Waldbrände und Privateigentum

RUSSLANDS HOLPRIGER WEG IN DIE MARKTWIRTSCHAFT
Die elementarste Form des Eigentums ist die an Grund und Boden, und es ist auch die, wo der Umstand, daß Eigentum gleich Ausschluß ist, am deutlichsten zum Ausdruck kommt: Betreten verboten!
In den ehemals sozialistischen Staaten ist die (Wieder-)Einrichtung des Privateigentums allen Regierungen seit der Wende oberstes Gebot. Es stellt sich aber heraus, daß das gar nicht so einfach ist. Also, es genügt nicht, Eigentum einfach zu verordnen und dann mit Polizei und Justiz darüber zu wachen, daß es auch von allen respektiert wird.
Am einfachsten war es noch, den Wohnraum zu zu privatisieren. Den Bewohnern irgendwelcher Plattenbauten und Hütten auf den Dörfern wurde gesagt: Ihr seid jetzt stolze Besitzer eurer Liegenschaften und könnt/müßt euch in Zukunft selbst darum kümmern, daß das Dach nicht undicht wird, Rohrbrüche behoben werden, usw. Dieses plötzliche Wohnungsbesitzerdasein hat einigen alleinstehenden älteren Leuten das Leben gekostet, die das Pech hatten, in zentralen Lagen in Moskau oder Petersburg zu wohnen. Aber immerhin, das Eigentum war hergestellt, und die Kosten für die Aufrechterhaltung der Bausubstanz war auf die neuen Eigentümer abgewälzt.
Etwas schwieriger war die Sache in den Kommunalkas, wo sich verschiedene Parteien ein Klo, eine Küche und ein Bad teilten, und daher nicht privatisiert werden konnten. Diese Wohnungen blieben weiterhin im Eigentum der Stadtverwaltungen und sind entsprechend verwahrlost.
Um die Landflucht zu stoppen, wurde in Moskau vor einigen Jahren die in den 90-er Jahren abgeschaffte „Propiska“ wieder eingeführt. Die Propiska, also das Recht, in Moskau zu wohnen, ist an den Besitz einer Wohnung geknüpft, was zum Ergebnis hat, daß ein guter Teil der Bewohner Moskaus illegal dort wohnt, was wiederum der Polizei Zusatzeinkünfte verschafft …
Aber alle diese kleinen Unstimmigkeiten auf dem Weg zur Marktwirtschaft sind nichts gegen die Schwierigkeiten, die sich bei der Überführung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen in Privateigentum ergeben. Diese Flächen haben nämlich sowohl volkswirtschaftliche als auch sicherheitstechnische Bedeutung.
In der Landwirtschaft ist eine Art Kompromiß gefunden worden, der alle wichtigen Subjekte zufriedenstellt, also Staat ebenso wie Unternehmer. Offiziell bleibt der Staat Eigentümer des Bodens. Die Kolchosen wurden in Genossenschaften umgewandelt, und wer sich angesichts der elenden Gehälter der dort beschäftigten Landarbeiter lieber als selbständiger Kleinbauer betätigen will, kann Land pachten – entweder von der Genossenschaft, oder vom Staat selbst.
Bei den Wäldern ist es so, daß sie erstens in der Nähe von Städten von Datscha-Siedlungen durchzogen sind. Diese Datschas konnte und wollte der Staat ihren Bewohnern nicht wegnehmen. Erstens hätte er nichts damit anfangen können. Zweitens stellte und stellt die Datscha für einen guten Teil der Stadtbevölkerug eine Überlebensquelle dar: Ingenieure, Lehrer und Kindergärtnerinnen pflanzen und ernten am Wochenende im Schweiße ihres Angesichts Obst, Kartoffeln, Tomaten und Gurken, um mit ihren elenden Gehältern irgendwie über die Runden zu kommen. Und drittens, laufen unter „Datscha“ auch die schmucken Villen im Grünen, die sich Mitglieder der politischen Klasse und die neuen Kapitalisten Russlands eben auch in den Wald gebaut hatten.
