Griechenlands Schuldenschnitt

WER HAT DEN SCHWARZEN PETER?
Vor ein paar Monaten hatte das alles noch ganz anders geklungen. Die Financial Times Deutschland feierte, wie sehr ihre Regierungschefin auf den Tisch gehaut und die widerspenstige Bankenwelt zur Räson gebracht hatte:
„Der jüngste Euro-Krimi endete um 4 Uhr in der Früh. Die Banken mussten schließlich nachgeben, weil Angela Merkel und Nicolas Sarkozy knallhart verhandelten: Sie hatten ein Angebot gemacht, das die Geldinstitute nicht ablehnen konnten. … Die jetzt vereinbarten 50 Prozent Schuldenschnitt waren zugleich »das einzige Angebot«, das auf Ebene der Regierungschefs unterbreitet wurde. Es war wie im schönsten Mafia-Film ein Angebot, dass man nicht ablehnen kann. Denn sonst wäre ein erzwungener Schuldenschnitt fällig gewesen. “Dazu ist es ja nun nicht gekommen”, merkte Merkel süffisant an.
So gibt es nun also einen freiwilligen Schuldenschnitt, der Banken und Versicherungen 100 Mrd. Euro kostet.“ (27.10. 2011)
Die FTD merkte dazu noch an, daß es noch andere Beiträge zu diesem Schuldenschnitt geben sollte:
„Allerdings ist der Deal auch für die Regierungen und den Internationalen Währungsfonds (IWF) nicht ganz billig. Im Juli sollte das zweite Griechenland-Paket bis 2014 noch 109 Mrd. Euro kosten, jetzt werden es 130 Mrd. Euro. Die Banken, da immerhin hat Merkel recht, mussten ihren Anteil aber stärker erhöhen als der öffentliche Sektor. 15 Mrd. Euro der 130 des öffentlichen Sektors sollen irgendwann aus zusätzlichen Privatisierungserlösen der Griechen kommen.“ (ebd.)
Man hätte damals, entgegen oder gerade angesichts der nationalistisch angehauchten Jubelmeldungen des Wirtschaftsblattes fragen können: hmmm, wie hätten die Regierungschefs eigentlich einen Schuldenschnitt erzwingen können? Wenn die EU sagt: Na, dann kriegt ihr eben gar nichts! – so wäre es einem Staatsbankrott Griechenlands gleichgekommen, mitsamt der Entwertung aller griechischen Schulden, also nicht nur der Staatsschuldverschreibungen, sondern in der Folge auch aller privaten Verbindlichkeiten, die griechische Firmen und Private mit dem Ausland eingegangen wären. Ein Szenario, das auf jeden Fall vermieden werden sollte, und weshalb dieser Gipfel auch einberufen worden war.
Jetzt, 2012 wirds ernst, und alle vermeintlichen Versprechungen vom Oktober sind Schall und Rauch. Die Banken mögen damals einiges unverbindlich zugesagt haben, was sie inzwischen überdacht haben. Es ist schließlich in den letzten Monaten einiges geschehen: Ungarn hat sich als nächster Problemfall in den Vordergrund gespielt, und Italien zeigt vermehrte Anfälligkeit für eine „Ansteckung“ durch Griechenland. Und die Ratingagentur S&P hat seither gemeldet, daß sie jede Reduktion der Schuld als Zahlungsausfall bewerten würde.
Und siehe da, weg ist der so gefeierte Konsens vom Oktober:
„Der IWF hat bei den Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands begonnen, die EZB zu einer Schuldenstreichung zu drängen. Die EZB, die der erste Gläubiger Griechenlands ist (mit geschätzten 50 Milliarden €, die sie in Form von Anleihen und Schatzscheinen hält), hat sich bisher geweigert, sich an dieser 50%-igen Streichung, die Athen mit den internationalen Kreditinstituten verhandelt, zu beteiligen.“ (El País, 26.1.)
