Serie „Lateinamerika heute“. Teil 23: Die Dominikanische Republik

VOM PECH, ALS MODELL ZU DIENEN

Die DR kennt man heute hauptsächlich als touristische Destination, Zweitwohnsitz des Jet-Sets und bessere Hälfte des als lokalem Problemfall bekannten Haití.
Der Weg zu diesem Zustand war allerdings holprig.

Entdeckung, „Umvolkung“ und territoriale Teilung

Die Insel Hispaniola, deren östlichen Teil die DR einnimmt, war nach den Bahamas und Kuba die nächste Insel, die Kolumbus „entdeckte“. Er wurde überall freundlich aufgenommen. Die unbekleideten Bewohner der karibischen Inseln hielten die Entdecker für Abgesandte des Himmels.
Kolumbus nahm aus dieser freundlichen Aufnahme vor allem wahr, daß diese Menschen friedlich und daher feige seien und man sie einfach unterjochen könne.
Die Insel Hispaniola wurde zum Modell für die Eroberung der Neuen Welt durch Spanien. Ihre Bewohner wurden in den folgenden Jahrzehnten ermordet, zu Tode geschunden und versklavt.
Die solcherart und außerdem durch aus Europa eingeschleppte Krankheiten dezimierte Bevölkerung Hispaniolas wurde bereits seit Anfang des 16. Jahrhunderts durch Sklaven aus Afrika ersetzt. Die Afrikaner waren vergleichsweise resistent gegen die europäischen Infektionskrankheiten und bewährten sich daher als Arbeitskräfte. Deshalb veränderte sich die Bevölkerung Hispaniolas bis Ende des 16. Jahrhunderts in spanischstämmige Oberschicht, schwarze und indigene Sklaven, und deren Mischlinge.

Anfang des 17. Jahrhunderts fanden Zwangsumsiedlungen der Bewohner des Westens der Insel und die Zerstörung der bis dahin entwickelten Wirtschaft dieser Gegenden statt, weil die spanische Krone der Schmuggel mit und der Kontakt mit den Untertanen anderer Kolonialmächte störte, der sich im Westteil der Insel eingebürgert hatte.
Deswegen erging ein Befehl an die Kolonialverwaltung in Santo Domingo, diese Gegenden an der West- und Nordküste zu entvölkern, ihre Bewohner zwangsumzusiedeln und die ehemals relativ blühenden Siedlungen vollständig zu zerstören, um eine Rückkehr zu verhindern.
Die unmittelbaren Folgen waren wirtschaftlicher Natur. Die Insel verarmte, Menschen wanderten aus. Hispaniola wurde zu einer Art Strafkolonie, wo niemand hinwollte.
In den verlassenen Regionen hingegen siedelten sich entlaufene Sklaven an. Piraten übernahmen die verlassenen Häfen und begannen von dort erst recht Schmuggel und Raubzüge. Eine tatsächlich gesetzlose Zone entstand und die durch den wirtschaftlichen Niedergang sehr ausgedünnte Kolonialverwaltung Hispaniolas hatte nicht mehr die Macht, diesem Treiben Einhalt zu gebieten.
Die spanische Krone hatte Territorium aufgegeben und Wirtschaft, also gesellschaftlichen Reichtum, vernichtet. Die Trennlinie, die sie durch die Insel zog und westlich derer sich niemand ansiedeln durfte, teilte in der Tat Hispaniola in die 2 Hälften, aus denen es heute besteht.

Diese Zerstörung hatte weitreichende Folgen für die weitere Entwicklung Hispaniolas, und auch des heutigen Haitís.

Sklavenhalter, Sklavenaufstände und die Bürde der Unabhängigkeit

Zwischen 1789 und 1843 erschütterten die Ausläufer der Französischen Revolution, der Koalitions- und Napoleonischen Kriege die Insel. Spanier, Franzosen und Briten gaben sich ein Stelldichein auf Hispaniola.
Der Ostteil wurde 1822 bis 1844 zweimal von Heeren der aufständischen bzw. nicht mehr-Sklaven aus Haití besetzt. Unter dieser haitianischen Herrschaft wurde die Sklaverei endgültig aufgehoben und der landwirtschaftliche Kleinbesitz durch eine Landreform eingerichtet. (Es sollte die letzte Landreform in der DR sein.) In dieser Zeit verließ noch einmal ein Teil der weißen Bevölkerung den Ostteil der Insel, weil sie ihre Privilegien und ihren Besitz verloren.
Nach dem Abzug der Haitianer erklärten einige Mitglieder der Oberschicht die Unabhängigkeit Santo Domingos und verzettelten sich in den folgenden Jahrzehnten in Verteilungskriege, bis eine Regierung 1861 den Beschluß faßte, sich wieder Spanien als Kolonie zu unterstellen. Ein zumindest auf dem amerikanischen Kontinent einmaliger Akt.
Diese Rückkehr in die Arme des Mutterlandes wurde nicht von allen Einwohnern der Insel begrüßt. Sowohl unter den Eliten als auch den Nachfahren der Sklaven war dieser Schritt unpopulär und sie begannen einen Aufstand, der von Haití aus unterstützt wurde, weil dort erst recht niemand wieder ein Kolonialsystem auf der Insel wollte.

