Serie „Lateinamerika heute“. Teil 2: Nicaragua

AUFRUHR IM HINTERHOF
In Nicaragua gibt es Aufstände gegen die gewählte Regierung, die inzwischen mehrere Hundert Tote gefordert haben und nach wie vor nicht beigelegt sind.

Folgende Fragen sind hier zu klären:
1. Was ist der Grund für diese Proteste der Bevölkerung?
2. Wie reagiert die Regierung darauf, und warum?

1. Der Sozialstaat in Nicaragua
Die Unruhen in Nicaragua entzündeten sich an einer Reform des Pensionssystems. Die Beiträge der arbeitenden Menschen sollten erhöht, das Pensionsalter hinaufgesetzt werden.
Um eine solche Reform überhaupt durchführen zu können, muß ein Pensionssystem erst einmal vorhanden sein. Das heißt, die arbeitende Bevölkerung muß sich in stabilen, bei der entsprechenden Behörde registrierten Arbeitsverhältnissen befinden und einen Teil ihres Gehaltes an eine Pensionskasse abführen.
Daß es so etwas in Nicaragua überhaupt gibt, ist eine Errungenschaft der sandinistischen Revolution. Die meisten Staaten Mittelamerikas, oder überhaupt Lateinamerikas verfügen über ein solches System nicht.

Ein Pensionssystem setzt nämlich ein Arbeitsrecht voraus. Die arbeitende Bevölkerung muß sich in rechtlich geregelten Arbeitsverhältnissen weiterbringen. Das heißt, jede arbeitende Person muß einen Vertrag haben und über ein Umlagesystem einen Teil ihres Gehalts in die Pensionskassen abführen.
Das wiederum setzt voraus, daß alle Unternehmer, also Kapitalisten, geregelte Arbeitsverhältnisse akzeptieren und ihre Angestellten / Arbeiter legal anmelden und ihnen zumindest einen gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn zahlen müssen.
Der Preis dieser Einrichtung eines Pensionssystems war der, daß die Unternehmer von den sogenannten Arbeitgeber-Beiträgen befreit wurden, oder nur einen minimalen, eher symbolischen Beitrag entrichten müssen.
Anders ließ sich offenbar der besitzenden Klasse Nicaraguas dieses Arbeitsrecht nicht aufs Aug drücken. Vergessen wir nicht, daß die sandinistische Revolution die Herrschafts- und staatlichen Verteilungsverhältnisse gewaltsam änderte, aber das Privateigentum bestehen ließ, und bis heute garantiert. In Nicaragua blieben die Reichen reich und die Armen arm, nur die Verwaltung der Klassen, vor allem der ärmeren, änderte sich.
Das heißt, daß die Last des Pensionssystems ausschließlich auf den arbeitenden Mitgliedern der Gesellschaft ruht. Sie zahlen ein, um irgendwann in den Genuß einer Pension zu kommen, die sicherlich minimal ist und ein Überleben nur im Rahmen der Familiengemeinschaft ermöglicht. Aber immerhin, es gibt sie, und so tragen die Alten auch etwas zum Familienhaushalt bei und liegen ihren jüngeren Familienmitgliedern nicht auf der Tasche.

Aber gehen wir zurück zum Umlagesystem der Pensionen: Es kann sich nur durch ein duales System der Beiträge finanzieren. Wenn die Unternehmer nichts beitragen und die Arbeitnehmer / Arbeitenden allein die Last der Beiträge stemmen müssen, so bedürfte es höherer Löhne, die einen solchen Abzug hergeben. Die Gehälter in Nicaragua sind bescheiden, und von denen kann man als Sozialstaat keine großen Abzüge machen, sonst können die Lohnempfänger von ihrem Nettolohn nicht existieren.
Das nicaraguanische Pensionssystem kam also mit dem Geburtsfehler der Unterfinanzierung auf die Welt, und mußte deshalb – notwendigerweise – vom Staat bezuschußt werden.
Und daran störte sich der IWF, als er der nicaraguanischen Regierung voriges Jahr die Empfehlung gab, es doch selbsterhaltend zu gestalten, und den Staatshaushalt zu entlasten.

Man hätte ja da auch die Unternehmer zu Beiträgen nötigen können, oder aber so weitermachen wie bisher. Immerhin war Nicaragua nicht in Nöten, es verhandelte nicht auf Teufel komm raus um einen Standby-Kredit, eine unmittelbare Notwendigkeit zu einem solchen Schritt gab es also nicht.
Es entsprang offenbar den Kalkulationen der nicaraguanischen Regierung, sich mit dem IWF Liebkind zu machen, um die Sanktionen, die die USA im Herbst vorigen Jahres wegen der Unterstützung Venezuelas gegen Nicaragua verhängt hatten, wieder wegzukriegen.
Diese Sanktionen erschwerten und verteuerten nämlich die Kreditaufnahme Nicaraguas auf dem internationalen Parkett.