Es gibt noch andere herbe Enttäuschungen gegenüber dem Enthusiasmus vom Oktober vergangenen Jahres: Die eingeplanten 15 Milliarden aus Privatisierungserlösen sind auch nicht erlöst worden – nicht deshalb, weil die griechische Regierung da so geschlampt hat, wie die Medien vermelden, sondern weil diese Unternehmen der Infrastruktur Griechenlands (Telefongesellschaft, Autobahnen) niemand kaufen will.
Und so soll jetzt die EZB mit gutem Willen vorangehen und auf geschätzte 50 Milliarden Euro verzichten.
Gut, so könnte man jetzt sagen, wo ist das Problem? Sie verbrennt einfach diese Papiere, die sie bei sich im Keller lagern hat (und kriegt damit Platz für die gleiche Menge fauler Staatsanleihen aus Portugal, Spanien und Italien, die sicher auch schon in der Warteschlage stehen). Und wenn sie Geld für neue Ankäufe braucht, so druckt sie es einfach!
Aber die Abschreibung von 50 Milliarden auf Euro lautender Anleihen würde natürlich erstens wieder ein „negatives Signal“ an die „Märkte“ senden, und die Banken, die von den Problemstaaten ohnehin nur mehr kurzfristige Anleihen aufkaufen, weiter zur Reduktion dieser Tätigkeit veranlassen.
Aber auch Euro-Staaten wie Deutschland und Holland, oder die auch die bereits etwas angekratzten Frankreich und Österreich, würden einer neuen Bewertung unterzogen werden, ob Anleihen in Euro überhaupt noch sicher sind, und die Kapitalflucht aus dem Euro-Raum würde sich verstärken.
Die EZB, diese Hüterin der „Währungsstabilität“ des Euro würde langsam zu einer Art Geldwäschemaschine, oder einer Art moderner Variante des Steins der Weisen, wo vorne entwertete Staatsschuldverschreibungen hineinkommen und hinten gutes Geld herauskommt.
Was der Güte dieser von der EZB bedruckten Zettel nicht gut bekommen würde.

Das verflixte dritte A

ÖSTERREICH VERLIERT SEINE BESTNOTE
Weiterer Ausblick: negativ.
Das Wehgeschrei ist groß. Wie konnte es dazu kommen?! Zwischen Geschimpfe auf die Ratingagenturen und Beschwichtigungsversuchen, die „Märkte“ würden sich gar nicht drum kümmern, schaut kaum wer nach, warum Standard and Poor Österreich und andere EU-Staaten herabgestuft hat. Diese Begründungen sind allerdings lesenswert. Entgegen der Behauptung, die im Parlament nicht durchgegangene Schuldenbremse sei der Grund für diesen Schritt gewesen, hat S&P einen etwas weiteren Blickwinkel als den auf nationale Parlamente:
„The outcomes from the EU summit on Dec. 9, 2011, and subsequent statements from policymakers lead us to believe that the agreement reached has not produced a breakthrough of sufficient size and scope to fully address the eurozone’s financial problems. In our opinion, the political agreement does not supply sufficient additional resources or operational flexibility to bolster European rescue operations, or extend enough support for those eurozone sovereigns subjected to heightened market pressures.“
Es war der EU-Gipfel im Dezember, der in den Medien als „Durchbruch“ verkauft wurde, der nur durch Spielverderber wie den britischen Premier etwas verpatzt worden war, der S&P an EU und Euro überhaupt hat zweifeln lassen. Daß in Zukunft ein Sparkurs gefahren werden soll, hält die Agentur nicht für die Lösung des Schuldenproblems. Es sei keineswegs ausgemacht, daß für zukünftige Rettungsaktionen – die für S&P so selbstverständlich sind, daß sie sich darüber gar nicht erst verbreitern – genügend Mittel zur Verfügung stehen. Genaugenommen sei diesbezüglich gar nichts entschieden.
