„DIE PLEITE IST WIEDER DA!“
Es ist unglaublich, wie sich einst seriöse Medien an dummen Sprüchen überbieten und ihr Publikum für blöd verkaufen wollen:
„Griechenland schien nach der existenzbedrohenden Schuldenkrise schon gerettet.“ (HB, 17.12.)
Wem schien es „gerettet?“ Und wovor? Es handelt sich anscheinend vor allem um die Gläubiger, also Besitzer griechischer Staatsanleihen, die sich vor einem drohenden Bankrott sicher wähnten. Mit Griechenland selbst hat das wenig zu tun.
„Der Jahreswechsel sollte die Erlösung bringen, versprach der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras seinen Landsleuten: Die Griechen sprengen die Ketten der Troika, das Land befreit sich aus der Vormundschaft der internationalen Gläubiger und steht wieder auf eigenen Füßen. So das Szenario, das Samaras den Hellenen seit Monaten ausmalte.“ (ebd.)
Was will das Handelsblatt damit sagen? Daß Samaras recht hatte? Daß Samaras ein Depp ist? Oder daß er sich auf die Einseiferei seines Volkes gut versteht? Daß es im Sinne des Handelsblattes = des Finanzkapitals ist, wenn der griechische Regierungschef seinen Landsleuten ein X für ein U vormacht?
Es gab und gibt nämlich überhaupt keinen Grund, daß Griechenland „wieder auf eigenen Füßen“ stehen könnte. Es hat nach wie vor keinen Kredit, die Wirtschaftsleistung ist gesunken, die Staatsverschuldung steigt wieder (– nachdem sie 2012 durch den Schuldenschnitt gesunken war), das zunehmende Elend und der dadurch verursachte Rückgang der Zahlungsfähigkeit macht Griechenland als Markt und Standort ziemlich uninteressant, und die Jubelmeldungen über einen Tourismusrekord können nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Locken mit Billigangeboten zwar die Zahl der Nächtigungen hat steigen lassen, aber unterm Strich weniger Einnahmen aus dem Tourismus für ein Land gebracht hat, dem alle anderen Wirtschaftszweige schon ziemlich weggebrochen sind.
Lügen haben eben kurze Beine, kann man nur sagen.
Das Handelsblatt macht munter weiter:
„Alles, wofür die Griechen in den vergangenen fünf Jahren große Opfer gebracht haben, steht nun wieder auf dem Spiel. Das Schreckgespenst der Staatspleite schien längst verscheucht – jetzt ist es auferstanden. Die Pleitegeier kreisen wieder über der Akropolis.“
Im Klartext: die Griechen haben gedarbt, damit die Gläubiger ihre Papiere nicht abschreiben mußten. Letzteres ist jetzt möglicherweise vorbei.
Dann werden die seinerzeit vom Handelsblatt selbst in Umlauf gebrachten Falschmeldungen zitiert, um zu beweisen, daß es doch wirklich aufwärts ging:
„Dabei schien Griechenland gerade die Kurve zu kriegen. Nach vierjähriger Pause konnte die staatliche Schuldenagentur im April und Juli wieder Staatsanleihen zu vertretbaren Konditionen am Markt platzieren – erstaunlich.“
Gar nicht erstaunlich. Das Handelsblatt wußte selber, daß das eine Propagandaaktion zur Beruhigung der „Märkte“ war. Die eigenen Lügen werden also zur Berufungsinstanz für einen Erfolg, den es gar nicht gegeben hat.
Als nächstes werden wieder neue Falschmeldungen aufgetischt:
„Erstmals nach sechs Jahren Rezession wächst die Wirtschaft nun wieder, sogar schneller als in allen anderen EU-Staaten.“
Was an dem Wachstum dran ist, wird sich erst weisen. Vermutlich handelt es sich wieder einmal um eine Erfindung von Goldmann Sachs. Außerdem ist es angesichts der Rezession in der Eurozone nicht schwierig, Zahlen zu produzieren, die höher liegen als in anderen Staaten.
