Pressespiegel Rebelión, 27.9.: Veränderungen am Geldmarkt

„DAS GOLD ENTTHRONT DIE US-ANLEIHEN: URSACHEN UND BESORGNISERREGENDE FOLGEN

Juan Torres López

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der renommierte Marktanalyst Octavio Costa ein Diagramm, das zeigt, dass Gold in den Bilanzen der Zentralbanken erstmals seit 30 Jahren die US-Staatsanleihen überholt hat.

Ein Artikel der Financial Times stellte fest, dass diese Beobachtung nicht ganz zutrifft, da das Phänomen eher auf steigende Goldpreise als auf erhöhte Käufe zurückzuführen sei.
Zudem seien Reserveberechnungen sehr komplex, was darauf hindeuten könne, dass in den Bilanzen tatsächlich nicht so viel Gold vorhanden sei wie behauptet. Bloomberg behauptete jedoch dagegen, dass die Zentralbanken viel mehr Gold kaufen, als sie deklarieren.

In den Grundzügen stimmen alle Analysen überein: US-Anleihen und der Dollar sind als Reserveanlagen zunehmend unattraktiv, und ihre Nachfrage sinkt zugunsten von Gold, das sie überholt, wie es vor einiger Zeit beim Euro der Fall war. Alles deutet darauf hin, dass das Volumen der Goldkäufe der Zentralbanken bis Ende 2025 das höchste seit 1967 erreichen und in wenigen Monaten die Anleihekäufe deutlich übertreffen wird.

Dieses Phänomen ist äußerst relevant und bedeutsam, hat eindeutige Ursachen und potenziell dramatische Folgen, insbesondere für Europa, wenn sie nicht vermieden werden.

Frage: Warum steigt der Goldpreis immer mehr an, zum Nachteil des Dollars und der US-Anleihen?

Dass der Dollar die wichtigste Reservewährung auf den internationalen Märkten war (und ist), verdankt er der Wirtschaftskraft des Landes, das ihn emittiert – den USA. Und dass seine Anleihen die begehrteste Anlage waren, lag daran, dass sie als die sichersten galten.
Dass sie nicht mehr im gleichen Maße begehrt sind, liegt daran, dass dies aus folgenden, neben einigen weniger wichtigen Gründen, nicht mehr der Fall ist:

– Die US-Wirtschaft ist nicht mehr die unangefochtene und mächtigste Industrie- und Handelsmacht der Welt, weshalb ihre Währung leidet, egal wie weit Trump mit seinen Zöllen gehen will.

– Die USA haben zu verschiedenen Zeiten und gegen verschiedene Länder Finanzsanktionen verhängt, die möglich waren, weil diese in Dollar denominierte Vermögenswerte hielten. Sie könnten diese leichter umgehen, wenn ihre Reserven in anderen sicheren Häfen, wie beispielsweise Gold, lägen. Viele von den USA bedrohte Länder fliehen deshalb aus dem Dollar.

– Die USA finanzieren ihre Schulden durch die Ausgabe von Anleihen. Diese haben jedoch bereits die 37,5 Billionen Dollar-Marke überschritten, und das Risiko, dass sie nicht mehr tragbar sind, steigt täglich.
Vielleicht weniger wegen des Risikos eines Zahlungsausfalls, sondern vielmehr wegen der Wahrscheinlichkeit, dass ein derart hohes Schuldenvolumen zu hoher Inflation und einem Wertverlust des Dollars und der Anleihen führt.

– Bekanntlich und trotz Trumps Drohungen wenden sich die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sowie einige andere Länder rasch vom Dollar ab und versuchen, ein eigenes Währungssystem und sogar eine neue Währung zu schaffen. So langsam dieser Prozess auch sein mag, die De-Dollarisierung ist eine strategische Option, die immer mehr Länder ganz vorn auf die Tagesordnung setzen.

– Die neuen Funktionsweisen des Finanzsystems machen Gold zu einem sehr leicht austauschbaren und liquiden Vermögenswert, was seine Nutzung erleichtert.

– Zudem schreitet international ein Prozess des Währungswandels voran, der die Entstehung neuer Währungen mit sich bringen wird: digital, rohstoffbasiert oder von privaten Unternehmen ausgegeben. Und die Zentralbanken versuchen zu verhindern, die falschen Reserven anzuhäufen, die sich bei diesen Veränderungen an den Märkten entwerten könnten.

– Der Prozess der Ersetzung von Dollar und Anleihen durch Gold ist so offensichtlich, so grundlegend und so dringend, dass viele Zentralbanken sogar das Gold repatriieren, das sie in den Tresoren anderer Institutionen gelagert haben. Bloomberg berichtete vor einigen Tagen, dass China nicht nur massiv Gold kauft und Dollar und Anleihen abstößt, sondern auch die Shanghaier Goldbörse nutzt, um die Zentralbanken befreundeter Länder, die Gold kaufen, davon zu überzeugen, dieses innerhalb ihrer Grenzen zu lagern.“

Gemeint ist anscheinend, innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen, nicht innerhalb derer Chinas.

„– Die Anfälligkeit des privaten Bankensystems hat sich nicht nur nicht verringert, sondern nimmt sogar zu (vor allem, weil die Zentralbanken sich weigern, den Banken restriktive Auflagen aufzuerlegen). Die Möglichkeit einer neuen und schweren Finanzkrise wird als sehr real angesehen, was auch zu einer verstärkten Goldakkumulation führt. Es ist bekannt, dass Gold in Zeiten wirtschaftlicher Verwerfungen und Krisen eine Anlage darstellt, die bessere Erträge verspricht.

Eine ernste Konsequenz

Der Bedeutungsverlust des Dollars und von Anleihen als Währungsreserven hat vielfältige Auswirkungen auf Handel, Zinsen, Preise und andere wirtschaftliche Variablen, die ich hier nicht näher analysieren werde. Ich möchte mich auf eine Konsequenz konzentrieren, die in der Analyse von Ökonomen weit weniger diskutiert wird.

