Irlands „Rettung“

DIE IM „HILFSPAKET“ VERSTECKTE SCHÄDIGUNG IRLANDS, ODER DIE STANDORTKONKURRENZ IN DER EU
Die EU-Schuldenkrise hat seit dem Frühjahr einige Fortschritte gemacht.
Irlands Schwierigkeiten lesen sich ein bißl wie die Chronik eines angekündigten Todes: Erst hörte man, sie haben ein hohes Budgetdefizit, dann las man, sie gehören zu den PIIGS, schließlich ging alles im Getöse der Griechenland-Krise unter, dann hörte man: Irlands Banken sind irgendwie kollabiert, und jetzt ist es so weit: Die Iren haben eine „Schuldenkrise“, und müssen „gerettet“ werden.
So wie sich Irlands Schuldenkrise von der griechischen unterscheidet, so auch die „Rettungsmaßnahmen“, die die irische Regierung komischerweise eine Zeitlang nicht wollte.
Während über die Bewohner Griechenlands aus allen Rohren vermeldet wurde, sie seien faul, verwöhnt, mediterran eben, hätten ein korruptes Klientelsystem usw., und deshalb eine Schuldenkrise, so wird man bei Irland von dergleichen rassistischer Völkerkunde verschont.
Der „keltische Tiger“, warum ist er denn bitte so in Schwierigkeiten geraten? Lang galt doch Irland als Erfolgsstory, zum Unterschied von Griechenland als eine Art europäisches Silicon Valley, mit zukunftsweisenden Industrien und stolzen Wachstumsraten.
Alles nicht so gut, wie es ausgeschaut hat, erfährt man jetzt.
Der Hype um Irland und seine aufstrebende Ökonomie hat nämlich jede Menge Spekulation ins Leben gerufen, aus dem In- und Ausland – wie im Grunde überall anders auch, wo ein Land so über den (in Irland besonders verbreiteten) grünen Klee gelobt worden ist. Die Grundstückspreise in Dublin und Umgebung und an lauschigen Plätzchen schossen in die Höhe, ebenso wie die auf ihnen errichteten Erst- und Zweitwohnsitze, Hotels und Bürogebäude. Und dieser ganze Boom wurde – wie überall anders auch – mit Kredit finanziert. Das Hypothekargeschäft wurde zum lukrativsten Geschäftszweig der sonst eher national beschränkten irischen Banken, die gerade nicht an schwindligen ausländischen Wertpapieren in ihrem Portfolio gestrauchelt sind, sondern an ihrer eigenen hausgemachten Grundstücksspekulation. Und natürlich haben sich dann auch in ihren Bilanzen nicht nur hypothekarisch besicherte Kredite gefunden, sondern auch noch jede Menge Wertpapiere, die irgendwie auch auf den Hypotheken gefußt haben.
Gut, soweit die in den Nachrichten einfach nur als „marod“ abgehandelten Banken und deren Probleme.
Wie schauts jetzt mit dem irischen Staat? Er mußte seine Banken retten, und ebenso wie woanders, große Geldmengen flottmachen, Garantien geben usw. Soweit die Ausgaben.
Bei den Einnahmen wird’s echt spannend. Hieß es bei Griechenland noch, die Leute hätten eine „laxe Steuermoral“ – als ob Steuern zahlen eine Sache der Moral wäre und dem Belieben der Bürger anheimgestellt würde; und Steuerhinterziehung wäre dort ein „Volkssport“ – mit einem Wort, keiner zahlt dort Steuern und deshalb ist die Staatskasse leer.
Anders auf der Kleeinsel: Sie sei ein „Steuerparadies“.
Ein und der gleiche Umstand – zuwenig Steuereinnahmen für den Staat – wird zweimal ganz anders besprochen.
Den Unterschied kriegt man dann auch bald mitgeliefert: Irland bittet, anders als Griechenland seine lohnabhängigen Bürger sehr wohl zur Kasse, und auch bei den Verbrauchssteuern kommt einiges an Einnahmen zustande.