„Auch beim Beschäftigungszuwachs liegt Griechenland an der Spitze.“
Natürlich, bei mehr als 25 % Arbeitslosigkeit kann man es als Erfolg werten, wenn irgendwo 5 Klitschen aufsperren und ein paar Leute einstellen.
„Die Staatsfinanzen sind endlich im Griff.“
Was immer das heißen mag. Wenn kein Geld da ist und keiner einem Kredit gibt, so kann man auch nix ausgeben.
„Beim Haushaltsdefizit steht Griechenland um Längen besser da als Italien, Spanien, Portugal, Irland oder Frankreich.“
Hierbei handelt es sich nur um die Neuverschuldung, wo ja jede Tranche aus dem EU-Hilfsfonds von der Troika genehmigt werden muß. Es ist also keine Kunst, die niedrig zu halten – es liegt ja gar nicht im Ermessen Griechenlands, was es braucht und kriegt.
Die Gesamtschulden Griechenlands im Verhältnis zum BIP, die in den Maastricht-Kriterien als einer der Gradmesser des wirtschaftlichen Erfolges mit höchstens 60 % festgelegt wurden, betragen im Fall Griechenlands 173 %. Es ist damit eines der höchstverschuldeten Länder der Welt.
Nachdem das Handelsblatt mit einem Sammelsurium von irreführenden Behauptungen, Lügen und tendenziösen Interpretationen dargelegt hat, daß in Griechenland eigentlich alles zum Besten stünde, malt es den Teufel an die Wand, der jetzt alle diese Leistungen zunichte machen könnte. Dabei wird mit Bildungselementen und dramatischen Beschwörungen nicht gegeizt:
„Man fühlt sich an die Geschichte des alten Griechen Sisyphos erinnert, der bereits glaubte, den Todesgott Thanatos besiegt zu haben. Dann wird er aber doch in die Unterwelt verbannt, wo er einen Felsblock immer und immer wieder einen Berg hinaufwälzen muss. Doch kurz vor dem Gipfel entgleitet ihm der Fels jedes Mal und rollt wieder ins Tal.“
Eine vorgezogene Präsidentenwahl – vermutlich will man nicht, daß der derzeit 85-jährige Amtsinhaber im Amt verstirbt, weil die Märkte! die könnten das als schlechtes Signal auffassen! – ist es, die den Sisyphos-Stein ins Rollen gebracht hat.
„Bis Ende Dezember soll das Athener Parlament einen neuen Staatspräsidenten wählen. Erreicht kein Kandidat die erforderliche Mehrheit, muss die Volksvertretung Anfang Januar aufgelöst und eine Neuwahl angesetzt werden. Wahrscheinlicher Gewinner: Oppositionsführer Alexis Tsipras und seine radikal-linke Partei Syriza, die in allen Meinungsumfragen führt. Tsipras will die Kreditverträge aufkündigen, den Sparkurs beenden, Privatisierungen rückgängig machen und auch die meisten anderen Reformen zurückdrehen.“
Oh Schreck oh Graus! Die Anleger beginnen bereits wieder zu zittern und knabbern verzweifelt an ihren Anleihen.
„Es ist ein Spiel mit dem Feuer.“
Die Frage ist nur, was dabei brennert wird. Der wacklige europäische Finanzsektor, in dem ja immer noch griechische Staatspapiere als Aktiva herumliegen? Der Euro selbst? Die EU? Die Sache mit dem Dominoeffekt hat ja was für sich …
„Es könnte dazu führen, dass die Griechen den Euro abgeben müssen.“
Das wäre nicht nur für die Griechen schlimm, wie das Handelblatt suggeriert, sondern auch das Ende des Euro.
Man erinnere sich: ein Austritt aus dem Euro ist in den Statuten der Eurozone nicht vorgesehen. Um den Euro zu verlassen, müßte Griechenland zuerst aus der EU austreten.