Die USA sind eine imperiale Macht. Ich sage das weder im negativen noch im positiven Sinne. Es ist eine Tatsache.
Jahrzehntelang waren sie die mächtigste Nation der Welt und haben diese Macht – seit dem Ende der ehemaligen Sowjetunion – konkurrenzlos und zu ihrem eigenen Vorteil ausgeübt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Aussage, etwas sei vorteilhaft für die USA, gleichbedeutend damit ist, zu sagen, es sei gut für Großkonzerne: »Was gut für unser Land ist, ist gut für General Motors und umgekehrt«, sagte Charles Erwin Wilson, Präsident dieses multinationalen Konzerns und später US-Verteidigungsminister unter Präsident Dwight D. Eisenhower.“

Also auch für nicht-US-Konzerne, scheint die Aussage zu sein.
Nur kamen die lange Zeit nie in solchen Größen zustande wie in den USA …

„Nun, diese imperiale Macht der USA basierte auf drei Grundpfeilern. Erstens die beispiellose Stärke ihrer Wirtschaft, Industrie, Dienstleistungen, seines Handels, Finanzwesens und seiner Technologie weltweit. Zweitens die Existenz des Dollars als Reservewährung und Maßstab für die gesamte Weltwirtschaft. Drittens ihre militärische Hegemonie. Hinzu kommt die kulturelle und mediale Macht, die nicht weniger wichtig ist, auf die ich hier aber nicht eingehen werde.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind gut erforscht. Die US-Wirtschaft hat sich deindustrialisiert und ist auf milliardenschwere Auslandskäufe angewiesen, was ihre In- und Auslandsverschuldung stetig erhöht hat. Und Chinas Wirtschaft ist auf dem besten Weg, sie in Bezug auf technologischen Fortschritt und industrielle Entwicklung zu überholen, wenn das nicht ohnehin schon geschehen ist. Die erste Säule seiner imperialen Hegemonie besteht also noch, schwächt sich aber rapide ab.

Die zweite Säule, die Vorherrschaft des Dollars, ist zwar nicht vollständig verschwunden, bröckelt aber, wie wir gerade gesehen haben, ebenfalls rapide.
Zumindest wird sie sich nicht mit der nötigen Stärke behaupten können, um mit ihrer Währung die Welt zu dominieren, wie es die USA bisher getan haben.

Das bedeutet, dass den USA nur noch eine Säule bleibt, um ihre imperiale Hegemonie durchzusetzen: ihre militärische Macht.

Diese Säule kann jedoch nur dann eine wirksame Grundlage ihrer Macht sein, wenn sie erstens nicht zu demonstrativ zur Schau gestellt wird. Sie muss ihre Wirksamkeit ausweisen und klar und deutlich zum Ausdruck bringen.
Zweitens muss sie ausreichend finanziert werden. Waffen sind sehr teuer (insbesondere, weil sie von Monopolen verkauft werden, die Regierungen korrumpieren und ihnen ihre Bedingungen aufzwingen können).“

Man denke z.B. an die Patriot-Abwehrraketen-Systeme mit einer Milliarde $ pro Stück …

„Um die astronomischen Militärausgaben zu finanzieren, die sie benötigen (im Jahr 2024 gaben sie 997 Milliarden Dollar aus), waren die USA bisher auf die Nachfrage anderer Länder nach Dollar angewiesen. Nur so konnten die USA die immensen Schulden finanzieren, die durch ihre Militärstruktur entstanden waren, und auch eine Wirtschaft, die, wie ich gerade erwähnte, immer schwächer wird, obwohl sie anderen Ländern nach wie vor überlegen ist.“

Um so mehr, als viele dieser „anderen Länder“– in Europa – wirtschaftlich auch den Bach hinuntergehen.

„Anders ausgedrückt, leichter verständlich: Um ihren Militärapparat zu finanzieren, sind die USA darauf angewiesen, dass andere Volkswirtschaften ihre Währung brauchen.

Wenn das, was wir analysiert haben, eintritt – die sinkende Nachfrage nach Dollar und US-Staatsanleihen –, stehen die USA vor einem existenziellen Problem: Sie erhalten weniger Finanzierung, gerade wenn sie diese am dringendsten benötigen, um die einzige Säule aufrechtzuerhalten, mit der sie ihre Weltherrschaft fortsetzen können.

Sie sind darauf angewiesen, daß andere Staaten ihnen Dollars abkaufen (in Form von Staatsanleihen), und das wird mit den derzeitigen Mitteln nicht möglich sein. Darüber hinaus benötigen sie dringend Ressourcen, denn mit jedem Tag, der vergeht, verlieren sie ihren Vorsprung gegenüber China. Obwohl sie derzeit noch über die militärische Überlegenheit verfügen, bleibt ihnen nur noch wenig Zeit, bis die aufstrebende Macht im Osten auch hinsichtlich ihrer Waffenkapazität das Du-Wort antragen kann.“

Chinas und Rußlands gemeinsame militärische Kapazität kann es vermutlich mit der NATO aufnehmen.
Um so wichtiger ist es, diejenige Rußlands im Ukraine-Krieg zu binden.

„All das, was ich gerade skizziert habe, erklärt meiner Meinung nach die Eile der USA (nicht nur Trumps, sondern ihres gesamten Wirtschafts-, Technologie- und Finanzestablishments), Ressourcen von anderen Ländern zu erhalten, selbst wenn dies Drohungen, Erpressungen, den Bruch mit ehemaligen Verbündeten und sogar die Demütigung ehemaliger Verbündeter bedeutet.

Trump hat gerade 550 Milliarden Dollar von Japan erpresst und könnte diese tatsächlich in bar erhalten, da Japan über einen 1,6 Billionen Dollar schweren Pensionsfonds verfügt, den die Regierung verwalten kann.
Von der EU forderte er 600 Milliarden Dollar, zusätzlich zu weiteren, ebenso hohen Summen. In diesem Fall ist der Beitrag jedoch nicht garantiert, da er von Unternehmen geleistet werden müsste, die nicht immer gezwungen werden können, dort zu investieren, wo Trump es wünscht.

Und hier liegt die gewaltige Konsequenz aus all diesen Ausführungen, die ich zu vermuten wage und die ich hier als Hypothese präsentiere. Die USA brauchen Europa, damit es Dollars nachfragt, und das können sie heute nur auf eine Weise erreichen: indem sie Europa in den Krieg zwischen der Ukraine und Russland einbeziehen.“

Auf gut Deutsch: weiter hineintreiben.
Weil „einbezogen“ sind sie ja bereits.

„Nur so können die zig Milliarden Dollar, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer militärischen Hegemonie benötigen, in die USA fließen. Andererseits würde dies dazu beitragen, Russland zu schwächen und China möglicherweise stärker in den Konflikt einzubeziehen. Und so würde möglicherweise das beschleunigt, was die USA so schnell wie möglich erreichen wollen: einen Zusammenstoß mit dem asiatischen Riesen, bevor es völlig unmöglich wird, ihn in irgendeiner Region zu besiegen.“

Der III. Weltkrieg steht also tatsächlich vor der Tür.

