Rund um die Pipeline

NORTH STREAM I UND II
Seit geraumer Zeit gibt es Reibungen aller Art um das Pipeline-Projekt durch die Nordsee – es ist daher angebracht, sich anzuschauen, was da alles für Interessen im Spiel sind.


1. Eine Pipeline aus Rußland gibt Energiesicherheit
Österreich schloß in den 70-er Jahren im Rahmen seiner Sonderstellung gegenüber den sozialistischen Block – als neutraler Staat – Verträge zur Lieferung von Gas. Seither fließt dieses Gas ohne irgendwelche Störungen von Seiten Rußlands und versorgt das ganze Land und teilweise auch die Nachbarländer. Österreich ist inzwischen zu einem Verteiler für russisches Gas geworden. Die Gaslieferungen waren unbeeinträchtigt vom Zerfall der Sowjetunion und den Verteilungskämpfen innerhalb Rußlands um die Kontrolle der Gas und Ölfelder in den 90-er Jahren. Die einzigen Stockungen traten aufgrund der Ereignisse in der Ukraine ein, hatten aber auf die Versorgung in Österreich keine Auswirkungen, da die Energieversorger rechtzeitig ausreichende Lagerbestände angelegt hatten.

Rußland ist also ein verläßlicher Partner, der seine Verträge einhält, die Ukraine hingegen ein unsicherer Kantonist, wo der Gastransit eine wichtige Quelle der Bereicherung der dortigen politischen Klasse ist.
Vom Standpunkt des Kunden ist es also angesagt, die Ukraine zu umgehen und eine direkte Leitung mit Rußland herzustellen.
Das hat Schröder mit Nord Stream I gemacht, das hatten Bulgarien und andere Balkanstaaten mit South Stream vor und das ist auch die Idee bei North Stream II.


2. Nationale Politik hat eine eigene Agenda und ist nicht bloßer Vollstrecker ökonomischer Interessen
Die Wirtschaftstreibenden Deutschlands sind mit North Stream I hochzufrieden. Auch die deutsche Politikermannschaft hätte gerne noch mehr davon. Das russische Gas verschafft nämlich der Energiewirtschaft die Möglichkeit, die erneuerbaren Energien auszubauen und etwaig auftretende Engpässe mit Gas auszugleichen, wenn einmal die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht bläst. Es gibt ihnen auch die Freiheit der Preisgestaltung, weil sie aus dem Vollen schöpfen und beim Ausbau der eigenen Quellen anfallende Verluste durch Aufschlag auf das Importgas kompensieren können.
Auch die Abnehmer haben durch das russische Gas bessere Wahlmöglichkeiten zwischen Energieformen.
Für das alles würde übrigens North Stream I reichen. Aber die deutsche Politik und Energiewirtschaft hat mehr vor.


3. Über Abhängigkeiten, oder: Hahn auf, Hahn zu

Was das kleine Österreich seit Jahren, Jahrzehnten praktiziert, wäre auch in Deutschland vielen Akteuren recht: zu einem Verteiler für russisches Gas zu werden, am besten gleich EU-weit. Deutschland möchte mit North Stream nicht nur die Ukraine als Transitland quasi abschalten und damit eine wichtige Einnahmequelle ihrer eigenen Geschöpfe dort versiegen lassen. Es möchte auch die restlichen EU-Staaten darauf verpflichten, das Gas über Deutschland zu beziehen und nicht über die Ukraine. Deutschland würde gerne mit importiertem Gas zu einer Energie-Großmacht in der EU aufsteigen, das die Energiepreise für andere Länder festlegen kann.
Deswegen hatte es auch etwas gegen South Stream, wo einige Balkanstaaten vielleicht gar nicht so ambitioniert waren wie Deutschland, aber doch gerne sich und die Nachbarländer direkt und günstiger aus Rußland direkt versorgt hätten. Energiekonkurrenz im Hinterhof? – nein danke! Da kam es der deutschen Politik sehr gelegen, daß die USA auch etwas gegen dieses Projekt hatten und mit einer Straßenrevolution die Olescharski-Regierung in Bulgarien stürzte, die die South-Stream-Pipeline unterstützte.

Die USA wiederum wollten jegliche Konkurrenz zur Ukraine unterbinden, weil sie erstens auf diese Einkünfte für die dortige, ihnen genehme Politikermannschaft scharf sind und damit auch die EU ein Stück weit in der Hand haben.
Das Abdrehen und Aufdrehen von Pipeline-Hähnen erweist sich nämlich als ein weitaus geeigneteres Mittel zu zwischenstaatlicher Erpressung als irgendwelche Sanktionen, die zwar mit viel Getöse verkündet werden, aber letztlich relativ wirkungslos bleiben, wie die ärgerlichen Beispiele Kubas, des Iran und Rußlands zeigen.

