VON DEN UNANNEHMLICHKEITEN, ALS „FLUCHTWÄHRUNG“ ZU GELTEN
Die Schweiz ist in Nöten, weil ihr Geld zu stark nachgefragt wird. Während andere Länder, gar nicht so weit weg von der Schweiz, eher das Problem haben, daß ihre Währung nicht besonders nachgefragt ist (Forint oder Kuna) und andere Staaten eher auf schwankendem Boden stehen, weil gar nicht so klar ist, wie es mit dem Euro, also ihrem nationalen Umlaufmittel weitergehen soll – in Zeiten wie diesen kann sich die Schweiz ihrer vielen Anhänger gar nicht erwehren. Das Mißtrauen in den Euro und das ganze Projekt EU führt zu einem Höhenflug des Franken, der eigentlich niemandem Freude macht. Weder den einheimischen Lebensmittelketten angesichts der Scharen von Schweizer Bürgern, die als Einkaufstouristen über die Grenzen stürmen, um sich dort mit Lebensmitteln einzudecken, noch den Schweizer Betrieben, die zusehends Auslandsmärkte verlieren. Schon gar nicht den Bürgern Österreichs und einiger osteuropäischer Länder, die sich vor Jahren Hypothekarkredite in Franken aufschwatzen haben lassen.
Die Schweiz gilt zwar als alpine Sparbüchse der kapitalistischen Welt, und hat deshalb einen beachtlichen Bankensektor, aber in dieser Rolle geht ihre Nationalökonomie nicht auf. Die Schweiz ist auch ein ganz normales kapitalistisches Land mit einer exportorientierten Industrie – Medikamente, Waffen, Lebensmittel, Feinelektronik, Uhren – und viel Fremdenverkehr, der ebenfalls aufgrund des hohen Franken-Kurses abnimmt.
Jahrzehntelang beruhte die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz auf einem stabilen Wechselkurs, und im Banksektor, auf einem niedrigen Zinsfuß. Die Kombination dieser beiden Elemente war der Grund für die in verschiedenen Ländern in Mode gekommenen Franken-Kredite, deren Inhaber-Betroffene sich heute dafür in den Ar… beißen.
Das hat sich geändert, der Franken steigt seit mehreren Jahren sowohl gegenüber dem Euro als auch gegenüber dem $.
Was ist eigentlich eine „Fluchtwährung“?
Während bis zum Ausbruch der Finanzkrise der Bankiersweisheit letzter Schluß hohe Renditen waren, die man mit allerlei waghalsigen Manövern zu erzielen versuchte – man denke an die seltsame Konstruktion des „Tilgungsträgers“ bei Fremdwährungskrediten – und Leute wie Herr Madoff oder isländische Banken mit dem Versprechen auf höhere Erträge als die Konkurrenz problemlos Kunden in Scharen anlockten, ist, hmm, inzwischen eine gewisse Ernüchterung eingetreten: Diejenigen Menschen, die mehr Geld haben, als man zu Leben braucht und es irgendwo „anlegen“, investieren usw. wollen, sind inzwischen schon froh, wenn es nicht mehr weniger wird. Die Angst vor Börsencrashes, Kursstürzen, Bankpleiten, Staatspleiten und anderen ägyptischen Plagen führt zur verzweifelten Suche nach einem sicheren Parkplatz für diese überschüssige Kohle. Die Alternativen sind gar nicht groß: Da gibt es einmal Rohstoffe und Edelmetalle, die durch die verstärkte Nachfrage selbst wieder zu Gegenständen der Spekulation werden, also morgen genauso an Wert verlieren können, wie sie vorgestern gewonnen haben. Ferner richtet sich der Blick des Investors auch auf Anleihen von Staaten, die man für relativ sicher hält. Und das gibt den entsprechenden Währungen Auftrieb. Da punktet seit Jahren übrigens nicht nur der Franken, sondern auch die schwedische Krone oder der kanadische Dollar.
Letztlich sind natürlich auch diese Fluchtbewegungen eine Selbsttäuschung, weil wenn der Euro den Bach hinuntergeht oder der $ irgendwie abstürzt, so bleiben auch Franken, CAD oder Krone nicht unberührt: sie hängen ja mit der Eurozone bzw. der US-Ökonomie zusammen, haben dort ihre wichtigsten Handelspartner, und können daher kein Fels in der Brandung der globalisierten Turbo-Marktwirtschaft sein.