S&P teilt also die derzeit gültige Sprachregelung, man müßte jetzt „sparen“, um wieder kreditwürdig zu werden, gar nicht. Auch die Richtung, die auf diesem Gipfel vorgegeben wurde: daß die erfolgreichen Staaten den gestrauchelten bzw. gescheiterten Partnern in der EU mehr oder weniger eine Aufsicht vor die Nase setzen, die den Geldhahn auf- und zudrehen kann, und das als „weiteren Schritt der europäischen Integration“ und Vorankommen in Richtung „Fiskalunion“ feiern – das hält S&P für ökonomisch kontraproduktiv.
S&P spricht auch aus, daß der Grund für die derzeitige Euro-Krise falsch bestimmt ist:
„We also believe that the agreement is predicated on only a partial recognition of the source of the crisis: that the current financial turmoil stems primarily from fiscal profligacy at the periphery of the eurozone. In our view, however, the financial problems facing the eurozone are as much a consequence of rising external imbalances and divergences in competitiveness between the eurozone’s core and the so-called “periphery”. As such, we believe that a reform process based on a pillar of fiscal austerity alone risks becoming self-defeating, as domestic demand falls in line with consumers’ rising concerns about job security and disposable incomes, eroding national tax revenues.“
Es ist nicht die vermeintliche „Verschwendung“ der PIIGS, sondern das Abschiffen dieser Staaten gegenüber der „Kernzone“ als Folge der Konkurrenz innerhalb der EU. Nicht wegen der Ausgaben der Pleitestaaten sei die Krise eingetreten, sondern aufgrund des Rückgangs der Wirtschaftsleistung dieser Staaten. Auf der Einnahmen-Seite sieht S&P auch keine Besserung eintreten, weil genau dieses Beschränken der Staatsausgaben und Erhöhen der Steuern einen Rückgang der Inlandsnachfrage nach sich ziehen und die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben ungünstig beeinflussen wird.
Es ist eigentlich nur die Logik des vergangenen Jahrzehnts, an das S&P die Staaten der Eurozone bzw. der EU erinnert: War es jahrelang das Credo aller Politiker, Wirtschaftsfachleute, Unternehmer und dergleichen Akteure, daß Kredit der Hebel des Wachstums ist und man durch die Liberalisierung des Kreditwesens und die Einführung des Euro eine Art pepetuum mobile des wirtschaftlichen Erfolges geschaffen hätte, so tritt heute der umgekehrte Fall ein: Durch Zurückfahren der Staatsausgaben und Erhöhung der Steuern wird Schrumpfung, Rezession verursacht, und das wiederum rüttelt an den Fundamenten des Kredits.

Pressespiegel: El País, 9.12. – Einfrieren von Sparguthaben?

ANGST VOR DEM „CORRALITO“
Arbeitslosigkeit ist nicht das einzige Problem, dass die Menschen beunruhigt. Eine andere verborgene und stetig anwachsende Angst macht sich inzwischen breit: der Argwohn, daß die Ersparnisse nicht sicher sind. Vor 10 Jahren wurde der „Corralito“ (eine Art Laufstall) eingeführt, was bedeutete, daß Millionen von Argentiniern von einem Tag auf den anderen ihre Bankkonten gesperrt wurden. Die Sorge davor, daß sowas auch in Spanien passieren könnte, wächst: ein Einfrieren der Sparguthaben mit Zugangsbeschränkungen, oder, noch schlimmer: die Vorstellung eines Endes des Euro als Währung und die Umwandlung von Einlagen in die neue Währung (Peseten) – was in Argentinien der „Corralón“ (ein kleines Gehege) hieß – ist heute mehr als ein bloßes irreales Planspiel für Ökonomen.
Inzwischen ist die Debatte bereits auf der Straße angekommen. Und in den Filialen der Banken. Sparer sind von Haus aus furchtsam, umso mehr, um je geringere Beträge es sich handelt. Auf Internet-Foren gewinnt die Frage „Was mache ich mit meinem Geld?“ immer mehr Anhänger. Die Vorschläge, wie man seine Spargroschen in Sicherheit bringen könnte, sind mannigfaltig:
– ein Konto in einer Fremdwährung (Dollar, Pfund, Yen) anlegen,
– ein Konto in einem Land, das noch Kredit hat, anlegen, in der Annahme, daß ein solches im Falle eines Eurozusammenbruchs zum harten Kern derjenigen Länder gehören wird, deren Währung stabil ist (Deutschland, Frankreich oder Holland, um die geographisch nächsten zu nennen)
– ein Konto in einem Nicht-EU-Land eröffnen (Schweiz, USA …)
– das Geld in Form von Edelmetallen in einem Tresor aufbewahren,
– in Gold investieren.
