Pressespiegel EL País, 4.2.: Energielieferungen aus Rußland

ZWEI JAHRE NACH DER INVASION FLIESSEN NOCH IMMER RUSSISCHES GAS UND ÖL UNTER UKRAINISCHEM BODEN

Moskau nutzt die Ukraine weiterhin, um Treibstoff an die EU zu verkaufen, die den Gaspipeline-Vertrag zum Jahresende auslaufen lassen will. Der Vertrag für das Öl läuft bis 2030

Es ist ein grausames Paradox der Realpolitik. Die Ukraine transportiert weiterhin russisches Gas und Öl über die ukrainische Transitgaspipeline und die Druschba-Ölpipeline in die EU. Während Rußland täglich seine Städte bombardiert und ein Fünftel seines Territoriums besetzt, zirkulieren weiterhin Gas und Rohöl aus Sibirien, dem Kaspischen Meer und dem Ural durch ein überfallenes Land auf dem Weg in die EU.

Zum Jahresende läuft der 2019 zwischen den russischen und ukrainischen Staatsunternehmen Gazprom und Naftogaz unterzeichnete Vertrag über den Gastransport aus.
Es waren andere Zeiten: Das Verhältnis zwischen Moskau und Kiew war angespannt – das war es seit der (…) Annexion der Krim durch Rußland im Jahr 2014 –, aber es gab immer noch Kommunikationskanäle.“

Nicht nur „Kommunitionkanäle“, sondern vor allem Interessen. Die Ukraine braucht erstens das russische Öl und Gas selbst, um ihre Rest-Industrie und den Rest des Landes am Laufen zu halten, und zweitens waren die Transitgebühren, die sowohl Rußland als auch die Empfängerländer in die ukrainische Staatskasse einzahlten, ein wichtiger Posten im ukrainischen Budget.
Die inzwischen ziemlich abgehalfterte einstige Liebfrau des Westens, Julia Timoschenko, machte einen guten Teil ihres Vermögens und ihre politische Karriere über dunkle Gastransit-Geschäfte.

„Heute, angesichts der russischen Invasion, hat die ukrainische Regierung nicht die Absicht, das Abkommen zu verlängern.“

Die Frage ist, woher sie dann selbst die Energie beziehen will? Und die Transitgebühren ersetzen will, – vielleicht durch westliche Geldgeschenke?

„Aber es öffnet anderen europäischen Betreibern die Tür, sich direkt mit Rußland über die Nutzung ihrer Infrastruktur zu einigen.“

Sieh da, sieh da.
Transitland will die Ukraine weiter bleiben, und jetzt die westlichen Staaten seine Gas- und Ölrechnungen bezahlen lassen, sofern sie weiter auf russische Energieträger Wert legen.
Damit bringen Rußland und die Ukraine ihre westlichen Partner/Gegner in eine wirklich heikle Lage: Man muß trotz allem Sanktionsgetöse neue Verträge machen, um den Kollaps der eigenen und ukrainischen Wirtschaft zu verhindern – alles unter medialem Getöse wegen „Blutgeld“ usw.

„Die Anomalie könnte über den 31. Dezember hinaus andauern, obwohl Brüssel bereits mehr oder weniger verschleierte Signale aussendet, daß seine erste Absicht darin besteht, den Gasempfang über diese Route einzustellen, auch wenn das bedeutet, das Kopfzerbrechen mehrerer Mitgliedsstaaten weiter zu verstärken.“

Was da so komisch ausgedrückt wird: Brüssel würde den Gasbezug gerne verbieten, kann es aber aus verschiedenen Gründen nicht.
Das angesichts der Tatsache, daß z.B. Spanien 2023 eine Rekordmenge an russischem Flüssiggas bezogen hat.
Denn:

„Was die Gaslieferungen betrifft: Ungarn, die Tschechische Republik, die Slowakei, Österreich und sogar Italien – die drittgrößte Volkswirtschaft des Euro – sind weiterhin auf russisches Gas und Öl angewiesen, das über die Ukraine ankommt.
Anders als russisches Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, ist das per Pipeline zugeführte Rohöl nicht von den Sanktionen betroffen, mit denen die EU versucht, die Einnahmen des Kremls zu schmälern.“

Diese Leier wird bis zum Geht-Nicht-Mehr strapaziert, obwohl ich inzwischen zweifelsfrei herausgestellt hat, daß diese Strategie, was Rußland betrifft, gescheitert ist, was die EU selbst betrifft, enorm geschadet hat.

„Im Fall von Gas haben Versorgungsengpässe – trotz des Wunders (!!) des Flüssigerdgases (LNG), das per Schiff aus der halben Welt ankommt – dazu geführt, daß die EU den Weg der Sanktionen meidet.
Noch.“

Wie die Episode mit dem deutschen EU-Botschafter Selmayr, der Österreich der „Blutgeld“-Zahlungen bezichtigte, zeigt, wird sich da eine Konkurrenz zwischen den EU-Staaten, die russische Energieträger beziehen, und jenen, die von ihnen abgeschnitten sind, entwickeln.

„Auch über die Türkei

Das Paradoxon hat dazu geführt, daß der Ukraine-Transit heute – zusammen mit dem TurkStream, der die Türkei durchquert und über Bulgarien und Rumänien in gemeinschaftliches Gebiet gelangt und nach der Explosion der Nord Stream-Pipeline sowie dem Ende des Bezugs durch die Jamal-Pipeline, die durch Weißrußland nach Polen führt – die einzige Gaspipeline ist, über die russischer Treibstoff in die EU fließt.“

Es hat natürlich nicht „das Paradoxon“ als Subjekt irgendetwas verursacht, sondern der bisher unbekannte Zerstörer der Nord Stream-Pipeline und die Gazprom, die den Durchfluß durch die Jamal-Pipeline beendet hat – als Reaktion von Beschlagnahmungen russischen, vor allem Gazprom-Vermögens in Polen.
Diese Punkte zu berühren, ist allerdings heikel, weshalb der Autor lieber „das Paradoxon“ vorschiebt.