Das Forstgesetz von 1997 regelte mit Eigentum und Pacht irgendwie den Besitz und die Benutzung der Datschas. Der Großteil der Forste blieb jedoch weiterhin unter staatlicher Verwaltung. Die Forstverwalter waren Staatsbeamte. Sie kümmerten sich um Rodung, wirtschaftliche Nutzung, Handel mit Nutz- und Brennholz, Wiederaufforstung, und eben auch um die Brandbekämpfung.
Offenbar war dieser Zustand der Regierung Putin/Medwedjew jedoch nicht recht, im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung, und so trat 2007 ein neues Forstgesetz in Kraft. Darin wurden die Wälder in 3 Kategorien aufgeteilt: 2 Arten von Schutz- bzw. geschütztem Wald, und 3. derjenige Wald, der zur Bewirtschaftung freigegeben wird. (Militärische Einrichtungen und Sperrgebiete waren schon vorher der Heeresverwaltung unterstellt.) Die staatliche Forstverwaltung wurde aufgelöst und 70.000 Leute entlassen. Die Forste wurden – mit bestimmten Auflagen im Falle der Schutzwälder – an die Gemeinden übergeben, mit dem Auftrag, sich ab jetzt selber darum zu kümmern. Der Grundgedanke war wohl, daß die Lokalbehörden sich bemühen würden, Pächter oder Käufer zu finden, die diese Wälder profitabel bewirtschaften, oder sich selbst als Unternehmer betätigen würden.
Es trat also zunächst eine ziemliche Zersplitterung der Forstverwaltung ein, und obwohl manche der entlassenen Forstbeamten vielleicht wieder von einer oder der anderen Gemeinde angestellt wurden, ging eine Menge Sachkenntnis verloren, so auch in Fragen der Brandprävention und -bekämpfung. Waldbrände sind nämlich etwas völlig Übliches in Rußland, und zu ihrer Bekämpfung wurde zu Sowjetzeiten einiges unternommen. Die Flotte der Überwachungs- und Löschflugzeuge war zwar seit der Wende stark geschrumpft, und auch sonst lag einiges im Argen, aber die alten Methoden des Umgangs mit Waldbränden bewährten sich im Großen und Ganzen doch noch.
Die Gemeinden widmeten Forst in Bauland um, wenn sie zahlungskräftige Interessenten fanden. Mancherorts kam es auch zu einer halbwegs prosperierenden und profitträchtigen Forstbewirtschaftung. In vielen verelendeten und verödeten Landstrichen jedoch geschah gar nichts mehr: Die Gemeinden hatten kein Geld zur Bezahlung von Forstbeamten, durch abgelegene Lage war auch Holzhandel nicht profitabel.
Die Brandbekämpfung war nach einem Gesetz aus dem 90er Jahren Sache der Lokalbehörden, aber eben nur auf die Siedlungen bezogen, nicht auf den Wald. Mit dem Forstgesetz von 2007 wurde ihnen elegant und ohne zusätzliche Mittel auch der Brandschutz im Wald übertragen.
Es gab übrigens auch in den Jahren 2007-2009 großflächige Waldbrände, die allerdings nicht eine solche Medienwirksamkeit wie heuer erreichten, weil sie sich in entlegeneren Gebieten abspielten und die Hauptstadt nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Einmal sehen, was sich die russische Regierung jetzt einfallen lassen wird, um einerseits den Vormarsch des Privateigentums nicht zu be-, aber Vorkommnisse wie heuer zu verhindern. Ein schwieriger Spagat.