Die Spanier zogen 1865 ab und der Ostteil verfiel wieder in Bürgerkrieg. Nach der Ermordung eines Diktators, der das Land in Schulden gestürzt hatte, drohte um die Wende zum 20. Jahrhundert eine Invasion, diesmal aus Frankreich, wo der Großteil der Schulden gemacht worden war.

In diesem Augenblick traten die USA auf den Plan, erstens, um eine Intervention zu verhindern und zweitens, um die Gültigkeit der Schuld zu garantieren und ihre Bedienung sicherzustellen.
Schließlich marschierten die USA 1916 in die DR ein.
Dies geschah unter dem Präsidenten Wilson, noch vor dem Eintritt der USA in den I. Weltkrieg, als eine Art Vorspiel oder Übung, mit der die USA Truppenverlegungen probten – in einem sicheren Terrain, wo kein nennenswerter Widerstand zu erwarten war. Die Invasion fiel umso leichter, als die USA zu diesem Zeitpunkt Haití bereits besetzt hatten.
Die USA richteten eine Militärregierung ein, bekämpften Guerillabewegungen und anderen Widerstand und führten die Zensur ein. Sie errichteten durch die Schaffung einer Nationalen Armee ein Gewaltmonopol, das in der DR bisher nicht vorhanden gewesen war. Sie blieben 8 Jahre lang. Der bei ihrem Abzug 1924 genehmigte Präsident wurde 1930 von einem von den USA gestützten Gorilla gestürzt und damit begann die 30-jährige Diktatur von Rafael Trujillo.

Die USA und der Diktator Trujillo

Den US-Besatzern war ein Kleinkrimineller wie Trujillo gerade recht, um ihr Statthalter nach ihrem Abzug zu werden. Es war klar, daß er alles machen würde, was die USA verlangen, solange er sich selbst dabei die Taschen füllen konnte.

Seine Diktatur war ein Modell für die USA, in ihrem Hinterhof ihnen genehme Potentaten einzusetzen, die ihnen bedingungslos ergeben waren und die ihre jeweiligen Staaten unter Kontrolle hatten.
Wie im Falle Trujillos war es dafür günstig, sich dafür solcher Leute zu bedienen, die nicht den angestammten Eliten des Landes angehörten, sondern ihren Aufstieg der Zusammenarbeit mit den USA verdankten. Diese Leute würden auch weiterhin auf die USA setzen, weil sie von ihnen abhängig waren und die Unterstützung von außen brauchten, um im Inneren ihre Herrschaft ausüben zu können.

Dieses Modell wurde später auf verschiedene Staaten der Karibik, Mittel- und Südamerika ausgedehnt. Die Ermordung eines spanischen Exilpolitikers, der unter Mitwirkung von CIA und FBI aus den USA in die DR entführt wurde, zeigt die enge Zusammenarbeit zwischen Trujillo und den USA auf.
Das System Trujillos, mit Folter, Verschwindenlassen bzw. offensichtlichen, von der Regierung angeordneten Morden Terror in der Gesellschaft der DR zu säen, sollte sich auch nach Trujillos Tod unter der Ägide der Operation Condor in Südamerika verbreiten.

Die DR bewährte sich also im 20. Jahrhundert, wie schon in der Kolonialzeit, als eine Art Labor und Testgelände – in diesem Fall zur Unterwerfung des lateinamerikanischen Hinterhofs in das US-System der kontrollierten Souveränitäten und militärischen Interventionen.

Abgesehen von dieser Nützlichkeit für die USA verfolgte Trujillo auch noch eine eigene Agenda, um sich von der zweiten Hälfte der Insel, den von ihm als minderwertig eingestuften Schwarzen Haitís abzugrenzen. Das führte zu Massenmorden an haitianischen Immigranten durch die Armee und dem Angebot, Juden aufzunehmen, die vor der nationalsozialistischen Herrschaft flüchten wollten. Aus letzterem wurde aber nichts, vermutlich aufgrund eines Machtworts der USA.