Aber bei den Lieblingsbürgern aller Regierungen, den Unternehmern, übt der irische Fiskus vornehme Zurückhaltung, und verfügt deshalb über gewisse Anziehungskraft bei Unternehmens-Ansiedlungen.
Obwohl das nach allen Regeln der Volks- und Betriebswirtschaftslehre in Ordnung geht – zu viel Steuern für die Unternehmen ruinieren doch den Profit, den Aufschwung, UNS ALLE!! – ruft es Kritik bei der EU-Konkurrenz hervor, die meint, daß sich Irland hier einen unfairen Standortvorteil sichert, der ihm schleunigst weggenommen gehört.
Es sei noch erinnert an das Getöse, das losgegangen ist, als Ungarn eine Bankensteuer erlassen hat, also etwas Ähnliches, wie Irland jetzt aufgenötigt werden soll – da war das auch wieder nicht recht, da fühlten sich diverse Banken geschädigt.
Es ist in der Tat schwer, alles richtig zu machen für die ganzen Medien, Experten und Politiker.

Stichwort: Handelsbilanz

IMPERIALISTISCHE KONKURRENZ 2010
Unter den Vorschlägen des G 20-Gipfels zur „Bewältigung“ der angeblichen Wirtschafts- und Währungsprobleme gehörte auch derjenige der USA, die Handelsbilanzüberschüsse auf 4% des BIP zu begrenzen. Dieser Vorschlag stieß, was man so liest, auf taube Ohren.
Das erste, was einem dazu einfällt, ist: Warum sollte irgendein Staat, also auch die USA selbst, daran interessiert sein, Handelsbilanzüberschüsse, also Exporterfolge, zu beschränken?
Die Handelsbilanz mißt, was an Waren aus einem Land hinausgewandert, also auf auswärtigen Märkten erfolgreich abgesetzt worden ist; und was an Waren einmarschiert ist, wodurch sich fremde Warenbesitzer an der inländischen Kaufkraft bereichert haben.
Wenn diese Bilanz zugunsten des Exports ausschlägt, so ist das den verantwortungsbewußten Politikern sehr recht und angenehm: Es heißt nämlich, daß ihre Geschäftsleute erfolgreich waren und Reichtum an sich gezogen haben, und zwar nicht nur auf dem eigenen Hoheitsgebiet und in dem dort gültigen allgemeinen Kauf- und Zahlungsmittel, sondern auch im Ausland, und in international gültiger Währung, also in Weltgeld.
Ist die Handelsbilanz hingegen negativ, so stellt sich in den meisten Fällen Unzufriedenheit, mitunter sogar Panik ein: Es heißt nämlich, daß die eigene Nation mehr konsumiert als sie verbraucht, daß das eigene Kapital schwächer ist als ausländische Unternehmen, und dieser Umstand bedroht womöglich sogar die Zahlungsfähigkeit und Substanz dieses Staates.
Es gibt allerdings noch eine Zahlungsbilanz, die manche der negativen Seiten der Handelsbilanz wieder aufhebt. In ihr wird nämlich gemessen, was für Geldmengen sonst noch bei den Grenzen aus- und einspazieren: Dazu gehören z.B. Transfer-Überweisungen von Gastarbeitern, Einkünfte aus dem Tourismus, und der Kapitalexport.
Die USA haben seit den 70-er Jahren durchgehend eine negative Handelsbilanz, aber eine positive Zahlungsbilanz, weil ihr Kapital sich erfolgreich überall auf der Welt tummelt. Außerdem verfügen sie über ein Geld, das jeder gerne nimmt, das Weltgeld schlechthin, und besitzen dadurch eine praktisch unbegrenzte Verschuldungsfähigkeit. Deswegen hat ihr Handelsbilanzdefizit sie bisher nicht allzusehr gestört.
Jetzt wollen sie auf einmal, daß ihre Konkurrenten ihre Exporte drosseln und mehr amerikanische Waren, also solche, die nicht nur von amerikanischen Firmen, sondern dezidiert in Amerika hergestellt werden, kaufen.
