Pressespiegel El País, 14.6.: Krieg und Öl

DER ISRAELISCHE ANGRIFF AUF DEN IRAN LÖST PANIK IN DER ÖLWELT AUS
Die Energieinfrastruktur des drittgrößten OPEC-Produzenten ist intakt, doch eine mögliche Schließung der Straße von Hormus wäre tödlich.

Die relative Ruhe, die bisher in diesem Jahr auf dem Ölmarkt herrschte, ist Geschichte. Der israelische Angriff auf den Iran, Land mit den drittgrößten Rohölreserven der Welt, hat Panik ausgelöst: weniger wegen der Schäden selbst – laut Teheran sind bisher keine Ölquellen und Raffinerien betroffen –, sondern wegen einer möglichen Schließung der Straße von Hormus, durch die fast ein Viertel des weltweiten Ölvolumens transportiert wird.

Zunächst die Fakten. Der Anstieg des Preises für ein Faß Brent, des Referenzpreises in Europa, erreichte am frühen Donnerstagmorgen einen zweistelligen Wert, als das volle Ausmaß der Offensive noch unbekannt war.
Dies ist der höchste Anstieg seit den (für den Ölmarkt) schlimmsten Tagen der russischen Invasion in der Ukraine im Jahr 2022. Es ist klar, dass der Angriff auf den Iran eine Steigerung des Ölpreises verursacht. »Die entscheidende Frage ist nun, ob sich dies auf das Angebot auswirken wird oder nicht«, erklärt Richard Joswick, Analyst bei S&P Global Commodity Insights.

Wie man sieht, ist da noch viel Luft nach oben

Er erinnert allerdings daran, dass der Preis bei den jüngsten Auseinandersetzungen zwischen Israel und dem Iran zunächst in die Höhe geschossen sei, sich dann aber wieder entspannt habe, als der Markt erkannte, dass dies keine Auswirkungen auf die regionalen Rohölexporte haben würde. (…)
Gerade als die Lage ruhiger schien und der Barrelpreis in den letzten Monaten ein Vierjahrestief erreichte, löste die Nachricht in den wichtigsten Entscheidungszentren der fossilen Brennstoffbranche Alarm aus.

»Wir beobachten die Auswirkungen aktiv«, erklärte der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, wenige Stunden nach dem Einschlag der ersten israelischen Raketen in Iran. »Die Märkte sind weiterhin gut versorgt, aber wir sind bereit, mit unseren Notfallreserven zu handeln.«

Nachdem der israelische Angriff über Nacht – der größte seit Menschengedenken gegen den Iran – die Ölproduktionskapazität des drittgrößten Produzenten der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), der täglich zwischen 3,5 und 4 Millionen Barrel Öl auf den Markt bringt, nicht beeinträchtigt hat, stellt sich nun die große Frage, wie Teheran reagieren wird.

Wird seine Reaktion letztlich begrenzt ausfallen oder wird Teheran, in seinem Stolz verletzt durch eine Offensive, die seine Verwundbarkeit offengelegt hat, zu deutlich drastischeren Maßnahmen greifen?

Was Teheran tun wird

Dieses zweite Szenario wäre für die Öl- und Gasimportländer, allen voran Europa und Asien, am problematischsten. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten: Der Iran könnte andere Energieinfrastrukturen in der Region angreifen, wie er es 2019 in Saudi-Arabien tat;“

Ganz unwahrscheinlich. Schließlich will der Iran ja nicht gegen die ganze Welt Krieg führen. Es ist ein beliebtes Moment der Feindbildpflege, dem Feind irrationales Handeln zu unterstellen.
Und Saudi-Arabien ist hier nicht beteiligt, im Grunde genommen vermutlich auch nicht erfreut über diese Entwicklung.

„oder er könnte noch einen Schritt weitergehen und die Straße von Hormus schließen, den einzigen möglichen Zugang zu Öl und Gas für mehrere Ölmonarchien am Persischen Golf, wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait und Katar.

»Sollte sich der Iran wie in der Vergangenheit für einen maßvollen Angriff entscheiden, würden sich die Energiemärkte beruhigen«, sagt Jorge León, Vizepräsident und Leiter der Ölanalyse beim norwegischen Beratungsunternehmen Rystad Energy, in einem Interview mit EL PAÍS.“

Keine sehr schlaue Einschätzung des Herr León. Schließlich hängt der Fortgang des Krieges vor allem vom Vernichtungswillen Israels ab, nicht von der gemäßigten oder weniger gemäßigten Reaktion des Iran.

Einen Angriff auf die Ölinfrastruktur anderer Länder der Region, wie Saudi-Arabien oder die VAE, hält er für »unwahrscheinlich«. Aus zwei Gründen.
Erstens, so León, weil sich die USA – trotz der Warnung von Präsident Donald Trump am Freitag vor neuen, »noch brutaleren« Angriffen, falls es keine Einigung über ihr Atomprogramm gebe – von den israelischen Bombenangriffen distanziert hätten.
Zweitens, weil die übrigen Golfanrainer – viele von ihnen historisch mit dem Iran im Streit, ihre diplomatischen Beziehungen in den letzten Monaten aber deutlich verbessert haben – die Offensive vorbehaltlos verurteilt hätten.

Der lange Schatten von Hormus

Eine Eskalation, die Teheran zur vollständigen Schließung der Straße von Hormus führen würde, wäre hingegen explosiv für den Ölmarkt. In diesem Szenario hätte nur ein Land der Region – Saudi-Arabien, der weltgrößte Rohölexporteur – die Kapazität, seine Produktion zu verkaufen.
Und das nur teilweise: Es könnte rund fünf Millionen Barrel pro Tag auf den Markt bringen – die maximale Kapazität der Ost-West-Pipeline, die Anfang der 1980er Jahre während des endlosen Krieges zwischen Iran und Irak gebaut wurde.“

Endlos war der Krieg nicht, er dauerte +/- 10 Jahre.
Dieses Öl müßte dann über das Rote Meer auf die Weltmärkte gelangen, also per Schiff durch den Suez-Kanal, was auch die Preise erhöhen dürfte.
Die andere Richtung durch die Bab-Al-Mandab-Straße wird von den Huthis bedroht, um die es inzwischen zwar ruhiger geworden ist, aber das muß nichts heißen.

