Das verflixte dritte A

ÖSTERREICH VERLIERT SEINE BESTNOTE
Weiterer Ausblick: negativ.
Das Wehgeschrei ist groß. Wie konnte es dazu kommen?! Zwischen Geschimpfe auf die Ratingagenturen und Beschwichtigungsversuchen, die „Märkte“ würden sich gar nicht drum kümmern, schaut kaum wer nach, warum Standard and Poor Österreich und andere EU-Staaten herabgestuft hat. Diese Begründungen sind allerdings lesenswert. Entgegen der Behauptung, die im Parlament nicht durchgegangene Schuldenbremse sei der Grund für diesen Schritt gewesen, hat S&P einen etwas weiteren Blickwinkel als den auf nationale Parlamente:
„The outcomes from the EU summit on Dec. 9, 2011, and subsequent statements from policymakers lead us to believe that the agreement reached has not produced a breakthrough of sufficient size and scope to fully address the eurozone’s financial problems. In our opinion, the political agreement does not supply sufficient additional resources or operational flexibility to bolster European rescue operations, or extend enough support for those eurozone sovereigns subjected to heightened market pressures.“
Es war der EU-Gipfel im Dezember, der in den Medien als „Durchbruch“ verkauft wurde, der nur durch Spielverderber wie den britischen Premier etwas verpatzt worden war, der S&P an EU und Euro überhaupt hat zweifeln lassen. Daß in Zukunft ein Sparkurs gefahren werden soll, hält die Agentur nicht für die Lösung des Schuldenproblems. Es sei keineswegs ausgemacht, daß für zukünftige Rettungsaktionen – die für S&P so selbstverständlich sind, daß sie sich darüber gar nicht erst verbreitern – genügend Mittel zur Verfügung stehen. Genaugenommen sei diesbezüglich gar nichts entschieden.
S&P teilt also die derzeit gültige Sprachregelung, man müßte jetzt „sparen“, um wieder kreditwürdig zu werden, gar nicht. Auch die Richtung, die auf diesem Gipfel vorgegeben wurde: daß die erfolgreichen Staaten den gestrauchelten bzw. gescheiterten Partnern in der EU mehr oder weniger eine Aufsicht vor die Nase setzen, die den Geldhahn auf- und zudrehen kann, und das als „weiteren Schritt der europäischen Integration“ und Vorankommen in Richtung „Fiskalunion“ feiern – das hält S&P für ökonomisch kontraproduktiv.
S&P spricht auch aus, daß der Grund für die derzeitige Euro-Krise falsch bestimmt ist:
„We also believe that the agreement is predicated on only a partial recognition of the source of the crisis: that the current financial turmoil stems primarily from fiscal profligacy at the periphery of the eurozone. In our view, however, the financial problems facing the eurozone are as much a consequence of rising external imbalances and divergences in competitiveness between the eurozone’s core and the so-called „periphery“. As such, we believe that a reform process based on a pillar of fiscal austerity alone risks becoming self-defeating, as domestic demand falls in line with consumers‘ rising concerns about job security and disposable incomes, eroding national tax revenues.“
Es ist nicht die vermeintliche „Verschwendung“ der PIIGS, sondern das Abschiffen dieser Staaten gegenüber der „Kernzone“ als Folge der Konkurrenz innerhalb der EU. Nicht wegen der Ausgaben der Pleitestaaten sei die Krise eingetreten, sondern aufgrund des Rückgangs der Wirtschaftsleistung dieser Staaten. Auf der Einnahmen-Seite sieht S&P auch keine Besserung eintreten, weil genau dieses Beschränken der Staatsausgaben und Erhöhen der Steuern einen Rückgang der Inlandsnachfrage nach sich ziehen und die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben ungünstig beeinflussen wird.
Es ist eigentlich nur die Logik des vergangenen Jahrzehnts, an das S&P die Staaten der Eurozone bzw. der EU erinnert: War es jahrelang das Credo aller Politiker, Wirtschaftsfachleute, Unternehmer und dergleichen Akteure, daß Kredit der Hebel des Wachstums ist und man durch die Liberalisierung des Kreditwesens und die Einführung des Euro eine Art pepetuum mobile des wirtschaftlichen Erfolges geschaffen hätte, so tritt heute der umgekehrte Fall ein: Durch Zurückfahren der Staatsausgaben und Erhöhung der Steuern wird Schrumpfung, Rezession verursacht, und das wiederum rüttelt an den Fundamenten des Kredits.