„Wenn ich recht habe, wird Europa schon bald, auf die eine oder andere Weise, mit mehr oder weniger Intensität und mit mehr oder weniger beteiligten Ländern im Krieg sein. Vielleicht schon in den nächsten 6 Monaten.

Er ließe sich vermeiden, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs aufwachen und aufhören würden, unverantwortlich auf die Provokationen hereinzufallen, die die USA, ihr angeblich wichtigster Verbündeter, seit einiger Zeit und mit der von mir gerade erwähnten Absicht für sie vorbereiten.

Ich weiß es, Sie brauchen es mir nicht sagen: Ein Strategiewechsel von von der Leyen, Kallas, Merz und Co. ist höchst unwahrscheinlich.
Wir brauchen ein Wunder.“

Pressespiegel El País, 20.9.: Argentinien schifft wieder ab

„MILEIS KETTENSÄGE BLEIBT STECKEN: ARGENTINIENS WIRTSCHAFTSWUNDER DROHT ZUM ALBTRAUM ZU WERDEN

Angesichts himmelhoher Zinsen und Reserven im Minus fällt es Argentiniens rechtsextremem Präsidenten zunehmend schwer, seine Haushaltskonsolidierung aufrechtzuerhalten“

El País legt Wert darauf, Milei stets als „rechtsextrem“ zu titulieren, damit man weiß, daß das kein Guter ist.
Es ist der Zeitung, die sich seinerzeit als Sprachrohr des Übergangs zur Demokratie in Spanien begriff, sehr angenehm, das Scheitern Mileis festzustellen.
Das Wichtige ist dabei allerdings, so schöne Begriffe wie „Haushaltskonsolidierung“ hochzuhalten: Das wäre ja gut, aber doch nicht soooo!

„»Die Welt spricht über Argentiniens Wirtschaftswunder!«, jubelte Javier Milei im vergangenen August vor 100 Wirtschaftsführern auf der Konferenz des Amerika-Rates (Consejo de las Américas) in Buenos Aires. »Alle sehen es, außer den Argentiniern«, klagte er sofort, sich des Mißtrauens seiner Zuhörer bewußt, bei denen er um Investitionen bettelte.
Der rechtsextreme Politiker war seit 8 Monaten Präsident und prahlte damit, »die größte Haushaltskonsolidierung der Menschheitsgeschichte« durchgeführt zu haben.“

Abgesehen vom Gegenstand, sollte man immer dann mißtrauisch werden, wenn etwas ein Jahrhundert-Ereignis oder gleich eines „der Menschheitsgeschichte“ ist – da kreißen Berge und Mäuschen werden geboren.

„Es waren Zeiten der Euphorie und übertriebener Phrasen: Er hatte einen Haushaltsüberschuß erzielt, die Inflation war von 20% monatlich im Januar auf unter 5% im Juni gesunken, die Wirtschaft sollte im 3. Quartal um fast 4 % wachsen – nach einem Rückgang von 1,8 % im ersten Quartal – und der private Konsum florierte, beflügelt durch die Rückkehr der Kredite und einen billigen Dollar.“

Ein Teil des Erfolges beruhte also sowieso auf Prophezeiungen, die billig zu haben sind, wie den 4% Wachstum – die dann natürlich nicht eingetreten sind.
Man merkt, wie heute Erfolgsmeldungen generiert werden.

„Wirtschaftsminister Luis Caputo war »ein Koloss«, und seine Kritiker waren »Econochantas« [= ökonomische Scharlatane] und »arschgefickte Mandrille«.“

Der Verfall des politischen Diskurses ist beachtlich. Von politischer Korrektheit verfielen manche neuen Politstars in das andere Extrem.

„Doch die Zeiten haben sich sehr schnell geändert. Ein Jahr nach diesem festlichen Ereignis kracht und ächzt das Wunder von Milei.

Im Dezember 2023 übernahm die rechtsextreme Regierung ein Land mit einer kaputten Währung, astronomischer Inflation und einer bankrotten Zentralbank.“

In ähnlichem schlechten Zustand übernahmen es die Peronisten nach dem ruhmlosen Ende der Regierung Macri, der am Schluß mit einem Riesen-Kredit des IWF gestützt wurde, um einen neuerlichen Bankrott zu vermeiden.

„Milei setzte daraufhin eine Schocktherapie ein: Er lockerte den Wechselkurs und korrigierte den darauf folgenden Inflationsschub mit Haushaltsanpassungen“ (auf gut Deutsch: Kürzungen und Streichungen, wo es nur ging), „der Einstellung der Geldausgabe und der Einstellung aller Staatsfinanzierung durch das Finanzministerium.“

Ganz so war es auch nicht, manche Zahlungen wurden weiter geleistet, damit der Laden nicht völlig zusammenkrachte.
Die Autoren des Artikels wissen das auch, es ist aber bequemer, hier Milei als unvernünftigen Wilden hinzustellen – das konnte ja nicht gutgehen!

„All dies wurde gewürzt mit einem »Kulturkampf« gegen »die Kaste«: Jede Kritik wurde mit Beleidigungen aller Art beantwortet, ihre Sprecher feierten die Entlassung von 50.000 öffentlichen Angestellten und stellten öffentlich in Frage, warum ein Arzt ein gutes Gehalt erhalten sollte, wenn er doch eigentlich nur »seinen Traum erfüllt«.
Die Märkte, mit Blick auf die Zahlen, übersahen die unangenehmen Details und unterstützten Milei.“

Auch bei den Zahlen übersahen sie unangenehme, oder zumindest gefälschte und nur projektierte.

„Schließlich lockerte einer von den seinigen“ (gemeint ist offenbar der Finanzminister?) „die finanziellen Beschränkungen“ (gemeint sind solche über Devisen Ein- und Ausfuhr), senkte die Steuern und bezeichnete Steuerhinterzieher als »Helden«.
Das Länderrisiko, also der Spread, den Argentinien für seine Schulden im Vergleich zu US-Anleihen zahlt, fiel infolgedessen von 2.500 Punkten im Jahr 2023 auf rund 500 Punkte im Januar 2025.“

Eigenartig.
Bei Liz Truss im UK hatten Steuersenkungen einen umgekehrten Effekt: Das internationale Finanzkapital fragte sich, wie diese Regierung dann ihre internationalen Verbindlichkeiten bedienen könnte, wenn sie wenig Einnahmen durch Steuern generierte?! – was zu einem Verfall des Pfundes führte.
Warum bei dem hochverschuldeten Argentinien andere Kriterien angelegt wurden, ist rätselhaft. Vor allem, da das Land ja schon einen Bankrott hingelegt hatte.
Hier versagt der Journalismus von El País vollkommen, wenn er diesen Zusammenhang unkommentiert läßt.