„So ist die Ukraine heute die Haupteintrittsroute: etwas mehr als 300 Millionen Kubikmeter pro Woche, halb so viel wie vor dem Krieg, aber doppelt so viel wie im letzten Jahr.
Wenn die derzeitige Versorgungsrate beibehalten wird, würde sich das russische Gas, das durch die Ukraine fließt, im Jahr 2024 auf knapp über 16 Milliarden Kubikmeter belaufen. Eine wichtige Zahl – und vor allem voller Symbolik – aber gering im Hinblick auf die Gesamtnachfrage.
Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) werden es in diesem Jahr rund 500 Milliarden Kubikmeter sein. Die Haupt-Energiequelle wird erneut LNG sein: das Werkzeug, das es den 27 ermöglicht hat, den komplexesten Matchball in ihrer gesamten Energiegeschichte zu überwinden.“

Importe in die EU im Monat Jänner

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Haha, welch eine Ausdrucksweise, um das Wort „Eigentor“ zu vermeiden, das angesichts der Tatsachen weitaus angebrachter wäre.
Außerdem wird mit dieser Einführung des LNG als wichtigster Energiequelle elegant verschwiegen, daß viel von dem LNG auch aus Rußland kommt, also gar nicht die viel gepriesene Alternative zum russischen Pipeline-Gas ist, – und außerdem, wie in der Zwischenüberschrift angekündigt, Rumänien und Bulgarien sowie diverse Nachfolgestaaten Jugoslawiens ebenfalls russisches Gas über die Turkstream beziehen.

„Ein Millionenabkommen, das Rußland nicht einhält

Als Gegenleistung für die Nutzung des Ukraine-Transits setzte Gazprom eine Zahlung von 7 Milliarden Dollar (6,46 Milliarden Euro) an Naftogaz über einen Zeitraum von fünf Jahren fest.“

Halten wir fest: Gazprom zahlt nach wie vor jährlich einige Milliarden Euro an eine ukrainische Firma, Krieg hin oder her.
Ein interessantes Detail am Rande, daß diese Gaslieferungen in $ berechnet werden, offenbar ein Zugeständnis der Ukraine an ihren Big Brother.

„Im Falle von Öl ist der Transfer von russischem Rohöl durch die Druschba-Pipeline mit einer jährlichen Zahlung von 150 Millionen Dollar (138 Millionen Euro) durch das russische Unternehmen Transneft verbunden. Ein Vertrag, der im Gegensatz zum vorherigen bis 2030 gültig ist.“

Vergleichsweise ein Peanut.

„Roman Nitsovitsch, Leiter für Analysen beim ukrainischen Beratungsunternehmen Dixi, erinnert daran, daß der russische Gaskonzern Gazprom die vereinbarten Zahlungen nicht vollständig einhält und dabei mit einem geringeren Gas-Durchlass argumentiert.
Im September 2022, ein halbes Jahr nach Beginn der Invasion, eröffnete Naftogaz ein Schlichtungsverfahren vor der Internationalen Handelskammer, um die ausstehenden Gelder einzufordern.“

Vermutlich mit wenig Chancen, da sich Gazprom sicher abgesichert hat, um die Transitgebühr an das Volumen zu knüpfen, das durchgeschickt wird.

„Die Regierungen Ungarns und der Slowakei – die von russischer Energie durch die Druschba-Pipeline abhängig sind – stehen Wladimir Putin auch am nächsten.“

Der Autor stellt damit eine Verbindung zwischen Außenpolitik und Energieabhängigkeit her, die sicher zutreffend ist, aber von Brüssel nicht gerne zugegeben wird, weil es dafür noch andere Kandidaten in der EU gibt.

„Eine Unterbrechung der Lieferungen von russischem Öl wäre möglich, allerdings auf die Gefahr hin, einen höheren Preis für das Produkt zu zahlen und einen diplomatischen Konflikt zu provozieren. Dies geschah im August 2022, als Ukrtransnafta, die die Druschba auf ihrem Weg durch die Ukraine verwaltet, aufgrund von Differenzen bezüglich der Zahlungen von russischer Seite den Hahn zudrehte.
Die Situation wurde innerhalb weniger Tage gelöst, aber Ungarn verschärfte seinen Ton so sehr, daß sein Ministerpräsident Viktor Orbán dringend den ungarischen Verteidigungsrat einberief.“

Man muß noch hinzufügen, daß der Außenminister Szijjártó voriges Jahr darauf hingewiesen hat, daß die ungarischen Raffinerien auf die Verarbeitung von russischem Erdöl ausgelegt sind.
Ölimporte aus anderen Ländern – was auch bei einem Binnenland logistisch kompliziert und außerdem extrem umweltschädlich wäre – würden dort Schäden verursachen.

„»Europa könnte seinen Bedarf ohne russisches Gas decken, sei es über die Ukraine, den Turkstream oder über den Seeweg«, sagt Georg Zachmann vom Think Tank Bruegel.“

Blödsinn, wie im Folgenden klar wird. Der Think Tank Bruegel wird offenbar für die Produkton von Brüssel genehmen Fake News finanziert.

„Für die Slowakei, Österreich, Ungarn und die Ukraine selbst würde das Ende des Flusses durch den Ukraine-Transit jedoch eine Neuausrichtung erzwingen und sie müßten sicherstellen, daß Flüssiggas, das in entfernten Seeterminals verarbeitet wird, sie erreicht.“

Wie denn?
Mit enormen Kosten und Tankwägen, also total umweltbelastend – wie auch das Flüssiggas selber.

„Technisch gesehen ist es möglich, aber es würde wahrscheinlich zu höheren Gaskosten in diesen Ländern führen und zu einer stärkeren Nachfragezerstörung führen.“

Nachfragezerstörung!
Wenn Betriebe zusperren müssen oder Haushalte nix mehr zum Heizen oder Kochen oder kein warmes Wasser mehr haben, so ist das eine „Nachfragezerstörung“!
Die Ruinierung ganzer Volkswirtschaften wird so als eine Art technisches Problem besprochen, mit dem die halt umgehen müssen.

„Henning Gloystein vom Risikoberatungsunternehmen Eurasia stimmt dem zu und ist der Ansicht, daß die EU das russische Gas, das per Pipeline und Schiff ankommt, noch nicht aufgegeben hat, weil sie zunächst einmal den laufenden Winterbedarf befriedigen will. »Brüssel spielt auf Zeit«, sagt er per E-Mail.
Wie viele andere Analysten war Gloystein davon überzeugt, daß der Gastransport durch die Ukraine in den ersten Kriegswochen enden würde.“

Wie kam der Mann auf diese Idee, wenn ein guter Teil der Staaten der EU davon abhängt?