Eine andere Möglichkeit wäre, daß die nicaraguanische Regierung ihre anderen Sozialprogramme auf Kosten des Pensionssystems finanzieren wollte, weil sich aufgrund der Sanktionen die Einnahmen verringert hatten.

Vielleicht ist noch daran zu erinnern, daß China einmal einen zweiten Kanal durch Nicaragua bauen wollte, und da einiges an Geld winkte. Dieses Projekt wurde aber inzwischen hintangestellt oder ganz aufgegeben, weil China sich auf den Ausbau der neuen Seidenstraße konzentriert und der Panamakanal erweitert wurde und nicht mehr ein besonderes Nadelöhr darstellt.

Dadurch gingen Investitionen verloren, mit denen die nicaraguanische Regierung kalkuliert hatte.
Es bleibt jedoch festzuhalten, daß die Regierung ihre Geldnöte auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung behandeln, und auf keinen Fall die Unternehmerklasse zur Kasse bitten wollte.(*1)

2. Das System Ortega: Allianz mit Kirche und Kapital
Während die nicaraguanische Regierung außenpolitisch Venezuela unterstützt, ist sie im Inneren äußerst bemüht, ja nicht die einheimischen Eliten gegen sich aufzubringen oder das internationale Kapital zu verschrecken. Sie gewährte ihnen alle Freiheiten und punktete gleichzeitig mit der vergleichsweise guten Rechtssicherheit, um Investitionen anzuziehen.
Dieser für ein Land dieser Hemisphäre außergewöhnliche innere Frieden war ein Ergebnis mehrerer Faktoren, aber vor allem eben des Sozialstaates, den die sandinistischen Politiker aufgebaut haben. Dazu kommt noch die politische Struktur, wo sich die Regierungspartei zu einer allmächtigen Einheitspartei aufgebaut hat, die über ein Klientelwesen Pfründe und Einflußsphären verteilt und mit Veranstaltungen in dafür eigens eingerichteten Polit-Parks Mitbestimmung zelebriert und die Bevölkerung bei der Stange zu halten versucht.
Außerdem hat sie die traditionelle Verbundenheit der Sandinisten mit den christlichen Werten – wer erinnert sich nicht an Ernesto Cardenal – für eine umfassende Christianisierungs-Kampagne benützt, um das Volk mit dem bewährten Opium einzulullen und gleichzeitig den Klerus als Stütze und Verbündeten zu gewinnen. Der Pakt mit der Kirche führte dazu, daß es nicht nur christliche Sprüche an allen Straßenecken, sondern auch ein striktes Abtreibungsverbot in Nicaragua gibt.
Und das hat ja auch alles ganz gut funktioniert, bis zu dieser Pensionsreform. Der Erfolg ist dem starken Mann Nicaraguas, Daniel Ortega, offenbar zu Kopf gestiegen.

3. Daniel Ortega und Rosario Murillo
Die Versöhnungspolitik mit den Eliten hat so gut funktioniert, daß es kaum eine Opposition mehr gibt. Die herrschende Klasse Nicaraguas sieht sich mit ihm gut bedient, und eine andere Opposition kann aufgrund der institutionellen Umarmung durch die Einheitspartei gar nicht erst entstehen. Daher ließ Ortega die Verfassung ändern, er kann unbegrenzt wiedergewählt werden. Auch wenn an den Gerüchten über Wahlfälschung etwas dran ist – die hat in Nicaragua Tradition –, so läßt sich nicht übersehen, daß es eben auch keine ernsthaften Gegenkandidaten gibt.

Als Präsident auf Lebenszeit, der auch Gott an seiner Seite weiß, hat er auch noch dazu die kongeniale Partnerin gefunden. Er und seine Frau, die Esoterikerin Rosario (d.h. „Rosenkranz“, nomen est omen) Murillo zieren überall Wände und Hausecken und gerieren sich als die Royals von Nicaragua. Die häßliche Hauptstadt Managua wurde mit Strukturen aus Metall, die nachts beleuchtet sind, verschönert, den sogenannten „Lebensbäumen“.

Mit einer Mischung aus sozialer Rhetorik, religiösen salbungsvollen Sprüchen und esoterischem Psycho-Müll belabern die beiden das liebe Volk über die staatlichen Kanäle, während die liberale Presse Gift und Galle gegen diese „Marxisten“ spuckt. Dazwischen werden Schlager und Mariachis geboten.

Die Medien in Nicaragua sind unerträglich, mehr noch als sonstwo.

Und wie jeder größenwahnsinnige Landesvater war er offenbar unglaublich entrüstet, daß das von ihm beglückte Volk, anstatt zu schätzen, was er ihm alles Gutes tut, gegen ihn auf die Straße geht.

4. Die Repression und die Folgen
Mit dieser Pensionsreform stellte die Regierung praktisch die ganze Pensionsvorsorge in Frage, weil erstens die Beiträge aus den weiter oben angeführten Gründen schon bisher von sehr geringen Löhnen abgezogen wurden und zweitens die Pensionen inzwischen offenbar einen fixen Bestandteil des familiären Budgets der Nicaraguaner darstellen.