So geht Meinungsbildung:

ATTENTATE
werden recht unterschiedlich beurteilt. Abgesehen von dem begriffslos-tantigem „Ach-wie-schrecklich!“, das einem unappetitliche Bilder von zerfetzten Leichen frei Haus liefert, wird dann auch meistens die richtige Sichtweise hinzugefügt, an die sich der entsetzte Betrachter zu halten hat.
Als Breivik sein Attentat in Norwegen verübte, hieß es zunächst: Sicherlich Al-Kaida, diese Bösen vom Dienst, denen man ja alles Schlechte zutraut und deren vermutete Mitglieder man deswegen auch ohne weitere Angabe von Gründen überall auf der Welt erschießen oder in die Luft sprengen darf.
Dann stellte sich heraus, es war ein norwegischer christlicher Neonazi. Oh wie peinlich! Wie konnte es dazu kommen?! Das ganze Land ist betroffen und gibt Solidaritätskundgebungen für seine Regierung ab.
Zweifelsohne steht fest, daß er ein Einzeltäter war. Nein, für so eine verruchte Tat kann er keine Komplizen gehabt haben, das darf einfach nicht sein.
Manche Fragen dürfen offenbar nicht gestellt werden: Wieso war denn der Polizeihubschrauber nicht einsatzfähig? Warum brauchten die Sicherheitskräfte so lange, um auf die Insel zu kommen? Wo hatte Breivik seine Polizeiuniform her? Kriegt man die einfach so im Versandhandel?
Hat er vielleicht Sympathisanten bei der Polizei? Man erinnere sich an den Palme-Mord, wo viel über die rechtsradikalen Sympathien der schwedischen Polizisten ans Tageslicht kam …
Aber inzwischen geht ohnehin nur mehr darum, ob er narrisch ist oder nicht.
Anders ist es in Syrien.
Da gibt es seit Monaten heftige Kämpfe zwischen verschiedenen Gruppen, wo niemand so genau weiß, wer da gegen wen kämpft und warum.
Das heißt, jemand, der die Wahrheit wissen will, kennt sich nicht so wirklich aus.
Die Medien hingegen haben kein Problem: Das „Regime“ schlägt in einer Art Endkampf um sich, alle Toten gehen auf sein Konto, es handelt sich sowieso nur um friedliche Demonstranten und Begräbnisumzüge, die aus purer Perfidie auf Befehl des Diktators Assad und seines nichtswürdigen Clans von den Sicherheitskräften niedergemacht werden.
Die im „Syrischen Nationalrat“ angeblich vereinte Opposition hingegen pflückt nur Gänseblümchen, oder, wenn man sie doch einmal dabei erwischt, jemanden umgelegt zu haben, so war das selbstverständlich Notwehr.
Jetzt gibt es seit einiger Zeit Bombenanschläge in Damaskus. Beim ersten wurde schon gemunkelt, das „Regime“ könnte seine Finger dabei im Spiel haben. Blöderweise gabs dann doch ein Bekennerschreiben oder so etwas ähnliches von einer mit – der übrigens als Organisation längst nicht mehr existenten – Al Kaida symphatisierenden fundamentalistischen Organisation.
(Man erinnere sich an dieser Stelle an den veritablen Krieg, den Bashir Al-Assad 1982 gegen die Moslembrüder in Hama geführt hat, und an den Haß, der seither unter rechtgläubigen Muslimen gegen die Familie Assad und die Aleviten überhaupt besteht. Man erinnere sich auch an den syrischstämmigen Fundamentalisten Mustafa Setmariam, einen der von den USA meistgesuchten Terroristen, auf dessen Kopf 5 Millionen $ ausgesetzt waren und der 2005 von pakistanischen Behörden in Quetta verhaftet und an die USA ausgeliefert wurde. Sein derzeitiger Aufenthaltsort ist unbekannt.)