„Mit anderen Worten: Fast die Hälfte der Produktion des Ölproduzenten schlechthin würde vom Markt genommen, was die Preise in die Höhe treiben würde.
Teheran muss seine nächsten Schritte jedoch sorgfältig abwägen. Eine Schließung von Hormus würde seine jährlichen Öleinnahmen von 67 Milliarden Dollar (58,2 Milliarden Euro) ernsthaft gefährden. Gelinde gesagt, etwa ein Fünftel seines BIP. Seine wichtigste Devisenquelle würde auf einen Schlag verschwinden. Darüber hinaus würde es bedeuten, seine ebenfalls milliardenschweren Erdgasexporte aufzugeben, einen Markt, auf dem das Land relativ gesehen sogar noch größeres Gewicht hat: Es ist der drittgrößte Produzent der Welt. Nur ein Energieriese, Russland, hat mehr nachgewiesene Reserven dieses Brennstoffs als der Iran.“

Eine Schwächung des Iran würde also die Stellung Rußlands als Energie-Exporteur stärken, Sanktionen und Schattenflotte hin oder her.
Allerdings gibt es praktisch nur einen Käufer, den das betrifft:

„China, praktisch Allein-Abnehmer

China ist der größte und praktisch alleinige Abnehmer iranischen Öls. Sollte ein Teil seiner Produktion den Markt verlassen, müsste das zweitbevölkerungsreichste Land der Welt dieses Rohöl (und seine Derivate) aus anderen Golfstaaten beziehen – vorausgesetzt, die Straße von Hormus bleibt offen – oder sogar aus anderen Breitengraden.

Dieser Schritt würde das Ölpuzzle neu zusammenfügen und könnte, wie einige Analysten warnen, den Preis innerhalb von drei Jahren auf rund 100 Dollar pro Barrel treiben. Deutlich über den aktuellen 75 Dollar.“

Es ist nicht ganz nachzuvollziehen, wie der Autor auf die 3 Jahre kommt, aber die Zeit wird weisen, ob die Analysten hier einmal recht hatten – oder doch nicht.

Zusammenfassung des Blödsinns, der in westlichen Medien zu Rußland erzählt wird

KURZ VOR DEM ENDE

Die offensichtliche russische Überlegenheit, die seit 2023 nicht wegzuleugnen ist, stellt die Propagandisten des Westens vor ernste Probleme. Aber sie geben nicht auf.

Ein Artikel der Berliner Morgenpost führt schön vor, wie der brave EU-Bürger den Konflikt zu betrachten hat und jede Niederlage in einen Sieg verwandeln soll, bis zum letzten Ukrainer.

Schon der Titel fordert einiges an geistiger Verrenkung:

„Neue Offensive, hohe Verluste – gehen Putin die Reserven aus?“

Welche Offensive?
Welche hohen Verluste?
Welche Reserven?

Für keine dieser Behauptungen werden irgendwelche Beweise angeführt, aber die Botschaft ist klar: Weil Rußland die Reserven ausgehen, geht es in die Offensive. Ja, so verrückt sind sie, die Russen. Das kann ja nicht gutgehen!

Man erinnere sich daran, daß es 2022 hieß, in höchstens 3 Monaten gingen der russischen Armee die Raketen aus.

Wenn sich bei den Waffen nichts mehr schönreden läßt – anstatt den Russen, ist der NATO die Munition ausgegangen und sie kaufen sie auf der ganzen Welt zusammen, zu satten Preisen – dann muß eben das Personal herhalten:

„Die enormen Verluste an Soldaten – inzwischen sind nach westlichen Schätzungen rund 700.000 Soldaten gefallen oder verwundet – kann die russische Armee bislang noch ausgleichen; monatlich werden mindestens 30.000 Russen rekrutiert, für den Ukraine-Krieg sind jetzt 640.000 Soldaten eingesetzt, schätzt der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, General Oleksandr Syrsky.“

Alle diese völlig aus dem Ärmel gezogenen Zahlen werden als gesicherte Fakten präsentiert: Der Westen schätzt, Syrskij sagt … Dann wieder meldet das britische Verteidigungsministerium eine Zahl von 330.000 toten russischen Soldaten, auch das wird in anderen Medien zitiert und niemand macht sich auch nur die Mühe, bei beiden Zahlen nachzufragen, ob sie auf irgendwelchen halbwegs gesicherten Daten beruhen?

Die Logik geht so: Die Russen dürfen nicht stärker sein als wir, also können ihre Erfolge nur so zustande kommen, daß sie ihre Leute rücksichtslos verheizen. In dieser Logik wird jedesmal, wenn Rußland die nächsten paar Dörfer einnimmt, auf die bisherigen Meldungen über Verluste noch etwas draufgeschlagen, mit dem Zusatz: „ungeheuer“, „enorm“, usw. Dann kann der jeweilige Autor noch weiteres dazufantasieren, wie böse die Russen sind, daß sie 1. ihre Soldaten so verheizen und 2., wie böse die Soldaten sein müssen, daß sie sich so verheizen lassen.

Dasselbe Schema auf die Ukraine anzuwenden, verbittet sich strengstens. Dort, wo sich ja nur verteidigt wird, fallen kaum Opfer an und wenn, dann nur zivile, angesichts derer man wieder gegen die Russen hetzen lassen, die ja nicht einmal die Zivilbevölkerung verschonen! (und das angesichts des völlig zerstörten und noch weiter bombardierten Gaza).