„»Offensichtlich haben wir uns geirrt. Im Nachhinein betrachtet möchte Rußland sowohl sein Einkommen sichern als auch vermeiden, Orbán zu schaden, der seine einzige Stütze in der EU ist.“

Er versucht also die Sache so darzustellen, daß die Russen das Gas und Öl abdrehen hätten wollen.
Wäre dem so gewesen, so hätten die USA(?) ja nicht die Nord Stream Pipelines sprengen müssen. Das war also eine Folge der Einsicht, daß Rußland überhaupt nicht daran interessiert war, von sich aus die Hähne abzudrehen.
Die Schilderung von Hersh über den Hergang der Sprengung erwähnt ja, daß die Rohre erst durch Taucher vermint worden waren und erst später gesprengt wurden – als Rußland entgegen aller Medien-Hysterie gar keine Anstalten machte, den Gashahn zuzudrehen.
Man könnte die Angelegenheit auch umgekehrt so betrachten, daß sich die USA vorher versichert hatten, daß sie auf jeden Fall Deutschland das Gas abdrehen und es auf NATO-Linie bringen können.

„Und die Ukraine scheint daran interessiert zu sein, weiterhin russische Zahlungen für den Transit zu erhalten, was sie überraschenderweise auch mitten in der Invasion weiterhin ausführte.«“

Die Ukraine erhält ja selber Gas und Öl aus Rußland, auf das sie nicht verzichten kann!
Haben das diese ganzen schlauen Analysten und Prophezeier nicht gewußt?

„Ukrainischer Kompromiss mit der EU

Die Ukraine will ihre Verpflichtungen gegenüber Partnern in der EU nicht aufgeben. Dies wurde im vergangenen Oktober vom Präsidenten von Naftogaz, Oleksij Tschernisov, hervorgehoben, als er bestätigte, daß sein Unternehmen den Vertrag mit Gazprom über die Gaslieferungen nach Europa im Jahr 2024 nicht verlängern werde.
Tschernisow erkannte damals das moralische Dilemma der Lage: »Der Export von Erdgas und Öl ist eine der Hauptwaffen Rußlands im Krieg gegen die Ukraine.«“

Aha.
Rußland weiß, daß die EU ohne russisches Gas und Öl zusammenbricht. Sie selbst hat nicht genug Energiequellen und wird diese auch nicht schaffen können.
Man kann das natürlich als „Waffe“ betrachten, aber zunächst handelt es sich einfach um Tatsachen, denen sich keine der beiden Seiten entziehen kann.
In all diesem BlaBla wird der Energiebedarf der Ukraine selbst völlig durchgestrichen.
Was nicht sein darf, kann nicht sein.

„Auch die Ukraine ist aufgrund verschiedener rechtlicher Bindungen gesetzlich zur Aufrechterhaltung dieser Verträge verpflichtet.
Das erste und wichtigste ist das Assoziierungsabkommen, das die Rada (das ukrainische Parlament) 2017 genehmigt hat.“

Das war das Abkommen, um dessentwillen der ganze Maidan losgegangen ist. Es brauchte dann immer noch 3 Jahre, bis die Rada diesen Vertrag genehmigt hat. Darin hat die Ukraine sich offenbar zum Gastransit verpflichtet, weil der für die EU damals wichtig war – und angesichts der Nord Stream-Pipeline auch als Verpflichtung der EU gegenüber der Ukraine vertraglich festgehalten wurde. Die EU wollte damals die Ukraine als Gas-Transitland und die Pipelines durch die Ukraine sichern.

„Auch die europäische Gesetzgebung zum Gasverbrauch, der sich die Ukraine angeschlossen hat, verpflichtet zu diesem Gastransit, wie Nitsovitsch erklärt.

Im Mai 2023 kam ans Licht, daß der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einem Treffen mit seiner Militärführung eine Sabotage der Druschba vorgeschlagen hatte, wie Quellen der US-Geheimdienste der Washington Post berichteten.
Die Nordstream-Gaspipeline, die Rußland mit Deutschland verbindet, war die Hauptzugangsroute für russisches Gas nach Europa, bis ein Anschlag im September 2022 ihre Tätigkeit beendete.“

Das ist nicht ganz richtig, weil das wäre erst der Fall gewesen, wenn Nord Stream II in Betrieb genommen worden wäre. Vorher war immer noch die ukrainische Gas-Pipeline – und die Jamal – die wichtigsten Zuliefer-Pipelines für Gas. Dies allein schon deshalb, weil sie viele Staaten belieferten und die nötige Infrastruktur für die Weiterleitung vorhanden war, die für die Nord Stream-Pipelines erst hergestellt werden mußte.

„Die deutsche, dänische und schwedische Justiz behaupten – zusätzlich zu US-Geheimdiensten –, daß für den Angriff ukrainische Spezialeinheiten verantwortlich war.“

Dazu ist zu bemerken, daß erstens die Ukraine für einen solchen Sabotageakt nicht über die nötigen technischen Voraussetzungen verfügt. Selbst wenn ukrainische Schiffe oder Taucher daran beteilgt waren, hätten sie dafür logistischer Unterstützung seitens der USA oder GBs bedurft – die dafür die nötigen Hilfsmittel haben.
Zweitens aber fand der Sabotageakt in schwedischen und dänischen Hoheitsgewässern statt, die notwendigerweise eingeweiht sein mußten.
Also selbst wenn die Ukraine beteiligt war, hatte sie Helfer und Mitwisser.

„Der Präsident von Naftogaz räumte auch ein, daß es »Zeit brauchen wird«, die Abhängigkeit der EU von russischem Gas zu beenden: »Wir sind uns alle der Kapazitäts- und Versorgungsbeschränkungen, insbesondere von LNG, bewusst.« Ende Januar berichtete der ukrainische Ministerrat, daß das Abkommen zwar nicht verlängert werde, die Tür für Verhandlungen mit EU-Mitgliedstaaten »über die Nutzung der Gastransportinfrastruktur« jedoch offen gelassen werde.
Nitsovich führt aus, daß die Protokolle des ukrainischen Gaspipelinebetreibers GTSOU es europäischen Unternehmen ermöglichen, Verträge über das Netzwerk abzuschließen und mit der russischen Seite zu verhandeln.

100 % nationale Produktion

Für die 27 geht die Bedeutung der Ukraine im Energiebereich – und insbesondere im Gasbereich – über den ukrainischen Transit hinaus.
Seine riesigen unterirdischen Lagerhäuser machen dieses Land in unruhigen Zeiten zu einer Art Schweizer Taschenmesser:“

Damit ist offenbar gemeint, daß die Ukraine energiemäßig verschiedene Funktionen hat.