Bis heute ist nicht ganz klar, in wie weit die USA die Attentäter unterstützten, die Trujillo im Mai 1961 in der Nähe der Hauptstadt erschossen. Nach Unruhen, einer Übergangsregierung und einem Putsch kam es zu Neuwahlen, die der aus dem Exil zurückgekehrte Juan Bosch gewann.

Politische Kontinuität nach Trujillo

Die neuere Geschichte der DR spielte sich, was die politische Ebene anging, im Lichte der Rivalität zweier Personen ab: Joaquín Balaguer und Juan Bosch.
Beide begannen ihre unterschiedlichen Karrieren als Schriftsteller und Journalisten.

Balaguer war ein enger Mitarbeiter Trujillos gewesen, und hatte Posten als Botschafter und Minister besetzt. Nach dem Tod Trujillos stand er einer Übergangsregierung vor.
Bosch war 1938 er ins Exil gegangen, wo er ein Jahr darauf in Kuba die Revolutionäre Dominikanische Partei gründete, nach dem Vorbild der kubanischen Partei ähnlichen Namens.
Es ist bezeichnend für die Verhältnisse in Lateinamerika, daß die Einführung Partei mit mehr oder weniger sozialdemokratischer Ausrichtung oder nur der Versuch derselben bereits als „revolutionär“ galt.

Fast alles, was Bosch in Angriff nahm, brachte ihm bald den Verdacht des Kommunismus ein: eine neue Verfassung, Arbeitsrechte, die Freiheit zu gewerkschaftlicher Organisation, liberale Lehrpläne und vor allem – eine Landreform, die die Großgrundbesitzer gegen ihn aufbrachte. Nach nur 7 Monaten putschte das Militär gegen ihn und Bosch ging wieder ins Exil.
Eine weitere Erhebung innerhalb des Militärs, die die Wiedereinsetzung des gewählten Präsidenten Bosch forderten, führte 1965 zu einer weiteren Invasion der USA mit 42.000 Mann. Sie zogen erst wieder ab, als neue Wahlen wieder Balaguer an die Macht brachten.

Balaguer regierte 12 Jahre, mit ähnlichen Methoden wie Trujillo. Als die USA eine erneute Wahlfälschung verhinderten, mußte er einige Zeit pausieren, kam aber 1988 wieder von neuem an die Macht und regierte bis in die 90-er Jahre.

Bosch trat immer wieder zu Wahlen an, blieb aber chancenlos. Die Bevölkerung der DR hatte verstanden, daß die Wahl eines nicht genehmen Kandidaten US-Interventionen zu Folge hatte und daß die Dominikaner „keine zweite Chance auf Erden hatten“.
Die Zusammenarbeit mit den USA ist alternativlos.
Sie setzt sich auch im 21. Jahrhundert fort.

In all diesen Jahren haben US-Firmen in der DR investiert, Grund gekauft, Firmen gegründet und stellen auch in den zur Zeit der ersten Regierung von Balaguer eingerichteten Sonderwirtschaftszonen das Gros der Unternehmen.
In der DR besitzen laut Wikipedia „1 % der Landwirtschaftsbetriebe … über 50 % des Nutzbodens, während 75 % der kleinen Agrarbetriebe nur über einen Anteil von 15 % verfügen.“ (Wikipedia, Wirtschaft der DR)
Diese Latifundien setzen auf Cash Crops für den Export, wie Avocados, sodaß der einheimische Bedarf aus Importen gedeckt werden muß.
Aber Landreformen sind, wie man gelernt hat, eine No-Go-Area.

Ansonsten ist der ohnehin in der Hand ausländische Konzerne befindliche Bergbau zurückgegangen und die Haupt-Stützen der Wirtschaft der DR sind Tourismus und die Überweisungen der dominikanischen Migranten: „Die dominikanische Diaspora in den USA zählt zu den größten lateinamerikanischen Gemeinschaften im Land. Rund 2,4 Millionen Menschen dominikanischer Herkunft leben in den USA (Stand: 2021 … Überweisungen dominikanischer (…) Migranten aus den USA machen etwa 7 bis 8 % des Bruttoinlandsprodukts der Dominikanischen Republik“. (Wikipedia, Beziehungen zwischen DR und USA)

Wenn das Lob erklingt, daß „die DR 2022 die 7-größte Wirtschaft Lateinamerikas“ war, das stärkste Wirtschaftswachstum Mittelamerikas und der Karibik hat, usw. usf. – so sagt das eben über die anderen verglichenen Staaten Unerfreuliches aus.
Besonders krass fällt der Vergleich mit den Nachbarn in Haití aus, die vor ihrem Elend in Massen in die DR flüchten und auch immer wieder in großen Mengen zurück nach Hause abgeschoben werden.