Auch wenn europäische Politiker an einem Soldatenfriedhof vorbeigehen und hin und wieder Bilder von Begräbnissen und Friedhöfen auftauchen, so verbittet es sich, zu quantifizieren. Die Opfer dürfen als „Opfer Rußlands“ beklagt werden, aber ohne irgendwelche Zahlen zu nennen oder auch nur nachzufragen.
Und das, während Millionen wehrpflichtiger Männer ins Ausland geflüchtet sind, andere sich in ihren Wohnungen verstecken und auf den Straßen der ukrainischen Städte wahre Menschenjagden veranstaltet werden, um wehrpflichtige Männer – ab dem Alter von 25 – für die Reihen der ukrainischen Armee zu rekrutieren.
Diese solcherart zwangsrekrutierten Soldaten werden praktisch ohne Ausbildung an die Front geschickt, um die recht ausgedünnten Reihen zu stopfen.
Nachdem Aufrufe an Jüngere, sich freiwillig zur Armee zu melden, relativ magere Ergebnisse gezeitigt haben, überlegt die ukrainische Führung, das Alter auf 19 herabzusetzen. Es ist allerdings nicht sicher, ob sie das durchs Parlament bringt.
Per Dekret ist aber auch haarig, weil da die Legitimation schon sehr zu wünschen übrig läßt.

Statt sich diesen Phänomenen zu widmen, ergehen sich die Mainstream-Medien im Kopfschütteln über die „enormen“ Verluste der russischen Armee und im Kaffeesatzlesen, „wie lange“ es diese Armee noch aushalten könne.

Dann wird zur Abwechslung einmal wieder über Waffensysteme gefaselt:

„Doch habe Russland seit Beginn der Invasion auch große Verluste an schweren Waffen zu verzeichnen, fast 10.000 Panzer seien zerstört oder beschädigt. Militärexperte Racz sagt, die russische Armee stütze sich beim Nachschub weniger auf die Produktion neuer Panzer als auf Altbestände, die reaktiviert werden.“

Da ein „Militärexperte“ zitiert wird, sind diese ebenso wie alles andere erfundenen Zahlen sozusagen abgesichert, obwohl aus dem Satz gar nicht hervorgeht, ob die 10.000 Panzer und der Herr Rácz in irgendeinem Verhältnis stehen.

Daß Rußland kaum neue Panzer verwendet, weil es seine alten auch einsetzt, wird ebenso behauptet, obwohl das eine in keinem Zusammenhang mit dem anderen steht.
Außerdem ist es ärgerlich für die NATO, daß Rußland noch immer Altbestände zu haben scheint, während sie im Westen schon ziemlich ausgegangen sind.

„Selbst alte Kampfpanzer vom Typ T-54 würden wieder betriebsbereit gemacht, obwohl es sich um »eine 70 Jahre alte Technologie« handele. Ähnlich verhalte es sich mit der Artillerie.“

Auch hier ist der Ärger anzumerken, daß Rußland dergleichen altes Zeug bei sich herumstehen hat und 2. auch einsetzt.
Die Geräte scheinen nach wie vor zu funktionieren.

„Die russischen Bestände aus der Sowjetzeit gehen zur Neige
Mit Satellitenbildern können Analysten rekonstruieren, wie Russland Lager mit Material aus der Sowjetzeit nach und nach leergeräumt hat.“

Genauso wie diverse EU-Staaten. Das Ärgerliche ist: Bei den Russen ist immer noch was drin!

„Wie lange halten die russischen Vorräte? Racz sagt, es gebe einen »Flaschenhals«, der in einem oder spätestens zwei Jahren für große Probleme sorgen werde, weil Russland »nicht den letzten Panzer in die Ukraine schicken kann«.“

Damit wird die Öffentlichkeit darauf eingeschworen, daß der Krieg noch mindestens 2 Jahre weitergehen muß, damit die Russen dann endgültig platt gemacht werden können.
Aber nicht einmal das ist sicher, weil die Panzer sind ja nur ein Element des gesamten Waffenarsenals, und ein zunehmend unwichtiges:

„Die Zeitschätzungen würden allerdings dadurch erschwert, dass der immer stärkere Drohneneinsatz auf beiden Seiten den Stellenwert von schweren gepanzerten Systemen verringert habe. Doch klar ist: Putin kann den Krieg nicht unbegrenzt weiterführen.“

Will er ja auch nicht. Er will ihn gewinnen.
Diese Perspektive verbittet sich allerdings für die westlichen Propagandisten.

„Zugleich rücke bis 2026 die Notwendigkeit einer weiteren Zwangsmobilisierung näher“

wieder ein Hirngespinst, das als Selbstverständlichkeit dargestellt wird, genauso wie die 30.000 Neurekrutierungen und verschiedenen 100.000 Toten.
Dann werden wieder bescheidenere Ziele gesetzt:

„»Wenn die Ukraine Russland bis Weihnachten daran hindern kann, die Grenzen Donezks zu erreichen, und Kiews internationale Partner weiterhin konsequent die russische Wirtschaft schwächen, steht Moskau vor schwierigen Entscheidungen hinsichtlich der Kosten, die es für die Fortsetzung des Krieges zu tragen bereit ist«, meint“ (ein britischer Experte) „Watling.“

Die Perspektive ist: Krieg bis mindestens Ende 2025. Was das für die Ukraine heißt, kann man sich vorstellen – soll man aber nicht. Man soll sich vorstellen, daß Rußland die Luft ausgeht.

In diesem Kontext ist auch die derzeitige Meldung von einer geplanten russischen Offensive zu verstehen. Erst wird aufgebaut, daß die Russen eine Offensive vorhätten, später kann man dann erzählen, daß sie „gescheitert“ sei.
Das ist ungefähr die Logik, daß Rußland ja den Krieg praktisch schon verloren hat, weil es ihn noch nicht gewonnen hat.