Ungarn und die Bankensteuer

WER DARF WEN BESTEUERN?

Ungarn will eine Bankensteuer einführen. Und sofort erhebt sich ein Sturm der Entrüstung: Dürfen die das überhaupt? Ein allgemein anerkanntes und auch in der EU im Prinzip nicht bestrittenes Hoheitsrecht wird auf einmal als Verstoß gegen die allgemein anerkannten guten Sitten gewertet und von allen Seiten gerügt.

1. Steuer
Steuern sind neben der Verschuldung die wichtigste Einnahmequelle des Staates. Die braucht er unbedingt, um sich seine vielen Ausgaben – Panzer, Polizisten, Professoren, und was es da sonst noch gibt (Ärzte, Lehrer usw.) leisten zu können.

Da haben sich Staaten in den letzten Jahren einiges überlegt. In Österreich (und den meisten EU-Ländern) wurde z.B. die Vermögenssteuer abgeschafft, um zu verhindern, daß die betuchten Mitglieder unserer Gesellschaft ihre Spargroschen in irgendwelchen Steuerparadiesen parken, anstatt es im Inland zu lassen und dort anzulegen.

Weiters gibt es die sogenannte Körperschaftssteuer, eine Steuer für Unternehmen, deren Handhabung sich, soweit sich das mir als unbeteiligtem Beobachter erschließt, immer lockerer gestaltet, je größer und gewinnträchtiger ein Unternehmen ist. Vor allem die großen internationalen Wuchtbrummen haben aller möglichen Rechtstitel, um sich dieser Steuer zu entziehen, durch Geltendmachen ausländischer Verluste im Inland, usw. Außerdem wird diese Steuer selten exekutiert oder durch Inkasso eingefordert, man kann sich also jahrelang Zeit lassen, um sie zu begleichen – solange das Unternehmen groß genug ist und gute Anwälte hat. Viele Unternehmen haben deshalb große Steuerrückstände.

Dann gibt es diverse Verbrauchssteuern – Getränke-, Umsatz-, Mineralölsteuer, usw. Die muß jeder zahlen, der etwas kauft. Von diversen Idealisten des Sozialstaats und einer imaginären Verteilungsgerechtigkeit werden sie gern als „unsozial“ bezeichnet, weil sie eben jeder ungeachtet seines Einkommens bei jedem Akt des Konsums blechen muß. Diese Steuern und deren Erhöhung sind dennoch immer bei den jeweils an der Macht befindlichen Politikern sehr beliebt, weil sie keine bestimmte Bevölkerungsgruppe gegen einen aufbringen und „sehr gerecht“ alle treffen, also keine Wählerstimmen kosten.

In Österreich wird derzeit die Erhöhung der Grundsteuer diskutiert. Mit der Grundsteuer wird einfach die Verfügung über irgendeine Immobilie mit einer Steuer belegt. Das trifft Fabriksbesitzer, deren Fabrik natürlich auch irgendwo steht, und Hausbesitzer, die aus Vermietung Einnahmen erzielen, sowie Grundbesitzer, die aus Pacht Einkommen haben genauso wie einfache Wohnungsbesitzer und Landwirte. Der Staat sagt: Wer sich Grundeigentum leisten kann, soll gefälligst dafür an uns was zahlen! Derzeit spießt sich die Idee bei uns an den Bauern, deren Einnahmen sich im Durchschnitt ständig verringern, bei gestiegenen Treibstoff- und Pachtzahlungen, und wo bei Erhöhung der Grundsteuer Existenzen auf dem Spiel stehen.

Und schließlich gibt es diejenige Steuer, die die meisten Leute im Auge haben, sobald die Rede vom „Steuerzahler“ ist: Die Einkommenssteuer. Bei Lohnabhängigen wird sie gleich an der Quelle abgezogen. Andere haben so gute Verdienste, daß sie sie vor der Steuer verstecken und in irgendwelche Steueroasen verschieben.


2. Ungarn, die Schulden und die Steuern

Ungarn war zur Zeit der Wende das sozialistische Land mit der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung. Die erste gewählte Regierung wurde gleich von Anfang vom IWF und diversen „Beratern“ mehr oder weniger gelenkt: Keine Subventionen, keine „unkontrollierte“ (also nicht vom IWF genehmigte) Geldausgabe, und möglichst alles und jedes besteuern, um solide Einnahmen zu haben! Auf diese Art und Weise wurde die ungarische Landwirtschaft und Industrie systematisch ruiniert, um Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen. Gleichzeitig jedoch verlangten die begehrten Investoren, die die ungarischen Regierungen ja unbedingt ins Land holen wollten, nicht nur billige und willige Arbeitskräfte und die Zerschlagung der Gewerkschaften, sondern auch Steuerfreiheit, zumindest für die ersten 5 Jahre, um sich überhaupt erst zur Ausbeutung von Land und Leuten zu bequemen. (Nach diesen 5 Jahren brechen die Multis meistens ihre Zelte ab, gehen in ein anderes Land und machen es dort genauso.)
Und so blieb die Steuerlast bei den Normalverbrauchern und ungarischen Kleinunternehmern hängen. Angesichts der niedrigen Löhne, des Kapitalmangels der einheimischen Unternehmen und der hohen Arbeitslosigkeit stellen die Steuern zwar für die von ihnen Betroffenen einen gewaltigen Abzug dar und lassen viele Unternehmen gar nicht erst zustandekommen, sie verschaffen aber der Staatskasse eher dürftige Einnahmen.

Ungarn war 2008 fast pleite und ist es im Grunde immer noch. Und da sagt die jetzige ungarische Regierung: Holen wir uns doch das Geld von denen, die es haben! – und es erhebt sich weltweit ein Geschrei. Besonders in Österreich, weil österreichische Banken besonders eifrig an der Aussaugung Ungarns beteiligt sind.