Die Energie kann nämlich wirklich eine Nationalökonomie stillegen und Regierungen in schwere Bedrängnis bringen, da auf ihr Produktion, Transport und Heizen beruhen. (Serbien konnte z.B. die Zerstörung seiner Raffinerien 1999 nur durchstehen, weil es im Wasserkraftwerk Djerdap am Eisernen Tor und anderen, kleineren Wasserkraftwerken alternative Energiequellen hatte.)


4. Die verschiedenen Energiequellen
Zu Zeiten des Kalten Krieges stand bei Energieträgern die Versorgungsleistung im Vordergrund, die meisten Energie-Unternehmen waren staatlich und das Wichtige war, Unternehmen und Privaten günstige Energie zur Verfügung zu stellen.

Inzwischen ist der Gesichtspunkt, daß die Energieversorgung ein Geschäft für ihre Betreiber sein soll, in den Vordergrund getreten. Da es sich aber um eine Ware anderer Art handelt als Strümpfe, Maschinen oder Autos, kommt es immer wieder zu gröberen Störungen, wie Stromausfällen oder eben die Verwicklungen um North Stream II.

Zusätzlich haben das Kyoto-Protokoll und der Kampf gegen den Klimawandel die Konkurrenz zwischen den Energieträgern und den Nationen angeheizt.
Gas gilt als „sauberer“, also vom Standpunkt der Umweltverschmutzung unbedenklicher Energieträger. Kohle hingegen wird als Dreckschleuder in Acht und Bann getan. Dadurch eröffnet sich eine zunächst ökonomische Front mit Polen. Dieses Land soll, wenn es nach Deutschland geht, auf seinen eigenen Energieträger verzichten, seine Zechen stillegen, seine Kumpel in die Arbeitslosigkeit entlassen und stattdessen über Deutschland russisches Gas beziehen. So das Drehbuch nach Willen der deutschen Politiker.

Man sieht also, wie sich allein in der EU und ohne die weltpolitischen Entwicklungen einzubeziehen, jede Menge nationale Gegensätze auftun: Polen soll seine Energiegewinnung nach Deutschlands Willen ausrichten und dabei seinen Sozialstaat und seine Handelsbilanz belasten, Bulgarien darf Deutschland keine Energie-Konkurrenz machen und damit seine darniederliegende Wirtschaft ein bißl aufmöbeln.
Beiden Regierungen wird damit unter die Nase gerieben, daß sie Hinterhof für Deutschlands Glorie zu sein haben und sonst nix.
Polen ist diesbezüglich in einer besseren Position, weil es Frontstaat an der Grenze Rußlands ist und sich einer gesteigerten Aufmerksamkeit seitens der USA erfreut.


5. Die Pipelines und die imperialistische Konkurrenz. Der Aufstieg des Gases
Die USA haben sich in jüngerer Vergangenheit als Öl- und Gasproduzent sozusagen wiederentdeckt. Aus Geschäfts- und Autarkie-Überlegungen sind sie zu dem Schluß gekommen, daß das eigene Land diesbezüglich neu erschlossen gehört, und deshalb ihre eigenen Vorkommen neu sortiert.
Die Gas- und Ölförderung durch Fracking ist übrigens nichts besonders Neues. Pionier war diesbezüglich Rumänien zur Zeit Ceaucescus, das seine versiegenden Ölvorkommen auf diese Art noch einmal verlängerte. Unter kapitalistischen Bedingungen war das Fracking aber im Verhältnis zum Weltmarktpreis für beide Energieträger lange unrentabel. Auch heute ist es nur aufgrund von Wertpapierspekulationen und Autarkie-Überlegungen gewinnversprechend. Diese Option wurde durch politische Interessen wieder aktuell.

Solange sich Europa aus dem Nahen Osten mit Öl versorgte, und Gas als Energieträger zweitrangig war, war die Welt aus der Sicht der USA in Ordnung. Die großen Ölproduzenten wurden über die USA und die 7 Sisters beaufsichtigt, und die USA hatte damit die Kontrolle über einen Teil der Energieversorgung Westeuropas.