Es mag sein, daß der Text inzwischen geändert wurde. Am Kern der Sache ändert es jedoch nichts: verläßt ein Land die Eurozone, so wäre sie damit gescheitert, mit unabsehbaren Folgen.
Dabei hat Samaras alles so gut gemanagt, aber am Schluß doch wieder vergeigt:
„Samaras hat sie“ (= die derzeitige Krise) „selbst herbeigeredet. Mit seiner überhasteten Ankündigung, Griechenland werde zum Jahresende die Troika vor die Tür setzen, das Hilfsprogramm beenden und sich wieder am Markt refinanzieren, jagte Samaras den Anlegern und den Gläubigern Griechenlands einen Schrecken ein.“
Ach so. Die Erfolgsmeldungen über Griechenlands Erholung, die das Handelsblatt selber verbreitet, sollten doch nicht ernst genommen werden? Man kennt sich gar nicht mehr aus. Was denn jetzt? Gehts bergauf oder nicht?
Juncker hat schon die Griechen davor gewarnt, ja nicht die Falschen zu wählen. Da steht medialen Schönrednern und Politikern noch einiger Streß bevor.
Aber selbst, wenn die Griechen die „Richtigen“ wählen sollten, so werden die – nach innen wie nach außen! – in Erklärungsnotstand kommen, warum sie weitermachen müssen wie bisher. Innerhalb der EU hat Griechenland nämlich gar keine andere Wahl.
Kategorie: Antikapitalismus
Lebensadern der Wirtschaft – Zankäpfel des Imperialismus
PIPELINES
1. Jedem Staat seine Pipeline
Das Ende des Kalten Krieges hat den Pipeline-Bau unglaublich belebt. Länder wie Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenien wurden nach ihrer Befreiung vom sowjetischen Joch als Energielieferanten entdeckt. Andere wieder, wie Georgien, die Ukraine oder die Türkei, versuchen ihre politische Bedeutung in der Welt als Gas-Transit-Länder wahrzunehmen, mit unterschiedlichem Erfolg. Irgendwie schien bezüglich Pipelines auf einmal die Devise zu herrschen: Entweder Sie haben eine, oder sie brauchen eine! Die Hersteller von Bohrtechnik und Rohren erschlossen sich so in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein gewaltiges Geschäftsfeld. Für den tatsächlichen Bedarf herrscht teilweise schon ein Überangebot an Pipelines, da sich sowohl Produzenten wie auch Abnehmer gegen politische Einflußnahme absichern, umgekehrt aber ebendiese gegen andere ausüben wollen. So gibt es z.B. eine recht neue, aber kaum benutzte Pipeline vom Iran nach Armenien, in der deswegen so wenig Gas läuft, weil die Gazprom sich das armenische Gasnetz unter den Nagel gerissen hat und dort kein Fremdgas dulden will.
Der Tanker-Verkehr und -Bau ist ziemlich zurückgegangen, was nicht nur die Werften zu spüren bekommen, sondern auch diverse Meere und Meerengen. Während Ägypten im Suezkanal Einnahmen aus der Tanker-Durchfahrt weggebrochen sind, betrachtet die Türkei es eher als einen Fortschritt, daß sie inzwischen weniger von diesen Brandbomben durch den Bosporus schleusen müssen, wo immer wieder einmal einer eine größere Umweltkatastrophe verursacht hat.
Der Boom beim Pipeline-Bau hat sich vor allem beim Bau von Gas-Pipelines gezeigt, weil die Flüssiggas-Erzeugung kostspielig ist, aber Gas als angeblich „sauberer“ Energieträger ein Renner geworden ist, wegen der Emissionsbeschränkungen im Rahmen des Kyoto-Protokolls.