„Das Modell hatte jedoch ein Problem. Der monetäre Anker,“

Was das wohl ist?

„den Milei zur Inflationskontrolle einsetzte, führte zu einem überbewerteten Peso und der Notwendigkeit, Dollar in das System zu pumpen, um den Wechselkurs zu stützen. »Zu Beginn erhielt die Regierung 22 Milliarden Dollar aus einem Haushaltsmoratorium“

Was das wohl war?

„und dann weitere 20 Milliarden Dollar vom Internationalen Währungsfonds«, sagt Marina Dal Poggetto, Direktorin des Beratungsunternehmens EcoGo, »aber sie erhielt keinen Zugang zu internationalen Krediten und zahlte weiterhin ihre fälligen Schulden.«“

Der Zugang zum internationalen Kreditmarkt kam mit dem Bankrott abhanden, wurde unter Macri versprochen und teilweise erreicht – was die Schulden erhöhte. Nachher war offenbar damit wieder Sense und Mileis Wahlversprechungen vom Schließen der Nationalbank und der Einführung des Dollar in Argentinien waren offenbar nicht dazu angetan, das Mißtrauen der Kreditgeber gegenüber Argentinien zu verringern.
Daß Argentinien seine fälligen Schulden „zahlte“, also bediente, ist zwar auf der einen Seite ebenso üblich als auch notwendig, im Falle Argentiniens aber dennoch verwunderlich, weil woher kam das Geld?

„Der Wendepunkt kam im April dieses Jahres, als Milei, unterstützt durch die IWF-Rettungsaktion, den »Cepo«, wie die Argentinier die Devisenbeschränkungen nannten,“ (die offenbar zwar gelockert, aber nicht aufgehoben worden waren) „abschaffte und den offiziellen Dollar zwischen den Bändern schwanken ließ.“

Hierbei handelte es sich um eine Forderung des IWF, um den oben erwähnten 20 Milliarden-Kredit zu erhalten, siehe hier.

„»Als die Beschränkungen für die Bevölkerung aufgehoben wurden, kauften und horteten die Argentinier 14,7 Milliarden Dollar. Solange die Exporteure den Markt versorgten, funktionierte alles, und der Wechselkurs blieb innerhalb der Spanne. Als die Dollarzuflüsse ausblieben und die Nachfrage stabil blieb, führte die Regierung eine beispiellose geldpolitische Straffung durch, um den Druck einzudämmen«, sagt Dal Poggetto.“

Beispiellos!
Schon wieder so ein Vokabel, das nichts erklärt, aber viel Wind macht.
Die Devisenbeschränkungen bezogen sich offenbar auf den Ankauf von Dollars für Private. Daß ihre Aufhebung den Dollar vom Markt verschwinden lassen würde, war vorauszusehen, weil das Vertrauen in den Peso ist nach wie vor gleich Null.
Der Rest gibt Rätsel auf. Welche „Exporteure … versorgten den Markt“? Wer exportiert, behält sich doch seine Devisen bzw. trägt sie auf die Bank.
Es waren also Geldhändler, die „den Markt versorgten“, und woher die das Geld hatten, bleibt im Dunkeln – es könnte genauso gut die Staatskasse gewesen sein.
Das würde erklären, warum auf einmal „die Dollarzuflüsse ausblieben“ – weil die Devisen-Staatskasse leer war.

„Um den Peso-Umlauf zu reduzieren, den Dollarkurs zu bremsen und die Inflation unter Kontrolle zu halten, erhöhte die Regierung die Mindestreserveanforderungen (Einlagen, die Banken als Reserven halten müssen und nicht verleihen dürfen) auf 53 % und zahlte Zinsen in Pesos von fast 80%.“

Diese beiden Maßnahmen sollten erstens die Spar-Tätigkeit fördern und die Banken in ihrer Kreditvergabe einbremsen, was natürlich nicht wirklich belebend auf die Wirtschaft wirkte.
Dem Rückgang der Inflation lag also – abgesehen von den fixierten Inflationsraten – ein Rückgang von Konsum und Nachfrage zugrunde.
Daß übrigens 80% Zinsen auf Peso-Einlagen gezahlt wurden, steht im Widerspruch zur Behauptung, Mileis Regierung habe die Geld-Emission auf Null zurückgefahren.
Irgendwoher muß das Geld für solche Zinsen ja kommen.

„Stagnierende Wirtschaftstätigkeit

Die Folge dieser himmelhohen Zinsen war rein mathematisch gesehen ein Stillstand der Wirtschaftstätigkeit. Der jüngste Bericht des argentinischen Zentrums für politische Ökonomie (Cepa) zeigt, daß der durchschnittliche Girokontozinssatz 49,8 % des Realzinses betrug, was für Unternehmen zusätzliche Finanzierungskosten von rund 100 Millionen US-Dollar bedeutete. »Nach der V-förmigen Erholung der Wirtschaftstätigkeit im Jahr 2024 war im ersten Halbjahr 2025 eine deutliche Stagnation zu beobachten, und seit Februar ist ein Abwärtstrend erkennbar, der im zweiten Halbjahr in eine Rezession münden könnte. Hält dieses Niveau bis zum Jahresende an, würde sich die Wirtschaft im Vergleich zu 2024 um 4% erholen, ein Wert, der unter den Prognosen des IWF von 5,5 % liegt«, orakelt das Beratungsunternehmen.“

Ein unglaublicher Blödsinn, den dieses „Beratungsunternehmen“ von sich gibt: Überall Stagnation, soweit das Auge reicht, aber zu Jahresende wird sich die Wirtschaft wundersamerweise erholen – diese Prophezeiung entbehrt jeder Grundlage, genauso wie diejenige des IWF, der sie gegenübergestellt wird.