Off topic: Armenien

ZWISCHEN GROSSMACHTSINTERESSEN UND ÖLREICHTUM ZERQUETSCHT

Aus Anlaß eines Jennifer Lopez-Konzerts in Jerewan, das kräftig von den armenischen Behörden subventioniert wird, nimmt sich die Komsomolskaja Prawda die neuere Politik Armeniens vor und erinnert daran, daß der Status und die Versorgung der Flüchtlinge aus Berg-Karabach nach wie vor prekär ist.

Das mehrheitlich armenische Bergkarabach wurde 1921 als autonomes Gebiet der aserbaidschanischen Sowjetrepublik angegliedert. Seither ist es offiziell Teil Aserbaidschans, was auch nach 1990 völkerrechtlich eindeutig war.
Im Zuge der Auflösung der Sowjetinion kam es in Armenien und Aserbaidschan zu Pogromen gegen die jeweils andere Minderheit. Die Armee des inzwischen unabhängigen Armeniens führte zwei Kriege gegen Aserbaidschan und annektierte Bergkarabach, wobei es zu großen Vertreibungen aus den zwischen Armenien und Bergkarabach gelegenen Ortschaften und u.a. zur völligen Zerstörung der Stadt Agdam kam.

Zwei Präsidenten (und auch Premierminister) Armeniens, Robert Kotscharjan (Präsident von 1992-2008) und Sersch Sargsjan (Präsident von 2008-2018), stammten aus Bergkarabach und erreichten durch Lobbyismus, daß international eine Zeitlang Gras über die Sache wuchs, unter anderem auf Druck der USA.
Im Gegenzug wurde die US-Botschaft in Jerewan zu einer beachtlichen Festung am Ufer des Jerewan-Sees aufgebaut, die bei einer etwaigen Intervention durchaus als Stützpunkt dienen könnte.

Das öl- und bevölkerungsreichere Aserbaidschan eroberte Bergkarabach mit kräftiger türkischer Unterstützung 2020-2023 in zwei Wellen zurück, was zu einem Exodus der verbliebenen armenischen Bewohner der Region führte.
Nach Angaben der armenischen Regierung wurden anläßlich dieses Exodus’ bis Oktober 2023 mehr als 100.000 Personen als Flüchtlinge registriert.

Die Regierung von Nikol Paschinjan (seit 2018), der keine familiären Bande zu Bergkarabach hat, steht dieser Problematik relativ unberührt gegenüber. Er und sein gegenwärtiges Team bemühen sich um gute Beziehungen zu Aserbaidschan, der Türkei und vor allem den USA und der NATO.
Als nächstes ist die Regierung angeblich bereit, Aserbaidschan den Sangesur-Korridor unter NATO-Bewachung zu überlassen. Damit würde weiteres Territorium des ohnehin nicht sehr großen Armeniens praktisch aufgegeben, die NATO offiziell nach Armenien geholt und Armenien vom Iran abgeschnitten.

Rußland, über diese Entwicklungen naturgemäß nicht erfreut, unterhält eine Basis in Gjumri, deren Belegschaft derzeit angeblich verstärkt wird.

Gegen diese Politik regt sich Widerstand in der armenischen – traditionell rußlandfreundlichen – Bevölkerung und bei der Armenischen Apostolischen Kirche. Verschiedene Vertreter derselben und deren Sympathisanten wurden in der jüngeren Vergangenheit unter der Anklage der Vorbereitung eines Putsches verhaftet, darunter auch der mit Rußland eng verbundene Unternehmer Samvel Karapetjan, der mit russischer Unterstützung der Koordinator der Hilfe für die Berg-Karabach-Flüchtlinge war.

Die KP kommentiert spöttisch die Aussage des Jerewaner Vizebürgermeisters Pambuktschjan, daß die Organisation und Subventionierung des Lopez-Konzerts aufgrund der ausländischen Besuche Einnahmen in die Staatskasse spülen werde: Zu dem Konzert von Jennifer Lopez, deren beste Zeit sowieso vorbei ist, kommen aus dem Ausland vermutlich nur Mitglieder der armenischen Diaspora.
Und Lopez wird sicher nicht ihre Einnahmen wie der armenischstämmige Charles Aznavour dem armenischen Volk spenden.