Aber bis dahin hat diese Fluchtwährungs-Stimmung Folgen, und die Schweiz hat heute reagiert: Sie hat eine Obergrenze festgesetzt, wie weit der Franken zum Euro steigen darf – bei 1,20 SFR zu 1 €, bzw. 1 SFR zu 0,83333 € ist Schluß.
Die Schweizer Nationalbank hat angekündigt, unbegrenzt Euro aufzukaufen, um diesen Kurs zu halten.
1. Die SNB nutzt damit einerseits den Umstand, daß jeder ihre Währung will (Flucht usw.) Also kann man ja jede Menge davon drucken.
2. Sie stützt damit natürlich den Euro.
3. Die Frage ist aufgetaucht, was sie dann mit diesen ganzen Euros macht? Was kauft sie dafür? Kanadische Staatsanleihen oder vielleicht doch eher die von Deutschland (deren es ja um einiges mehr gibt …) Damit könnte die Zinsdifferenz zwischen D-Anlehen und denen der übel beleumundeten Staaten weiter wachsen, also die Spannung in der Eurozone weiter steigen.
4. Dier Schweizer Börse ist – im Unterschied zu den anderen europäischen – auf jeden Fall nach oben geschnellt, weil damit eine Exportbelebung für Schweizer Unternehmen erwartet wird.
5. So einen Schritt muß man sich einmal leisten können – daß also ein Staat sagt: ich kann unbegrenzt Geld drucken, weil um das ist so oder so ein Griß.
Das ganze kann natürlich auch schiefgehen und der Franken in Verruf geraten. Noch wahrscheinlicher aber ist, daß die Interventionskäufe nichts nützen, sobald aus der Eurozone weitere Schuldenkrisenhorrormeldungen auftauchen, die die Zukunft dieser Währung nicht gerade in rosigem Licht erscheinen lassen, und weitere Fluchtbewegungen in den Franken verursachen. Damit ist das Gerede von „Koppelung“ oder „Bindung“ an den Euro auch hinfällig: die Schweizer Nationalbank mag das wollen, ob es gelingt, ist noch nicht heraußen.
(Zu Jahresanfang gab es bereits diesbezügliche Schritte, die anscheinend nicht von Erfolg gekrönt waren.)
Mit lustigen Überlegungen endet ein Artikel in FT Deutschland:
„Die Schweizer Notenbank gibt mit der Kopplung einen Teil ihrer Souveränität auf: Um den Wechselkurs zu halten, muss sie künftig auf jeden Schwächeanfall des Euro reagieren – ohne an den Ursachen etwas ändern zu können. Denn für die Überwindung der Schuldenkrise können nur die Regierungen der Währungsunion sorgen.“
Wie man sieht, können die das eben nicht.
„Würde die Schweiz der Euro-Zone beitreten, könnte sie mitentscheiden.“
Fragt sich nur, bei was?
„Für die Einführung des Euro treten die Schweizer Grünen ein, die aber nicht an der Regierung (Bundesrat) beteiligt sind.“
Wie schrieben doch die Euro-Gegner in Estland angesichts des Beitritts?
Welcome to the Titanic!
Kategorie: Geld & Kredit
Neues von der Eurofront: Spanien
DIE WIRTSCHAFT SPANIENS: AUF ZIEGEL GEBAUT
Spanien ist ja seit einiger Zeit im Gerede. Ein Sparkassensektor ohne Eigenkapital, eine Immobilienkrise und ein Haufen Arbeitslose.
Wie ist das alles entstanden?
Der Grund und Boden wurde zu Zeiten Francos mit dem Bodengesetz von 1956 in 3 Kategorien unterteilt: urbano (Baugrund), de reserva urbana (als Baugrund geeignet) und rústico (nicht als Baugrund deklariert). Die Umwidmung von einer Kategorie in die andere war die nächsten 40 Jahre eine Frage von Beziehungen oder etwas Bakschisch und durchlief mehrere Instanzen der berüchtigten spanischen Bürokratie. Nach einigen kleineren Reformen erließ die Regierung Aznar 1998 ein „Gesetz der Grundverwaltung und -bewertung“, in dem die Kompetenz zur Umwidmung des Bodens den Gemeinden übertragen wurde.