Als die Proteste losgingen, schickte die Regierung außer der Polizei auch spezielle Partei-Schläger gegen die protestierenden Massen los. Jeden Protest im Keim ersticken! scheint die Devise gewesen zu sein. Es wurde scharf geschossen. Gleichzeitig wurden die Protestierenden als Agenten ausländischer Mächte beschimpft, die Nicaragua ins Elend stürzen wollen, vor allem natürlich des CIA.

Die Regierung verließ sich darauf, daß aufgrund der leidvollen Erfahrungen der jüngeren Geschichte („Contras“) diese Anschuldigungen geglaubt werden und sich bald wieder Ruhe einstellen wird.

Der soziale Frieden ist gründlich gestört. Nicaragua ist zwar inzwischen wieder aus den Schlagzeilen verschwunden, aber die Repression geht weiter. Verschwundene tauchen nicht wieder auf. Ärzte, die Verwundete behandeln, werden drangsalisiert oder entlassen. Die Kirche hat sich vom Dialog wieder zurückgezogen.

Das einzige, was Ortega weiter an den Schalthebeln der Macht hält, ist der Umstand, daß es zu ihm derzeit keine Alternative gibt.
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(*1) Im Nachhinein, im Lichte der Ereignisse, die seither stattgefunden habe, gibt es auch noch die Möglichkeit, daß die Regierung Ortega bewußt eine Konfrontation hervorrufen wollte, um endgültig reinen Tisch zu machen und die Opposition kaltzustellen.
Es ist übrigens noch nicht heraußen, ob das auch auf Dauer gelingen wird. (Ergänzung von 2023)

siehe auch: LATEINAMERIKA, EINE NEBENFRONT: 2. Aufruhr in Nicaragua
Radiosendung zu Nicaragua (November 2018)
https://cba.fro.at/387500