Apropos Diaspora: Ein guter Teil der Einkünfte Armeniens bestand aus Überweisungen der vermögenden Armenier Syriens, die seit gut 13 Jahren versiegt sind.

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Damit es bei so vielen unerfreulichen Nachrichten auch etwas zum Lachen gibt, hier Details aus der Auseinandersetzung von Paschinjan und dem Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, Garegin II.:

„Der armenische Premierminister Nikol Paschinjan beschuldigte am 29. Mai 2025 den Katholikos aller Armenier, Garegin II., der Verletzung seines Zölibatsgelübdes.
Damals äußerte er während einer Regierungssitzung seine Unzufriedenheit mit dem Zustand der armenischen Kirchen, nannte sie »überladen« und verglich sie mit »Rumpelkammern«.
Am 9. Juni veröffentlichte Paschinjan einen Beitrag auf Facebook, in dem er Garegin II. direkt der Verletzung seines Zölibatsgelübdes beschuldigte. Er erklärte, der Katholikos habe ein Kind und versprach, gegebenenfalls Beweise vorzulegen. Er betonte, dass Garegin II. gemäß dem kanonischen Recht der Armenischen Apostolischen Kirche nicht zum Katholikos gewählt hätte werden dürfen und den Amtssitz des Patriarchen verlassen müsse.
Daraufhin verurteilte der Oberste Kirchenrat der Armenischen Apostolischen Kirche Paschinjans Vorgehen und nannte es eine »beschämende antikirchliche Kampagne«, die den zivilen Frieden und die Einheit in Armenien bedrohe. Der Rat erklärte außerdem, der Premierminister verstoße gegen das verfassungsmäßige Prinzip der Trennung von Kirche und Staat.
Inmitten dieses Konflikts initiierte Paschinjan die Einrichtung einer Koordinierungsgruppe zur Absetzung Garegins II. und zur Wahl eines neuen Katholikos, dessen Verhalten vor der Wahl überprüft werden sollte. Er schlug außerdem vor, das Verfahren zur Wahl des Kirchenoberhaupts zu ändern, damit der Staat bei den Wahlen eine entscheidende Stimme hätte und die Kandidaten auf ihre »Ethik« geprüft würden.“ (russische Wikipedia, Garegin II.)

Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 24.7.: Das Schreckgespenst eines großen Krieges

„WARUM EUROPA DEN UKRAINE-KONFLIKT IN EINEN GLOBALEN KONFLIKT MIT RUSSLAND VERWANDELN WILL

Im Radiosender Komsomolskaja Prawda sprachen wir mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Föderationsrates, Konstantin Kossatschow. Vor seiner Tätigkeit im Parlament war er viele Jahre im diplomatischen Dienst tätig und leitet heute den Ausschuß für internationale Angelegenheiten der Föderation.“

Der Föderationsrat ist die obere Kammer des russischen Parlaments, vergleichbar dem Senat in den USA.

„Warum sprechen europäische Politiker täglich von der Unvermeidlichkeit eines »großen Krieges« mit Rußland? Wie werden sich die Beziehungen zu Donald Trump in Zukunft entwickeln? Welche Politik sollte gegenüber den Nachbarn im nahen Ausland verfolgt werden, die sich von unserem Land abwenden? All diese Themen diskutierten wir mit Konstantin Iosifowitsch.

Steuern wir tatsächlich auf einen großen Krieg zu?

KP: Der Westen bezeichnet Rußland bereits offen als seinen Feind. Politiker auf höchster Ebene sagen, wir müßten uns auf einen großen Krieg mit unserem Land vorbereiten. Sie nennen sogar den Zeitrahmen – in 3 bis 5 Jahren. Stehen wir wirklich am Rande einer Katastrophe?

KK: Trennen wir einmal bei diesem »Wir« in »Wir = Rußland« und »Sie« – diejenigen, die uns in diesen Abgrund ziehen.
Rußland weiß, wie man Kriege gewinnt, aber für uns ist Krieg kein Mittel, um die Probleme unserer eigenen Entwicklung zu lösen. Wir versuchen bis zuletzt, dieses extreme Szenario zu verhindern. Ein Beispiel dafür ist der Ukraine-Einmarsch. Im Dezember 2021 unterbreitete Moskau dem Westen Vorschläge für kollektive Sicherheit, die jedoch rundweg abgelehnt wurden, sodaß wir keine Chance hatten.
Und jetzt wird auf der anderen Seite alles getan, um den Konflikt in der Ukraine zum Zündstoff für eine Art globalen Krieg zu machen.
Dabei geht es überhaupt nicht um die Ukraine, das ist nur ein Vorwand.