Putin und Trump

Eine besondere Abteilung der westlichen Propaganda ist der Personenkult um Putin und Trump.

Erst hieß es, Putin sei verrückt. Das wurde vor allem damals verkündet, als in den USA ein völlig seniler Präsident von anderen ferngesteuert wurde. Dazu gibt es inzwischen „Enthüllungen“, die niemanden überraschen.
Damals war es jedenfalls genehm, über den Geisteszustand des russischen Präsidenten zu spekulieren.

Kaum war Trump an der Macht, schossen sich die Medien auf ihn ein: Er sei Putins Freund, wenn nicht sogar Agent.
Dann wurde Trump als verrückt und von Putin ferngesteuert besprochen. Jetzt war das Gefährliche, daß Putin doch nicht verrückt ist, sondern sozusagen über macchiavellische Eigenschaften verfügt.

Jetzt ist Trump böse auf Putin, weil der sich nicht von ihm weichklopfen läßt, sondern an seinen Kriegszielen festhält.
Daraufhin hofft die westliche Propagandamaschinerie, daß Trump Putin fertigmachen wird. Jetzt ist Trump doch wieder als zurechnungsfähiger Regierungschef gefragt.
Womit nur soll Trump Putin Mores lehren, fragt man sich?

Bald wird Trump Schwäche vorgeworfen werden und die Kaffeesatzleserei beginnt, wer jetzt eigentlich im Weißen Haus entscheidet ….

Das alles wäre ja fast komisch, wenn es nicht die Begleitmusik zu einem Krieg wäre, der vermutlich insgesamt über eine Million Tote gefordert hat und dessen Ende nicht abzusehen ist.

Pressespiegel El País, 3.5.: Soziale Isolation

DAS GESCHÄFT MIT DER EINSAMKEIT

Die spanische Tageszeitung widmet sich dem immer mehr zunehmenden Problem der Vereinsamung unter der Sparte: „Geschäftswelt“ – eine interessante Zugangsweise. Denn:

„Das Gefühl der Einsamkeit nimmt weltweit zu und verursacht erhebliche Gesundheitskosten und Produktivitätsverluste, ist aber auch ein Multimillionen-Dollar-Geschäft.“

Die Autorin bezeichnet die Einsamkeit als eine

„Epidemie, eine unerbittliche Bedrohung, die Narben an Körper und Geist hinterlässt, erhebliche öffentliche Gesundheits- und Sozialausgaben verursacht und einen wachsenden Verlust an Unternehmensproduktivität mit sich bringt. Aber es schafft auch eines der profitabelsten Geschäfte der kommenden Jahre.

Mehr als eine Milliarde Menschen weltweit leiden unter häufiger oder schwerer Einsamkeit, und die Zahl steigt, insbesondere im Zuge von COVID-19 (d.h., seit 2020). Das ist das große Paradox: Im Zeitalter ständiger Vernetzung – sowohl durch technologische Geräte als auch durch die Verkehrsinfrastruktur – nimmt sie fortwährend zu.
Verschiedene Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), äußern ihre tiefe Besorgnis über das Ausmaß der Krise. Auch die OECD räumt ein, dass die Krise in den meisten Mitgliedsländern eskaliert. Ihre Auswirkungen sind vergleichbar mit denen des Rauchens oder der Fettleibigkeit, wie Analysen der Brigham Young University in den USA zeigen.
Angesichts von Studien, die von »ungewollter« Einsamkeit sprechen, hält WHO so eine Verdopplung für überflüssig. »Für uns gilt sie immer als unfreiwillig und unerwünscht.« Es handelt sich um ein subjektives Empfinden, geprägt vom Wunsch nach mehr menschlichem Kontakt.
Dieser negative emotionale Zustand (…) hat zerstörerische Auswirkungen sowohl auf die Seele als auch auf die staatlichen Kassen.“

Sehr neckisch, diese Aufzählung.

„Die Kosten der Einsamkeit sind ein wenig erforschtes Thema in entwickelten Gesellschaften, obwohl es in Wirtschafts- und Gesundheitsstudien zunehmend präsent ist.“

Die Autorin will damit sagen, daß das Thema Einsamkeit anscheinend für die Psychologie eine heiße Kartoffel ist, obwohl sie als Problem schon länger bekannt ist:

„Die Einsamkeit hat nämlich wichtige Konsequenzen für den geistigen und körperlichen Zustand der Menschen, was wiederum erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen mit sich bringt: Sie erhöht das Risiko von Krankheiten (Depressionen, Angstzustände, Herzkrankheiten, Demenz). Dies geht mit einer stärkeren Inanspruchnahme von Gesundheitsdiensten und Medikamenteneinnahme einher und erhöht auch das Risiko eines frühen Todes (bis zu 26 % mehr).“

Was immer damit gemeint wird, bei angeblich steigender Lebenserwartung …

„Fast die Hälfte (43 %) der Bevölkerung, die darunter leidet, hatte Selbstmord- oder andere selbstzerstörerische Gedanken.

Die OECD weist außerdem darauf hin, dass es schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Bildung und die Beteiligung am Arbeitsmarkt hat.

Ein tödliches Gefühl

In Spanien, wo die Regierung an der Entwicklung einer nationalen Strategie zur Bekämpfung der Einsamkeit arbeitet und viele Gemeinden und Kommunen bereits über konkrete Pläne verfügen, belaufen sich die direkten Ausgaben laut der Studie »Die Kosten unerwünschter Einsamkeit in Spanien« mit Daten aus dem Jahr 2021 der Stiftung ONCE (Blindenorganisation Spaniens) in Zusammenarbeit mit Nextdoor auf 14,141 Milliarden Euro jährlich.
Einerseits belaufen sich die Gesundheitskosten für Arztbesuche und Medikamenteneinnahme auf über 6 Milliarden Euro. Auf der anderen Seite betragen die Kosten, die durch Produktivitätsverluste (Krankenstände) entstehen, mehr als 8 Milliarden Euro jährlich.“

Es ist beachtlich, wie auch psychische Probleme sofort in Geld umgerechnet werden und dadurch Objektivität erhalten!
Ebenso ist es eigenartig, wie das gelingt – wie kommen diese Zahlen überhaupt zustande? Welche Arztbesuche und welche Krankenstände werden hier als Ergebnis von „Einsamkeit“ zusammengezählt?