Bankensanierung unter EU-Aufsicht

DIE ÜBERNAHME DES BANCO POPULAR
1. Vom Ideal, Krisen zu vermeiden
Die 2014 gegründete Europäische Bankenunion hat das erklärte Ziel, durch Aufsicht und Richtlinien eine Wiederholung der Finanzkrise zu verhindern.
Erstens ist die Finanzkrise nicht vorbei, ganz im Gegenteil, sie schleppt sich inzwischen ins 10. Jahr. Sie ist sozusagen latent geworden.
Bemerkenswert ist auch die interessierte Betrachtungsweise bzw. völlige Ignoranz gegenüber den Gründen der Krise. Die Kreditschöpfung des Finanzkapitals oder das Prinzip des Gewinns überhaupt, das die Finanz-„Dienstleister“ erst dazu bringt, zu machenden Profit bereits vorwegzunehmen, werden gar nicht Gegenstand der Überlegungen der Politiker und „Experten“ der EU. Sondern das Urteil steht schon fest: Menschliches Versagen soll wie bei Zugunglücken die Ursache gewesen sein, warum Banken krachen und Wertpapiere sich entwerten. Selbstherrlichkeit von einzelnen leitenden Angestellten, allgemein Gier und andere niedrige Gefühle, von denen man gar nicht weiß, wo die in unserer Wertegemeinschaft eigentlich herkommen, haben so wunderbare Gebilde wie den Euro ins Strudeln gebracht. Seither sind jede Menge Verantwortliche bei Notenbanken, Gesetzgeber und Juristen damit beschäftigt, den Euro mit Geldspritzen zu behandeln und mit weiterem Kredit zu füttern, damit er sich auf den Beinen halten kann.
Bei einer solchen Diagnose nimmt es dann auch nicht wunder, wie die Therapie aussieht: Kontrolle und noch einmal Kontrolle soll vermeiden, daß „einzelne“ „Fehlentscheidungen“ wieder eine Entwertungs-Lawine ins Rollen bringen. Der demokratisch geschulte Verstand betrachtet die gesamte gesellschaftliche Verfaßtheit, die kapitalistische Einrichtung der Welt mit Geld, Eigentum, Staat und Gesetzen als eine Art höhere Gewalt, die von gewöhnlichen Sterblichen irgendwie gebändigt und handhabbar gemacht werden muß.
Die Europäische Bankenunion folgt von ihrer Logik her also ähnlichen Prinzipien wie die Wildbachverbauung, womit aber den Aufgaben, die sie sich gestellt hat, und überhaupt dem Gegenstand ihres Handelns – dem Finanzkapital – nicht gerecht wird.
2. Die Banco Popular-Bank und ihr Ende
Die Bank wurde 1926 unter dem klingenden Namen „Volksbank der um die Zukunft Besorgten“ gegründet und erfreute sich der besonderen Gunst des damaligen spanischen Königs, der gleich demonstrativ die ersten Aktien zeichnete.
Unter Franco war die Bank wie andere Banken auch ein Instrument der wirtschaftlichen Steuerung, im Vorstand befanden sich viele Mitglieder des Opus Dei.
Zu einer „richtigen“ Bank wurde die Banco Popular erst nach dem Ende des Franco-Systems, als sie erstens ein umfassendes Filialnetz in Spanien aufbaute und dann ins Ausland expandierte – erst innerhalb der EG, und dann auch in Übersee, in den USA und in Mexiko.
An der Schwelle zur Finanzkrise, im Jahr 2008, führte sie noch eine Vereinheitlichung ihres Filialnetzes durch.
Als sie 2017 an die Bank Santander um einen symbolischen Euro verkauft wurde, war sie nach Vermögen die fünft- oder sechstgrößte Bank Spaniens.
Banco Popular saß natürlich, wie alle spanischen Banken, mit einem Haufen entwerteter Hypothekarkredite und anderen Überresten der großflächig gescheiterten Immobilienspekulation da.
Über die weiteren Gründe ihres Scheiterns und der Übernahme gehen die Ansichten auseinander. Eine eigene Untersuchungskommission wurde eingesetzt, und Aktionäre und Einleger haben rechtliche Schritte gegen Santander als Rechtsnachfolger eingeleitet.
Die Popular war die erste Bank, bei der die Bankenaufsicht eingriff. Aus den Protokollen der Untersuchungskommission geht hervor, daß die Beamten der EU-Bankenunion eigentlich keine Ahnung haben, wie sie mit dergleichen Fällen umgehen sollen. Die Wildbachverbauungs-Logik führt ins Nichts.
3. Ursachenforschung im Nebel
Die Diagnose der Tageszeitung El País gibt die Richtung vor, in die man in Zukunft denken soll:
„Sie (= die Bank) war das letzte Opfer der schlechten Leitung durch die Verantwortlichen während der Finanzkrise.“
Man entnehme dem Satz: 1. Die Finanzkrise war einmal. 2. Sie wirkt immer noch nach. 3. Bei guter Leitung wäre kein Schaden entstanden.
Der eine der ehemaligen Direktoren beschuldigte seinen Nachfolger, die Bank in den Bankrott getrieben zu haben, damit die Bank Santander sie übernehmen könne, ohne einen Cent dafür zu zahlen, und auch noch 2 Milliarden Euro dafür einzustreifen. (Das waren staatliche Zahlungen, damit Santander das gekenterte Schiff bei sich aufnehmen sollte.) Der Nachfolger hingegen konterte, die Bank sei bereits pleite gewesen, als er in die Direktion gekommen sei, das sei nur von seinem Vorgänger versteckt worden.
Zu dieser Praxis der geschönten Bilanzen gab er allerdings zu, daß sie weit verbreitet sei, da ja der Kredit der Bank um jeden Preis aufrechterhalten werden sollte. Also wurden überall nach dem Platzen der Immobilienblase in Spanien die nicht mehr bedienten Kredite und entwerteten Immobilien in den Bilanzen versteckt, so gut es nur ging. So auch bei der Popular.
Zunächst wurde das Filialnetz „verschlankt“ und Leute entlassen. Das verringerte zwar Kosten, brachte die Bank aber nicht in die Gewinnzone und löste das Problem der problematischen Aktiva nicht, die nach wie vor bei der Bank herumlagen.
Dann wurden Kapitalaufstockungen durch Börsengänge unternommen. Vorher wurde natürlich die Lage der Bank in den rosigsten Farben in Hochglanzprospekten und Werbespots ausgemalt – die Leute sollten die Aktien ja kaufen.
Diese Praxis wurde inzwischen von den spanischen Gerichten als Betrug eingestuft, sodaß saftige Entschädigungszahlungen an geprellte Aktionäre ausgezahlt werden mußten und auch weiterhin müssen.
Bei dieser Kapitalaufstockung kamen mexikanische Aktionäre in die Bank, die dachten – offenbar im Unklaren über den tatsächlichen Zustand der Bank – ein echtes Schnäppchen gemacht zu haben. Jetzt schauen sie durch die Finger und wollen ihr Geld zurück. Auch aus New York wurden Klagen gegen die Bank eingereicht, die sich inzwischen eben an die Santander als neuen Besitzer richten. Der Fall der Popular geht also auch über die EU hinaus.
Eine beliebte Form der Kapitalerhöhung bei Banken und Sparkassen in Spanien bestand auch darin, den betuchteren Kunden Anteilsscheine an der Bank aufzuschwatzen, die sich mit einem Bankrott oder Verkauf der Bank in Luft auflösen, oder eben doch nicht, weil dieser Umstand eine Flut von Klagen nach sich zieht.
Im Falle der Popular wurde auch diese Praxis sehr verdeckt gehandhabt, weil diese Anteilsscheine bei anderen Banken bereits öffentlich in Mißkredit geraten waren. Es ist in den Medien immer nur von „Investoren“ die Rede, aber nicht davon, welcher Art die „Investition“ eigentlich war, da aufgrund der Schwierigkeiten der Bank auch der Börsengang gar nicht oder nur teilweise öffentlich war.