Aber jetzt, der zweite Anschlag in Damaskus, und noch dazu gegen Polizisten – das kann doch nur von Assad angeordnet worden sein! Warum irgendjemand in der syrischen Regierung ein Interesse daran haben könnte, seine eigenen Polizisten in die Luft zu sprengen, darf man natürlich nicht fragen – die abgrundtiefe Bosheit dieser Leute ist eben undurchschaubar! Weil sonst, so die Logik der Zeitungsschmierer, hätten sie es ja verhindert! Was ein Kinderspiel ist, wie man seit Jahren im Irak und Afghanistan beobachten kann, wo ja solche Bombenanschläge praktisch unbekannt sind.
Jetzt wird sich zeigen, ob die syrische Führung die Verantwortlichen, die das nicht verhindert haben, streng bestraft – tut sie das nicht, so verrät sie damit, daß sie ja in Wirklichkeit selber die Finger im Spiel hat! (Wieviele Sicherheitsbeamte in Norwegen wurden eigentlich zur Verantwortung gezogen?)
Sollte es in den nächsten Tagen ein Bekennerschreiben von irgendwelchen Fundamentalisten geben, so wissen wir schon längst, daß das ein Fake ist, mit dem das syrische Regime davon ablenken will, daß es selber dahinter steckt.
Dann gabs in Damaskus noch eine Solidaritätsdemonstration mit der syrischen Regierung – die ist nicht ernstzunehmen, die ist ja vom Regime organisiert.
Demokratische Pressefreiheit 2012: Es ist empörend, für wie dumm die werten Journalisten ihre Leser und Zuhörer verkaufen.

Pompe funebre

STAATSTRAUER RICHTIG UND FALSCH
Es kommt ja öfters vor, daß wer stirbt. Wir alle sind sterblich. Aber bei den Begräbnisfeierlichkeiten zeigt sich, wer was zu melden gehabt hat auf dieser Welt. Manche Tote waren im Leben wichtiger als andere, und wenn sie gar Machthaber waren, Regierende, also solche, die anderen ihre Lebensbedingungen diktieren, so ist deren Begräbnis ein Staatsakt, der international gewürdigt und kommentiert wird und an dem man ablesen kann, was dieser Mensch im Leben geleistet oder wobei er gestört hat.
An zwei beinahe gleichzeitig verstorbenen Staatsmännern konnte man die Dramaturgie dieser Art von Events schön studieren, und dabei auch entnehmen, welche Moral dem gemeinen Volk verordnet oder verwehrt wird.
Václav Havel
Hier haben wir es mit einem Staatsmann zu tun, der von allen wichtigen Politikern Amerikas und Europas geschätzt wurde, die ihm in Prag in Massen die letzte Ehre erwiesen. An Lob für ihn fehlte es in den Nachrufen wahrlich nicht. Er hat nämlich dazu beigetragen, daß der historische Betriebsunfall des Realen Sozialismus repariert wurde, das falsche Gesellschaftssystem endlich abgedankt hat und die Sonne der Freien Marktwirtschaft auch in Osteuropa aufgehen konnte. Und dazu hat Havel tatsächlich seinen Teil geleistet. Er hat also wirklich nichts als das Gute, Wahre und Schöne befördert. Unter den fast schon peinlichen Elogen an diese Ikone der Demokratie und der Menschenrechte sei nur der gedichtete Nachruf Jewgenij Jewtuschenkos erwähnt, der ihn mehr oder weniger als Messias der Freiheit anruft und an seinem Grab die Schatten all derer aufmarschieren läßt, die für die Verbrechen des Sozialismus stehen.