„Darüber hinaus kommt es zu einer Verringerung der Lebensqualität von über einer Million Jahren bei voller Gesundheit. Dies bedeutet, dass im Jahr 2021 für jeden spanischen Bürger, der dieses Gefühl der sozialen Isolation erlebte (5.380.853 Menschen), die damit verbundenen Kosten 1.134 Euro betrugen.“

Diese Zahlen sind noch weniger nachvollziehbar, aber da gleich mit Millionen und Milliarden operiert wird, so entsteht – und das ist gewollt – der Eindruck eines wirklich schweren Problems.

„»Das derzeit wachsende Interesse an Einsamkeit ist eine Reaktion auf die deutlich gestiegene Zahl der Betroffenen und ein stärkeres Bewusstsein für die Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit und Lebensqualität, wodurch Einsamkeit praktisch zu einem globalen Problem wird«, sagt María Teresa Sancho, Generaldirektorin des Instituts für Senioren und soziale Dienste (Imserso).

Weltweit belaufen sich die Ausgaben auf Hunderte Milliarden jährlich. Allein in den USA, wo das Gefühl sozialer Isolation weit verbreitet ist – der ehemalige US-Sanitätsinspekteur Vivek Murthy sagte im Jahr 2023, dass mehr als 50 % der amerikanischen Erwachsenen unter erheblicher Einsamkeit litten –, verursachen Fehlzeiten laut einem Bericht des Center for BrainHealth jährlich Kosten in Höhe von 406 Milliarden US-Dollar.
Dort heißt es weiter: »Die Auswirkungen auf die Produktivität und das Engagement der Belegschaft sind wohl noch weitaus größer.«

Einsamkeit gedeiht und verstärkt sich auf einem hypervernetzten Planeten, auf dem sich die menschlichen Interaktionen und die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen, verändert haben. Die Alterung der Bevölkerung und die steigende Lebenserwartung sind eine der Ursachen. „Im europäischen Kontext liegt Spanien mit 84 Jahren bei der Lebenserwartung an der Spitze und damit über dem Durchschnitt von 81,5 Jahren“, sagt IESE-Professor Guido Stein. Doch es gibt auch andere wichtige Veränderungen, wie etwa immer kleinere Haushalte, die Zunahme alleinlebender Menschen, Telearbeit, Migration in urbane Zentren und digitale Plattformen. All dies hat zu einer Verringerung der persönlichen Interaktionen geführt. (…)“

Man merkt, irgendwie ist der Autorin die immerwährende Betonung der Größe des Problems müde und sie versucht, so etwas wie Gründe für die Erscheinung zu suchen.
Mehr als eine Aufzählung verschiedener Phänomene kommt allerdings dabei nicht heraus.

„Einsamkeit breitet sich aus und befällt (!!) Menschen jeden Alters und jeder sozialen Schicht, besonders häufig ist sie jedoch unter jungen Menschen, älteren Menschen, Menschen mit Behinderungen, Migranten und LGBTI-Personen.“

An solchen Formulierungen merkt man die intellektuelle Hilflosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Phänomen besonders deutlich.
So etwas wie „Konkurrenz“ oder „Klassengesellschaft“ als Erklärungsansatz verbietet sich förmlich.

„»Die Folgen sind verheerend, sowohl wirtschaftlich als auch emotional und gesundheitlich«, sagt Eduardo Irastorza, Professor an der OBS Business School und Autor des Berichts »Das Geschäft mit der Einsamkeit in entwickelten Gesellschaften«.“

Hier ist die Reihenfolge bereits umgekehrt … Der wirtschaftliche Schaden hat eindeutig Priorität.

„Doch dieses Problem von enormem Ausmaß, für das ein Preis gezahlt werden muss, stellt zugleich eine klare Geschäftsmöglichkeit dar: Die Menschen verlangen nach Produkten und Dienstleistungen, um ihr Gefühl der Isolation zu lindern.“

Der einsame Mensch als bewußter Konsument verlangt …

„Kann die Geschäftswelt die Chance ignorieren, aus dieser Situation Kapital zu schlagen?“

Eine rein rhetorische Frage. Die Geschäftswelt wartet doch nur auf solche Leiden, um ihnen gegen klingende Münze abzuhelfen.

„»Weltweit nimmt rasch eine neue Einsamkeitsökonomie Gestalt an«, sagt Atanu Biswas, Professor am Indischen Statistischen Institut in Kalkutta. Das Versprechen, menschliche Kontakte zu erleichtern, ist zu einer Goldgrube geworden, deren Wert sich angesichts ihrer Breite und ihres bereichsübergreifenden Charakters nur schwer quantifizieren lässt.“

Auch interessant: Die Kosten lassen sich problemlos errechnen, bei den Gewinnen ist alles zu „bereichsübergreifend“.

„»Es mobilisiert Milliarden für eines der größten Unternehmen der Zukunft und ist gleichzeitig einer der wichtigsten Generatoren für neue Geschäftsideen«, ist Irastorza überzeugt. Und er betont: »Letztendlich werden ausnahmslos alle Branchen diese Chance erkennen und nutzen.« Franc Carreras, Marketingprofessor an der ESADE, stimmt dem zu. »Wir beobachten, dass sich Unternehmen auf die wachsende Zielgruppe alleinlebender Menschen einstellen, indem sie beispielsweise kleinere Fertiggerichte anbieten.«“

!!!