Auch hier ist für Spannung gesorgt: Ungarn besteht auf der Steuer, als einem Souveränitätsrecht. Die EU will prüfen, ob das nicht gegen EU-Recht verstößt. Es ist durchaus möglich, daß eine andere ähnlich bedrängte Regierung auch eine Bankensteuer ins Auge faßt.

Auf jeden Fall geht das Kräftemessen zwischen Regierungen und „Märkten“ um den Wert der Währungen und der Schulden damit in eine neue Runde.

Anläßlich der Wahlen in der Ukraine

PORTRAIT EINES OLIGARCHEN: RINAT ACHMETOV

Rinat Achmetov gilt als der eigentliche Königsmacher der Ukraine. Der Wahlsieg Janukovitschs geht zu einem großen Teil auf sein Konto. Während der Orangen Revolution wurde Justschenkos Wahlkampf mehr oder weniger von Boris Berezovski finanziert, und Justschenko konnte einen Etappensieg verbuchen. Achmetov stand auch damals auf der Seite Janukovitschs. Er hatte den längeren Atem. (Berezovsky hat seinen Schützling längst fallengelassen, weil der ihm nach seinem Wahlsieg gemeinerweise die triumphale Übersiedlung in die Ukraine verweigert hat.) Inzwischen hat sich also der einheimische gegen den auswärtigen Oligarchen durchgesetzt, in der Politik jedenfalls.

Wie kam der Sohn eines Bergarbeiters und Absolvent einer sowjetischen Wirtschaftsuni zu seinem Vermögen?

Zunächst einmal – Mitte der 90-er Jahre – gründete er, ähnlich wie andere der neuen Großunternehmer der ehemaligen SU, eine Bank.
(Hier erinnert man sich an Brechts Spruch aus der Dreigroschenoper: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank? “)
Damit verschaffte er sich Kredit und begann, Betriebe zu kaufen.

Man muß sich vor Augen führen, wie die Situation in der Ukraine damals war.

Nachdem Kravtschuk, Schuschkievitsch und Jelzin auf einer weißrussischen Datscha bei Konsum von einigen Flaschen Wodka beschlossen hatten, nach der Devise „small is beautiful“ die Zerschlagung der Sowjetunion einzuleiten, wurde die Ukraine 1991 unabhängig. Sie war gleichzeitig mehr oder weniger pleite. Zunächst ließ die Regierung 1992 im Ausland – auf Kredit selbstverständlich – hübsche Banknoten drucken. Die ukrainische Regierung verschuldete sich also schon einmal ordentlich, um sich ein nationales Geld zuzulegen. Die Kosten für den Druck der Hrivna bei zwei kanadischen Firmen sollen sich auf ca. 200 Millionen US-Dollar belaufen haben.
Dabei wäre das, wie sich herausstellte, gar nicht nötig gewesen. Die Hrivna wurde nämlich erst viereinhalb Jahre später in Umlauf gebracht. Bis dahin lagerten die Geldscheine in diversen Kellern von öffentlichen Gebäuden. Man wollte das gute Geld nämlich nicht durch eine schlechte Wirtschaft verderben.

Im Umlauf waren von 1992 bis 1996 die Kupony-Karbowanzy, die aus irgendeiner ukrainischen Druckerei stammten. Und ihren Dienst, die Menschen von den Waren fernzuhalten, sofern sie keinen Karbowanez in der Hand hatten, auch tadellos versahen.

Der Staat war der Eigentümer seiner gesamten Wirtschaft, für deren Produkte es auf einmal keine Absatzmärkte mehr gab, da die meisten von ihnen Ausland geworden und nach den neuen, plötzlich geltenden Prinzipien genauso zahlungsunfähig wie die Ukraine waren: Auch sie verfügten nur über nationales Geld vom Schlage der Karbowanzy und nicht über die im zwischenstaatlichen Zahlungsverkehr nötigen Devisen.
Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, diverse Experten und andere menschenfreundliche Institutionen nahmen das frische Mitglied der internationalen Staatenfamilie unter ihre Fittiche, kreditierten es, um diese Nationalökonomie vor dem völligen Kollaps zu bewahren, und erteilten ihre bewährten immergleichen Ratschläge: Nicht zu viel Geld drucken, um eine Inflation zu vermeiden, und möglichst rasch alles privatisieren. Und ja keine Erhöhungen von Löhnen und Gehältern!