Hingegen
Kim Jong-il,
dem weint außerhalb Nordkoreas wirklich keiner nach! Gerade daß die westlichen Zeitungen nicht schreiben: Endlich! Nur ein toter Kommunist ist ein guter Kommunist! Aber in die Freude über den Tod des „Diktators“ mischt sich die bittere Einsicht, daß dieses verwerfliche Regime dort weiterbesteht. Die „einzige kommunistische Dynastie der Welt“ sorgt für die Kontinuität dessen, was eigentlich nicht sein soll. Die Befürchtungen, daß der unerfahrene junge Mann, der jetzt „Alleinherrscher“ über ein Land mit Atomwaffen wird, Mist baut, sind gemischt mit dem Ärger, daß er offenbar so allein nicht ist, sondern eine Staatspartei hat, die hinter ihm steht. Und nicht nur die Partei, sondern auch das Volk, das sich in Trauerbezeugungen über das Ableben des geliebten Führers geradezu überbietet: „hysterisch“ sind sie, weil was gibt es denn da zu trauern?! Es wird auch sauer vermerkt, daß keine Trauergäste aus dem Ausland geladen wurden – es wäre ja auch niemand hingefahren, weil ja wie gesagt, niemand unter den Staatsmännern der Welt trauert um Kim Jong-il, – aber dieser Mangel an Etikette wird auch fein säuberlich vermerkt: Dieses Land gehört einfach nicht zur zivilisierten Welt! Schluchzende Nordkoreaner sind entweder „inszeniert“, wie ja die ganzen Trauerfeierlichkeiten überhaupt – im Unterschied zu anderen Staatsbegräbnissen, wo ja anscheinend die Toten ohne viel Federlesens in die Grube geworfen werden – oder die Leute sind – dieser Generalverdacht besteht ja immer gegenüber den Nordkoreanern, die nicht einmal die zur Standardausstattung eines „kommunistischen“ Staates dazugehörenden Dissidenten hervorbringen – einfach entartet, kommunistisch verseucht bis in die Knochen.
Ein schönes Beispiel für diese beispiellos dumme Berichterstattung findet sich im Artikel des Standard vom 28.12., der seinerseits von einer Agentur stammt und offenbar die Minimalvorgabe ist, an dem sich jedes Kasblattl orientiert.
Die Zeremonie war nicht nur „inszeniert“, sondern auch noch „pompös“ – sowas! Gleich wird auch noch erwähnt, daß Korea Atommacht ist – als ob das bereits irgendwelche Standards für den Ablauf von Begräbnissen vorgeben würde. Das Auto, das dem Konvoi vorausfährt, hat ein Bild des Verstorbenen auf dem Dach – laut Standard ist dieses Bild nicht überlebensgroß, wie das für solche Anlässe angemessen ist, sondern „überdimensional“.
Die tagelange „Massentrauer“ – mehr Personen als den Familienmitgliedern gesteht der Standard Trauergefühle offenbar nicht zu – war natürlich „organisiert“. Damit wird suggeriert, daß die Nordkoreaner natürlich niemals freiwillig trauern würden, sondern mehr oder weniger dazu gezwungen werden müssen. (Man fragt sich, wie? Tränen auf Knopfdruck – im Kommunismus kein Problem! Wahrscheinlich handelt es sich ohnehin um Tausende von unterirdisch hergestellten Robotern, die wir da sehen …) Und das alles trotz Schneefalls, das kann doch nicht echt sein! Manche der Trauernden weinten „zügellos“, also das auch noch! Sie wissen sich einfach nicht zu benehmen, diese Anti-Bürger.
Den Leichenwagen begleiteten der Sohn und der Bruder des Verstorbenen, und dann auch noch der Stabchef der Armee. Sehr überraschend ist das nicht. Dennoch schließt der Standard daraus orakelhaft auf die „künftigen Machtverhältnisse“.
Die Trauerfeier ist der des Vaters des Verstorbenen abgekupfert – nicht einmal improvisieren können die dort! Dabei wird der Sarg „in einer Prozession durch Pjöngjang geführt“. Das haben sie sich sicherlich bei uns abgeschaut, – wo es ja ähnlich zugeht. All das sind natürlich Insiderinformationen aus erster Hand – aus Südkorea. Und man erfährt nebenbei, daß Nordkorea doch nicht so isoliert ist, wie man es gerne hätte, da China „nach wie vor gute Kontakte“ zu Nordkorea „pflegt“. Grrr!
Nordkoreanische Regimegegner – es gibt sie doch, sie leben aber in Südkorea, sind also propagandistisch nur bedingt brauchbar – schicken Umsturzaufrufe mit $-Scheinen per Luftballon nach Norden.
Wenn wer die Scheine einlösen will, wird er/sie wahrscheinlich draufkommen, daß sie gefälscht sind.
Das alles, was in Nordkorea vor sich geht, inklusive dieses Begräbnisses, hat übrigens – entgegen der Propaganda – mit Kommunismus nichts zu tun.