DIE ROLLE DES RENMINBI
China wird seit geraumer Zeit von den USA, aber inzwischen auch Deutschland und anderen EU-Staaten damit sekkiert, doch endlich seine Währung, den Renminbi, aufzuwerten.
Warum dieses Begehr, und die seltsame Form, es anzumelden? Beides ist in der Welt des Imperialismus unüblich.
Normalerweise erledigen Auf- und Abwertungen von Währungen die „Märkte“: Die Geldhändler kaufen oder verkaufen größere Mengen eines nationalen Geldes am Devisenmarkt, und dadurch steigt oder fällt eine Währung gegenüber den restlichen Geldern. Diesen Verkäufen liegen meistens Ver- oder Mißtrauensanträge zugrunde, eine Währung wird für zu leicht befunden, weil es mit der Wirtschaft eines Landes schlecht ausschaut; oder diesem Land werden Reichtumsquellen und Wachstumspotential beschieden.
Das geht beim Renminbi nicht. Die Führung Chinas hat ihr Geld nämlich nie zu einer Handelsware werden lassen: Kauf und Verkauf des Renminbi sind streng geregelt, und meistens an nachweisbare Geschäftstätigkeit geknüpft. Chinesische Aktien kann man nur mit Renminbi kaufen, oder vermittelt über irgendwelche Fonds, mit denen vorsichtig ausländisches Finanzkapital an Land gezogen werden soll. Der Renminbi ist an den Dollar gebunden. Der Kurs, zu dem der Renminbi eingewechselt wird, wurde von der chinesischen Führung festgelegt und wird von der chinesischen Zentralbank durch Devisenkäufe und -verkäufe stabil gehalten.
So eine souveräne Währungspolitik – erstens, wir setzen den Kurs fest, zweitens, wir halten ihn auch – muß sich ein Land erst einmal leisten können. Sonst sind für solche Währungsbindungen höchst schwierige Verhandlungen mit dem IWF notwendig, der dem betreffenden Land dann dafür entsprechend harte Bedingungen auferlegt. (Es sei z.B. an das Currency Board Argentiniens erinnert, das dieses Land im Laufe der Zeit ziemlich ruiniert hat.)
Diese Währungssouveränit weiß die internationale Geschäftswelt zwar zu schätzen – Stabilität! – und investiert gerne in China, einigen imperialistischen Staaten stößt sie aber sauer auf. Der Renminbi sei „unterbewertet“, so heißt es in den USA schon länger, und in Europa ist man inzwischen auch auf diese Linie eingeschwenkt. Der Renminbi ist zwar insofern nicht unterbewertet, als er aufgrund seiner fixen Bindung überhaupt nicht bewertet ist. Aber dieser fixe Wechselkurs stört überhaupt, und verschiedene Staatenlenker meinen, China sollte doch seine Währung aufwerten, um an Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt zu verlieren, oder den Renminbi am besten überhaupt gleich freigeben.
Nur: Erzwingen läßt sich eine solche Maßnahme nicht, und alle Druckmittel, mit denen ebendiese Staaten drohen, sind eine zweischneidige Sache: Wenn die USA protektionistische Maßnahmen ankündigen, so gefährden sie damit auch ihre Position als Schuldner Chinas, das der wichtigste Käufer amerikanischer Staatsschuldverschreibungen ist. Sie setzen also ihre eigene Verschuldungsfähigkeit aufs Spiel. Und für Europa ist China als Handelspartner viel zu wichtig, um mit diesem Land einen Zoll- und Handelskrieg zu riskieren.
Jetzt hat China seine Währung doch leicht aufgewertet. Das wird zwar in den Medien so besprochen, als hätte China – endlich! – dem Druck seiner Konkurrenten nachgegeben. Das kann aber aus den obigen Gründen nicht sein, weil das Gejammer „Der Renminbi ist zu niedrig!“ gar nicht von Druck begleitet wird.
Was für eigene Gründe haben also die chinesischen Macher dafür? Ganz einfach: Sie liebäugeln damit, ihre Währung von einem wirtschaftlichen Steuerinstrument zu einer Weltwährung aufzupäppeln, in Konkurrenz zu $ und Euro. Dafür ist es allerdings unabdinglich, sie der Konkurrenz der Märkte auszusetzen, sie also freizugeben. Und für diesen Tag X soll sie möglichst gestärkt werden.