2. Energieversorgung und Energiekonkurrenz
Angesichts dieses bunten Interessen-Kuddelmuddels von Lieferländern, die sich eine Monopolstellung verschaffen wollen, Abnehmerländern, die ihren Energieimport möglichst diversifizieren wollen, und Transitländern, die Geld verdienen und sich wichtig machen wollen, hat die EU Regeln erlassen, die ihre Unabhängigkeit und die ihrer Mitgliedsstaaten gegenüber den Lieferanten sicherstellen sollen. Demnach sind Lieferant, Netzbetreiber und Netzeigentümer irgendwie zu trennen. Ganz ausjudiziert ist die Sache noch nicht, aber gerade gegenüber Rußland sollte die größtmögliche Distanz gewahrt bleiben, auch schon vor der jetzigen Eiszeit in den Beziehungen EU-Rußland.
Es wurde daher Gerhard Schröder von verschiedenen Interessengruppen sehr übel genommen, daß er mit dem erfolgreichen Betreiben des North Stream Projektes eine in seinen Augen gedeihliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Rußland befördert hat. North Stream störte Amerika, es störte Polen, und diverse Politiker innerhalb Deutschlands. Die deutsche Wirtschaft hingegen begrüßte den Bau dieser Pipeline, gerade angesichts des „Gaskriegs“ von 2009.
Die ganze Idee der Diversifizierung, die massiven Stützungen für die „erneuerbaren“ Energien und die zunehmende Feindschaft gegenüber Rußland haben die Energiesicherheit in der EU gerade nicht erhöht, im Gegenteil. Vor allem haben sie die Energie verteuert, was sich auf die Wettbewerbsfähigkeit der ganzen EU negativ auswirkt, weil es die Herstellungskosten der in der EU erzeugten Waren erhöht. Der Energiesektor ist nämlich ein heikler Punkt jedes Staates, der in der internationalen Konkurrenz bestehen und deshalb seinem nationalen Kapital Energie günstig zur Verfügung stellen will.
Die Privatisierung des Energiesektors und die Politik der „freien Netze“ in der EU hat zwar die Konkurrenz unter den Anbietern angeheizt, gleichzeitig aber die Energiesicherheit verringert. Es gab ja auch in der EU schon einige großflächige Stromausfälle, und die seit Jahren wachsende Gegenerschaft zu und Skepsis gegenüber Rußland hat zumindest zu einer Einsicht geführt: Daß die EU selbst nicht genug Energie erzeugen kann.
Dazu kommt noch die seit Jahren ziemlich manifeste Krise, aufgrund derer der Energieverbrauch beträchtlich gesunken ist, was wieder der Hauptgrund für das Sinken der Weltmarktpreise ist. Auch davon kann die EU eigentlich nicht profitieren, weil sie ja erstens von Rußland eigentlich gar nicht mehr so viel Öl und Gas kaufen will, zweitens aber die Gasrechnung der Ukraine zahlen muß, wenn sie einen Teil ihrer Mitgliedsstaaten versorgt sehen und die Ukraine am Kollabieren hindern will.
3. Alternative Pipeline-Projekte
Ein Versuch, sich vom russischen Gas abzukoppeln, war die über ein Jahrzehnt lang von einem Konsortium unter Führung der österreichischen ÖMV betriebene Nabucco-Pipeline. Sie wurde durch das North Stream-Projekt beflügelt und sollte Gas aus Aserbaidschan, Turkmenien und möglicherweise auch dem Iran nach Südost- und Mitteleuropa befördern. Ein Haufen Länder, die bisher ihr Erdgas aus Rußland durch die Ukraine beziehen, wollten sich dadurch sowohl von dem Lieferanten als auch von dem als unsicher wahrgenommenen Transitland abkoppeln. Nabucco war also unter anderem eine Kampfansage an Gazprom, den russischen Erdgasmonopolisten. Daran scheiterte Nabucco schließlich, als Gazprom 2009 einen Liefervertrag mit Aserbaidschan schloß, der das Nabucco-Projekt ohne Gaslieferanten stehen ließ.