„Messungen des staatlichen Statistikamts INDEC bestätigten den Rückgang der Wirtschaftstätigkeit im am Donnerstag veröffentlichten Bericht zum zweiten Quartal 2025. Das BIP wuchs im Jahresvergleich um 6 %, sank jedoch im Vergleich zum ersten Quartal um 0,1 %. Der Konsum sank im gleichen Zeitraum um 1,1 %. Milei wurde daraufhin über Nacht zu einem wirtschaftlichen „Andersgläubigen“.
Motiviert von der Notwendigkeit, die Inflation am Vorabend der nationalen Parlamentswahlen am 26. Oktober in Schach zu halten, griff er auf eine Politik des vorläufigen Stopfens von Löchern zurück, die langfristig schwer durchzuhalten ist. Der Markt verlor nach und nach die Geduld.“

Man wäre interessiert, wie diese „Andersgläubigkeit“ und Löcherstopferei konkret aussieht, wird aber diesbezüglich nicht bedient.
Es ist auch beachtlich, wie hier „der Markt“ als Subjekt vorgestellt wird.

„Am vergangenen Donnerstag machte der Markt dies deutlich. Das Länderrisiko schloß bei 1.453 Basispunkten, 16,6 % höher als am Vortag und doppelt so hoch wie im August. Argentinische Anleihen in ausländischer Währung brachen um bis zu 14 % ein, und die Zentralbank war gezwungen, Reserven im Wert von 379 Millionen Dollar zu verkaufen, um den starken Anstieg des Wechselkurses zu bremsen.

Dieser hatte den zweiten Tag in Folge die Obergrenze der von der Regierung festgelegten Bandbreite von 1,474 Pesos erreicht. Am Freitag sah es nicht besser aus: In einer Woche, in der das Länderrisiko schließlich die Marke von 1.500 Punkten überschritt, wurden 678 Millionen Dollar verkauft.“

Ob bald wieder die Reste des argentinischen Goldschatzes dran sind, sobald die Dollarreserven weg sind?

„»Die Stimmung hatte sich seit der Auflösung der LEFIs im vergangenen Juli verschlechtert [hier handelt es sich um eine Operation mit Schatzanweisungen, die 10 Billionen Pesos in die Geldmenge pumpte und Druck auf Wechselkurs und Inflation ausübte].“

Das steht in starkem Kontrast zum laut proklamierten Stopp der Geldemissionen … Immerhin handelt es sich sogar beim heutigen Wechselkurs um 6,8 Milliarden $ …
Warum wurde dieses Wunder-Instrument aufgelöst? Vermutlich ebenfalls auf Druck des IWF, dem diese Schöpfung von Milliarden aus dem Nichts nicht ganz geheuer war.

„Und von da an haben sie nichts mehr richtig gemacht«, sagt der Manager einer der größten Investmentagenturen Argentiniens, der seinen Namen nicht nennen möchte.“

Der Typ tut damit so, als wäre vorher alles richtig gewesen, dabei war das ja nur ein großangelegter Schwindel zwischen laut angekündigter monetaristischer, also Geldknappheits-Politik nach außen und unbeschränkter Geldemission im Geheimen.

„»Es gab keine Notwendigkeit, die LEFIs aufzulösen, und alles wurde falsch gemacht. Die Mindestreserveanforderungen wurden mehrfach erhöht, was sehr schlecht für die Banken ist, weil es ihr Geschäft einschränkt.
Jeder Peso, den eine Bank reservieren muß, ist ein Peso, mit dem sie nichts anderes anfangen kann. Wir hatten absurde Zinsvolatilitäten, die auch niemandem helfen. All das zeugt von schlechter Praxis«, beklagt er.“

Auch die Theorie zu dieser Praxis war nicht gut …

„Die Reaktion derjenigen, die sparen konnten, war die übliche: Sie kauften Dollar angesichts einer Zentralbank in tiefroten Zahlen.“

Man erinnere sich daran, daß Milei im Wahlkampf kettensägenschwingend von der Auflösung der Zentralbank faselte.
Die Praxis zu diesem Geschwätz rund um die Dollar-Einführung – die weder IWF noch USA unterstützt hätten und die deshalb sowieso unmöglich war – war, der Nationalbank Einnahmen zu entziehen und Kreditaufnahme und Zahlungen aller Art aufzubürden, unter gleichzeitiger Dezimierung des Goldschatzes.
Die Nationalbank wurde somit zur Zauberbox, mit deren Hilfe Milei sein potemkinsches Dorf aufrechterhielt.

„Allein im Juli gelangten 5,432 Milliarden Dollar in private Hände. Die Soziologin Ariel Wilkis, Co-Autorin des Buches »Der Dollar: Geschichte einer argentinischen Währung«, weist darauf hin, daß auch Mileis Regierung von dem üblichen »Dollarisierungsprozeß in den Monaten vor Wahlen« nicht verschont geblieben sei. »Dieser Prozeß steht im Widerspruch zu Mileis Behauptung, seine Politik werde von der Bevölkerung unterstützt«, betont sie.“

Was sagt die Dame eigentlich?
Sie sagt, vor allen Wahlen kaufen die Leute Dollars, weil sie überzeugt sind: Besser wird es nicht!
Und daß alle Behauptungen Mileis, er hätte das Vertrauen der Bevölkerung, auf seinem seinerzeitigen Wahlsieg beruhen, der ja schon fast 2 Jahre her ist.

„Für Wilkis bestand Mileis Wunder darin, daß er sich mit Unterstützung der Bevölkerung an die Macht brachte. Der rechtsextreme Politiker war der erste und einzige Kandidat in der argentinischen Geschichte, der mit dem Versprechen an die Macht kam, die öffentlichen Ausgaben drastisch zu senken. Entgegen vieler Vorhersagen behielt er fast 50 % Zustimmung, nachdem er die Preise für Strom, Gas und öffentliche Verkehrsmittel erhöht, öffentliche Angestellte entlassen und sogar Renten, das Budget für Universitäten und die führenden Krankenhäuser des Landes gekürzt hatte.“

Worauf diese Zustimmungswerte beruhten, sei einmal dahingestellt. Umfragen lassen sich manipulieren.
Aber das Paradox bleibt, daß mit Kürzungs- und Entlassungsversprechen Wahlen gewonnen wurden.
Man vergesse allerdings nicht, daß diese mit dem Versprechen der Dollarisierung einhergingen. Und das wurde nicht eingelöst.