Die Löhne und Gehälter vieler Ukrainer wurden nicht nur nicht erhöht, sie wurden oft jahrelang nicht gezahlt. Die Regierung durfte ja nicht so viel Geld drucken! Also woher nehmen? Und so arbeiteten ukrainische Professoren, Bergarbeiter, Ärzte und so weiter jahrelang mehr oder weniger gratis und versuchten sich mit Kleinhandel oder anderen Nebenerwerbstätigkeiten irgendwie über Wasser zu halten.
Hätten sie das nicht getan, wären sie nicht an ihrem Arbeitsplatz erschienen, wären sie nämlich laut Dienstvertrag sofort entlassen worden, ohne irgendwelche Ansprüche auf Wiedereinstellung, Abfertigung oder Arbeitslosenunterstützung. Dies war ein Erbe der sowjetischen Wirtschaftsordnung, in der Entlassung nicht vorgesehen war und man einen Arbeitsplatz auf Lebenszeit hatte. Lang ists her …

Alle Betriebe warteten also auf den rettenden Investor. Und er erschien, in Gestalt von Achmetov und seinen Geschäfts- und Bankpartnern. Da es in der Ukraine kein Kapital gab, so erschufen sie es durch Kredit, den sie sich über ihre neugründeten Banken gewährten.

Man sieht hier sofort, daß es tatsächlich nur den richtigen Unternehmergeist braucht (und natürlich die nötige staatliche Unterstützung für ein solches Unterfangen), und dann ist das lumpigste Geld auch gerade gut genug, um zum Schmiermittel einer frisch angeleierten Kapitalakkumulation zu werden. Durch die Erteilung der Bankkonzession hat auch der Staat grünes Licht zur Kreditschöpfung gegeben und klargestellt, daß er auf dem seiner Hoheit unterstehendem Territorium auf Kapitalakkumulation Wert legt und für die Gültigkeit der zu diesem Zweck geschöpften Kredite qua dieser seiner Hoheit als lender of last resort geradesteht.

Natürlich gab es in der Anfangsphase einige Schwierigkeiten für Achmetov, sich durchzusetzen. Da kam es ihm sicherlich zugute, daß er früher einmal eine Zeitlang professioneller Boxer gewesen war. Die Idee, eine Bank zu gründen, aus nichts Kredit zu schaffen und dann einkaufen zu gehen, hatten nämlich sicher auch andere. So wahnsinnig originell ist sie ja nicht, wie überhaupt der ganze in den Medien stets hochgerühmte Unternehmergeist, näher betrachtet, eine ziemlich eintönige Angelegenheit ist.
Aber es wäre kleinlich, ihm das vorzuwerfen, wie das heute manche seiner Neider tun. So etwas gehört zu einer Gründerphase dazu, da gibt es eben eine natürliche Auslese, in der sich der Weizen der zukünftigen Kapitalistenklasse von der Spreu derjenigen Möchtegern-Unternehmer trennt, die dann in irgendeinem Wald oder Straßengraben enden.

Nachdem Achmetov so zum Besitzer einiger großer metallurgischer Kombinate und anderer Unternehmen geworden war und daran arbeitete, sie profitabel zu machen, legte er sich eine Fußballmannschaft zu, die seiner Heimatstadt: Schachtjor Donetsk.

Weil diese Affinität neureicher Unternehmer zu Fußballmannschaften oft als Spleen belächelt wird, ist es einmal angebracht, darauf hinzuweisen, daß der Besitz einer solchen Mannschaft zunächst eine ausgezeichnete Geldwaschmaschine ist, und nicht nur in der Ukraine, sondern weltweit. Die Ausgaben für Transferkosten, Spielergehälter, Sozialversicherung, Stadionbauten usw. sind ebenso gewaltig wie manipulierbar. Ebenso die Einnahmen von Sponsoren, Übertragungsrechten, Prämien und was es da noch so gibt. Da ist viel Platz, um Summen hineinzustecken und wieder herauszuziehen, die man woanders verdient hat und weder den Steuerbehörden noch der Justiz unter die Nase halten will.
Außerdem schafft einem das Sponsoring und der Betrieb von so einem Fußballteam viele Sympathien und eröffnet einem gute Beziehungen, auf die man als Unternehmer immer angewiesen ist. Wer liebt nicht den Fußball?! Und das Herz jedes Patrioten schlägt höher, wenn die eigenen Burschen sich im internationalen Wettbewerb bewähren. Das läßt die Armen im Land ihre leeren Speisekammern vergessen, und schwellt den glücklichen neuen Reichen die Brust, nicht nur Geldfürsten und einflußreiche Leute zu sein, sondern auch einen Stolz auf ihr Heimatland zu entwickeln.
Und die Fußball-Anhängerschaft schafft auch das nötige Wähler-Klientel, wenn man seine bevorzugten Politiker ins Parlament und die Regierung hieven will.