Nabucco wurde 2013 abgeblasen, und Rußland verstärkte seine Bemühungen, das South Stream Projekt durchzubringen. Mit dieser Pipeline hätte die Gazprom ebenfalls Italien, die Slowakei, Österreich und den Balkan mit Erdgas beliefert. Es hätte jedoch sowohl die Ukraine als auch die Türkei als Transitland vermieden, da das Rohr, so wie bei North Stream in der Ostsee, auf dem Boden des Schwarzen Meeres verlegt worden wäre.
Mit South Stream hätte sich Gazprom seine Abnehmer gesichert und diverse Balkanländer ihre Gasversorgung. Das störte einige andere Staaten, wie die USA, aber auch die BRD, die die Umgehung der Ukraine gar nicht schätzten. Auch diese Abhängigkeit von bzw. enge Geschäftsbeziehung mit Rußland, die diverse Staaten, Österreich oder Ungarn inbegriffen, gar nicht zu stören schien, war anderen Staaten offensichtlich ein Dorn im Auge.
4. Schluß mit lustig
Und so wurde das für diese Pipeline wichtige Transitland Bulgarien unter Druck gesetzt. Es gehe nicht an, daß Gazprom mit an der Pipeline beteiligt sei – schon bei der Ausschreibung hätte die bulgarische Regierung gegen EU-Recht verstoßen, so tönte es im Juni aus Brüssel. Amerika schickte gleich irgendwelche Diplomaten oder sonstige schwere Burschen dorthin, die vermutlich noch etwas gröbere Klötze eingesetzt haben, um die bulgarische Regierung zur Einsicht zu bringen. Bulgariens Regierung gab klein bei und verfügte über einen Baustopp.
Damit war das Projekt praktisch gestorben. Wenn das 1. Transitland sich verweigert, so erhalten die anderen kein Gas mehr. Der Umstand, daß Rußland vor einigen Tagen selber den Schlußstrich unter die Angelegenheit gezogen hat, war nur ein logischer Schritt aus der sich ergebenden Situation. Rußland hat abgewartet, ob Bulgarien sich vielleicht doch noch einmal umstimmen läßt, und diesbezüglich sicher auch einiges versucht. Es nützt aber nichts, daß andere Länder wie Serbien, Ungarn oder Österreich weiter gern an dem Projekt festgehalten hätten – das Ausscheiden Bulgariens hat gezeigt, was die Souveränität in der EU wert ist: der Druck auf einen Staat und dessen Nachgeben vereitelt das gemeinsame Projekt von mindestens 3 anderen EU-Staaten. Die gewichtigen Souveräne benutzen die nachrangigen, um ihre Interessen gegenüber dem Rest der Staatenwelt durchzusetzen.
Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Österreich, Ungarn, die Slowakei, Serbien und andere Balkanstaaten sind weiterhin vom ukrainischen Transit abhängig.
Bulgarien erhält möglicherweise Gas aus der Türkei, als Kompensation und Belohnung für seine Folgsamkeit. Es hat jedoch auf eine wichtige Trumpfkarte seiner zukünftigen Entwicklung verzichtet: Es wollte selbst Gas-Transit-Land werden und hoffte auf Investitionen in Energiewirtschaft und Infrastruktur. Als erstes Ergebnis der Absage des Projektes gab es gleich einen Banken-Crash, der geschwind und leicht panisch von der EU mittels Geldspritzen repariert wurde, bevor ein Domino-Effekt in der ganzen Region eingetreten wäre.
Hohe Energiekosten bei sinkenden Weltmarktpreisen, Konkurrenz innerhalb der EU um antirussische Maßnahmen, koste es, was es wolle – die Selbstzerfleischung und Demontage der EU schreitet voran.