„Der Präsident prahlte im In- und Ausland mit der Unterstützung der Bevölkerung für seine Politik, doch dieses Bild wurde bei den Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag in der Provinz Buenos Aires zerstört, bei denen er fast 14 Punkte hinter den Peronisten landete.
Die Gründe für die Wahlniederlage sind vielfältig. Letzten Monat brachte ein hochrangiger Beamter die Schwester des Präsidenten, Karina Milei, in einen Fall von Bestechung für die Bereitstellung von Medikamenten für Menschen mit Behinderungen in Verbindung.
Hinzu kamen politische Fehler einer unerfahrenen Regierung, die sich weigerte, Hilfe von ihren vorübergehenden Verbündeten anzunehmen.“

Damit ist vermutlich die Partei Macris PRO gemeint, mit der Mileis Partei bei den letzten Regionalwahlen keine Koalition eingegangen ist – in der vielleicht realistischen Einsicht, daß sie mehr schaden als nützen würde.

„Doch zweifellos ist die wirtschaftliche Notlage der Hauptgrund für das Ergebnis.
Die Argentinier feiern den Rückgang der Inflation, die ihre Löhne immer schneller aufzehrte, sind aber frustriert, weil sie trotz Ausgabenkürzungen und Arbeitszeiterhöhungen nicht über die Runden kommen.
Einige haben sogar Kredite aufgenommen, die sie nicht zurückzahlen konnten: Die Zahlungsrückstände bei Kreditkarten stiegen laut der Zentralbank im gleichen Zeitraum von 1,9 % im Juni auf 4,4 % im Juli und die Zahlungsrückstände bei Privatkrediten von 4,1 % auf 6,4 %. Dies sind die höchsten Werte seit Anfang 2024, als die von Milei angeordnete 50-prozentige Abwertung des Peso und der darauf folgende Inflationsschub alle argentinischen Haushaltskonten durcheinanderbrachten. »Das Paradoxon der aktuellen Situation ist die Spannung zwischen Preisstabilität und Einkommensknappheit«, sagt Wilkis.
Das von Wilkis beschriebene Phänomen ist in Argentinien jedoch nicht neu. Dasselbe geschah in den 1990er Jahren, als die vom liberalen Peronisten Carlos Menem und seinem Wirtschaftsminister Domingo Cavallo eingeführte Konvertibilität des Peso zum Dollar die Hyperinflation auslöschte.

Die Kosten waren ein beispielloser Produktionsstillstand, steigende Arbeitslosigkeit und die Schließung Tausender kleiner Unternehmen, vor allem in den Provinzen. Das System funktionierte wie heute, solange die Wirtschaft Dollar erhielt – damals durch die Privatisierung Dutzender öffentlicher Unternehmen und durch Schulden. Als der Zufluß versiegte, wurde der Wechselkurs unerträglich, und im Dezember 2001 explodierte alles mit der Corralito-Krise und der Erklärung eines monumentalen Zahlungsausfalls.

Niemand denkt an diese dunklen Jahre,“

– oh doch.
Das Gespenst eines neuerlichen Bankrottes brachte überhaupt die Leute so weit, den Mileischen Versprechungen zu glauben und die Kettensäge gut zu finden.

„doch alle warnen Milei, daß die Dinge nicht so gut laufen, wie er gerne darstellt. Die Wahlen in Buenos Aires waren ein unerwarteter Schlag ins Gesicht der Casa Rosada, ein plötzliches Erwachen aus dem Tagtraum eines Präsidenten, der an die »Mächte des Himmels« appelliert, um einen seiner Ansicht nach göttlichen Kreuzzug gegen »Sozialismus«, »Kaste« und »Kirchnerismus« durchzuführen, die seiner Ansicht nach Quelle allen Übels der Welt sind.

Die Wahlurnen zeigten eine Momentaufnahme der Krise, die auf die Anpassung folgte, insbesondere in der Provinz Buenos Aires, wo 40 % der Landesbevölkerung leben.

Eduardo Donza, Forscher an der Beobachtungsstelle für private Verschuldung der UCA (Argentinische Katholische Universität), bestätigt, daß das von Milei geforderte Opfer vor allem die Mittelschicht getroffen hat. Einige übliche Ausgaben dieser sozialen Schicht, wie etwa die Gebühren für Privatschulen und Krankenversicherungen (in Argentinien als Prepaid-Versicherungen bekannt), sind deutlich über den Verbraucherpreisindex gestiegen. Familien sind daher gezwungen, den Gürtel enger zu schnallen oder auf diese privaten Leistungen zu verzichten.
Den Familien fehlt es an Geld, weil die Einkommen nicht im gleichen Maße gestiegen sind, um diese Ausgaben zu decken, ebenso wie die Ausgaben, die durch den Wegfall der Subventionen für Strom, Gas, Wasser und Transport entstehen, die während der Kirchner-Regierungen gewährt wurden.“

Der Wähler ist ein seltsames Wesen: Milei versprach: Schluß mit den Subventionen! – und viele schrieen Jaaaa! – und wählten ihn.
Dachten sie, daß sie auf einmal zu Geld kommen und diese Subventionen nicht mehr brauchen würden?

„In einigen Sektoren haben sich die Gehälter an die Inflation angepaßt; in anderen blieben sie weit zurück, wie im Fall der öffentlichen Angestellten.
Bekleidungs- und Schuhfabriken, der Einzelhandel und das Baugewerbe haben aufgrund des Konsumrückgangs, der Öffnung des Imports und des Online-Handels sowie des vollständigen Stopps öffentlicher Arbeiten Arbeitsplätze verloren. Seit Milei an die Macht kam, sind im Baugewerbe 73.415 und in der Industrie 42.870 Stellen verloren gegangen, wie aus offiziellen Angaben hervorgeht.

»Die Mittelschicht, die mehr konsumieren könnte, gibt einen großen Teil ihrer Ausgaben für diese erhöhten Dienstleistungen oder das Schulgeld ihrer Kinder aus, sodaß ihnen weniger Geld zur Verfügung steht als zuvor. Und das geht zu Lasten der Beschäftigung, die zunehmend prekärer wird«, betont Donza. »Historisch gesehen ist die Prekarität das größte Problem auf dem argentinischen Arbeitsmarkt, nicht die Arbeitslosigkeit. Denn wer keine formelle Beschäftigung hat, muß einen Weg finden, selbstständig zu arbeiten. Wir beobachten Prekarität und eine Zunahme von Mehrfachbeschäftigungen, insbesondere bei Menschen, die gute Jobs hatten, deren Einkommen aber deutlich gesunken ist, zum Beispiel bei öffentlichen Angestellten, die nach einer anderen Stelle suchen, oder bei Rentnern mit relativ geringem Einkommen«, fügt er hinzu.