Wann es dann so weit ist, das behalten sich die chinesischen Politiker allerdings vor. Das ist natürlich wieder ein Ärgernis für die imperialistische Staatenwelt, die sehen, daß China weiterhin nach oben will und noch gar nicht alle seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat.
Kategorie: Die Marktwirtschaft und ihre Unkosten
Kapitalistischer Schmutz
DAMMBRUCH IN UNGARN
In Ungarn ist ein Damm gebrochen, und eine Welle Giftschlamm hat 2 Dörfer verwüstet. Ein paar Leute sind dabei draufgegangen, und ein Haufen weiterer liegt mit Verätzungen im Krankenhaus.
Soweit die Tatsachen.
Wäre das in Indien passiert oder in Brasilien, so hätte das ganze ein paar Zeilen in diversen Medien gefüllt. Aber hier, direkt vor der Haustür der zivilisierten Welt und in einem EU-Land, das ist doch etwas beunruhigend. Umso mehr, als die Sache keineswegs durchgestanden ist und man beiläufig erfährt, dass noch jede weitere Menge von dem Zeug herumliegt und auch jederzeit auslaufen kann, während noch gar nicht klar ist, welcher Schaden über die Toten und Verletzten hinaus noch entstanden ist oder entstehen wird.
Es ist jedoch auffällig, wie sehr in den europäischen Medien Zurückhaltung bezüglich der Ursachen bzw. der in solchen Fällen gemeinhin üblichen Suche nach Verantwortlichen herrscht. Auch die ungarische Regierung selbst wiegelt ab: Die aluminiumverarbeitende Firma in Ajka, die diesen Giftmüll erzeugt und lagert, dürfe nicht zu sehr drangsalisiert werden. Immerhin stehen 3000 Arbeitsplätze auf dem Spiel! Die Verantwortlichen hätten, so liest man, alle Sicherheitsvorkehrungen beachtet, aber starke Regenfälle hätten sozusagen als „übernatürliche Gewalt” gewirkt und den Dammbruch verursacht. Die Firma sei ohnehin höchst kooperativ. Zur Entschädigung der Opfer und Beseitigung der Umweltschäden wird von der Regierung ein nationaler Katastrophenfonds ins Leben gerufen, was das implizite Eingeständnis dessen ist, dass dergleichen wieder passieren kann.
Und die Firma hat wahrscheinlich tatsächlich alle Bestimmungen eingehalten. Allerdings sind die so beschaffen, dass von „Sicherheitsvorkehrungen“ eigentlich nicht die Rede sein kann.
Die neueren EU-Mitgliedsstaaten sind nach dem Ende des Sozialismus auf dem Weltmarkt nicht nur als Billiglohnländer aufgetreten, haben also alles getan, um die auf ihrem Territorium vorfindliche Arbeitskraft morglichst billig anzubieten und gleichzeitig auch noch dahingehend zu disziplinieren, dass ein Arbeitsplatz in einer Firma kein sozialistisches Grundrecht mehr ist, sondern ein aussergewöhnliches Privileg darstellt, das kein Recht zu irgendwelchen Forderungen gibt.
Darüberhinaus haben ihre Politiker im Rahmen ihrer Standortpolitik auch noch anderes unternommen, um ihr nationales Territorium für ausländisches (und inzwischen durchaus auch inländisches) Kapital attraktiv zu machen. Dazu gehört, dass die geschätzten Investoren möglichst von lästigen Umweltauflagen befreit werden, die viele von ihnen aus den Heimatländern des Kapitals vertreiben. Ihr müsst nicht bis Pakistan, Indien oder China gehen, werte Leute, so dienten sich osteuropäische Politiker aller Länder an, auch bei uns kann man jede Menge Dreck machen und billig in die Umwelt entsorgen.
Die Komplizenschaft der EU-Behörden mit dergleichen Praktiken ist ebenfalls sehr augenfällig. Es ist den „alten“ EU-Staaten ja durchaus recht, dass verschiedene Dreckschleudern aus ihren Ländern ins nähere Ausland abwandern und dort ihr Unwesen treiben – der Dreck bleibt im Produktionsland, der Gewinn bei der einheimischen Firma. Und die „Intergration der EU“ kommt voran. So ist auffällig, dass bisher keine Schreie aus Brüssel ertönen, Ungarn möge seine Umweltauflagen verschärfen, damit so etwas nicht mehr vorkommt.