„Von Haustieren bis zum Rendezous

Einige vereinzelte Daten, die das Ausmaß zeigen: Ein Bericht des Beratungsunternehmens Grand View Research schätzt, dass der Markt für virtuelle KI-Freunde bis 2030 140,754 Milliarden US-Dollar erreichen wird. Der Markt für Dating-Plattformen wird im selben Jahr 17,28 Milliarden US-Dollar erreichen. Der Markt für Apps für psychische Gesundheit wurde im Jahr 2024 auf 7,48 Milliarden US-Dollar geschätzt und soll bis 2033 voraussichtlich 20,92 Milliarden US-Dollar erreichen. Und der globale Markt für Haustier-Haltung wird bis 2032 427 Milliarden US-Dollar übersteigen (gegenüber 259,37 Millionen US-Dollar im Jahr 2024).

John Lanerborg, der Ersteller des YouTube-Kanals Economic Circuit, der tiefgehende Analysen zu wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Themen bietet, wagt es, eine Zahl zu nennen, die allerdings ebenso unsicher wie hoch ist: »Einsamkeit ist ein riesiger Markt, der je nach Wachstum der KI bis 2030 500 Milliarden Dollar übersteigen könnte«.

Die Liste der Unternehmen, die Gegenmittel anbieten, umfasst Haustiere (echte und virtuelle), soziale Roboter für Senioren, generationsübergreifende Unterstützungsprogramme, KI-generierte Freundschaften, Dating-Apps (Tinder, Bumble usw.), Unternehmen, die Freunde vermieten, Kurse aller Art, digitale Kliniken für psychische Gesundheit, Medikamente (Anxiolytika, Antidepressiva usw.), spezielle Seniorenwohnheime (Residenzen zur Förderung eines aktiven Lebensstils), gemeinschaftliches Wohnen, gesellige Räume sowie Gruppenreisen und -erlebnisse … „Es gibt immer mehr kreative Lösungen, wie beispielsweise einen Anti-Einsamkeitsclub in Kalifornien«, erklärt Biswas.
Er bezieht sich auf den Groundfloor Club (mit 4 Standorten in diesem Bundesstaat), der Coworking, unbegrenzten Zugang zu Veranstaltungen und eine Online-Community für 200 Dollar im Monat anbietet. Es ist die B-Seite des zeitgenössischen Kapitalismus.“

Bei dieser eigenartigen Einstufung fragt man sich, was dann die Seite A ist?
Der Trump Tower?

„Einsamkeit schreitet in modernen Gesellschaften unaufhaltsam voran und breitet sich aus. Besonders nach Covid. »Laut verschiedenen Umfragen gaben 2016 12 % der erwachsenen europäischen Bevölkerung an, sich einsam zu fühlen. Im Jahr 2020 stieg dieser Prozentsatz angeblich auf 25 %«, sagen die Verfasserinnen einer Studie Demelova und Sala.
Mehr als 75 Millionen Erwachsene in Europa leiden regelmäßig unter diesem quälenden Gefühl. Weltweit gibt fast jeder Vierte über 15 Jahre (d.h., mehr als 1,4 Milliarden Menschen) an, sich ziemlich oder sehr einsam zu fühlen. Dies geht aus einer Studie von Meta und Gallup hervor, die zwischen Juni 2022 und Februar 2023 in 142 Ländern durchgeführt wurde.

In Spanien wurden bisher keine repräsentativen Umfragen durchgeführt, obwohl einige Analysen vorliegen. Eines davon ist das »Barometer der unerwünschten Einsamkeit in Spanien 2024«, eine von der ONCE Foundation und der AXA Foundation im Rahmen der »SoledadES-Beobachtungsstelle« geförderte Studie.
Sie kommt zu dem Schluss, dass 20 % der Bevölkerung betroffen sind, Frauen häufiger als Männer und das Problem vor allem unter jungen Menschen weiter verbreitet ist (34,6 % zwischen 18 und 24 Jahren).“

Im weiteren verliert sich die Autorin darin, die Probleme der Meßbarkeit von Einsamkeit zu erörtern.

Man erfährt, was sich für eine Art Wissenschaft und Forschung rund um die Erfassung des Phänomens gebildet hat. Vor allem die Quantifizierung des Gefühls bereitet erwartungsgemäß Probleme. Die „Erkenntnisse“ dieser Studien und Organisationen dienen dann der restlichen Geschäftswelt wieder als Datum für die Entwicklung ihrer Produkte.

„Die Unternehmen haben den Bedarf erkannt. »Die enorme Verbreitung von Freizeitaktivitäten wie Koch-, Stick-, Heimwerker-, Buchbinde-, Mal- und Dekorationskursen geht über ihren eigentlichen Zweck hinaus und entspricht dem Bedürfnis, Kontakte zu knüpfen und andere Menschen kennenzulernen, mit denen man einen Freundeskreis gründen oder sogar einen Partner finden kann«, meint der Professor Irastorza. Ein weiterer riesiger Markt ist Wellness: Fitnessstudios, Sportvereine (Wandern, Trekking usw.), Massage- und Schönheitszentren oder Yoga und Meditation. »Ein weiterer wichtiger Faktor dabei ist die Partnersuche«, fügt der Professor hinzu.

Das Kapital eilt herbei

Das Thema Einsamkeit rückt für Startups in den Fokus und Risikokapitalgeber drängen in großem Stil auf diesen Markt.

Einige Unternehmen, die auf die eine oder andere Weise in diesem Bereich tätig sind, sind Papa, das Senioren miteinander verbindet und mehr als 240 Millionen Dollar dafür eingesammelt hat.
Weiters gibt es 222, ein KI-gestütztes soziales Netzwerk, das Treffen mit einander Unbekannten an konkreten Orten organisiert, und Pie, das 24 Millionen US-Dollar eingesammelt hat und über 20.000 aktive Benutzer verfügt, die es durch IRL- (In Real Life) Events verbindet, zählt der bei einer großen europäischen Bank angestellte John Lanerborg auf.
Sonst gibt es noch ElliQ, ein sozialer Roboter für Senioren, oder Cuideo in Spanien, das häusliche Pflege mit sozialer Komponente anbietet.“

Die anderen scheinen eher USA-basiert zu sein.

