Theater etabliert, das jedes Jahr einmal um das Budget und die Verschuldung aufgeführt wird. Die US-Regierung ist mit einem System von Institutionen und einer Opposition konfrontiert, die den Staat zeitweise an den Rand der Handlungsunfähigkeit bringen.
Noch anders ist die Lage in der Ukraine. Die ukrainische Führung hatte gar nicht die Autorität und die Mittel, ein Gewaltmonopol zu errichten. Das Land funktioniert nach einer Art Konkursverwaltung, wo sich die Verwalter aus der Masse bedienen. Es gibt keine Trennung zwischen Staat und Privatsektor, es fand keine Privatisierung statt, der Staat kann seine Rechnungen nicht zahlen, er hat keinen Kredit, und kann sich daher kaum über Verschuldung finanzieren. Nirgends war also das Bild des allmächtigen Herrschers falscher als in der Ukraine. Der „Statthalter“ Rußlands, die Marionette der ukrainischen Oligarchen, die im Parlament nur mittels Duldung der Kommunistischen Partei Mehrheiten zustande und Gesetze durchbringen konnte, wurde von den westlichen Medien zu einem Willkürherrscher aufgebaut, der in der Ukraine nach Belieben schalten und walten kann.
Zunächst wurde Janukowitsch von den Medien als Bösewicht dargestellt, dessen Laune es zu verdanken sei, daß das Assoziationsabkommen nicht zustandekam. Sozusagen aus Jux und Tollerei, oder weil er sich von Putin „unter Druck“ habe setzen lassen, habe er und nur er die Unterschrift „verweigert“. Damit wurde einerseits das Bild vermittelt, es läge nur an ihm und hätte nichts mit irgendeiner Staatsraison zu tun, wie die Entscheidungen der ukrainischen Regierung ausfallen. Zweitens wurde damit so getan, als wäre dieser Vertrag eine wahre Wohltat für die ukrainische Bevölkerung, die ihr durch die Engstirnigkeit oder Selbstsucht eines einzigen Mannes verwehrt wurde.
Als dann Janukowitsch – für die EU-Politiker überraschend – gestürzt wurde, waren kurzzeitig lange Gesichter angesagt. Der mühsam aufgebaute Drehpunkt der eigenen Interessen war weg. Und damit war auch die Vorstellung blamiert, man müsse nur auf den – rechtmäßig gewählten – „Diktator“ genug Druck machen, damit sich dieser den eigenen Ansprüchen beugt.
Die jetzigen beiden Hampelmänner aus der Timoschenko-Truppe unterschreiben zwar bereitwillig alles, was man ihnen vorlegt, inwiefern sie das aber durchsetzen können, ist unklar. Es werden jedenfalls von EU und IWF Fakten gesetzt, um dann später Rechtstitel gegen etwaige andere Politiker in der Hand zu haben.
Es ist durchaus möglich, daß diese harten Bedingungen, die jetzt dieser sogenannten Übergangsregierung („Übergang“ wohin?) diktiert werden, dann auch der Grund werden, warum gar keine Regierung mehr zustandekommt: Sich eine Regierung wählen, die die Preise erhöht und die Gehälter und Pensionen kürzt, – ja natürlich, aber dafür gehören wir jetzt zu Europa?!
In diesem Falle wären die triumphierend vorgelegten und von den Statthaltern der EU unterzeichneten Vertragswerke allerdings Makulatur, und etwaige Kredite des Westens (IWF, EU, private Banken) stünden auf dem Spiel.