Um so mehr, als die anfallenden Umweltschäden in Ungarn geschehen, bzw., ähnlich wie bei dem Dammbruch der Firma Aurul in Rumänien vor 10 Jahren, darüberhinaus nur Rumarnien, Serbien, Bulgarien schädigen und „uns“ eigentlich nicht betreffen. In diesem Zusammenhang ist auch bezeichnend, dass Greenpeace zwar gleich vor Ort war und sich im die Schadensfeststellung bemüht hat, die ungarischen Behörden eher etwas lax vorgegangen sind und die internationale Beteiligung auch recht zurückhaltend war.
Die übliche demokratische Schuldsuche wird dennoch auch beibehalten: „Ungeheure Schäden sind entstanden, Menschenleben gingen verloren, die Lebenschancen einer Gegend gingen verloren. Dafür muss jemand verantwortlich sein“ – deklariert der ungarische Regierungschef.
Irgendein Lagerarbeiter oder Nachtwächter wird sich schon finden, der im falschen Augenblick blau gemacht hat.
Waldbrände und Privateigentum
RUSSLANDS HOLPRIGER WEG IN DIE MARKTWIRTSCHAFT
Die elementarste Form des Eigentums ist die an Grund und Boden, und es ist auch die, wo der Umstand, daß Eigentum gleich Ausschluß ist, am deutlichsten zum Ausdruck kommt: Betreten verboten!
In den ehemals sozialistischen Staaten ist die (Wieder-)Einrichtung des Privateigentums allen Regierungen seit der Wende oberstes Gebot. Es stellt sich aber heraus, daß das gar nicht so einfach ist. Also, es genügt nicht, Eigentum einfach zu verordnen und dann mit Polizei und Justiz darüber zu wachen, daß es auch von allen respektiert wird.
Am einfachsten war es noch, den Wohnraum zu zu privatisieren. Den Bewohnern irgendwelcher Plattenbauten und Hütten auf den Dörfern wurde gesagt: Ihr seid jetzt stolze Besitzer eurer Liegenschaften und könnt/müßt euch in Zukunft selbst darum kümmern, daß das Dach nicht undicht wird, Rohrbrüche behoben werden, usw. Dieses plötzliche Wohnungsbesitzerdasein hat einigen alleinstehenden älteren Leuten das Leben gekostet, die das Pech hatten, in zentralen Lagen in Moskau oder Petersburg zu wohnen. Aber immerhin, das Eigentum war hergestellt, und die Kosten für die Aufrechterhaltung der Bausubstanz war auf die neuen Eigentümer abgewälzt.
Etwas schwieriger war die Sache in den Kommunalkas, wo sich verschiedene Parteien ein Klo, eine Küche und ein Bad teilten, und daher nicht privatisiert werden konnten. Diese Wohnungen blieben weiterhin im Eigentum der Stadtverwaltungen und sind entsprechend verwahrlost.
Um die Landflucht zu stoppen, wurde in Moskau vor einigen Jahren die in den 90-er Jahren abgeschaffte „Propiska“ wieder eingeführt. Die Propiska, also das Recht, in Moskau zu wohnen, ist an den Besitz einer Wohnung geknüpft, was zum Ergebnis hat, daß ein guter Teil der Bewohner Moskaus illegal dort wohnt, was wiederum der Polizei Zusatzeinkünfte verschafft …
Aber alle diese kleinen Unstimmigkeiten auf dem Weg zur Marktwirtschaft sind nichts gegen die Schwierigkeiten, die sich bei der Überführung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen in Privateigentum ergeben. Diese Flächen haben nämlich sowohl volkswirtschaftliche als auch sicherheitstechnische Bedeutung.
In der Landwirtschaft ist eine Art Kompromiß gefunden worden, der alle wichtigen Subjekte zufriedenstellt, also Staat ebenso wie Unternehmer. Offiziell bleibt der Staat Eigentümer des Bodens. Die Kolchosen wurden in Genossenschaften umgewandelt, und wer sich angesichts der elenden Gehälter der dort beschäftigten Landarbeiter lieber als selbständiger Kleinbauer betätigen will, kann Land pachten – entweder von der Genossenschaft, oder vom Staat selbst.