Siehe dazu auch: EU-Energiepolitik in der Krise I & II
Das Gfrett mit den Hampelmännern
SCHWIERIGKEITEN BEI DER EINRICHTUNG EINES GEWALTMONOPOLS IN DER UKRAINE
Pläne für ein Schachspiel, das in ein Theaterstück ausartet
Die maßgeblichen Politiker der EU haben sich die Sache recht einfach vorgestellt: Man bringt einen widerspenstigen Politiker entweder zur Räson, oder man setzt ihn ab und installiert eigene Hampelmänner, die alles unterschreiben, was man ihnen vorlegt, und es dann auch umsetzen. Die Ukraine wurde also betrachtet und behandelt wie eine Bananenrepublik, bei der man nach Belieben die Herrschaft auswechseln und sich darüber einen uneingeschränkten Zugriff auf das Land verschaffen kann.
Nur daß die Ukraine etwas groß ist für ein solches Verfahren, und nicht nur im angepeilten Hinterhof der EU liegt, sondern auch im Vorhof Rußlands.
Zunächst lief alles nach Plan: jugendliche Massen zogen auf die Straße, besetzten einen zentralen Platz der Hauptstadt, machten Zoff, bis schließlich der Präsident verschwand. Man erinnere sich an Georgien, Tunesien, Ägypten, – alles schon einmal dagewesen. Auch die 100 Toten auf dem Maidan, von denen man bis heute nicht weiß, wer sie erschossen hat, paßten ins Bild. Je mehr Opfer, um so besser die Sache, für die gekämpft wird. Freedom and Democracy sind endlich ordentlich zu implementieren, sapperlot!
Aber schon damals lief etwas aus dem Ruder. Es stellte sich heraus, daß die EU und die USA nicht an einem Strang zogen. Jeder hatte andere Hampelmänner in der Schachtel, die er bei Bedarf herausziehen und installieren wollte. Und so läuft das ganze Theater, das der Öffentlichkeit von den Medien seither präsentiert wird, sehr unharmonisch ab.
Die ersten Wahlen liefen noch nach Plan. Das in der Schublade bereitliegende Ergebnis wurde herausgezogen, der Öffentlichkeit präsentiert, alle klatschten Beifall, und der vorgesehene Ober-Hampelmann nahm seinen Platz ein.
Die anderen Hampelmänner gaben natürlich keine Ruhe, und hinter den Kulissen wurde alles mögliche verschoben, ein Goldschatz hin, Waffen her, Parlamentssitze hin, Parteigründungen und -verbote her, und es formierten sich auch bewaffnete Störer, die Fäden zu kappen drohten.
Bei den nächsten Wahlen ging es dann schon ganz ordentlich durcheinander. Verschiedene eilends aufgestellte Kulissen fielen um. Eine niedrige Wahlbeteiligung, lauter mehr oder weniger einbeinige Hampelmänner, die dennoch versuchen, den anderen ein Haxl zu stellen, und hinter den Kulissen nervöse Strippenzieher, die die berechtigte Befürchtung hegen, daß bei der Show bald einmal das Licht ausgehen könnte. Und ein sehr sehr unberechenbares Publikum, was die immerhin 43 Millionen Einwohner der Ukraine betrifft.
An zwei Vereinbarungen zeigt sich, daß es keine gute Idee war, mit der Ukraine eine solche Vorstellung zu inszenieren, und zu glauben, Rußland würde – unter etwas wirtschaftlichem Druck und heftigem Säbelgerassel – dabei zuschauen. Die eine dieser Vereinbarungen ist das sogenannte
Abkommen von Minsk,
das am 5. September in Minsk unterzeichnet wurde.
Dieses Abkommen umgibt von Anfang an ein Mysterium. Unseren Medien ist nicht zu entnehmen, worum es dabei gegangen ist und wer es unterzeichnet hat. Man hört und liest nur ständig „laut dem Abkommen von Minsk“, „entgegen dem Abkommen von Minsk“, „Verstöße gegen“, usw.
Zunächst einmal ein paar Infos:
Am 5. September wurde in Minsk ein aus 12 Punkten bestehendes Protokoll unterzeichnet, dessen englische Übersetzung sich hier findet.