4. Santander als Bankenretter

Die Bank Banco Santander ist das Herzstück des Grupo Santander, einem internationalen Netz von Finanzdienstleistern rund um den Globus.
Gegründet wurde die Bank im 19. Jahrhundert als Handelsbank für den Export und Import aus dem Hafen von Santander. Später war sie eine der Banken, die Papiergeld druckten und in Umlauf brachten, bis dieses Geschäft der Nationalbank exklusiv übertragen wurde. Erst im 20. Jahrhundert begann sie, sich über Kantabrien hinaus zu einer gesamtspanischen Bank zu entwickeln und andere Banken einzuverleiben. Einen echten Wachstumsschub brachte der Fall des Rumasa-Imperiums, einer vertikalen Unternehmensgruppe aus der Franco-Zeit, die 1984 von der damaligen Regierung zerschlagen wurde, wobei Santander den Banksektor übernahm.
Seit dem EG-Beitritt Spaniens 1986 wächst Santander unaufhörlich. In den 90-er Jahren wurde sie zur größten Bank Spaniens und einer der wichtigsten Banken Lateinamerikas. Mit der Einführung des Euro expandierte Santander so richtig in andere Staaten der EU und nach Übersee. Santander gehörte zu den Banken, die den Euro nutzten und gleichzeitig als internationale Währung in anderen Ländern etablierten.
Zu ihrem 150. Jahrestag 2007 war sie die 12-größte Bank der Welt und diejenige mit dem größten Filialnetz weltweit. Den größten Geschäftsanteil machen das Privatkundengeschäft und die Konsumentenkredite aus.
Seither hat Santander noch weitere Banken übernommen. Zunächst sah sie die Krise und die aus ihr resultierenden Bankencrashes natürlich als eine Chance, weiter zu expandieren und sich Marktanteile in ihrem Stammgeschäft zu sichern.
Mit dem Fortschreiten der Krise kam aber noch ein anderer Gesichtspunkt dazu. Santander ist nicht nur eine Systembank des europäischen Finanzsystems, sie ist auch zu einer Systembank der Bankenrettung geworden.
Sie kauft gestrauchelte Banken auf der iberischen Halbinsel auf und saniert diese, sowohl finanziell als auch, was die anstehenden Klagen und Rechtsstreitigkeiten angeht. Dafür erhält sie alle Unterstützung vom Staat und der EZB.
So sieht das Aufräumen hinter gecrashten Banken viel besser aus: Es handelt sich scheinbar um eine normale kommerzielle Operation, eine Bank kauft eine andere, und fertig. Santander stützt damit den Ruf des Euro.
Das einzige Problem ist, daß sich die Santander nicht überall einsetzen läßt, weil z.B. die italienischen Regierungen eine Übernahme ihrer großen Banken durch Santander nicht zulassen würden. Schon der Erwerb der Antonveneta und ihr baldiger Verkauf an eine italienische Bank zeigten, daß Santander in Italien nicht willkommen ist. Möglicherweise haben auch andere Staaten Vorbehalte gegen das Eindringen dieses Haifisches in ihren finanziellen Fischteich.
Es fragt sich übrigens, was Santander mit den bei ihr natürlich auch in großer Menge vorhandenen geplatzten Krediten, unbebauten Grundstücken und leeren Immobilien macht? Schreibt sie sie locker ab, oder hat sie bessere Konditionen als andere Banken, diese entwerteten Aktiva auf Bad Banks oder andere Müllschluck-Institutionen zu dumpen?
5. Der spanische Staat und seine Bad Bank
Ein großer Abwesender beim Fall der Popular ist die spanische Bad Bank, die SAREB. Sie wurde ja gegründet, um den Banken die faulen Kredite abzukaufen. Entweder sie hat der Popular zu wenig davon abgekauft, oder sie hat zu wenig dafür gezahlt.
Oder aber, das ganze Programm der Bad Bank bewährt sich bei nicht bedienten, also verfallenen Krediten nicht, sondern läßt sich nur auf entwertete Wertpapiere anwenden.
Es ist jedoch auffällig, daß die SAREB, die genau für solche Banken wie die Popular gegründet wurde, in den ganzen Verhandlungen um die Nachbereitung der Bankinsolvenz und des Kaufes durch die Santander gar nicht aufscheint.
Daraus kann man Rückschlüsse auf die Tätigkeit der SAREB und deren Dotierung aus dem spanischen Budget ziehen. Der große Schritt war offenbar die Gründung dieser Bad Bank. Seht her, wir kümmern uns um unsere Banken und deren Probleme! Das war eine Botschaft an das In- und Ausland, nachdem Spanien 2012 einen großen Kredit aus dem Rettungsfonds ESM zur Bankensanierung erhalten hatte.
Und da hat sich die SAREB ja auch bewährt, neben anderen Maßnahmen wie dem Anleihen-Aufkaufsprogramm der EZB: Das Rating der spanischen Staatsanleihen verbesserte sich.