Dabei verlangen sie von den Nationen, die ihrer Ansicht nach zu viel exportieren, nicht weniger, als daß sie ihre Exportsubventionen kürzen, ihre Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zurückfahren (im Falle Chinas: ihre Exporte durch Aufwertung ihrer Währung verteuern,) und überhaupt, ihr eigenes nationales Kapital schwächen.
Während Streite um die Handelsbilanz in den 90-er Jahren über Quoten (Stichwort Bananen-Streit) und die WTO ausgetragen wurden, so ist die heutige Politik der USA da weiter – nicht äußere Beschränkungen, durch einen imperialistischen Konkurrenten auferlegt, kein Protektionismus ist mehr angesagt – nein, die Gegner sollen sich selbst, aus eigener Einsicht, zurücknehmen und ihre Kapitalisten beschränken.
Das ist ein sehr unbescheidener Anspruch, der jedoch einer Weltmacht würdig ist, die eben durchsetzen möchte, daß alle anderen nach ihrer Pfeife tanzen.
Zu diesem Schritt will sie ihre Kontrahenten – vor allem sind damit China und Deutschland gemeint – nicht durch einen Krieg, also durch überlegene Waffengewalt zwingen, wie sie sie gegenüber etwas kleiner dimensionierten Widerstandsnestern einsetzt, sondern durch die andere Waffe, über die die USA verfügen: den Dollar.
Während den meisten anderen Staaten der Welt eine Abwertung ihrer Währung unangenehm ist, und sie durch Stützungskäufe zu verhindern suchen, nehmen die USA dieselbe auch schon seit geraumer Zeit gelassen hin: Durch die Abwertung des $ gegenüber den anderen Referenzwährungen verringert sich die Auslandsschuld der USA, ohne daß sie dadurch an Verschuldungsfähigkeit einbüßt. Die Ereignisse dieses Jahres – erst die Euro-Krise im Frühjahr, dann die etwas heftige Reaktion der Geldhändler auf die Erhöhung der Leitzinssätze in China – haben gezeigt, daß bei jeder Verunsicherung der internationalen Finanzwelt der $ nach wie vor als sicherer Hafen gilt, ungeachtet seines Wertverlustes und der Kassandrarufe aller möglichen Experten.
Als Frau Merkel vor einiger Zeit meinte, der Dollar sei überschätzt, so meinte sie damit, man sollte die Stellung des Dollars als Weltgeld überdenken, also an seiner Qualität herumdenken. Jetzt, wo er schwächelt, ist es ihr auch wieder nicht recht.
Die Entscheidung der USA-Führung, gegen den Strom aller IWF und Maastricht-Weisheiten ihre Wirtschaft durch Geldspritzen zu beleben und damit zu demonstrieren, daß die USA solche kleinlichen Sparmaßnahmen nicht nötig haben, ist für sich schon selbst eine Provokation, die den anderen unmißverständlich vor Augen führt, daß sie immer noch hinter den USA rangieren, trotz „größter Markt“, „Exportweltmeister“ usw. Noch ärgerlicher jedoch sind die Folgen, nämlich der Wertverlust des $, und die vorgeführte Fähigkeit der USA, die Unkosten ihrer Wirtschafts- (und Kriegs!-)Politik auf die restliche Welt abzuwälzen.

„Krieg der Währungen“: China

DIE ROLLE DES RENMINBI
China wird seit geraumer Zeit von den USA, aber inzwischen auch Deutschland und anderen EU-Staaten damit sekkiert, doch endlich seine Währung, den Renminbi, aufzuwerten.
Warum dieses Begehr, und die seltsame Form, es anzumelden? Beides ist in der Welt des Imperialismus unüblich.
Normalerweise erledigen Auf- und Abwertungen von Währungen die „Märkte“: Die Geldhändler kaufen oder verkaufen größere Mengen eines nationalen Geldes am Devisenmarkt, und dadurch steigt oder fällt eine Währung gegenüber den restlichen Geldern. Diesen Verkäufen liegen meistens Ver- oder Mißtrauensanträge zugrunde, eine Währung wird für zu leicht befunden, weil es mit der Wirtschaft eines Landes schlecht ausschaut; oder diesem Land werden Reichtumsquellen und Wachstumspotential beschieden.