„Obwohl die Ukraine jetzt – aus offensichtlichen Gründen: sie erhält kein russisches Gas mehr für den internen Verbrauch und die Speicherung“

Es ist schwer vorstellbar, daß die Ukraine von einem Tag auf den anderen keine Energie aus Rußland mehr erhält – angesichts der aus sowjetischen Zeiten stammenden Abhängigkeiten und auch der Gaskriege des vergangenen Jahrzehnts und der IWF-Auflagen, die die Subventionierung der Energieträger durch den Staat verboten. Letzteres wäre wohl nicht notwendig gewesen, wenn die Ukraine kein Gas und Öl aus Rußland bezogen hätte.
Der Konsum der Ukraine wird offenbar sowohl vor der eigenen Bevölkerung als auch vor der europäischen Öffentlichkeit verborgen, weil das dem ganzen Sanktionsregime und der öffentlichen Besprechung der „Abhängigkeit“ von Rußland, die man reduzieren muß, widerspricht.

„– nur ein Fünftel seiner Kapazität nutzt, kann sie 3x mehr Energie“ (offenbar Gas und Öl gemeinsam) „in ihren unterirdischen Speichern aufnehmen als zum Beispiel Spanien oder Polen. Das wäre eine mächtige Waffe gegen zukünftige Erpressungen durch den Kreml.“

Die Widersprüchlichkeit dieser Ausführungen ist derart schlagend, daß einem die Spucke wegbleibt.
Die Ukraine soll ihre Speicher für die EU zur Verfügung stellen, aber ohne russisches Gas oder Öl?!
Woher soll denn das Zeug kommen, wenn nicht aus Rußland?

„All dies geschieht zu einem historischen Zeitpunkt für die Ukraine, so der Premierminister Denis Shmyhal, denn im Januar dieses Jahres wurde der Gasverbrauch des Landes zum ersten Mal vollständig inländisch produziert. Naftogaz versichert, daß die Ukraine mit den drittgrößten Gasreserven in Europa das Ziel habe, ein Exporteur zu werden, um die Abhängigkeit Europas vom Kreml zu brechen.“

Wers glaubt, wird selig.

Pressespiegel El País, 29.12.: Die Waffenindustrie der Ukraine

„DIE UKRAINE STEIGERT DIE PRODUKTION EIGENER WAFFEN IN GEHEIMEN FABRIKEN

Kiew will seine Militärindustrie ankurbeln, auf die Gefahr hin, daß die Waffenvorräte seiner Verbündeten zur Neige gehen

Der Lieferwagen holt den Journalisten auf einem Parkplatz in einer Stadt in der Zentralukraine ab. Die Fenster des Fahrzeugs sind mit dunklen Stoffen verhängt, sodaß die Fahrgäste die von dem Fahrzeug eingeschlagene Route nicht erkennen können. Auch Handys müssen ausgeschaltet werden. Der Lieferwagen erreicht sein Ziel auf verschlungenen Wegen: eine Fabrik der Metinvest-Unternehmensgruppe, der größten der Ukraine.
In einem der dortigen Lagerhäuser werden Antiminenwalzen für Panzer montiert.“

D.h., sie werden nur zusammengebaut. Die einzelnen Komponenten müssen von woanders kommen.

„Sie stellen ein sehr wichtiges Element dar, um den Weg durch die russischen Verteidigungslinien zu öffnen. Sie sind eine grundlegende Technologie für die ukrainische Armee und ein Beispiel für die Bemühungen des ukrainischen Privatsektors, seine Militärindustrie anzukurbeln und nicht mehr von internationaler Hilfe abhängig zu sein.“

Autarkie in der Waffenproduktion? Da will die Ukraine offenbar zu Rußland aufschließen, trotz weitaus schlechterer Voraussetzungen bezüglich Territorium und Ressourcen …

„Der größte Aktionär von Metinvest ist Rinat Achmetov.

Man kann schon sagen, der Besitzer …

„In Europa ist er vor allem als Besitzer des Fußballvereins Schachtar/Schachtjor Donezk bekannt, der regelmäßig an der Champions League teilnimmt. In der Ukraine ist er der reichste Mann des Landes.
Achmetow stammt aus Donezk, der Hauptstadt der Donbass-Region. Metinvest ist ein vom Krieg betroffener Stahlgigant: Das Unternehmen hat das Azovstal-Stahlwerk, das größte des Landes, in Mariupol verloren. Auch der Betrieb seiner Kokerei, der größten in Europa, ist schon seit geraumer Zeit eingestellt: Der aus Kohle gewonnene Brennstoff für Hochöfen wurde in Avdejevka hergestellt, das derzeit von russischen Streitkräften belagert wird.

Achmetov, sein Industriekonzern und auch sein Fußballverein verließen Donezk, als die prorussischen Separatisten 2014 die Kontrolle über die Stadt übernahmen. Er blieb auf der Seite der Ukraine, im Gegensatz zu anderen Donbass-Oligarchen, die im Jahrzehnt der neunziger Jahre mit der Privatisierung der Vermögenswerte der kürzlich aufgelösten Sowjetunion den Grundstein für ihr Vermögen legten.“

Die Privatisierung der sowjetischen Industriebetriebe begünstigte vor allem Achmetov selbst. Die anderen waren kleinere Kaliber und in den Donbass-Republiken auch nicht wohlgelitten.
Man kann sagen, daß die Oligarchen im pro-russischen Teil des Donbass’ nach 2014 Geschichte waren.

„Mit der russischen Invasion im Februar 2022 wurde Achmetovs Einfluss durch neue, von Präsident Wolodimir Zelenskij unterzeichnete Gesetze in Frage gestellt, die von der EU gefordert wurden, um die politische Macht der Oligarchen zu reduzieren.“

Wohlgemerkt, „in Frage gestellt“ – nicht eingeschränkt. Die Anti-Oligarchen-Maßnahmen trafen eher seinen großen Rivalen Kolomojskij, den früheren Gönner und späteren Gegner Zelenskijs, und stärkten daher Achmetovs Stellung.

„Doch sein Engagement für die Verteidigung der Ukraine blieb bestehen und Metinvest engagiert sich zum ersten Mal in der Verteidigungsindustrie.“

Achmetov, der seine Macht früher auf die pro-russischen Segmente der ukrainischen Eliten aufbaute, hat im Zuge des Maidan sehr gründlich die Seiten gewechselt.