Es gibt noch mehr, und der Königsweg ist keiner davon.
Ein „Corralito“ oder die Rückkehr der Peseta in Europa bzw. Spanien sind unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Das Treffen der europäischen Staats-und Regierungschefs in Brüssel gestern sollte dazu dienen, diese Gefahr zu bannen, den Euro zu stabilisieren, die Schuldenkrise in den Griff zu kriegen und Liquidität für das Finanzsystem zu schaffen.
Es gibt jedoch Gründe für Misstrauen. Die Beschlüsse der vorherigen Gipfel im Juli und Ende Oktober wurden nicht umgesetzt. Und die Glaubwürdigkeit derer, die sie getroffen haben, ist nicht sehr hoch: sie haben ja auch seinerzeit bestritten, dass Griechenland zahlungsunfähig wäre oder dass Portugal und Irland ein Rettungspaket brauchen würden, und behauptet, dass der Euro nicht in Gefahr sei.
Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) bestätigte gestern, dass unter den europäischen Banken die spanischen nach den griechischen das meiste zusätzliche Kapital benötigen (26.170 Millionen Euro), um im Rahmen der neuen Vorschriften ihre Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten.
Das griechische Beispiel gibt auch zu denken. Seit Januar 2010 schrumpften die gesamten Einlagen bei griechischen Banken um fast 25% (wie in Argentinien in den acht Monaten vor vor der Verhängung des „Corralito“). Allein zwischen September und Oktober wurden 14.000 Millionen Euro abgezogen. Zu Beginn der Krise waren es die großen Vermögen und die Konzerne, die Gelder verschoben haben. Inzwischen ist es die Mittelschicht, die ihre Einlagen aufkündigt, und es ist nicht ungewöhnlich, dass Kunden in ihre Filiale kommen, um Beträge zwischen 100.000 und 500.000 € abzuheben und zu Hause in die Matratze zu stecken. Als eine der ersten Maßnahmen der Regierung Monti in Italien wurden Barauszahlungen über 1.000 € verboten, um Geldbewegungen im Inland überwachen zu können.
In Spanien gab es keinen massiven Abfluss von Einlagen, obwohl in den letzten Monaten ein erheblicher Rückgang festzustellen ist. Seit dem Höchststand im März dieses Jahres (1.425.834 Mio.), haben die Haushalte und Firmen in den letzten sechs Monaten Einlagen in Höhe von 33,197 Millionen zurückgezogen. Alle Experten sehen jedoch die Hauptursache für den Abzug in der höheren Rentabilität von Staatspapieren und anderen Anlageformen.
Es gab gelegentlich Momente der Panik im Falle von Banken, die dann gerettet werden mussten. Bei der Caja Mediterraneo (CAM) wurden seit dem Ausbruch der Krise im Februar und ihrer gescheiterten Fusion mit anderen Banken mehr als 5 Milliarden abgezogen. Nur eine Geldspritze der spanischen Nationalbank verhinderte den Zusammenbruch der Bank. Davor mußte die Caja Castilla-La Mancha (CCM) gestützt werden, da innerhalb eines Monats 500 Millionen Euro abgezogen worden waren.
In der neuesten Studie von Merco (Monitor Empresarial de Reputación Corporativa, Firma für die Erhebung von Daten über Unternehmen) wird festgestellt, daß nur ein Drittel der Bevölkerung an die Erholung der Finanzbranche glaubt, und daß 13% aus Sorge über eine mögliche Insolvenz ihr Geldinstitut gewechselt haben. Der Direktor von Merco, Justo Villafañe, stellt fest, daß „Zahlungsfähigkeit derzeit der wichtigste Aspekt für alle Bankkunden ist“.