Unterzeichnet wurde es von: Heidi Tavigliani als Vertreterin der OSZE, die die Implementierung dieser 12 Punkte überwachen soll.
Leonid Kutschma, dem ehemaligen Präsidenten der Ukraine, unter dem sich das ukrainische Oligarchen-System so richtig ausgebildet hat und der offenbar deshalb als der geeignete Vertreter der Kiewer Politikermannschaft von ihnen ernannt wurde. Kutschma, der als Präsident nicht den besten Ruf hatte, genoß es sichtlich, hier als elder statesman die Friedenstaube spielen zu können. Wie sich aber im Nachhinein herausstellte, hat sein Wort kein Gewicht.
der russische Botschafter in der Ukraine, Michail Subarow
die Vertreter der Volksrepubliken Donetsk und Lugansk, Alexandr Sachartschenko und Igor Plotnitzki.
Der Pferdefuß bestand in der Person der Unterzeichner. Die Regierung in Kiew unternahm alles, um eine Einbeziehung der Vertreter der Aufständischen zu vermeiden, da das einer formellen Anerkennung von deren Status gleichgekommen wäre. Rußland bestand jedoch auf der Einbeziehung der Akteure vor Ort, ohne die jedes Abkommen von vornherein sinnlos gewesen wäre.
Der von der Kiewer Regierung entsandte Unterhändler, Kutschma, unterschrieb zwar, wie sich aber inzwischen herausgestellt hat, hat seine Unterschrift keinerlei Rechtskraft, da sich die Kiewer Führung nicht daran gebunden fühlt, noch weniger die Kommandanten diverser Freiwilligenverbände, die die Einhaltung dieser Abmachungen als Hochverrat auffassen, sofern sie die ukrainische Seite betreffen. Sie haben der Regierung schon unverhohlen gedroht, sie wegzuräumen, sollte sie die angestrebte Autonomie dieser beiden Volksrepubliken in die Wege leiten und auf eine militärische Lösung verzichten. Daher fühlen sich die Vertreter der Aufständischen und die russische Seite auch nicht an dieses Abkommen gebunden, pochen aber formell auf die Vereinbarung, in der sie ja als Zuständige anerkannt worden seien. Die einzigen, die sich bemühen, die 12 Punkte des Minsker Protokolls irgendwie zu erfüllen, sind die Mitarbeiter der OSZE, die ja durch ihre Unterschrift dem Abkommen sozusagen Gewicht und Gültigkeit verliehen haben. Sie kämpfen auf verlorenem Posten, und geraten zusehends zwischen die Fronten. Würde die OSZE jedoch ihre Mission einstellen, so hätte sie damit eingestanden, daß sie keinerlei Einfluß auf die Regierung in Kiew hat.
Auf das 12-Punkte-Protokoll folgte zwei Wochen später noch ein Memorandum, also eine bloße Absichtserklärung, an die sich natürlich erst recht niemand hält, auf das sich jedoch vor allem die russische Seite immer beruft.
Die Vereinbarung von Minsk hatte lediglich den Effekt, den Vormarsch der Aufständischen zu stoppen und eine offene Niederlage der ukrainischen Truppen zu verhindern. Ansonsten ist sie zu einem leeren Rechtstitel geworden, mit dem stets die eine Seite der anderen Vertragsbruch vorwerfen kann.
Die zweite Vereinbarung ist der sogenannte
„Gasdeal“,
der mit einigem Tamtam vor einigen Tagen als „Lösung“ im „Gasstreit“ gefeiert wurde.
Um zu begreifen, wie es zu einer „Lösung“ kommen konnte (oder auch nicht), ist es einmal angebracht, sich anzusehen, woraus der Streit besteht.