„Er tut dies zu einer Zeit, in der es die Präsidentschaft für eine Frage von Leben und Tod hält, eine nationale Militärindustrie aufzubauen.“

Sehr eigenartig formuliert. Mit „der Präsidentschaft“ ist offensichtlich Zelenskij und seine Clique gemeint, und das mit Leben und Tod kann sich auch auf diese Personen beziehen. Es besteht offenbar eine begründete Befürchtung, daß sie einen russischen Sieg nicht nur politisch, sondern auch persönlich nicht überleben würden.

„»Wenn wir uns nicht helfen, wird es niemand anderer tun«, sagt Igor – seinen Nachnamen möchte er nicht nennen –, als Vertreter des Metinvest-Projekts zur Herstellung der Antiminenwalzen. Sie produzieren durchschnittlich fünf bis sechs pro Monat. Mehr ist angesichts der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte und vor allem Anlagen nicht drin, die sie vor periodischen feindlichen Bombenangriffen auf die Industrieinfrastruktur schützen.“

Das klingt nicht gerade nach einem Durchbruch bei der Bewaffnung der ukrainischen Streitkräfte …

„»Viele Metinvest-Mitarbeiter sind in der Armee und es mangelt uns an Fabriken«, bestätigt Igor.
Der Verlust der Kokerei in Avdejevka stelle ebenso wie die Schließung mehrerer Kohlebergwerke im Donbass eine große Behinderung dar, betont dieser Firmenvertreter.“

Die ukrainische Rüstungsindustrie, sofern dieser Begriff überhaupt auf dergleichen Betriebe anwendbar ist, leidet also in erster Linie unter Energiemangel.
Man muß sich hier in Erinnerung rufen, daß die Ukraine zu sowjetischen Zeiten ein Zentrum der Rüstungsindustrie war, wovon bis zum Majdan und sogar noch nachher fast alles abgebaut worden war – was jetzt durch solche Untergrund-Manufakturen ersetzt werden soll.
Die ukrainischen Rüstungsbetriebe produzierten nämlich für den russischen Markt bzw. waren nur mit ihm kompatibel.

„Die Ukraine war eines der reichsten Länder der Welt bezüglich dieses Minerals, aber der Krieg hat diese Ressource reduziert.“

Die „Ressource“ wurde nicht reduziert, – die Kohle ist ja nach wie vor da –, nur ihr Abbau hat unter den Kriegshandlungen gelitten, da die meisten Bergwerke geschlossen oder zerstört sind.

„Die Preise sind in die Höhe geschossen. Das Ergebnis ist, daß eine Tonne Kohle vor dem Krieg 300 Dollar gekostet hat. Heute muß man laut Igor 550 Dollar dafür hinlegen.“

Fast das Doppelte.
Diese Preisveränderung gilt übrigens nicht nur für die Ukraine, sodaß hier auch Aussagen über die Rüstungsindustrie in der ganzen EU getroffen werden.

„Die Antiminenwalzen von Metinvest wurden erstmals letzten Sommer eingesetzt, während der Gegenoffensive an der Zaporozhje-Front. Die russischen Verteidigungsanlagen in diesem Teil der Kampflinie und auch in der Provinz Donezk werden durch die am dichtesten verminten Felder geschützt, an die sich Militäranalysten in einem Krieg erinnern können.“

Dagegen schauen die 6 Walzen pro Monat, die der Betrieb ausspuckt, irgendwie alt aus …

„Im vergangenen September schätzten Mitglieder der Spezialeinheitengruppe Tor gegenüber EL PAÍS, daß es an dieser Front auf jeden Quadratmeter fünf Minen geben könnte, sowohl Antipersonen- als auch Panzerabwehrminen.

Andrij ist Oberst, Kommandeur einer Nationalgarde-Brigade, die im Osten des Landes kämpft und Metinvest-Walzen verwendet.
Sie sind Adaptionen sowjetischer Ausrüstung, wurden jedoch so entwickelt, daß sie durch die Explosion von bis zu acht Minen funktionieren, im Vergleich zu den fünf, die dieselben Walzen aus sowjetischer Produktion zerstören können, bevor sie ersetzt werden müssen.
Andrij fügt hinzu, daß diese Walze die erste in der Ukraine sei, die an jedem Panzermodell angebracht werden könne.“

Eine universell einsetzbare Antiminenwalze, die neue Wunderwaffe?
Irgendwie entsteht der Eindruck, daß Achmetov sich schon darauf einstellt, in einer Nachkriegs-Ordnung wieder die Seiten zu wechseln und zu sagen: Ich habe doch ohnehin nur Defensiv-Waffen herstellen lassen und niemand ist durch meine Produkte zu Tode gekommen!

„Eine geheime unterirdische Basis

Das Treffen mit Andrij findet in einer geheimen, unter der Erde gegrabenen Basis statt. Aus Sicherheitsgründen wird verlangt, daß die Provinz nicht erwähnt werden darf, in welcher sie sich befindet. Sie ermöglichen es dem Journalisten auch nicht, die Funktionsweise der Walzen zu sehen.
Je mehr Kriegsmonate vergehen, desto größer werden die Geheimhaltung und Informationsbeschränkungen durch die ukrainischen Streitkräfte.“

Begreiflich.
Denn die russische Armee hat es sich zum Ziel gesetzt, die Waffen-, vor allem die Drohnenproduktion in der Ukraine durch gezielte Militärschläge auszuschalten.

„Wenn es um die Produktion von Waffen geht, ist die Geheimhaltung noch größer. Der Kommandant bestätigt, daß Metinvest sie auch mit kugelsicheren Westen, Helmen und tragbaren Bunkern“ (???) „beliefert. Am häufigsten werden jedoch im Inland entwickelte Bomben- und Aufklärungsdrohnen eingesetzt.“

Hier bleibt die Formulierung vage, ob Metinvest sich auch daran beteiligt?
Es kann allerdings auch sein, daß dieses zentrale Element der ukrainischen Kriegsführung den Mitarbeitern dieser Firma nicht anvertraut wird, da der ukrainische Geheimdienst – mit guten Gründen – dort undichte Stellen vermutet.