Damit ging das los, was man in Spanien den Ziegel-Boom nennt. Die Gemeinden, vor allem an der Küste oder in küstennahen Regionen, begannen in großem Umfang Grundstücke in Baugrund umzuwidmen. Immobilien- und Baufirmen schossen aus dem Boden und begannen die Gegend zu „erschließen“, d.h. vor allem mit Beton zuzubauen. Die Banken und Sparkassen stiegen groß ins Immobiliengeschäft ein und entdeckten den Hypothekarkredit als Vehikel der Kredit-Expansion. Kreditfinanziert wurde alles: Große „urbanistische Projekte“, Geisterstädte im Nichts, Villen und bescheidene Eigenheime, oder vorfinanzierte Wohnungen in erst zu bauenden 8-10-stöckigen Neubauten mitten in der Pampa.
Die Immobilienpreise schossen in den Himmel und alle möglichen Mafias – aus Rußland, Italien und sonstwo entdeckten den spanischen Immobiliensektor als ideale Geldwaschmaschine. Aber auch Pensions- und Hedge- und sonstige Fonds wurden von den ungewöhnlich hohen spanischen Renditen angezogen. In Erwin Wagenhofers Film „Let’s make money“ werden kleine Geisterstädte an der Costa del Sol mit Golfplätzen und Swimmingpools gezeigt, die ganz unbewohnt sind, weil sie mit Fonds-Geldern finanziert und gar nicht für den Verkauf und das Bewohnen gedacht waren, sondern nur als sich ständig steigernde Geldanlage. In den Monegros, der aragonischen Wüste, war ein europäisches Las Vegas angedacht, mit Spielhöllen, Bars und kleinen Seen mit Delphinen – alles gespeist aus dem Ebro, dem einzigen großen ausschließlich spanischen Fluß, den man unter der Regierung der Volkspartei auch schon einmal nach Andalusien umleiten wollte.
Aznar und Co, ganz begeistert von der „Entwicklung“ und dem „Wachstum“, das sie da eingeleitet hatten, legten noch ein Schäuferl zu mit dem Gesetz zur Arbeitsmarktreform von 2002, mit dem „hire and fire“ vereinfacht und der ohnehin schon sehr flexible spanische Arbeitsmarkt noch ein bißl aufgemischt wurde. Spanien wurde zum Spitzenreiter mit tödlichen Arbeitsunfällen und das Immobilienkarussell drehte sich noch etwas schneller.
Die spanischen Sparkassen stammen auch noch aus der Zeit Francos und waren ursprünglich eine Art von erweiterter Pfandleihanstalt, in der die Notabeln der Provinzstädte mit patriarchalischem Verantwortungsbewußtsein das Funktionieren der kleinen Zirkulation garantierten und in deren Aufsichtsräten Pfarrer und Bischöfe reichlich vertreten waren, um klarzustellen, daß diese Geldwirtschaft auch mit dem Segen des Allerhöchsten rechnen konnte. An eine Umwandlung in AGs wurde auch nach 1975 nicht gedacht, warum auch, es funktionierte ja so auch. Diese biederen Kreditinstitute stiegen Ende der 90-er Jahre groß in das Hypothekargeschäft ein und wuchsen sich zu respektablen Geldinstituten aus, ohne andere Eigenmittel als die durch ehrbare Männer der Kirche garantierte Einlagen und die schönen Nasen der Aufsichtsratsmitglieder, von denen man jetzt so nebenbei erfährt, daß sie einander des öfteren Kredite zu 0 % Zinsen gewährt hatten.
Diese Sparkassen wurden inzwischen zu einer großen Bank namens „Bankia“ fusioniert und suchen nach Eigenkapital. Der spanische Staat kann angesichts seiner eigenen Kreditklemme nicht so heftig hineinbuttern wie nötig wäre, also wurde unlängst bei der EZB angeklopft und so Werte wie die Transferrechte von Fußballstars als Sicherheiten angeboten.
(Florentino Pérez, der Präsident von Real Madrid und einer der größten Bauunternehmer Spaniens, hatte dank seiner guten Beziehungen von 2 Sparkassen und einer Bank Kredite erhalten, um groß auf Einkaufstour für seinen Verein zu gehen, und diese Kredite waren eben mit Fußballerwadln und sonst nichts besichert. Natürlich auch mit Hoffnungen auf künftige Einnahmen bei den Einlagen des „Weißen Balletts“.)
Bau- und Immobilienfirmen sind zuhauf zusammengekracht, die Arbeitslosigkeit hat inzwischen 20% erreicht, und die Summe der Gelder, die in nicht mehr bedienten Hypothekarkrediten ausständig ist, soll das spanische BIP bedeutend übersteigen. Die Krise hat auch die Fußballklubs erreicht, die der 2. Liga sowieso, aber auch einige der ersten Liga, die die Gehälter ihrer Spieler und vor allem die Sozialversicherungsbeiträge auch aus Immobiliengeschäften und darauf aufgenommen Krediten bestritten haben.