Mit der Wende im Osten änderte sich alles, und Rußland , das gar nicht Mitglied der OPEC ist, trat als großer Spieler auf den Plan. Zunächst in Form von Raubrittern, die sich Öl- und Gas-Förder-Anlagen unter den Nagel rissen, und in alle Richtungen zu Dumpingpreisen verkauften. Es dauerte ca. eineinhalb Jahrzehnte, bis die russische Regierung den Energiesektor wieder unter ihre Kontrolle bekam. Die ganze Show um die Demontage von Jukos und Chodorkowski war ein Teil dieser Wiedererlangung der Souveränität in Energiefragen.

Zwischen diesen beiden Polen sortierte sich auch die EU neu. Gas als Energieträger trat verstärkt auf den Plan. Immerhin gab es ja Gasleitungen aus Rußland in die ganzen sozialistischen Staaten, da war ja einiges an Infrastruktur da. An die schlossen sich vermehrt westliche Staaten an.
Gas kam sozusagen in Mode.
Im Westen wurden Gasheizungen und Herde, man erinnere sich, lange mit Gasflaschen betrieben. Seit Anfang der 90-er Jahre nehmen Gasleitungen verstärkt zu. Südwesteuropa hinkt noch nach, in Ermangelung von Pipelines. Dort böte sich für Deutschlands Energiefirmen, so die geschäftlichen Kalkulationen, noch einiges an Potential an, sollte North Stream II tatsächlich zustandekommen.


6. Wer beherrscht welchen Markt?
Man sieht, es gibt also potente Spieler, und die Karten sind verteilt.
Man vergesse nicht die Ölstaaten in der Golfregion. Für sie ist Rußland ein Konkurrent, den sie mit allen Mitteln bekämpfen wollen. Die ganzen Verwicklungen und Kriege im Nahen Osten sind auch unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, daß Saudi Arabien und Katar den Einfluß Rußlands auf dem Energiemarkt zurückdrängen wollen.

Die EU ist somit ein Brennpunkt der internationalen Interessen auf dem Energiemarkt, Die eigenen Ressourcen sind bescheiden, und haben auch nationale Aufsichtsmächte: Großbritannien und Norwegen können Europas Energiebedarf nicht decken. Deutschland will ihnen mit seinem Energie-Mix und russischem Gas den Rang ablaufen. Die Atomenergie und die Wasserkraft spielen auch eine Rolle in diesem Spiel, und das alles wird unter dem Deckmantel des geeinten Europa mit unvermittelter Härte ausgetragen, was dem p.t. Publikum von den Medien als Kampf der Systeme – Demokratie gegen Diktatur – verkauft wird.

Syrien geteilt oder ungeteilt?

IST DER KRIEG IN SYRIEN GEWONNEN; UND WENN JA; VON WEM?
Es ist Zeit, wieder einmal einen neuen Thread zu Syrien zu starten.
Halten wir einmal den derzeitigen Stand der Dinge fest:
Damaskus und Ghuta sind offenbar von allen Widerstandsnestern gereinigt und die syrische Regierung hat die Kontrolle über diese Gegenden, ebenso über Aleppo und den Westen Syriens.
Im Südwesten, an der Grenze zu Jordanien gibt es seit Wochen Kämpfe, um dort die staatliche Autorität wiederherzustellen.
Der Status der Golanhöhen ist ungeklärt.
In der Provinz Idlib sitzen weiterhin von der Türkei unterstützte Islamisten.
Im Nordwesten hat die Türkei Gebiete besetzt und Dschihadisten angesiedelt.
Im Nordosten treiben kurdische Selbstverwaltungsautoritäten, kurdische und andere Milizen und US-„Berater“ auf Stützpunkten ein undurchsichtiges Spiel.
Im Osten, an der Grenze zum Irak, sind noch Reste des IS aktiv.
Was die EU dort macht, und dort vorhat, ist völlig unklar. Aber Syrien steht weiterhin unter Embargo.
Stand Juli 2018.

Pressespiegel El País, 22.6., kommentiert:

„Die Eurogruppe setzt den Schlußpunkt unter eine Ära von Rettungspaketen für Griechenland“
VERHATSCHTE EURO-PROPAGANDA
„Die Wirtschaftsminister einigen sich auf Erleichterungen bei der griechischen Staatsschuld, um seine“ (d.h. Griechenlands) „Rückkehr an die Märkte zu ermöglichen.“ (El País, 22.6.)
Schon an der ganzen Wortwahl merkt man, daß etwas faul ist an der Angelegenheit. Wer sind die „Wirtschaftsminister“? Die meisten Mitglieder der Eurozone haben dieses Amt nicht. Erwähnt werden in dem ganzen Artikel der griechische Finanzminister, Efklidis Tsakalotos, der Wirtschafts- und Währungskommissar der EU-Kommission Pierre Moscovici und der neue Kommissionspräsident Mario Centeno. Später heißt es: „Die Finanzminister“ Alle? Ansonsten gibt es noch Hinweise auf „Paris“ und „Berlin“ und die angebliche Zustimmung von EZB und IWF. Wer alles genau bei dieser Übereinkunft zugegen war, bleibt im Dunkeln.
„Als Quintessenz der Krise des Euro beginnt Griechenland sich nach einer großen Depression wieder zu zeigen.“
Die Wortwahl und das Bild machen deutlich, daß dem Autor nicht ganz wohl ist bei seinem Schönwetter-Artikel. Es war ja nicht so, daß man Griechenland bzw. seine politischen Repräsentanten in den letzten Jahren nicht gesehen bzw. nichts von ihnen gehört hätte. Im Gegenteil, nur waren die Meldungen eher unerfreulich.
Jetzt hingegen soll es aufwärts gehen, nach einer „Depression“. Ist eigentlich die Situation Griechenlands mit diesem Begriff richtig beschrieben?
„Die Vereinbarung wurde bereits verkündet,“ (von wem?) „man mußte aber länger als erwartet darauf warten. (!!) Mitternacht war bereits vorbei, die Minister tagten bereits seit 9 Stunden, es gab – wieder einmal – einen ziemlichen Wirbel zwischen den Ministern Deutschlands und anderer Länder, die mehr Großzügigkeit gegenüber Griechenland forderten.“
Der Einigung war also holprig. Was es mit der „Großzügigkeit“ auf sich hat, erfahren wir etwas weiter unten.
„»Die griechische Krise endet diese Nacht hier in Luxemburg,« verkündete der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici in einer Fernsehansprache, die Geschichte machen will. Aber da es um Griechenland geht, hat sogar das Happy End einen Hauch von Tragikkomödie.“
Man fragt sich, woraus denn dieses Happy End besteht? Und die „Komödie“? Die Beschreibung des Treffens weist auf Disharmonie hin:
„Das Treffen verwandelte sich manchmal in einen genauen Ausdruck des verdeckt geführten Krieges zwischen dem Norden und dem Süden Europas, zwischen Gläubigern und Schuldnern, zwischen Deutschland und Frankreich. … Deutschland wollte wie immer weniger großzügige Bedingungen für die Umstrukturierung der griechischen Schuld (180% des BIP, absolut unbezahlbar nach dem Urteil des IWF).“
Aha. Jetzt wird klar, was hier „Großzügigkeit“ heißt: Es geht eine Umstrukturierung, nicht um einen Schuldenerlaß.
„Berlin war immer gegen eine Streichung von Schulden, schlug aber eine Verlängerung von Fristen auf 10 Jahre vor, ohne weitere Liquiditätspolster.“
Fristen für was?
„Paris setzte auf 15 Jahre, und Zugeständnisse in Sachen Liquidität. Griechenland ersuchte um weitere 20 Milliarden, und erhielt 15.
Die schlußendliche Einigung, ein Mittelweg zwischen den Vorstellungen Deutschlands und Frankreichs, eröffnet einen neuen Horizont für Griechenland.“
Bei all den euphorischen und übertriebenen Formulierungen, von denen dieser Artikel strotzt, ist einmal darauf hinzuweisen, daß damit Griechenland erst einmal diejenigen Konditionen zugestanden wurden, die Irland und Portugal seinerzeit und mit weniger Getöse erhalten hatten, um das Thema vom Tisch zu kriegen. Beiden wurde eine Schuldenstundung zugestanden, als die Troika ihnen Botmäßigkeit bescheinigte und sie aus der Budgetkontrolle entließ. Es war also das Pech Griechenlands, daß es bisher eine Sonderbehandlung erfuhr.
Einer der Gründe mag gewesen sein, daß es das erste Land der Eurozone war, das seine öffentliche Schuld nicht mehr bedienen konnte, und deswegen eine Art Versuchskaninchen darstellte, an dem man die Euro-Rettung ausprobierte.