„»Ich weiß nicht, wie lange der Krieg dauern wird«, sagt Andrij, »aber wir haben eine 1.300 Kilometer lange Grenze zu Russland, wir werden immer in Gefahr sein und wir brauchen unsere Waffenproduktion.«
Signale der NATO-Verbündeten der Ukraine deuten darauf hin, daß es schwieriger sein wird, Hilfe zu erhalten. Die Republikanische Partei blockiert im Kongress und Senat der USA die Zuweisung von 61.000 Millionen Dollar (55.056 Millionen Dollar), die das Weiße Haus im Jahr 2024 für die Ukraine bereitstellen will. Auch in der EU wurde ein Unterstützungsbudget von 50 Milliarden Euro von der moskaunahen ungarischen Regierung blockiert.“

Diese Blockierer werden – nicht nur von El País, sondern auch von anderen Medien – als das einzige Hindernis dargestellt, um die Ukraine zu unterstützen.
Daß es sowohl in den USA als auch in der EU einen Haufen Politiker gibt, die nicht weiter Geld in das schwarze Loch Ukraine hineinleeren wollen, da es klar ist, daß der Krieg verloren ist, wird hier absichtsvoll verdreht – ebenso wie die Tatsache, daß die Waffenlager der westlichen Verbündeten ziemlich leer sind und sich auch in absehbarer Zeit nicht wieder füllen werden.
Dessenungeachtet wird so getan, als scheitere die Unterstützung der Ukraine nur an einzelnen Bösewichten.

„Zwischen Sommer und Herbst waren die Militärlieferungen der westlichen Partner der Ukraine die kleinsten des Krieges, 90% weniger als 2022, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft in seinem neuesten Bericht bestätigt.
In diesem Zusammenhang besteht Zelenskijs vorrangiges Ziel darin, die nationale Militärindustrie zu stärken und vor allem die wichtigsten westlichen Rüstungsunternehmen dazu zu bewegen, Produktionszentren in der Ukraine zu errichten.

Im vergangenen September berief der Präsident 250 Vertreter von Militärunternehmen zu einer Konferenz nach Kiew, um einen Plan bekannt zu geben, mit dem er das Land zum größten Waffenproduzenten des Westens machen will. Fast 40 dieser Unternehmen verpflichteten sich, Investitionen in Produktionszentren in dem von Russland überfallenen Land zu prüfen.“

„Verpflichten sich … zu prüfen“.
Das ist etwas anderes als eine Absichtserklärung und verpflichtet zu nichts.

„Die wichtigste Nachricht in dieser Hinsicht kam im Dezember dieses Jahres, als das deutsche Unternehmen Rheinmetall ankündigte, daß es im Jahr 2024 mit einem lokalen Partner mit der Produktion von Schützenpanzerfahrzeugen des Typs Fuchs und Lynx auf ukrainischem Boden beginnen werde.
Zuvor hatte bereits die britische BAE ihr Engagement in die gleiche Richtung gezeigt.“

Diesen „Engagements“ ist nach Zeitplan und Wortwahl zu entnehmen, daß die Begeisterung von Seiten der betroffenen Unternehmen endenwollend ist.

NATO-Haubitzenmunition

Die Ukraine produziert bereits Munition im Kaliber 155 Millimeter, die grundlegendsten Projektile für Nato-Haubitzen,“

– wobei Haubitzen nicht die einzigen Artillerie-Rohre sind und es auch dort Unterschiede bei den Geschossen gleichen Kalibers zu geben scheint, denen sich die Produzenten anpassen müssen.
Außerdem sagt der Umstand, daß ukrainische Fabriken/Werkstätten solche Geschosse produzieren, nichts darüber aus, in welcher Menge es ihnen gelingt. Der Bedarf an der Front ist nämlich gewaltig –

– „und hat eine neue Langstreckenrakete entwickelt, eine Weiterentwicklung der Neptun-Marineraketen, aber die hergestellten Einheiten sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums minimal. Ein großer Erfolg der ukrainischen Industrie im Krieg ist die monatliche Produktion von sechs Bogdana-Haubitzen in Charkiw, von denen es im Jahr 2021 nur einen Prototypen gab.“

6 Stück pro Monat scheint der Rythmus vieler dieser Produktionsstätten zu sein …

„Am autarksten hat sich die Ukraine bei der Entwicklung und Produktion von Drohnen, Luft- und Seedrohnen erwiesen. Auch europäische Hersteller wie die deutsche Quantuum haben sich für die Produktion dieser Fahrzeuge in der Ukraine registriert und nutzen dabei die ihnen gewährten Steuervorteile und vor allem die Erfahrung des Landes beim Einsatz dieser Flugzeuge im Kampfeinsatz.
Das Hauptproblem besteht darin, daß jede industrielle Infrastruktur ein Ziel russischer Beschuss sein kann, insbesondere solche, die strategisches Material für die Verteidigung der Ukraine produzieren.

Dem Vertreter von Metinvest, Igor, ist nicht bekannt, daß unterirdische Fabriken gebaut werden. Seiner Erfahrung nach ist der beste Schutz ein gutes Flugabwehrsystem. Doch je näher an russischen Stellungen, desto geringer ist der Reaktionsspielraum einer Flugabwehrbatterie, insbesondere gegen ballistische Raketen und Marschflugkörper. Auch weit vom Feind entfernt lauern Gefahren: EL PAÍS konnte 2022 feststellen, wie zwei russische Marschflugkörper ihr Ziel trafen, eine Rüstungs-Reparaturanlage in Lemberg in der Westukraine, Hunderte Kilometer von der Front entfernt.

Das Carnegie Endowment for International Peace, ein amerikanisches Zentrum für Politik- und Verteidigungsstudien, veröffentlichte am 4. Dezember einen pessimistischen Bericht über das Potenzial der ukrainischen Militärindustrie.
Die Autorin des Dokuments ist Katerina Bondar, ehemalige Beraterin des Verteidigungs- und Finanzministeriums der Ukraine. Ihre Schlußfolgerungen waren in allen Bereichen düster, das erste war die Sicherheit: »Es gibt keine magische Lösung, um Risiken zu reduzieren. Beispielsweise würde eine Verlagerung der Produktion in den Untergrund die Kosten stark erhöhen und die Arbeitsbedingungen verschlechtern.“

Man fühlt sich an die V1- und V2-Produktion im nationalsozialistischen Deutschland erinnert …

„Flugzeugabwehrsysteme hingegen sind erstens rar und können zudem keinen vollständigen Schutz garantieren.«

Für Bondar sind die Bemühungen von Unternehmen wie Metinvest oder Tausenden kleiner Privatinitiativen eine zeitaufwendige Lösungsaufgabe: »Große Investitionen in neue physische Infrastruktur sind unwahrscheinlich, solange die Gefahr eines russischen Angriffs besteht.«
Korruption, unprofessionelles Management, ineffiziente Unternehmen und technologische Defizite sind nur einige der Herausforderungen, denen sich Kiew stellen muss, bevor die Ukraine Waffensysteme und Munition in einem Umfang produzieren kann, der für ihren enormen militärischen Bedarf erforderlich ist.“

Der Krieg ist einerseits der Ausgangs-, andererseits auch der Endpunkt aller Bemühungen, sich in Sachen Rüstung auch produktionsmäßig in das westliche Bündnis einzureihen.