Sowohl die Banken und die Sparkassen sitzen jetzt auf erstens leeren Wohnungen und Häusern, deren Bewohner wegen Nicht-Zahlens delogiert wurden, zweitens auf noch leeren Immobilien, für die sich gar keine Käufer gefunden haben, drittens auf halbfertigen Gebäuden, für deren Fertigbauen kein Geld mehr da ist, und viertens auf Baugrund, der wieder in Nicht-Baugrund umgewidmet werden muß, wenn er innerhalb einer bestimmten Frist nicht bebaut wird.
Das sind ihre Aktiva.
Gerade hat die spanische Regierung die Mehrwertssteuer für Grundkäufe herabgesetzt. Ob das angesichts des gesamten Szenarios von Zahlungsunfähigkeit einen Run auf diese Immobilien auslösen wird, steht zu bezweifeln.
Die Gemeinden haben sich in den letzten 13 Jahren über die Gewinne aus den Umwidmungen finanziert. Seit diese Quelle versiegt ist, häufen sie nur mehr Schulden an bei den ganzen Kommunaldiensten, wie der Müllabfuhr, diversen Reinigungsfirmen, der Instandhaltung der Straßen und Plätze usw. Gerade streiken die Apotheker von Kastilien-La Mancha, weil sie Millionen von Euro an Außenständen von den kommunalen Gesundheitseinrichtungen fordern. Dazu kommen noch kleine Lokalflugplätze, die mit Euro-Projektgeldern gebaut oder ausgebaut wurden und jetzt von den Gemeinden subventioniert werden müssen, damit sie überhaupt von Fluglinien angeflogen werden.
Die Gemeindevertreter bestürmen die Parlamentarier, ihnen die bisher verbotene Ausgabe von Kommunalobligationen zu gestatten, um sich über diese Kreditform die nötigen Mittel zu verschaffen. Es ist unwahrscheinlich, daß ihnen das gestattet wird, da die Rating-Agenturen jetzt bereits anfangen, die Schulden der autonomen Provinzen in Richtung Ramschstatus abzustufen. Aber selbst wenn das genehmigt würde: angesichts unsicherer Wertpapiere aller Art wäre eine Kommunalobligation von Cuenca oder Zaragoza auch nicht gerade der Hit des Tages.
Schließlich bleibt noch das spanische Heer zu erwähnen, das, stolz auf seine staatserhaltenden Leistungen sich ordentlich etwas gegönnt hat im letzten Jahrzehnt und diese Anschaffungen von Kriegsschiffen, Hubschraubern und Flugzeugen mit Krediten finanziert hat. Diese Kredite waren mit Grundstücken aus Heeresbesitz besichert – in Zeiten, als man für jede G’stättn Phantasiepreise verlangen konnte, eine solide Sicherheit. Heute will diese abgefuckten Kasernen und ehemaligen Übungsplätze niemand mehr, das spanische Heer steht aber mit 26 Milliarden Euro in der Kreide.
Wenn dieses Land zur „Sanierung“ oder „Rettung“ ansteht, werden sich alle EU-Politiker und EZB-Banker noch wehmütig daran erinnern, wie billig Griechenland doch bisher war …
Die Weltfinanzbehörde als etwas hilflose Krisenfeuerwehr
DER IWF, TEIL 8: DIE EUROZONE ALS SANIERUNGSFALL
Als die EU 1992 in Maastricht die Richtlinien für ihre Mitglieder und für die Einführung des Euro festlegte, um damit „Stabilität“ zu sichern, gab es schon ein Bewußtsein davon, daß das sich gar nicht auf diese Art und Weise regeln lassen würde und es vor allem ein großer Propagandaluftballon für die geliebten „Märkte“ sein sollte – es wurde damals nämlich festgehalten, daß sich die EU-Politiker vorbehalten würden, wann sie diese Kriterien im Falle von Übertretungen in Anschlag bringen würden, und es wurden auch keine ernsthaften Sanktionen für den Fall des Nicht-Einhaltens beschlossen.
Alle waren jedoch offenbar davon überzeugt, daß die Sache schon gutgehen würde.
Es ist völlig absurd, den Erfolg einer Nation an Verhältnis von Schulden zu BIP feststellen zu wollen, und noch absurder, ihn dadurch hervorrufen zu wollen.