Der Westen ist durch 5 Jahrhunderte der Dominanz völlig verdorben. Er sicherte seinen Wohlstand durch den schamlosen Raub an fast der gesamten übrigen Welt. Europa und später die USA betrachteten die restliche Welt als Nährboden, als Rohstoffquelle.“

Auch als Markt, wo man seine Produkte absetzen kann. Diese Form der Benützung kommt oft in Analysen des Imperialismus zu kurz – wohl weil auch die aufstrebenden neuen Mächte auf diese Funktion sehr viel Wert legen.

„Amerikas Staatsverschuldung beträgt 37 Billionen Dollar. Und sie wächst täglich um 4 Milliarden Dollar!

Nun entstehen weitere mächtige Machtzentren, darunter erneut Rußland, das der Westen stets als gefährliche Alternative betrachtete, als das einzige Land, das er über all die Jahrhunderte hinweg nicht unterwerfen konnte. Die westlichen Staaten können ihren geopolitischen Niedergang nicht zulassen und schließen extreme Maßnahmen daher nicht aus.

Warum braucht Europa den Konflikt mit Rußland?“

Es ist hier wichtig festzuhalten, daß die EU in der Tat diesen Konflikt benötigt, sie braucht ihn wie das liebe Brot, um ihren Laden zusammenzuhalten. Der äußere Feind, der wie der Teufel an die Wand gemalt wird, dient diesem Staatenbündnis als Klebstoff, um über die inneren Gegensätze hinwegzusehen und alle hinter den Führungsmächten zu versammeln.
Denn es kracht in der EU mächtig im Gebälk … Es ist festzuhalten, daß Deutschland, Frankreich, das UK, die skandinavischen Staaten und das Baltikum den Krieg wollen. Südeuropa, Osteuropa, der Balkan und Irland wollen ihn nicht.
Die Kriegstreiberei der ersteren ist also eine Form, die anderen an der Kandare zu halten.
Polen nimmt eine eigene Position ein. Es hält sich alle Möglichkeiten offen.

„KP: Trump lacht sich ins Fäustchen: Amerika ist weit weg vom Konflikt, auf der anderen Seite des Ozeans.
Aber warum braucht Europa diese Konfrontation mit Rußland? Verstehen sie nicht, daß sie selbst als erstes in Schutt und Asche liegen werden, wenn der Krieg, von dem sie sprechen, ausbricht?

KK: Es ist immer schwierig, das Verhalten von Menschen zu erklären, wenn es an gesundem Menschenverstand und Logik mangelt.
All diese Verrückten in der EU halten Rußland für eine Art Neuauflage der Sowjetunion – wenn auch kleiner an Größe und Potenzial, aber dennoch ein riesiges, autarkes Land. Im Gegensatz zu den meisten anderen postsowjetischen Staaten vereint es viele Völker, was bedeutet, daß es laut Europäern ein Imperium ist, dessen Ziel die Expansion ist.
Überraschenderweise sieht Europa, das selbst wiederholt versucht hat, Rußland zu erobern, darin die größte Bedrohung für sich selbst.
Die heutigen Macrons, Merzes und Starmers sind absolut davon überzeugt, daß unser Land offensichtlich imperialistisch und aggressiv ist und alle daran hindert, normal zu leben. Diese Leute sind an ihre politischen Programme gebunden und können nicht mehr anders handeln. Wenn sie morgen plötzlich erklären, daß ein normaler Dialog mit den Russen notwendig sei, werden die Wähler fragen: Warum habt ihr uns zuvor an der Nase herumgeführt? Warum habt ihr profitable Handelsbeziehungen zerstört, eurer eigenen Wirtschaft geschadet und uns Probleme bereitet? Die Folge wäre: Diese Herren werden gleich bei den erstmöglichen Wahlen abgewählt.“

Es ist etwas kurzsichtig, die Politik der EU nur an der Parteienkonkurrenz zu beurteilen.
Die Frage ist doch: Warum setzen sie überhaupt auf die Kriegskarte?

„KP: Vielleicht erwarten sie, daß Amerika trotz Trumps Zickzackkursen wie immer zur richtigen Zeit zu Hilfe kommt?