Das geht beim Renminbi nicht. Die Führung Chinas hat ihr Geld nämlich nie zu einer Handelsware werden lassen: Kauf und Verkauf des Renminbi sind streng geregelt, und meistens an nachweisbare Geschäftstätigkeit geknüpft. Chinesische Aktien kann man nur mit Renminbi kaufen, oder vermittelt über irgendwelche Fonds, mit denen vorsichtig ausländisches Finanzkapital an Land gezogen werden soll. Der Renminbi ist an den Dollar gebunden. Der Kurs, zu dem der Renminbi eingewechselt wird, wurde von der chinesischen Führung festgelegt und wird von der chinesischen Zentralbank durch Devisenkäufe und -verkäufe stabil gehalten.
So eine souveräne Währungspolitik – erstens, wir setzen den Kurs fest, zweitens, wir halten ihn auch – muß sich ein Land erst einmal leisten können. Sonst sind für solche Währungsbindungen höchst schwierige Verhandlungen mit dem IWF notwendig, der dem betreffenden Land dann dafür entsprechend harte Bedingungen auferlegt. (Es sei z.B. an das Currency Board Argentiniens erinnert, das dieses Land im Laufe der Zeit ziemlich ruiniert hat.)
Diese Währungssouveränit weiß die internationale Geschäftswelt zwar zu schätzen – Stabilität! – und investiert gerne in China, einigen imperialistischen Staaten stößt sie aber sauer auf. Der Renminbi sei „unterbewertet“, so heißt es in den USA schon länger, und in Europa ist man inzwischen auch auf diese Linie eingeschwenkt. Der Renminbi ist zwar insofern nicht unterbewertet, als er aufgrund seiner fixen Bindung überhaupt nicht bewertet ist. Aber dieser fixe Wechselkurs stört überhaupt, und verschiedene Staatenlenker meinen, China sollte doch seine Währung aufwerten, um an Wettbewerbsfähigkeit am Weltmarkt zu verlieren, oder den Renminbi am besten überhaupt gleich freigeben.
Nur: Erzwingen läßt sich eine solche Maßnahme nicht, und alle Druckmittel, mit denen ebendiese Staaten drohen, sind eine zweischneidige Sache: Wenn die USA protektionistische Maßnahmen ankündigen, so gefährden sie damit auch ihre Position als Schuldner Chinas, das der wichtigste Käufer amerikanischer Staatsschuldverschreibungen ist. Sie setzen also ihre eigene Verschuldungsfähigkeit aufs Spiel. Und für Europa ist China als Handelspartner viel zu wichtig, um mit diesem Land einen Zoll- und Handelskrieg zu riskieren.
Jetzt hat China seine Währung doch leicht aufgewertet. Das wird zwar in den Medien so besprochen, als hätte China – endlich! – dem Druck seiner Konkurrenten nachgegeben. Das kann aber aus den obigen Gründen nicht sein, weil das Gejammer „Der Renminbi ist zu niedrig!“ gar nicht von Druck begleitet wird.
Was für eigene Gründe haben also die chinesischen Macher dafür? Ganz einfach: Sie liebäugeln damit, ihre Währung von einem wirtschaftlichen Steuerinstrument zu einer Weltwährung aufzupäppeln, in Konkurrenz zu $ und Euro. Dafür ist es allerdings unabdinglich, sie der Konkurrenz der Märkte auszusetzen, sie also freizugeben. Und für diesen Tag X soll sie möglichst gestärkt werden.
Wann es dann so weit ist, das behalten sich die chinesischen Politiker allerdings vor. Das ist natürlich wieder ein Ärgernis für die imperialistische Staatenwelt, die sehen, daß China weiterhin nach oben will und noch gar nicht alle seine Möglichkeiten ausgeschöpft hat.