Das Geld war offenbar bald verbraucht, und seither zahlt die SAREB fast nichts mehr bzw. kauft keine entwerteten Aktiva mehr auf. Hin und wieder gibt es Berichte über die SAREB: von den bei ihr angesammelten Immobilien und sonstigen Vermögenswerten oder Schuldtiteln wurden so und so viel Prozent „realisiert“, also irgendwie zu Geld gemacht. Ob es sich dabei um so symbolische Euros handelt oder um irgendwelche wirklichen Einnahmen, bleibt im Dunkeln.
Die zweite wichtige Aufgabe der SAREB scheint nämlich zu sein, die Immobilienpreise wieder auf ein gewinnversprechendes Niveau zu heben und den Hypothekarkredit zu beleben. Diesbezügliche Erfolgsmeldungen kann man glauben oder nicht. Ein wirklicher Durchbruch scheint bis heute nicht stattgefunden zu haben, ein großer Anteil der Hypothekarkredite bleibt uneinbringlich, weil die Schuldner sich ins Ausland abgesetzt haben, entweder nach Lateinamerika oder in andere EU-Staaten.
Damit ist auch der spanische Bausektor nicht mehr wirklich auf die Füße gekommen und hält sich mit staatlichen und Auslandsaufträgen irgendwie über Wasser.
Und deswegen ist letztlich auch die Popular gekracht: Die Hoffnung, nach einer Durststrecke wieder ins Hypothekargeschäft zu kommen, bewährte sich nicht.
Der Grund, die Bank zu übernehmen und zu verkaufen, war schließlich ein Run auf die Bank, aufgrund der sich häufenden Negativmeldungen. Da griff die Euro-Bankenaufsicht ein.
6. Die europäische Bankenaufsicht
Schon die Namensgebung der Bankenaufsicht ist eigenartig: Überall sind „Mechanismen“ zugegen, aber die Beschlüsse erfolgen nicht mechanisch, sie müssen dann schon von Menschen gefaßt werden.
Wie sich inzwischen aufgrund der Anhörungen der spanischen Untersuchungskommission herausgestellt hat, hatte der EZB-Bankenaufsichts-Ausschuß SRB im Mai 2017 die Buchprüfer-Firma Deloitte beauftragt, sich die Bilanzen und Perspektiven der Bank anzuschauen. Die Firma erstellte 3 Szenarien, ein positives und 2 negative. Außerdem hat dieser Ausschuß eine eigene Bewertung erstellt, die auch negativ war.
Auf dieser Grundlage kam es zum Entschluß des SRB-Ausschusses, die Popular an Santander für einen symbolischen Euro zu verkaufen.
Über das alles ist aber nicht viel herauszubekommen, weil sowohl die 3 Studien der Buchprüfer-Firma als auch diejenige des EZB-Ausschusses „vertraulich“ sind. An die spanischen Abgeordneten im Parlament wurde nur eine stark zensurierte und nichtssagende Zusammenfassung dieser Papiere freigegeben. Aus der geht immerhin hervor, daß der SRB-Ausschuß den Verkaufsbeschluß faßte, weil die EZB sich weigerte, der Bank weiter Liquidität über den ELA-Notfallsmechanismus zuzuschießen.
Weiters geht aus diesem Resümee der Intervention noch hervor, daß der Bankenaufsichts-Ausschuß den Geldhahn abdrehte, weil die Verantwortlichen der Popular nicht genug Aktiva vorweisen konnten, um weitere Geldspritzen zu rechtfertigen.
Die ganze Tätigkeit dieser Bankenaufsicht, die so um die 1000 Mitarbeiter beschäftigt, dreht sich also allein um die Frage, wann einer Bank definitiv der Hahn zuzudrehen ist. Und zwar dann, wenn sie nicht genug hat, um einen Liquiditäts-bzw. Überbrückungskredit auch zu bedienen und zu tilgen. Einzig und allein für diese Frage werden Studien erstellt und Gehirnschmalz eingesetzt. Diese Geistesleistungen sind dann aber „vertraulich“, weil sie entweder auf einige Akteure, oder aber auf den ganzen Banksektor kein gutes Licht werfen.
Die Bankenaufsicht bemängelte ferner die „negative Berichterstattung in der Presse“, die „die Schließung der Bank beschleunigt habe.“
Damit wird eigentlich der Bankleitung vorgeworfen, die Öffentlichkeit nicht ausreichend hinters Licht geführt zu haben. Ferner wird damit zugegeben, daß die Bank sowieso hätte zusperren müssen, nur eben etwas später. Wie auch die Geheimnistuerei mit den Studien zeigt, hält die Bankenaufsicht anscheinend das Verstecken von kompromittierenden Infos für das Um und Auf des Bankengeschäfts!
Die spanische Untersuchungskommission und mit ihr das spanische Parlament ist entrüstet, weil sie alle keine Infos kriegen. Die Bankenaufsicht ist genervt, weil die angeblich falsche „Informationspolitik“ die Kosten der Sanierung hinaufgetrieben hat. Und die über 300.000 Geschädigten beschäftigen Anwälte und Gerichte, um ihr investiertes Geld zurückzubekommen.
Das ist also das Resultat der Tätigkeit der Bankenaufsicht. Oder genauer, das bisherige.