Pressespiegel Izvestija, 30.7.: Rußland und der IWF

„ES GEHT NICHT UMS GELD: SOLLTE RUSSLAND DEN IWF VERLASSEN?

Die Beteiligung an einem Finanzinstitut bleibt eine wertvolle Verhandlungsplattform (…)

Die Fraktion der Kommunistischen Partei Rußlands legte der Duma einen Gesetzentwurf vor, der vorsieht, die Entscheidung des Obersten Rates(*1) über den Beitritt Russlands zum IWF für ungültig zu erklären. Die Autoren der Initiative schlagen außerdem vor, das 1992 in Washington unterzeichnete Protokoll über den Beitritt Russlands zur Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD)(*2) und zur Internationalen Entwicklungsorganisation(*3) zu kündigen.

Wie die Verfasser des Gesetzentwurfs betonten, verhinderte die Mitgliedschaft im IWF und in der IBRD nicht die Verhängung von Sanktionen gegen Moskau, und die Organisationen selbst verurteilten diese Beschränkungen nicht.
Ihrer Meinung nach zwingt die Teilnahme am IWF Russland dazu, eine Geldpolitik zu verfolgen, die ihm seine Währungsunabhängigkeit, insbesondere das Recht, den Rubel-Wechselkurs zu erhöhen oder zu senken, entzieht. Darüber hinaus verpflichtet sie Rußland darauf, den Wechselkurs des Rubel an eine Fremdwährung zu koppeln.

Die Initiative der Kommunisten wurde sofort scharf kritisiert. Laut dem stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaftspolitik der Staatsduma Artjom Kirjanov (Einiges Russland) ist der IWF eine wichtige Verhandlungsplattform, daher sollte Russland die Struktur nicht verlassen. Noch kategorischer äußerte sich der Vorsitzende des Finanzmarktausschusses der Duma, Anatolij Aksakov. Er bezeichnete die Initiative zum Austritt aus dem IWF als »Unsinn«.

Kreditgeber, nicht Schuldner

Russland ist seit 30 Jahren Mitglied des IWF und trat im Juni 1992 der Weltfinanzorganisation bei.(*4) Insgesamt erhielt Moskau rund 22 Milliarden Dollar vom IWF, doch das Geld des internationalen Kreditinstituts braucht es schon lange nicht mehr.
Seit 2000 hat Moskau keinen Antrag mehr an den Fonds gestellt.“

Mit Putins Amtsantritt änderte sich offenbar sofort die Politik Rußlands gegenüber dem IWF. Das war nicht nur seine alleinige Entscheidung, sondern sicher auch eine Art Schlußfolgerung aus der Rubelkrise 1998.

„Und im Januar 2005 hat Rußland alle Schulden abbezahlt und fungiert seit langem als Gläubiger des IWF. Aber es geht nicht nur um Geld.

Wie Maria Konjagina, Professorin am Nord-West-Institut für Verwaltung der RANEPA, erklärt, ist die Mitgliedschaft in der Organisation nicht nur eine Gelegenheit, Kredite aufzunehmen, sondern auch, um die Probleme des globalen Währungssystems, das sich derzeit in einer Krise befindet, zu diskutieren und nach Lösungen für diese tiefe Krise zu suchen.“

Frau Kojagina weist damit indirekt darauf hin, daß sich im IWF nicht nur Rußland gegenüber „unfreundliche“ Staaten tummeln, sondern beinahe alle Staaten der Welt.
Immerhin ist er doch eine UNO-Organisation, auch wenn die USA das größte Gewicht darin haben.
Rußland will es also als Forum für seine Vorstellungen nutzen, nicht als Kreditorganisation.

„Sie weist auch darauf hin, dass die Verfasser des Gesetzentwurfs mit ihren Schlußfolgerungen hinsichtlich der Bildung des Rubel-Wechselkurses falsch liegen.
Die Mitgliedsländer können den Wechselkurs der Landeswährung durch Deviseninterventionen der Zentralbanken erhöhen und senken. Im Jahr 2014 hat Russland auf den Marktwechselkurs des Rubels umgestellt: Der Kurs wird durch den Tageshandel gebildet. Andererseits hängt der Wechselkurs vom Volumen des Devisenhandels ab.“

Es ist eben eine Entscheidung der russischen Finanzbehörden, was sie als „Devise“ ansehen, bzw. welchen Fremdwährungen sie den Vorrang geben:

„Daher hänge der Rubel-Wechselkurs von der Struktur des internationalen Handels- und Zahlungsverkehrs und damit von der Struktur der internationalen Reserven ab, da diese in einem entsprechenden logischen Zusammenhang gebildet würden, erklärte die Ökonomin.“

„Logisch“ heißt hier: Erstens aus dem Volumen, die die Handelsbeziehungen bisher hatten, zweitens aus der Bedeutung, die sie in Zukunft haben werden bzw. sollen – was breiten Spielraum für die Ausgestaltung des Devisenschatzes übrigläßt.
Die Bindung an andere Währungen ist jedoch eine Notwendigkeit, wenn man auf irgendeiner Art von Weltmarkt aktiv sein will. Darin unterschiedet sich das heutige Rußland von der Sowjetunion.

„Der IWF steht nicht außerhalb der Politik

Der IWF wird vor allem dafür kritisiert, dass diese Organisation, die sich lange Zeit als „außerhalb der Politik“ agierende Institution positionierte, bereits mehr als einmal ihre Prinzipien verraten hat.

Beispielsweise änderte der Fonds in den Jahren 2015 und 2023 die Regeln, um die Kreditvergabe an die Ukraine zu stärken und zu vereinfachen. Früher verlangte der IWF in der Regel vom kreditnehmenden Land, einen Plan oder eine Strategie für die Rückzahlung des Kredits vorzulegen, in Bezug auf die Ukraine war dies jedoch nicht erforderlich.
»Andere Länder, die in militärisch-politische Konflikte verwickelt sind oder Krisen erleben, haben ein solches Privileg nicht: Es gibt Doppelmoral gegenüber einzelnen Ländern«, sagt Jevgenyj Smirnov, Leiter der Abteilung für Weltwirtschaft und internationale Wirtschaftsbeziehungen der Staatlichen Universität für Management. Der IWF habe seinerzeit die Kreditvergabe an Russland davon abhängig gemacht, wie sehr es liberale Prinzipen einhalte, präzisiert der Experte.