Noch alarmierender ist die diese Woche durchgeführte Umfrage der Finanzagentur Bloomberg bei 1.100 ihrer Firmenkunden (Investmentbanken, Fonds, Kapitalgesellschaften und Fachpresse). 40% der Befragten halten einen Bankrott von Spanien für „wahrscheinlich“. Es ist bemerkenswert, daß sie den spanischen Markt als riskanter einstufen als Argentinien oder Irland. Dem Euro vertrauen sie auch nicht. 57% von ihnen sagten, sie würden ihre Euro-Positionen reduzieren.
Ein weiteres Zeichen des Misstrauens in die Banken ist die steigende Nachfrage nach Tresoren, sodaß die Erzeugerfirmen bereits Wartelisten haben.
José Maria Mollinedo, Generalsekretär der Fachleute-Abteilung des Finanzministeriums sieht die Gründe für dieses Phänomen allerdings nicht nur in der Angst vor dem „Corralito“, sondern auch in der Anhäufung von Schmuck und Schwarzgeld. Das Finanzministerium erwägt die Erstellung eines Registers aller Tresorbesitzer – ungefähr 20.000 in ganz Spanien –, ohne natürlich ihren Inhalt überprüfen zu können.
Theoretisch hätten die Kleinanleger nichts zu befürchten, da der Einlagensicherungsfonds Einlagen bis 100.000 Euro im Falle von Zahlungsunfähigkeit eines Geldinstituts garantiert. Im Falle einer allgemeinen Bankenkrisen-Panik wie in Argentinien oder vorher, in den Vereinigten Staaten während der Großen Depression von 1929, kann man sich dergleichen Sicherheiten allerdings in die Haare schmieren. Der Fonds ist mit 6593 Millionen Euro dotiert (Oktober-Daten), das entspricht ungefähr 0,5% der gesamten spanischen Bankeinlagen.
„Im Falle eines massiven Bankenkrachs, mit dem wir nicht rechnen, wäre die Situation sehr ernst und man müßte zusätzliche Maßnahmen ergreifen“, meint Santiago Pérez von der Vereinigung der Banken, Sparkassen und Versicherungen (Adicae). Er fügt hinzu, daß sich die Anfragen bezüglich der Zahlungsfähigkeit der Geldinstitute häufen, vor allem im Falle solcher, bei denen die Behörden interveniert haben.
Der Fonds übernimmt zudem keine Garantie für alle Finanzprodukte. Wie zum Beispiel Vorzugs-Anteilscheine, die Direktoren der Banken und vor allem Sparkassen Kleinanlegern zwischen 2008 und 2010 verkauft haben, als ob es sich um längerfristig gebundene Spareinlagen handeln würde, während sie in Wirklichkeit nicht einmal die ursprünglich eingezahlte Summe garantieren, da ihre „Performance“ an diejenige des Kreditinstitutes und die Kalkulationen seiner Betreiber gebunden ist. Die Beschwerden der Zeichner dieser Anteilsscheine, die ihr Geld zurückfordern, haben sich vervielfacht. Die Adicae bezeichnet die Lage von Tausenden von kleinen Sparern, die nicht über ihre Einzahlungen von insgesamt 12 Milliarden Euro verfügen können – zu denen sie mit „falschen Informationen“ veranlaßt wurden – als eine Art „Corralito“.
Sperrung oder Zugangsbeschränkungen von Einlagen wären allerdings ein Klacks im Vergleich zum Verschwinden des Euro und den verheerenden Auswirkungen, die die verpflichtende Umwandlung der Ersparnisse in Peseten (oder eine neue nationale Währung) hätte. Genau das geschah nämlich in Argentinien. Vom Augenblick der Verfügung des „Corralito“ am 3. Dezember 2001 konnten die Besitzer der Einlagen nicht mehr als 250 Dollar pro Woche abheben, aber ihre Ersparnisse waren noch da. Ein Jahr später kam die Verordnung des „Corralón“, mit der Aufhebung der automatischen Konvertierbarkeit zwischen Dollar und Peso (Verhältnis von 1 bis 1), was die Abwertung der Währung und die allgemeine Verarmung der Sparer zur Folge hatte.