Der Haupt-Grund für die Sonderbehandlung und dem deutschen Beharren auf Kontrolle Griechenlands war jedoch die seinerzeitige Ankündigung von Syriza, aus dem Sparkurs ausscheren und mit der Staatsverschuldung munter weitermachen zu wollen. Deshalb stand die Regierung von Alexis Tsipras eine Zeitlang unter dem Verdacht, durch unverantwortliches Festhalten am Credo von vorgestern – Kredit schafft Wachstum! – die ohnehin wacklige Euro-Rettung zu gefährden.
Inzwischen ist die Syriza-geführte griechische Regierung ganz brav geworden, hat alles unterschrieben, was ihr vorgelegt wurde, alles privatisiert, wofür sich ein Käufer gefunden hat, allen Bedingungen zugestimmt, die Pensionen x-mal gekürzt und auch jede Menge Flüchtlinge bei sich gelagert, die keiner wollte und will.
Die Euro-Häuptlinge hingegen sind draufgekommen, wie gut sie es doch mit dieser Regierung getroffen haben, die inzwischen allem zustimmt und dennoch das Land irgendwie im Griff hat. Möglicherweise hat auch das Nachgeben im Namensstreit mit Mazedonien endgültig den Ausschlag gegeben, diese derzeitige griechische Politikermannschaft zu schätzen. Vor allem, da es weit und breit keine Opposition gibt, die in der Lage wäre, das ziemlich perspektivenlose Land zu übernehmen und im Sinne der EU zu regieren.
Außerdem tritt eine ähnliche Situation wie vor einigen Jahren ein, als Portugal bescheinigt wurde, alles richtig gemacht zu haben und es aus derm Troika-Regime entlassen wurde, um Griechenland zu zeigen, wie „großzügig“ die Eurogruppe doch sein könne, wenn man ihr gegenüber den richtigen Ton anschlägt.
Jetzt steht mit Italien ein weitaus größerer Brocken an und wieder soll es erst mit dem Zuckerbrot versucht werden: seht her, auch Griechenland haben wir jetzt ein Teil-Moratorium zugestanden, weil sie gefügig waren, nehmt euch an Tsipras ein Beispiel!
In diesem Falle präsentiert sich jedoch die Lage für die Euro-Hüter ungleich schwieriger, weil Italien ein weitaus wichtigerer volkswirtschaftlicher Faktor ist als es Griechenland war und ist.
Also ist jetzt wieder einmal der Versuch fällig, ein gutes Beispiel zu präsentieren, um die jungen Wilden aus Italien zu mehr Unterwürfigkeit zu bewegen. Ob das klappt, wird man sehen. Bei der Eurogruppe ist die Absicht jedenfalls da.
Das ist der politische Hintergrund des jetzt erzielten Abkommens an Griechenland.
Was die ökonomische Seite angeht, so ist der Deal etwas schwammig:
„Athen wird die Kredite des Rettungspaketes erst ab 2032 – betreffend sowohl die Zinsen als auch das Kapital – abzahlen.“
Wurde bisher nichts gezahlt? Was man so las, mußte Griechenland die bisher zumindest bedienen, also die Zinsen darauf zahlen. Die werden ab jetzt also bis 2032 gestundet.
Weiters ist anzumerken: nur diejenigen Zinsen werden gestundet, die für die Kredite des Rettungspaketes anfallen. Die Altkredite – bei privaten Banken und anderen Gläubigern aus der Schuld vor 2012 bzw. 2015 –, die Athen weiterhin bedienen und tilgen muß, sind davon nicht berührt. Die machen aber, ungeachtet dessen, was man den Medien entnehmen oder nicht entnehmen kann, immer noch den weitaus bedeutenderen Teil von Griechenlands Schulden aus.
„Ebenso wird die Frist für die Rückzahlung (die bisher schon 32 Jahre betrug), um 10 Jahre verlängert.“
Das steht im Widerspruch zum obigen, demzufolge Griechenland ab 2032, also in 14 Jahren „sowohl betreffend die Zinsen als auch das Kapital abzahlen“ wird. Es kann höchstens gemeint sein: die endgültige Tilgung, also die Zahlung der letzten Rate.
„Und schließlich, die Eurogruppe verpflichtet sich zur Zahlung der letzten Tranche des Rettungspaketes in der Höhe von 15 Milliarden … erweiterbar bis auf 24,1 Milliarden, um den Investoren mehr Vertrauen einzuflößen, wenn Griechenland sich ab August wieder frei auf den Finanzmärkten bewegen wird.“
Darauf läuft es also hinaus: Griechenland soll wieder fähig gemacht werden, selber Anleihen zu begeben und sich auf den Kapitalmärkten neu zu verschulden. Dafür wird ein Teil seiner Schuld vorläufig auf Eis gelegt, vermutlich um den Preis höherer Zinsen ab 2032. Griechenland soll also fähig gemacht werden, seine 180%ige Staatsschuld weiter zu erhöhen.
Argentinien läßt grüßen. In knapp zwei Jahren verdoppelte es seine Staatsschuld, teilweise durch Zinsversprechen von 40%. Dann mußte wieder einmal der IWF für seine Zahlungsfähigkeit garantieren.