Schließlich sieht man auch, wie heute das Proletariat weltweit bei der Stange gehalten wird: Von „panem et circenses“, mit denen die alten Römer ihre Besitzlosen zum Mitmachen brachten, ist nur letzteres übriggeblieben. Das moderne Proletariat ist bescheidener als seine antiken Namensgeber.

Bei der Geldwäsche und den illegalen Geschäften, für die sie nötig ist, muß man nicht immer an das Schlimmste denken, also an den im Zusammenhang mit postsozialistischen Staaten immer wieder beschworenen Menschen-, Waffen- oder Drogenhandel. Nein, auch Produzenten von ganz biederen Gebrauchsgegenständen, wie Schuhen oder Autoreifen, oder womöglich Lebensmitteln haben oft die größten Absatzschwierigkeiten, wegen mangelnder Zahlungsfähigkeit des p.t. Zielpublikums.
Ein Unternehmer in der Ukraine hat Unkosten, die z.B. ein österreichischer nicht kennt, und steht wegen seiner Staatszugehörigkeit immer schon mit einem Fuß im Kriminal.

Die oben erwähnten menschenfreundlichen Institutionen wie IWF usw. wollen zwar unbedingt, daß in der Ukraine Marktwirtschaft herrscht und ja nichts produziert wird, wo nicht am Ende Geschäft und Gewinn dabei herausschauen. Gleichzeitig werden aber viele Türen verschlossen, die dazu beitragen könnten, daß das Unternehmertum in der Ukraine vorankommt: Gerade diejenigen Staaten, die über „richtiges“, also Weltgeld verfügen, auf deren Märkte also jeder Unternehmer drängt, schützen ihren Markt und ihre Produktion durch Zölle und Quotenregelungen und verweisen die neuen Kapitalisten auf ihren inneren Markt und auf die genauso schwachbrüstigen Märkte ihrer ehemaligen Bruderländer.

Will also so jemand wie Achmetov irgendeines seiner Produkte in die EU verscheppern, so muß er zu Methoden greifen, für die das altertümliche Wort Schmuggel mit all seiner Romantik schon etwas überholt wirkt. Da müssen Ursprungszertifikate gefälscht, Partnerstaaten – meist auf dem Balkan – eingeschaltet werden, dann muß man noch irgendwo Zöllner bestechen – jede Menge Unkosten also, die aber nicht in der Bilanz aufscheinen dürfen, und nicht zum Abschreiben von der Steuer taugen. Und ist die Ware dann irgendwo „drüben“ glücklich an den Mann gebracht – wie weiter? Diesen Gewinn kann man ja auch wieder nicht durch die Bücher gehen lassen, und will ihn ja auch gar nicht versteuern. Die exportierte Ware muß aber doch irgendwo deklariert werden … Also muß man wieder was fälschen, usw.

Und da ist so ein Fußballklub der ideale Filter, durch den alle Tätigkeiten, die den Blick der Behörden scheuen müssen, durchgedrückt werden können.

Der Sieg Janukovitschs über Timoschenko wird von westlichen Medien aus politischen Gründen als problematisch besprochen – zuviel Nähe zu Moskau, „unserer“ Einfluß ist gefährdet, usw. Das sind aber innerimperialistische Konkurrenzgedanken. Ökonomische Bedenken, wie es sie noch in den 90-er Jahren gab, ob die Enttäuschung über die Auswirkungen der Marktwirtschaft womöglich jemanden Falschen an die Macht bringen würde und ein Liebäugeln mit „sozialistischen“ Experimenten als Folge zeitigen können, sind heute längst vom Tisch.

Dafür sorgen politische Paten wie Achmetov. Sie garantieren, daß in der Ukraine weiterhin alle Prinzipien des Kapitalismus in Kraft sind, auch wenn die Erfolge in der nationalen Bilanz eher spärlich ausfallen.