Wenn sich dieses Szenario in Spanien wiederholt, was von fast allen als unwahrscheinlich – aber nicht unmöglich – bezeichnet wird, würden Einlagen und Schulden automatisch in Peseten umgewandelt, mit allgemeinem Wertverlust. Die neuesten Meldungen von UBS und Citigroup schätzen, dass eine Wiedereinführung der Drachme, Lira oder Peseta zu einer Abwertung von 40% und 60% führen würde, was bedeutet, dass die Einleger plötzlich rund die Hälfte ihrer Ersparnisse verlieren.
Die Unterschiede zwischen der Situation in Argentinien vor einem Jahrzehnt, und der Euro-Zone heute sind enorm, beginnend mit der Größe ihrer Wirtschaft oder die Widerstandsfähigkeit der Europäischen Zentralbank. Aber es gibt einige beunruhigende Ähnlichkeiten: Argentinien ging unter, als der IWF sich weigerte, weiterhin Mittel zur Verfügung zu stellen, genau wie es Griechenland passiert ist und was in Italien oder Portugal geschehen würde, wenn die EZB sich weigern würde, sie weiter zu unterstützen. Die vom IWF (vor dem Bankrott) verordneten Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung in Argentinien beschleunigten die Rezession und die Unfähigkeit, die Schulden zu refinanzieren – genau was jetzt in Griechenland geschehen ist, und in Italien oder Spanien ebenso auf die sogenannten Sparpakete folgen kann. Schließlich stritt die argentinische Regierung bis zum Überdruss ab, daß sie eine Aufhebung der Dollar-Peso-Parität anstreben würde, – genau wie die EU-Politiker bis vor ein paar Tagen abgestritten haben, daß der Euro in Gefahr sei.
Guillermo Ambrogi, Präsident der spanischen Handelskammer in Argentinien, sieht einige Parallelen zwischen der EU und dem südamerikanischen Land: „Es gibt drei Momente, vor denen man die Augen nicht verschließen kann: eine schwere Rezession, eine sehr hohe öffentliche und private Verschuldung im Vergleich zum BIP jedes Mitgliedslandes, und schließlich eine Geldpolitik, die den Wert der Währung über das Wachstum der Wirtschaft stellt. “ Allerdings erscheint es weder „sinnvoll noch notwendig“, zu Maßnahmen wie dem „Corralito“, also einer Beschränkung oder Einfrieren der Depositen zu greifen, da die EZB andere Instrumente zur Verfügung hat, wie die Ausgabe von Euro.
Das Misstrauen gegenüber dem Euro ist nicht auf Wertpapierfirmen beschränkt. Die Rockbands Metallica und Red Hot Chilli Peppers haben ihre Europa-Tourneen vorverlegt wegen der Befürchtung, dass der Euro verschwindet und ihre Gagen in abgewerteten Währungen gezahlt werden. Beide Gruppen planen Konzerte in Spanien.
„Ist ein „Corralito“ in Spanien möglich? Diese Frage habe ich in den letzten Monaten oft gehört. Meine Antwort war immer: Nein“, sagt Antonio Argandoña, Professor an der IESE (Instituto de Estudios Superiores de la Empresa, Postgraduate Business-School der Universität von Navarra) auf seinem Blog. „Und ich denke, das ist die richtige Antwort, wenn die Frage lautet, ob in Spanien eine Finanzkrise im Ausmaß derer von Argentinien im Jahr 2001 absehbar ist, wo die Menschen ihr Geld nicht von den Banken abheben konnten und das ganze Finanzsystem paralisiert war . Aber wenn die Frage ist, ob es passieren kann, das heißt, ob nicht physisch oder metaphysisch unmöglich ist, ist die Antwort eindeutig ja. “