„»Als wir Timeleft im Mai 2023 auf den Markt brachten, erkannten wir einen klaren globalen Trend: Menschen, insbesondere in Großstädten, suchen zunehmend nach echten, persönlichen sozialen Kontakten«, sagt Marta Unturbe, Strategic Operations Manager des Unternehmens, das Unbekannte zum Abendessen in Restaurants zusammenbringt.
Diese Art von Social-Dining-Plattformen sind auch Teil des Einsamkeits-Business-Ökosystems. Insbesondere dieses ist von 500 auf über 27.000 wöchentlich aktive Benutzer angewachsen und hat sich auf über 300 Städte in 62 Ländern ausgeweitet. »Wir beobachten eine steigende Nachfrage in wichtigen Bevölkerungsgruppen wie Senioren, Telearbeitern und Menschen, die in neue Städte ziehen, was das Bedürfnis nach sozialen Kontakten verdeutlicht«, erklärt Unturbe.

Außerdem hat die Dating-App Bumble“ („Summen“ {wie eine Biene oder Hummel}) „eine eigenständige Plattform nur zum Knüpfen von Freundschaften geschaffen. The Nudge („Der Stupser“) hilft Benutzern, interessante Aktivitäten zu entdecken. The Breakfast ist eine App, die durch tägliche virtuelle Frühstückstreffen Kontakte zwischen kreativen Menschen fördert. RealRoots veranstaltet sechswöchige Programme für gleichgesinnte Frauen und Tribe verwandelt Stadtviertel in stärker vernetzte Gemeinschaften.

Es lohnt sich, einen Blick auf einige Schlüsselmärkte zu werfen. Es war unvermeidlich, dass die Künstliche Intelligenz früher oder später in diesem Bereich Einzug halten würde. So haben sich hier Chatbots etabliert (die Gespräche per Text oder Sprache anbieten), die möglicherweise die Einsamkeit verewigen.
Im Segment der älteren Menschen liegt ihr Nutzen auf der Hand. Im Jahr 2023 brachte AtlanTTic, das Zentrum für Erforschung von Telekommunikationstechnologie der Universität Vigo, Celia auf den Markt, die erste galizische Software zur Bekämpfung der sozialen Isolation. »Die Vision war, Gesprächsassistenten zu entwickeln, die auf die Interessen älterer Menschen zugeschnitten sind, um sie zu unterhalten und zu begleiten. In dieser Bevölkerungsgruppe ist Einsamkeit eines der Hauptprobleme, mit pandemischen Merkmalen«, sagt Francisco Javier González, Professor für Telematiktechnik und Leiter der Gruppe für Informationstechnologie an der Universität Vigo. Jetzt heißt Celia Serenia. Die Universität hat ein Spin-off, Serenia Solutions, gegründet und verfügt derzeit über mehr als 10.000 aktive Benutzer.

Hier sind einige der beliebtesten Gesprächspartner. Character.AI erhielt im März 2023 in einer von der Risikokapitalgesellschaft Andreessen Horowitz angeführten Runde eine Investition von 150 Millionen US-Dollar, wodurch sich seine Bewertung auf 1 Milliarde US-Dollar erhöhte (…). XiaoIce ist ein chinesischer Chatbot von Microsoft mit emotionalen Fähigkeiten und Replika ist ein KI-Begleiter, mit dem Sie chatten, nachdenken, gemeinsam lachen und Freundschaften schließen können.

»Einsamkeit nimmt zu, sowohl in der realen Welt als auch im Internet. Immer mehr Menschen berichten, dass sie sich isoliert fühlen, selbst wenn sie von anderen umgeben sind«, betont Dmytro Klotschko, CEO von Replika, das 2016 gegründet wurde und 35 Millionen registrierte Nutzer hat. Und er fügt hinzu: »Wir haben nicht den Anspruch, die Einsamkeit zu heilen, aber wir bieten etwas, das den Menschen hilft, sich ein bisschen mehr gesehen und verbunden zu fühlen, und manchmal kann das alles verändern.«
Der Chatbot kann eine Version von einem selbst sein, jemand, der den Benutzer kennt, oder eine erfundene Persönlichkeit. Sie können ihr Aussehen, ihre Kleidung, den Raum, in dem sie interagieren, und sogar ihre Stimme auswählen. Es ist auch möglich, gemeinsam Selfies aufzunehmen, und die App ist so konzipiert, dass sie so immersiv und emotional ansprechend ist, wie der Benutzer es wünscht (Auswahl von Gesprächsthemen, Tätigen von Sprachanrufen oder Interaktion in »erweiterter Wirklichkeit«, wofür ein kostenpflichtiges Abonnement erforderlich ist).

Eine weitere Variante ist die Begleitrobotik (tatsächliche Roboter), ein aufstrebender Markt, der sich rasch entwickelt und vor allem durch den demografischen Wandel und die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung vorangetrieben wird. »In Europa erleben wir eine zunehmende Integration von Robotern, insbesondere im Gesundheitssektor. In den kommenden Jahren werden wir Roboter mit größeren emotionalen Fähigkeiten, einer stärkeren multimodalen Interaktion und einer Personalisierung auf Grundlage des Benutzerprofils sehen«, sagt die Website von PAL Robotics, 2004 in Barcelona gegründet und eines der Pionierunternehmen der Servicerobotik in Europa.
Einer ihrer Roboter ist ARI, der 1,65 Meter groß ist und zu dessen Hauptaufgaben es gehört, Gesellschaft zu leisten. Die Investition in diese Roboter kann je nach Modell und Ausstattung mit den Kosten eines Motorrads oder eines Mittel- bis Oberklasseautos verglichen werden.
Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Branche sind bereits spürbar und nehmen weiter zu: »Im Segment der Serviceroboter für Verbraucher wurden Branchendaten zufolge mehr als 4,1 Millionen Stück verkauft«, heißt es bei PAL.