KK: Daß dies geschehen wird, ist keineswegs gesichert. Zu Beginn dieses Jahrhunderts war Europa für die USA absolut notwendig, um ihre Hegemonie in der Welt zu sichern. Washingtons Führung wurde weitgehend von den Europäern anerkannt und gewünscht, die, ob mit oder ohne Grund, Amerika als Licht am Fenster bezeichneten.“

Im Jahr 2000 war das sicher so, aber seither hat sich eben vieles verändert, und das Tandem USA-EU ist nicht mehr so maßgeblich wie bisher.

„Als ich die Sitzungen der berühmten »Münchner Sicherheitskonferenz« besuchte, sah ich, wie die US-Vertreter stets bequem in der ersten Reihe saßen und die europäischen Staats- und Regierungschefs auf sie zugingen und sich buchstäblich verbeugten. Es war demütigend.
Andererseits wurden 70% des NATO-Haushalts von den Amerikanern getragen. Trump hatte genug davon und schob all diese Ausgaben dreist in die Alte Welt ab. Zudem hat die Rolle der europäischen Länder als Puffer und Aufmarschgebiet für die USA ausgedient und deshalb für die US-Sicherheit deutlich abgenommen.
Kriege haben ihren Charakter verändert: Panzerarmeen gehören der Vergangenheit an, Raketen müssen nicht mehr in der Nähe potenzieller Feinde stationiert werden, der Schutz des Cyberspace ist viel wichtiger …

Es geht darum, Trump zu überzeugen

KP: Wir müssen also über ernste globale Probleme direkt mit den USA verhandeln. Aber Trump hat 7 Freitage in der Woche. Seine Meinung ändert sich wie ein Schuhwechsel. Er ist ein unglaublicher Narziss. Und vor allem glaubt er aufrichtig, der ganzen Welt seinen Willen aufzuwingen zu können.
Wie gehen wir mit ihm um?

KK: Aus meiner Sicht ist es am vernünftigsten – und ich sehe, daß Rußland diese Position derzeit einnimmt –, nicht auf Worte, sondern auf Taten zu reagieren.
Wir müssen Trumps wahre Motivation viel genauer untersuchen.
Meiner Meinung nach ist sein Versuch, Europa und den Ukraine-Konflikt abzuschütteln, eine normale Voraussetzung für den Aufbau langfristiger Beziehungen zwischen der Russischen Föderation und den USA.
Europa hat uns jahrelang daran gehindert. Wenn dieser Faktor verschwindet – und Trump sorgt dafür –, werden unsere bilateralen Beziehungen eine etwas klarere Perspektive bekommen.“

Kossatschow bezieht sich hier darauf, daß „der Westen“ in Auflösung ist und nicht mehr als einiger Block dem Rest der Welt gegenübersteht.

„KP: Sie sprechen von Motiven. Doch nun gibt es Berichte, daß der US-Präsident von seiner Frau Melania gegen Rußland aufgehetzt wird …

KK: Ich würde das nicht als die ultimative Wahrheit betrachten. Tatsächlich reagiert Trump sehr oft auf die Argumente seines, sagen wir einmal, vorherigen Gesprächspartners. Er beginnt, etwas in etwa den gleichen Worten zu formulieren.
Aber warum sollten dann nicht auch Vertreter der russischen Führung zu diesen Gesprächspartnern gehören? Warum den Dialog unterbrechen, nur weil Trump, wie es uns scheint, etwas Falsches gesagt hat?
Es ist unerläßlich, diesen Dialog und Trump selbst so weit wie möglich fortzusetzen, innerhalb derjenigen Logik, die unseren nationalen Interessen dient.

Womit könnte man den »Oscar« ersetzen?

KP: Trump tritt drohend gegenüber den BRICS auf und versucht, sie zu spalten.
Wie tragfähig ist dieses Bündnis, solchen Ultimaten standzuhalten und die geplanten Programme fortzusetzen? Zum Beispiel eine schrittweise Abkehr vom Dollar im gegenseitigen Handel?

KK: Die Antwort liegt in der Frage, wie effektiv BRICS sein wird. Für mich besteht seine Hauptaufgabe darin, Multipolarität zu institutionalisieren.
Was meine ich damit? Unsere Gegner sichern ihre Führungsrolle seit Jahrzehnten, indem sie ihre Hebel formalisieren. Sie erfanden erst eine, dann zwei Weltwährungen. Sie schufen das Interbanken-Abrechnungssystem SWIFT und das Schiffsversicherungssystem Lloyd’s. Sie gründeten internationale Finanzinstitutionen – den IWF und die Weltbank – und nahmen damit die Zügel der Macht in die Hand.