Pressespiegel El País, 22.6., kommentiert:

„Die Eurogruppe setzt den Schlußpunkt unter eine Ära von Rettungspaketen für Griechenland“
VERHATSCHTE EURO-PROPAGANDA
„Die Wirtschaftsminister einigen sich auf Erleichterungen bei der griechischen Staatsschuld, um seine“ (d.h. Griechenlands) „Rückkehr an die Märkte zu ermöglichen.“ (El País, 22.6.)
Schon an der ganzen Wortwahl merkt man, daß etwas faul ist an der Angelegenheit. Wer sind die „Wirtschaftsminister“? Die meisten Mitglieder der Eurozone haben dieses Amt nicht. Erwähnt werden in dem ganzen Artikel der griechische Finanzminister, Efklidis Tsakalotos, der Wirtschafts- und Währungskommissar der EU-Kommission Pierre Moscovici und der neue Kommissionspräsident Mario Centeno. Später heißt es: „Die Finanzminister“ Alle? Ansonsten gibt es noch Hinweise auf „Paris“ und „Berlin“ und die angebliche Zustimmung von EZB und IWF. Wer alles genau bei dieser Übereinkunft zugegen war, bleibt im Dunkeln.
„Als Quintessenz der Krise des Euro beginnt Griechenland sich nach einer großen Depression wieder zu zeigen.“
Die Wortwahl und das Bild machen deutlich, daß dem Autor nicht ganz wohl ist bei seinem Schönwetter-Artikel. Es war ja nicht so, daß man Griechenland bzw. seine politischen Repräsentanten in den letzten Jahren nicht gesehen bzw. nichts von ihnen gehört hätte. Im Gegenteil, nur waren die Meldungen eher unerfreulich.
Jetzt hingegen soll es aufwärts gehen, nach einer „Depression“. Ist eigentlich die Situation Griechenlands mit diesem Begriff richtig beschrieben?
„Die Vereinbarung wurde bereits verkündet,“ (von wem?) „man mußte aber länger als erwartet darauf warten. (!!) Mitternacht war bereits vorbei, die Minister tagten bereits seit 9 Stunden, es gab – wieder einmal – einen ziemlichen Wirbel zwischen den Ministern Deutschlands und anderer Länder, die mehr Großzügigkeit gegenüber Griechenland forderten.“
Der Einigung war also holprig. Was es mit der „Großzügigkeit“ auf sich hat, erfahren wir etwas weiter unten.
„»Die griechische Krise endet diese Nacht hier in Luxemburg,« verkündete der Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici in einer Fernsehansprache, die Geschichte machen will. Aber da es um Griechenland geht, hat sogar das Happy End einen Hauch von Tragikkomödie.“
Man fragt sich, woraus denn dieses Happy End besteht? Und die „Komödie“? Die Beschreibung des Treffens weist auf Disharmonie hin:
„Das Treffen verwandelte sich manchmal in einen genauen Ausdruck des verdeckt geführten Krieges zwischen dem Norden und dem Süden Europas, zwischen Gläubigern und Schuldnern, zwischen Deutschland und Frankreich. … Deutschland wollte wie immer weniger großzügige Bedingungen für die Umstrukturierung der griechischen Schuld (180% des BIP, absolut unbezahlbar nach dem Urteil des IWF).“
Aha. Jetzt wird klar, was hier „Großzügigkeit“ heißt: Es geht eine Umstrukturierung, nicht um einen Schuldenerlaß.
„Berlin war immer gegen eine Streichung von Schulden, schlug aber eine Verlängerung von Fristen auf 10 Jahre vor, ohne weitere Liquiditätspolster.“
Fristen für was?
„Paris setzte auf 15 Jahre, und Zugeständnisse in Sachen Liquidität. Griechenland ersuchte um weitere 20 Milliarden, und erhielt 15.
Die schlußendliche Einigung, ein Mittelweg zwischen den Vorstellungen Deutschlands und Frankreichs, eröffnet einen neuen Horizont für Griechenland.“
Bei all den euphorischen und übertriebenen Formulierungen, von denen dieser Artikel strotzt, ist einmal darauf hinzuweisen, daß damit Griechenland erst einmal diejenigen Konditionen zugestanden wurden, die Irland und Portugal seinerzeit und mit weniger Getöse erhalten hatten, um das Thema vom Tisch zu kriegen. Beiden wurde eine Schuldenstundung zugestanden, als die Troika ihnen Botmäßigkeit bescheinigte und sie aus der Budgetkontrolle entließ. Es war also das Pech Griechenlands, daß es bisher eine Sonderbehandlung erfuhr.
Einer der Gründe mag gewesen sein, daß es das erste Land der Eurozone war, das seine öffentliche Schuld nicht mehr bedienen konnte, und deswegen eine Art Versuchskaninchen darstellte, an dem man die Euro-Rettung ausprobierte.