Jaroslaw Ostrowskij, Spezialist in der Abteilung für strategische Forschung bei Total Research“ (einer privaten Beraterfirma für Unternehmen), „stimmt ihm zu.
»Die Ziele und Zielsetzungen dieser Kreditstrukturen (IWF und IBRD) sind nobel, nämlich: Hilfe für Entwicklungsländer, Vergabe von Krediten zu niedrigen Zinssätzen und so weiter. Aber tatsächlich stehen alle diese Organisationen auf die eine oder andere Weise unter der Kontrolle Washingtons und sind die Dirigenten seiner Finanzpolitik«, erklärte der Analyst.“

Hier merkt man deutlich, daß Entwicklung und Kreditvergabe in Rußland auch als gute Dinge angesehen werden, – allerdings nach anderen Kriterien, als sie der IWF verfolgt.

„Hebelwirkung

Dennoch stellt der IWF wie jede internationale Organisation den Teilnehmern bestimmte Einflusshebel zur Verfügung, deren Ablehnung im Allgemeinen keinen Sinn macht.“

Interessant, wie die in der sowjetischen Wirtschaftsplanung so wichtigen Hebel wieder auftauchen.

„Der IWF löst für Russland nun nicht so sehr die Funktion des Investierens als vielmehr des Aufbaus von Beziehungen zu neuen Ländern und der Durchsetzung seiner Politik, erklärt Veniamin Dajkov, geschäftsführender Gesellschafter der Anwaltskanzlei Perex. »Gegenwärtig brauchen wir den IWF nur für geopolitische Zwecke«, meint er.
Laut Veniamin Dajkov ist es aus mehreren Gründen unangemessen, über einen sofortigen Austritt aus der Organisation nachzudenken. Erstens wurde dort viel Geld investiert. Zweitens spielt der IWF in gewissem Sinne immer noch seine geopolitische Rolle. Drittens schließlich ist die BRICS-Bank noch nicht bereit, die den IWF vollständig ersetzen und den Fokus von West nach Ost verlagern könnte.“

Das hat sie aber offenbar vor.
Der IWF wird also von Rußland als eine Art Vehikel betrachtet, mit der man der BRICS-Bank auf die Sprünge hilft.
Irgendwann, so lautet anscheinend das Ideal, sollte dann der IWF bei der BRICS-Bank um Unterstützung betteln.

„Auf die Notwendigkeit einer Mitgliedschaft in der Organisation weist auch Maria Konjagina (RANEPA, St. Petersburg) hin. In diesem Fall könnte Russland den Zugang zu internationalen Statistiken verlieren und keinen Einfluss mehr auf die Lösung aktueller Weltwährungsprobleme haben. Die Integration in globale Finanzprozesse ist äußerst wichtig.“

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(*1) Im Frühjahr 1992 wurde Russland Mitglied des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank.
Den Beitritt Rußlands umgibt bis heute eine gewisse Aura des Geheimnisses. Er hing mit der Schuldenlösung nach der Auflösung der SU zusammen. Rußland als Rechtsnachfolger übernahm alle Passiva und Aktiva der SU. Der Vertrag mit dem IWF war also auch ein Vertrag über die Stellung Rußlands in der Weltpolitik, ebenso wie diverse Entscheidungen im UNO-Sicherheitsrat, mit denen es seine Rechtsnachfolge der SU unterstrich.
Wer den Vertrag letztlich unterzeichnete, läßt sich auf die Schnelle nicht herausfinden. Es scheint, daß der Oberste Sowjet damals noch existierte und diese Entscheidung absegnete.

Der Vorschlag der KP hat also darin ein gewisses Gewicht, daß schon der Beitritt von Personen und unter Umständen geschlossen wurde, die heute insgesamt in ein schiefes Licht geraten sind. 

(*2) Die Gründung der IBRD als Teil der Weltbankgruppe wurde im Juli 1944 auf der Währungs- und Finanzkonferenz der Vereinten Nationen in Bretton Woods beschlossen, und am 27. Dezember 1945 wurde die IBRD gegründet. Am 25. Juni 1946 nahm die Bank mit 12 Milliarden US-Dollar Anfangskapital an ihrem Sitz in Washington, D.C. (USA) ihre Geschäftstätigkeit auf.
Die Bank wurde im Hinblick auf den für die Nachkriegszeit erwarteten großen Bedarf an langfristigem Kapital für den Wiederaufbau und die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Mitgliedsländer geschaffen. Zunächst setzte sie ihre Mittel überwiegend für den Wiederaufbau Europas ein. Nach Beginn der amerikanischen Wirtschaftshilfe zu Gunsten Europas konnte sie sich ab Ende der 1940er Jahre auf die Entwicklungsländer konzentrieren. (Wikipedia)

(*3) „Die Internationale Entwicklungsorganisation ist eine Unterorganisation der Weltbankgruppe, deren Rolle die Armutsbekämpfung in Ländern mit besonders niedrigem Einkommensniveau ist.“ (Wikipedia)

(*4) Woanders steht überall: „Frühjahr“ oder „Mai“. Also sogar über das Datum des Beitritts herrscht Unklarheit.

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Siehe auch früher Einträge zum IWF:

Macris Schwanengesang? ARGENTINIEN BITTET DEN IWF UM KREDIT – 2018

Der IWF und die Eurokrise: FALSCHE VERSPRECHUNGEN UND VON WUNSCHDENKEN BESTIMMTE PROGNOSEN – 2014

Die Weltfinanzbehörde als etwas hilflose Krisenfeuerwehr: DER IWF, TEIL 8: DIE EUROZONE ALS SANIERUNGSFALL

Das Ende einiger Träume von Wohlstand und Prosperität: DER IWF, TEIL 7: DIE KREDITSTÜTZUNGSPAKETE VON 2008 FÜR UNGARN, RUMÄNIEN, LETTLAND

Die Weltfinanzbehörde läßt einen Musterschüler durchfallen: DER IWF, TEIL 6: ARGENTINIENS ZAHLUNGSUNFÄHIGKEIT 2002

Die Weltfinanzbehörde als Retter der Freiheit: DER IWF, TEIL 5: DIE ASIEN- UND RUSSLAND-KRISE 1997/98

Die Weltfinanzbehörde übernimmt den bisher unfreien Teil der Welt: DER IWF, TEIL 4: DIE AUFLÖSUNG DES OSTBLOCKS