Schließlich erfanden sie den Oscar für den Film, den Eurovision Song Contest, nach denen andere Länder sich die Finger abschlecken.

Während wir betonen, daß Multipolarität die globale Hegemonie ersetzen sollte, belassen wir es oft bei Slogans. Was sollte den Dollar ersetzen? Im Moment sprechen wir über die Umstellung auf nationale Währungen. Aber früher oder später werden wir uns mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.
Das SWIFT-System sollte ersetzt werden – und ich betone, nicht nur für die BRICS-Staaten.
Die intellektuelle Herausforderung für unsere Gruppe besteht darin, eine Struktur vorzuschlagen, die für alle Staaten, auch für die westlichen, gleichermaßen komfortabel ist.“

Die Vorstellung, daß irgendein System, das die westliche Domininanz untergräbt, für den Westen „komfortabel“ sein könnte, ist etwas, gelinde gesagt, gutgläubig.
Aber Rußland ist eben von dem Gedanken getragen, daß man den bisherigen Herren der Welt irgendwie die multipolare Ordnung aufs Aug drucken könnte.
Die KP sieht das auch so:

„KP: Es fehlt nur noch ein kleiner Schritt: den Westen davon zu überzeugen.

KK: Wir sehen, daß sich der Westen sowohl demografisch als auch wirtschaftlich in einer Minderheitsposition befindet. Und er kann seine dominante Stellung nur dank der Existenz unipolarer Institutionen behaupten.
Wird er selbst auf seine Dominanz verzichten? Unwahrscheinlich.
Sollten jedoch andere Institutionen entstehen, denen sich die Mehrheit der Welt anschließen wird, wird der Westen keine andere Wahl haben.

Das Problem der Nachbarn

KP: Ich kann nicht anders, als nach unserem Nahen Ausland zu fragen.“

Unter dieser Bezeichnung laufen ehemalige Sowjetrepubliken, die nach dem Zerfall der SU selbständig wurden. Es geht hier vor allem um Armenien und Aserbaidschan, die sich zu anti-russischen Bastionen entwickeln.

„Leider sind einige dieser Länder in einen offenen Nationalismus abgeglitten, der von Russophobie geprägt ist. Rußland wird »jahrhundertealte Unterdrückung« und »Kolonialismus« vorgeworfen.
Und wir alle murmeln irgendwie: »Ruhig Blut, keine Panik.« Vielleicht ist es an der Zeit, endlich Entschlossenheit zu zeigen und die Situation zu korrigieren, die viele in Rußland als beleidigend und zutiefst ungerecht empfinden?

KK: Ich stimme zu, daß die Situation in einigen Fällen tatsächlich so ist. Wenn Länder, deren Völker wir immer als brüderlich betrachtet haben, anfangen, sich mit antirussischer Politik danebenzubenehmen, empfinde ich das als Verrat. Aber ich bin nicht der Meinung, daß wir darauf kategorisch, unhöflich und mit einem umfassenden Schlag reagieren sollten.

KP: Aber genau das tun die Amerikaner.“

Eine komische Bemerkung, Rußland hier mit den USA zu vergleichen.
Erstens waren die USA kein Staat, der zerfallen ist.
Zweitens gehören sie nicht zum „nahen Ausland“.
Drittens reagieren sie vielleicht unfreundlich, aber aus ganz anderen Motiven.

KK: Ich denke, daß unsere Strategie nicht die Unterordnung oder Einschüchterung unserer Nachbarn sein sollte, sondern eine Rückkehr zu den Grundlagen. Denn die überwiegende Mehrheit dieser Nationen hat in der Geschichte mit der Unterstützung des russischen Volkes und aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum Russischen Reich und später zur UdSSR überlebt.

Ich bin überzeugt, daß wir langfristig arbeiten müssen. Wir haben die letzten 30 Jahre vergeudet, weil wir glaubten, unsere Nachbarn würden sich nicht bewegen, weil sie eine gemeinsame Sprache, Geschichte und Geographie mit uns teilen. Es stellte sich heraus, daß sie in dieser Zeit ihre Verbindungen zu anderen Kräften verstärkt haben, die jahrelang aktiv daran gearbeitet haben, sie von Rußland zu trennen.
Dies muß dringend korrigiert werden, unter Einsatz von Stärke und sogar Leben.“

Klingt beunruhigend …