Bei den Wäldern ist es so, daß sie erstens in der Nähe von Städten von Datscha-Siedlungen durchzogen sind. Diese Datschas konnte und wollte der Staat ihren Bewohnern nicht wegnehmen. Erstens hätte er nichts damit anfangen können. Zweitens stellte und stellt die Datscha für einen guten Teil der Stadtbevölkerug eine Überlebensquelle dar: Ingenieure, Lehrer und Kindergärtnerinnen pflanzen und ernten am Wochenende im Schweiße ihres Angesichts Obst, Kartoffeln, Tomaten und Gurken, um mit ihren elenden Gehältern irgendwie über die Runden zu kommen. Und drittens, laufen unter „Datscha“ auch die schmucken Villen im Grünen, die sich Mitglieder der politischen Klasse und die neuen Kapitalisten Russlands eben auch in den Wald gebaut hatten.
Das Forstgesetz von 1997 regelte mit Eigentum und Pacht irgendwie den Besitz und die Benutzung der Datschas. Der Großteil der Forste blieb jedoch weiterhin unter staatlicher Verwaltung. Die Forstverwalter waren Staatsbeamte. Sie kümmerten sich um Rodung, wirtschaftliche Nutzung, Handel mit Nutz- und Brennholz, Wiederaufforstung, und eben auch um die Brandbekämpfung.
Offenbar war dieser Zustand der Regierung Putin/Medwedjew jedoch nicht recht, im Sinne einer Kosten-Nutzen-Rechnung, und so trat 2007 ein neues Forstgesetz in Kraft. Darin wurden die Wälder in 3 Kategorien aufgeteilt: 2 Arten von Schutz- bzw. geschütztem Wald, und 3. derjenige Wald, der zur Bewirtschaftung freigegeben wird. (Militärische Einrichtungen und Sperrgebiete waren schon vorher der Heeresverwaltung unterstellt.) Die staatliche Forstverwaltung wurde aufgelöst und 70.000 Leute entlassen. Die Forste wurden – mit bestimmten Auflagen im Falle der Schutzwälder – an die Gemeinden übergeben, mit dem Auftrag, sich ab jetzt selber darum zu kümmern. Der Grundgedanke war wohl, daß die Lokalbehörden sich bemühen würden, Pächter oder Käufer zu finden, die diese Wälder profitabel bewirtschaften, oder sich selbst als Unternehmer betätigen würden.
Es trat also zunächst eine ziemliche Zersplitterung der Forstverwaltung ein, und obwohl manche der entlassenen Forstbeamten vielleicht wieder von einer oder der anderen Gemeinde angestellt wurden, ging eine Menge Sachkenntnis verloren, so auch in Fragen der Brandprävention und -bekämpfung. Waldbrände sind nämlich etwas völlig Übliches in Rußland, und zu ihrer Bekämpfung wurde zu Sowjetzeiten einiges unternommen. Die Flotte der Überwachungs- und Löschflugzeuge war zwar seit der Wende stark geschrumpft, und auch sonst lag einiges im Argen, aber die alten Methoden des Umgangs mit Waldbränden bewährten sich im Großen und Ganzen doch noch.
Die Gemeinden widmeten Forst in Bauland um, wenn sie zahlungskräftige Interessenten fanden. Mancherorts kam es auch zu einer halbwegs prosperierenden und profitträchtigen Forstbewirtschaftung. In vielen verelendeten und verödeten Landstrichen jedoch geschah gar nichts mehr: Die Gemeinden hatten kein Geld zur Bezahlung von Forstbeamten, durch abgelegene Lage war auch Holzhandel nicht profitabel.
Die Brandbekämpfung war nach einem Gesetz aus dem 90er Jahren Sache der Lokalbehörden, aber eben nur auf die Siedlungen bezogen, nicht auf den Wald. Mit dem Forstgesetz von 2007 wurde ihnen elegant und ohne zusätzliche Mittel auch der Brandschutz im Wald übertragen.
Es gab übrigens auch in den Jahren 2007-2009 großflächige Waldbrände, die allerdings nicht eine solche Medienwirksamkeit wie heuer erreichten, weil sie sich in entlegeneren Gebieten abspielten und die Hauptstadt nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde.
Einmal sehen, was sich die russische Regierung jetzt einfallen lassen wird, um einerseits den Vormarsch des Privateigentums nicht zu be-, aber Vorkommnisse wie heuer zu verhindern. Ein schwieriger Spagat.