Es ist schon fast erheiternd, was manche Regierungen aufgeführt haben, um ihre Finanzen zu beschönigen, auch und gerade das sich als Hort der Rechtschaffenheit aufführende Deutschland, das es auch vermied, 2002 und 2003 die als „blauer Brief“ bezeichnete Warnung zu kriegen, die inzwischen gar nicht mehr erwähnt wird, weil man sie praktisch an alle EU-Mitglieder verschicken müßte.
Daß diese Warnung als „blauer Brief“ bezeichnet wird, ist Ausdruck davon, wie kindisch die EU-Politiker ihrer eigenen Schöpfung gegenüberstehen: Blaue Briefe bekommen Schüler, die vom Durchfallen bedroht sind. Die Politiker der EU-Staaten, die ihre Nationalökonomien verwalten, werden als bessere oder schlechtere „Schüler“ betrachtet, von denen einige „ihre Hausübungen machen“, andere nicht, und dafür dann Schelte von der Direktion einstecken müssen. Die Entscheidung über die Ausgabe von Staatsanleihen in Milliardenhöhe, die Gesundheit- und Bildungspolitik und überhaupt das Funktionieren der einzelnen Staaten wird damit auf eine Art Rechtschreibübung oder Lösung von Gleichungssystemen heruntergebracht, – etwas Watscheneinfaches, man braucht dazu nur diejenigen Eigenschaften, die Lehrer an ihren Schülern am meisten schätzen: Fleiß und Gewissenhaftigkeit.
Mit dieser völlig unangemessenen Auffassung, die leider anscheinend zur selbstverständlichen Sichtweise von Volkswirten und Politikern geworden ist, wurde entsprechend auf die Schuldenkrise Griechenlands reagiert: „Die Griechen“ – auf einmal alle – hätten „geschummelt“, und müßten jetzt bestraft werden. Es stellte sich heraus, daß Durchfallenlassen nicht möglich war.
Und die EU-Politiker liefen wieder zum Stadtschulrat, in diesem Falle dem IWF und baten um Intervention. Und der IWF ließ sich nicht lange bitten, erfreut über den Aufwind, den diese vor der Krise bereits etwas ramponierte Institution inzwischen wieder erhalten hatte.
Natürlich eilte der IWF wieder mit seinem bewährten Rezept herbei: Ausgaben einschränken, Pensionen und Gehälter einfrieren; alles verkaufen, was noch zu verkaufen geht, und auf bessere Zeiten hoffen. Mit diesem Rezept haben die IWF-Spezialisten (für was eigentlich?) die Schuldenkrise in Griechenland verschärft, und werden sie anderswo auch noch vertiefen. Diese Art von Ausgaben-Einschränkung, völlig irreführend „Sparen“ genannt, verringert nämlich die Einnahmen gewaltig und sorgt dafür, daß sich das ungünstige Verhältnis zwischen BIP und Schulden weiter verschlechtert.
Das Jahr 4 der Finanzkrise hat der Öffentlichkeit deutlich gemacht, daß weder die Ökonomen des IWF noch die Politiker der EU wissen,
– was Geld ist
– was Schulden sind,
– was sie eigentlich in die Welt setzen, wenn sie Anleihen ausgeben,
– wie eine Bank funktioniert,
– wie die von ihnen einst ach so geschätzten und gelobten Märkte funktionieren
usw.
Angesichts des Geldes und des Kreditüberbaus, die sie beide selbst indie Welt gesetzt haben, sind sie völlig ratlos und stottern im Chor mit dem IWF irgendwelchen Schmarrn von „alle müssen zahlen“, „Haushalt sanieren“, „die Banken müssen zahlen“, „Eurobonds“, „Aufsichtsbehörde“ vor sich hin, um jeden Beschluß, den sie heute fassen, übermorgen wieder für hinfällig zu erklären.
Der IWF, der als Retter in der selbstgeschaffenen Not betrachtet wurde, kann natürlich auch nichts anderes, als gebetsmühlenartig sein „Sanierung“ genanntes Programm zur Vernichtung von Zahlungsfähigkeit verkünden – derjenigen Zahlungsfähigkeit, die durch Kredit geschaffen worden war.
Es ist also nicht Führungsstärke, an der es den Verantwortlichen mangelt, sondern die Abwesenheit des Steins der Weisen, also einer Zauber-Methode, wie aus in großen Mengen in die Welt gesetzten Zahlungsversprechen jemals wieder reale Werte werden sollen – um so mehr, als das Maß dieser Werte, der Euro, ja auch nichts anderes als ein Zahlungsversprechen ist.