Risiken und Grenzen

Aus Angst, dass all diese Technologien reale Beziehungen ersetzen werden, sprechen die Befragten lieber davon, daß sie »ergänzen«.“

Sie ersetzen sie doch bereits jetzt …

„»Sie werden ein Instrument zur Förderung der Sozialisierung sein«, glaubt González. Klotschko sagt: »Replika könnte Sie sogar nach Ihren Freunden fragen, Sie ermutigen, auf andere zuzugehen, oder Sie daran erinnern, nach draußen zu gehen.«“

Allerdings etwas überflüssig, wenn es keine realen Freunde gibt, die man draußen treffen könnte – was ja der Ausgangspunkt dafür ist, sich an so einen Chatbot zu wenden.

„Die Gefahr besteht jedoch darin, nicht zu wissen, was real und was simuliert ist. Beispielsweise gaben bei Replika etwa 60 % der zahlenden Benutzer an, eine Liebesbeziehung mit ihrem virtuellen Freund zu haben.

Darüber hinaus müssen ethische und datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen beachtet werden. »Viele technologische Lösungen beinhalten die Überwachung und Analyse sensibler Daten, daher müssen wir die Sicherheit und Autonomie der Benutzer gewährleisten«, bemerkt Borja Sangrador, Partner des Beratungsunternehmens EY, Sparte für Gesundheitswesen und Biowissenschaften.
Ein weiterer kritischer Punkt ist die digitale Kluft. »Viele Menschen, die unter Einsamkeit leiden, haben keinen einfachen Zugang zu diesen technologischen Lösungen. Inklusion muss Priorität haben«, fügt er hinzu.“

Unter älteren Menschen kann man sich da noch weite Geschäftsfelder erschließen! Der Markt ist praktisch unendlich!

„Ein weiterer Aspekt des Geschäfts, der Aufmerksamkeit verdient, ist die »psychische Gesundheit« und vor allem der Ausbau digitaler Plattformen. Beispiele hierfür sind BetterHelp, das Zugang zu mehr als 28.000 Therapeuten in über 200 Ländern bietet, und Talkspace, das Benutzer ebenfalls über eine mobile App mit diesen Fachleuten verbindet und 2021 an die Börse ging.

Das spanische Startup Aimentia, das auf digitale psychische Gesundheit durch künstliche Intelligenz spezialisiert ist und im Februar 2023 eine Investitionsrunde in Höhe von 500.000 Euro abgeschlossen hat, glaubt, dass KI die psychische Gesundheit demokratisiert.“

Man fragt sich bereits, was denn diese »psychische Gesundheit« eigentlich sein soll? – und dann auch noch demokratisch!!

„»Die Zukunft der psychischen Gesundheit wird hybrid sein: menschliche Empathie, verstärkt durch die Präzision künstlicher Intelligenz«, sagt Edgar Jorba, CEO und Mitbegründer von Aimentia, für den »Einsamkeit die neue stille Pandemie des 21. Jahrhunderts sein wird. … Fast 40 % der betreuten Personen erwähnen direkt oder indirekt Gefühle der Isolation, Trennung oder mangelnder emotionaler Unterstützung«. Das Unternehmen ist bereits nach Mexiko, Chile und Argentinien expandiert. Jorba betont, dass »KI im Bereich der psychischen Gesundheit die Menschen nicht ersetzt: Sie gibt ihnen die Freiheit, sich auf die menschliche Pflege zu konzentrieren.«“

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Gemeint ist offenbar diejenige, wo jemand körperlich präsent sein muß.

„Ein weiterer Zweig dieser Branche ist die Vermietung von Freunden (aus Fleisch und Blut).
Client Partners (in Japan) und Rent A Friend sind einige der Unternehmen, die diese ungewöhnlichen Dienste anbieten. »Wir reagieren auf einen einzigartigen und bislang ungedeckten Bedarf. Unsere Dienstleistungen können zwar Einsamkeit lindern – ein wertvoller und positiver Nebeneffekt –, aber das ist nicht unser Hauptziel. Unser Kernanliegen ist die Vernetzung«, sagt Andrew Wolf, CEO von Rent A Friend, einem 2009 in New Jersey gegründeten Unternehmen. Die Plattform bietet über ein monatliches Abonnement von 19,99 US-Dollar Zugriff auf ein globales Netzwerk von 40.000 aktiven »Freunden«. Es gibt keinen einheitlichen Benutzertyp: »Es deckt alle Bevölkerungsgruppen ab«, betont Wolf. In Spanien stehen etwa 1.500 Freunde zur Verfügung.

Diese sind echt. (…)“

Ein interessantes Berufsprofil, mit großer Zukunft: Mietbarer Freund für ein paar Stunden …

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Der Artikel ist in mehrer Hinsicht bemerkenswert: Er nimmt sich des Themas der Vereinzelung der Menschen und der Folgen derselben sehr ausführlich an, ohne auch nur einen Gedanken auf deren Ursachen zu verschwenden.

Ein gesellschaftliches Problem interessiert nur mehr unter dem Gesichtspunkt:

1. Handhaben, um unerwünschte Folgen zu vermeiden

2. Kosten minimieren, und

3. Geschäfte machen.

Das unangenehme Bild einer Gesellschaft, wo die Alten von Robotern gepflegt werden, die Jungen mit gemieteten Freunden ausgehen – oder was immer machen – und alle sich hauptsächlich mit Chatbots unterhalten, wird hier gezeichnet.