Seit Mileis Amtsantritt sind im privaten Sektor 98.763 Arbeitsplätze verloren gegangen

Die schwächsten Sektoren blieben dank der Ausweitung der staatlichen Hilfsprogramme teilweise von der Anpassung verschont.“

Das sind eben die Ersatzprogramme für die gestrichenen Subventionen und man fragt sich, ob hier wirklich weniger Geld ausgegeben wurde?

„Der Erhalt des Sozialversicherungssystems und die Verlangsamung der Inflation trugen dazu bei, bis Ende 2024 im Vergleich zum Vorjahr 1,5 Millionen Menschen aus der Armut zu befreien.“

Bei dieser gefeierten „Befreiung“ – eine trostlose Phrase – muß man nachfragen, was dort eigentlich als „Armut“ definiert wird?

„Die aktuelle Quote von 38,1 % spiegelt jedoch immer noch die sozioökonomische Verschlechterung Argentiniens nach wiederkehrenden Wirtschaftskrisen wider. »In Argentinien gibt es einen hohen Anteil struktureller Armut, der nur schwer zu reduzieren ist. Es handelt sich bereits um die dritte Generation, d. h. um Menschen, die in Haushalten geboren wurden, in denen ihre Eltern bereits arm waren und mit sehr ernsten Problemen zu kämpfen haben«, erklärt die Forscherin.

Wahlen

Milei richtet seinen Blick nun auf die nationalen Zwischenwahlen am 26. Oktober. Seine Partei, La Libertad Avanza, ist in beiden Kammern des Kongresses in der Minderheit und muß zusätzliche Abgeordnete gewinnen, um die von ihr vorgeschlagenen Strukturänderungen voranzutreiben.
Gleichzeitig beschwört sie die Gefahr einer Rückkehr zum Kirchnerismus und das Risiko wirtschaftlicher Katastrophen aller Art herauf, um Wählerstimmen zu gewinnen. Wenn die Wirtschaft ins Wanken gerate, so Dal Poggetto, liege das nicht daran, daß die Dinge schieflaufen, sondern daran, daß die Anleger das »Kuka-Risiko« fürchten, eine abwertende Bezeichnung für einen möglichen Wahlsieg der Kirchneristen.“

„Kuka“ – Kurzform von cucaracha, Küchenschabe – ist eine abfällige Bezeichnung für die Anhänger der Peronisten.
Mit dem „Kuka-Risiko“ wird der Teufel an die Wand gemalt, was passieren würde, falls wieder die Peronisten an die Macht kommen.
Es ist also eine Wortschöpfung für den internen Gebrauch, für die Parteienkonkurrenz.

„»Das Argument für die Beibehaltung des Modells lautet: Wenn der Populismus (= die Partei „Union por la Patria“ von Kirchner) nicht zurückkehrt, sinken die Länderrisiken und die Kreditvergabe kehrt zurück. Doch der Peronismus hat in der Provinz Buenos Aires gewonnen, und die Chancen, daß er auch die nationalen Wahlen gewinnt, sind hoch«, warnt Dal Poggetto.“

Cristina Fernández de Kirchner wurde zwar von der Ausübung aller Ämter ausgeschlossen, aber erstens hat die Partei auch andere Mitglieder und zweitens ist ein solches Gerichtsurteil im Falle eines Wahlsieges nicht in Stein gemeißelt.

„Es bleibt abzuwarten, ob eine weitere Wahlniederlage Mileis Vorhersagen erfüllen würde. Unterdessen erlebt die Regierung einige Versuche politischer Öffnung, um die zurückgelassenen politischen Verbündeten zurückzugewinnen. »Die Ideen der Freiheit werden Buenos Aires erobern«, wiederholte Milei im letzten Wahlkampf – und er lag falsch.
Letzte Woche kündigte der Präsident die Einrichtung eines »politischen Runden Tisches« und eines »föderalen Dialogs« an, um die Gouverneure zusammenzubringen, die seine Regierung zunächst unterstützten, ihm nun aber den Rücken gekehrt haben. Der Haushaltsentwurf, den er letzten Montag vorlegte, sieht mehr Mittel für die Provinzen und eine leichte Erhöhung der Mittel für öffentliche Universitäten sowie der Gesundheits- und Bildungsausgaben vor.
Milei wirkte deutlich gemäßigter: Er verzichtete auf Beleidigungen und vermied sogar seinen üblichen Schlachtruf »Lang lebe die Freiheit, verdammt noch mal!«, mit dem er seine Reden üblicherweise abschließt.

Es bleibt abzuwarten, ob der Schritt zur Mäßigung nicht zu spät kommt. Der Präsident hat nicht nur die Zuneigung der Gouverneure, der Verkörperung territorialer Macht, verloren, sondern auch die der Geldbesitzer.
Der desillusionierte Broker spricht von »Ermüdung« angesichts der Vorgehensweise von Milei und seinem Wirtschaftsteam. »Sie verhalten sich absolut arrogant. Wir wünschen uns ein professionelleres Management in Politik und Kommunikation, denn diese Arroganz bringt nichts. Einmal sehen, ob sie imstande sind, zu reagieren«, sagt er.
Am Montag nach der Wahl brachen die Anleihekurse ein, und die Aktien argentinischer Unternehmen fielen an der Wall Street um bis zu 20 %. Der Wechselkurs erreichte erstmals die Obergrenze von 1,475 Pesos, was die Zentralbank am Donnerstag zu Verkäufen im Wert von 54 Millionen Dollar zwang.

Wenn die Gewinne sinken, kommt es auf gute Manieren an.“

Da kommen die arschgefickten Mandrille nicht so gut an …

„Ausländische Investitionen tröpfeln lediglich

Die argentinische Öl- und Gasmesse, die größte Schau des Energiesektors des südamerikanischen Landes, schloß letzte Woche ihre jährliche Ausgabe mit der Teilnahme von mehr als 400 Unternehmen und rund 30.000 Besuchern ab. Diese Rekordzahlen unterstreichen die Attraktivität dieses Sektors und insbesondere seines Juwels, der gigantischen unkonventionellen Kohlenwasserstoff-Reserve Vaca Muerta im argentinischen Patagonien.