Ein Teil der ukrainischen Elite bestreitet seit der Erlangung der Unabhängigkeit ihren Unterhalt aus dem Gastransit. Von Rußland nach Westeuropa geliefertes Gas wird abgezapft und zu höheren Preisen an diverse Abnehmerländer verkauft. Oder aber vertragsgemäß in die Ukraine geliefertes Gas wird nicht bezahlt, und die Begleichung der Schuld auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Oder ein Teil beglichen, um dann wieder die nächste Lieferung nicht zu zahlen.
Ein Teil der Bereicherung der Unternehmer dieses Landes geschieht also über Zugriff auf einen Reichtum, der gar nicht im Land generiert wird. Bloß die geographische Lage und die Verfügungsgewalt, die sich diverse „Gasprinzen“ und „-prinzessinnen“ über die Pipelines, die ukrainische Gas-Gesellschaft und den Gashandel gesichert haben, garantierten ihnen Einkünfte, die keineswegs zu verachten waren. Und die Schulden bei Rußland wuchsen. So lange, bis Rußland 2009 den Gashahn zudrehte und damit nicht nur die Ukraine, sondern auch die Endkunden in Mitteleuropa und auf dem Balkan ohne Gas dastanden.
Nachdem jetzt alle Verträge, die seit 2009 bestanden, aufgekündigt wurden und durch die Einverleibung der Krim auch die Pachtgebühren für den Hafen von Sevastopol wegfallen, die nie gezahlt, sondern stets für Gaslieferungen gegengerechnet wurden, ist jetzt nur ein Haufen Schulden da, und der Winter steht vor der Tür.
Das Problem der Gaslieferungen ist also nicht bloß der Bedarf der ukrainischen Endverbraucher, und es ist auch irreführend, auf den hohen Verbrauch derselben aufgrund veralteter – nicht regulierbarer – Heizungen hinzuweisen. Das Hauptproblem ist, daß einige Oligarchen daraus ihre Einkünfte bezogen haben und das weiterhin so handhaben wollen. Und dieses Begehr ist umso stärker, als verschiedene andere Wirtschaftszweige, wie die Rüstungsproduktion für Rußland und die Kohleförderung im Donbass auszufallen drohen und das ausländische Kapital recht flächendeckend abgezogen ist.
Die EU wiederum hat das Problem, daß sie erstens das russische Gas dringend braucht. Es ist die günstigste und sauberste Energieform und ein guter Teil der europäischen Energieversorgung ist auf russisches Gas angewiesen. Zweitens kann sie schlecht die Ukraine ohne Gasversorgung sitzen lassen, weil dann wäre die ohnehin dünne Zustimmung zu „Europa“ endgültig beim Teufel. Es läuft also darauf hinaus, daß sie die Gasrechnung der Ukraine zahlen muß. Aber damit allein ist es nicht getan, die Frage ist das Wie. Überweist sie nämlich das Geld an ihre Hampelmänner in Kiew, so verschwindet es in Oligarchentaschen, wird für andere Ausgaben – z.B. Waffenkäufe – verwendet und kommt nie in Rußland an. Überweist sie es aber direkt an Rußland, so spricht sie damit ihren eigenen Hampelmännern das Mißtrauen aus und das könnte deren Steuerbarkeit höchst nachteilig beeinflussen.
Der Streit ist also keineswegs „gelöst“, trotz des feierlichen Festaktes.
Die USA lachen sich angesichts dieser Zustände ins Fäustchen. Sie haben Rußland einen Dauerkonflikt vor der Haustür beschert und seine Wirtschaft gründlich geschädigt, durch Sanktionen, Flüchtlingsströme und Gefährdung der Rüstungsproduktion. Der EU wurde erst recht ein Ei gelegt, statt des angestrebten Hinterhofes ist ihnen ein Faß ohne Boden erwachsen, daß die EU sehr teuer zu stehen kommen und auch noch andere Probleme bescheren wird. Außerdem wurde klargestellt, daß die EU ein politischer Zwerg ist, der ohne NATO-Rückenwind überhaupt nicht beachtet würde, und alle diese Fronten werden die USA weiter betreuen und bestärken.