Der Haupt-Grund für die Sonderbehandlung und dem deutschen Beharren auf Kontrolle Griechenlands war jedoch die seinerzeitige Ankündigung von Syriza, aus dem Sparkurs ausscheren und mit der Staatsverschuldung munter weitermachen zu wollen. Deshalb stand die Regierung von Alexis Tsipras eine Zeitlang unter dem Verdacht, durch unverantwortliches Festhalten am Credo von vorgestern – Kredit schafft Wachstum! – die ohnehin wacklige Euro-Rettung zu gefährden.
Inzwischen ist die Syriza-geführte griechische Regierung ganz brav geworden, hat alles unterschrieben, was ihr vorgelegt wurde, alles privatisiert, wofür sich ein Käufer gefunden hat, allen Bedingungen zugestimmt, die Pensionen x-mal gekürzt und auch jede Menge Flüchtlinge bei sich gelagert, die keiner wollte und will.
Die Euro-Häuptlinge hingegen sind draufgekommen, wie gut sie es doch mit dieser Regierung getroffen haben, die inzwischen allem zustimmt und dennoch das Land irgendwie im Griff hat. Möglicherweise hat auch das Nachgeben im Namensstreit mit Mazedonien endgültig den Ausschlag gegeben, diese derzeitige griechische Politikermannschaft zu schätzen. Vor allem, da es weit und breit keine Opposition gibt, die in der Lage wäre, das ziemlich perspektivenlose Land zu übernehmen und im Sinne der EU zu regieren.
Außerdem tritt eine ähnliche Situation wie vor einigen Jahren ein, als Portugal bescheinigt wurde, alles richtig gemacht zu haben und es aus derm Troika-Regime entlassen wurde, um Griechenland zu zeigen, wie „großzügig“ die Eurogruppe doch sein könne, wenn man ihr gegenüber den richtigen Ton anschlägt.
Jetzt steht mit Italien ein weitaus größerer Brocken an und wieder soll es erst mit dem Zuckerbrot versucht werden: seht her, auch Griechenland haben wir jetzt ein Teil-Moratorium zugestanden, weil sie gefügig waren, nehmt euch an Tsipras ein Beispiel!
In diesem Falle präsentiert sich jedoch die Lage für die Euro-Hüter ungleich schwieriger, weil Italien ein weitaus wichtigerer volkswirtschaftlicher Faktor ist als es Griechenland war und ist.
Also ist jetzt wieder einmal der Versuch fällig, ein gutes Beispiel zu präsentieren, um die jungen Wilden aus Italien zu mehr Unterwürfigkeit zu bewegen. Ob das klappt, wird man sehen. Bei der Eurogruppe ist die Absicht jedenfalls da.
Das ist der politische Hintergrund des jetzt erzielten Abkommens an Griechenland.
Was die ökonomische Seite angeht, so ist der Deal etwas schwammig:
„Athen wird die Kredite des Rettungspaketes erst ab 2032 – betreffend sowohl die Zinsen als auch das Kapital – abzahlen.“
Wurde bisher nichts gezahlt? Was man so las, mußte Griechenland die bisher zumindest bedienen, also die Zinsen darauf zahlen. Die werden ab jetzt also bis 2032 gestundet.
Weiters ist anzumerken: nur diejenigen Zinsen werden gestundet, die für die Kredite des Rettungspaketes anfallen. Die Altkredite – bei privaten Banken und anderen Gläubigern aus der Schuld vor 2012 bzw. 2015 –, die Athen weiterhin bedienen und tilgen muß, sind davon nicht berührt. Die machen aber, ungeachtet dessen, was man den Medien entnehmen oder nicht entnehmen kann, immer noch den weitaus bedeutenderen Teil von Griechenlands Schulden aus.
„Ebenso wird die Frist für die Rückzahlung (die bisher schon 32 Jahre betrug), um 10 Jahre verlängert.“
Das steht im Widerspruch zum obigen, demzufolge Griechenland ab 2032, also in 14 Jahren „sowohl betreffend die Zinsen als auch das Kapital abzahlen“ wird. Es kann höchstens gemeint sein: die endgültige Tilgung, also die Zahlung der letzten Rate.
„Und schließlich, die Eurogruppe verpflichtet sich zur Zahlung der letzten Tranche des Rettungspaketes in der Höhe von 15 Milliarden … erweiterbar bis auf 24,1 Milliarden, um den Investoren mehr Vertrauen einzuflößen, wenn Griechenland sich ab August wieder frei auf den Finanzmärkten bewegen wird.“
Darauf läuft es also hinaus: Griechenland soll wieder fähig gemacht werden, selber Anleihen zu begeben und sich auf den Kapitalmärkten neu zu verschulden. Dafür wird ein Teil seiner Schuld vorläufig auf Eis gelegt, vermutlich um den Preis höherer Zinsen ab 2032. Griechenland soll also fähig gemacht werden, seine 180%ige Staatsschuld weiter zu erhöhen.
Argentinien läßt grüßen. In knapp zwei Jahren verdoppelte es seine Staatsschuld, teilweise durch Zinsversprechen von 40%. Dann mußte wieder einmal der IWF für seine Zahlungsfähigkeit garantieren.