Dieses Interesse geht jedoch mit Vorsicht einher. Multinationale Konzerne beobachten die wachsenden Zweifel an Javier Mileis Regierungsfähigkeit sowie Argentiniens Probleme mit Finanzierung, Infrastruktur und anstehenden Reformen aufmerksam.
Infolgedessen zögern viele, Hunderte oder Milliarden Dollar in mittel- und langfristige Initiativen zu investieren. Einige haben sich sogar für den Verkauf an den Meistbietenden entschieden und das Land verlassen, wie beispielsweise das US-Unternehmen Exxon Mobile oder das spanische Unternehmen Telefónica.

Seit August 2024 hat Argentinien ein großzügiges 30-jähriges Steuer-, Wechselkurs-, Zoll- und Rechtsanreizsystem für Unternehmen eingeführt, die Projekte im Wert von über 200 Millionen US-Dollar einreichen (das sogenannte RIGI). Ein Jahr später wurden nur 7 Projekte genehmigt, mit einer Gesamtinvestition von 13,067 Milliarden US-Dollar (11 Milliarden Euro zum aktuellen Wechselkurs) und schätzungsweise 1.000 direkten Arbeitsplätzen.

Die wichtigste Initiative ist die schwimmende Erdgasverflüssigungsanlage (LNG), die vor der Küste der patagonischen Provinz Río Negro errichtet werden soll. Die bisher genehmigten Investitionen belaufen sich auf 6,878 Milliarden US-Dollar (5,8 Milliarden Euro) für die Installation von zwei Schiffen mit einer jährlichen Gesamtproduktionskapazität von 6 Millionen Tonnen Flüssigerdgas. Die gesamte Produktion ist laut Southern Energy, dem verantwortlichen Konsortium argentinischer Unternehmen, für den Export bestimmt.
Argentinien entschied sich für die schiffsbasierte Verflüssigung,

– die preisgünstiger und auch schneller einzurichten ist, aber auch geringere Mengen verarbeitet, siehe Krk in Kroatien –

„nachdem sich Malaysias Petronas von einem ehrgeizigen Projekt zurückgezogen hatte, das es mit dem staatlichen Ölkonzern YPF zum Bau einer Onshore-LNG-Anlage im Wert von über 30 Milliarden US-Dollar vereinbart hatte.

»Wir brauchen das RIGI, um solche Investitionen zu schützen, da sie sonst nicht getätigt würden. In anderen Ländern der Region ist es nicht notwendig«, erklärt Ernesto López Anadón, Direktor des Argentinischen Instituts für Öl und Gas, bei einem Treffen mit Journalisten. López Anadón räumte auch ein, daß Argentinien »viele Dinge reformieren muß, wenn es auf den internationalen Märkten wettbewerbsfähig sein will«.“

Das kostet jedoch Geld und das ist in Argentinien für den Schuldendienst gebunden.

„Reformen in der Warteschlange

Einige der Reformen, die Investoren seit Jahren fordern – wie eine Steuerreform und eine Arbeitsmarktreform – können nicht per Präsidialdekret umgesetzt werden, sondern erfordern langwierige Verhandlungen und die Suche nach einem Konsens im fragmentierten argentinischen Kongreß.
Javier Milei, der im vergangenen Jahr nur begrenzte politische Flexibilität gezeigt und sogar die Beziehungen zu einigen seiner Verbündeten abgebrochen hat,“

– man merkt an dieser ewigen Rererei um die „Verbündeten“, daß mindestens einer der beiden Autoren dieses Artikels sehr viel Sympathien für die Macri-Partie zu haben scheint, oder sogar Mitglied ist –

„hat keine Möglichkeit, diese Gesetze voranzutreiben. Sein Schicksal scheint von einem guten Ergebnis bei den Parlamentswahlen am 26. Oktober abhängig zu sein, bei denen beide Kammern teilweise neu besetzt werden.

Politik ist nur einer der Faktoren, die Investoren berücksichtigen. In ihren Präsentationen auf der Argentina Oil & Gas wiesen Führungskräfte von Kohlenwasserstoffunternehmen darauf hin, daß der Engpaß, der der Branche derzeit die größten Sorgen bereitet, die Finanzierung sei.
Die von Milei eingeführten hohen Zinsen haben den Zugang zu Krediten abrupt gestoppt, und auch externe Mittel fließen nicht.“

Mit einem Wort, die argentinischen Banken können keine Kredite vergeben und die ausländischen Banken wollen nicht – sie riskieren keine Kredite für argentinische Projekte.
Das liegt alles an dem Schuldenberg und nicht an Ungeschicklichkeit der Handhabung, wie die Autoren dieses Artikels suggerieren:

„Die argentinischen Unternehmen Tecpetrol und Pluspetrol kündigten an, eine Verbesserung der makroökonomischen Bedingungen abzuwarten, bevor sie ihre geplanten Investitionen beschleunigen.

Dieselbe Unsicherheit herrscht bei Bergbauunternehmen, einem der Sektoren, die in den kommenden Jahren voraussichtlich am stärksten wachsen werden. Der britisch-australische Riese Rio Tinto hat ein Projekt zur Investition von 2,724 Milliarden Dollar in der nördlichen Provinz Salta genehmigt, um jährlich bis zu 60.000 Tonnen Lithiumcarbonat zu produzieren; das australische Unternehmen Galan Lithium plant ein weiteres 217-Millionen-Dollar-Projekt zur Produktion von Lithiumchlorid in der benachbarten Provinz Catamarca.

Eines der zu lösenden Probleme ist die Infrastruktur für den Transport der Rohstoffe aus diesen Bergbauindustrien und die hohen Transportkosten in einem Land mit einem Straßennetz von fast 4.400 Kilometern von Nord nach Süd. Seit seinem Amtsantritt hat Milei öffentliche Bauarbeiten gestoppt, und die Straßen im ganzen Land leiden zunehmend. Lastwagen, die auf den Nationalstraßen unterwegs sind, die das Land mit den nördlichen Grenzen Boliviens, Paraguays und Brasiliens verbinden, müssen Schlaglöcher überwinden, die durch mangelnde Instandhaltung verursacht wurden, und die Provinzbehörden warnen vor einem steigenden Risiko von Verkehrsunfällen.

Von den 2.700 unvollendeten Projekten während der Amtszeit von Alberto Fernández sind 54 Prozent unter der aktuellen Regierung nicht vorangekommen. Früher oder später wird die Regierung sie wieder aufnehmen müssen, auch wenn dies den prekären Haushaltssaldo zusätzlich belastet.“

Müssen, ohne zu können, weil die Schulden müssen zuerst bedient werden.