Die Zukunft des Euro

AUSTRITTSMÖGLICHKEIT AUS DER EUROZONE UND KRISENFONDS
Die Schuldenkrise Griechenlands hat eine Menge Lösungsvorschlage hervorgebracht, von denen 2 hier einmal abgehandelt werden sollen.
1. Austritt aus der Euro-Zone
Wie es schon Cohn-Bendit vor einem Monat mit seiner gewohnt großen Klappe vermeldet hat:
„Alle EU-Gegner, die nicht für Lissabon waren, haben ein Rad ab. Denn jetzt haben sie doch die Möglichkeit auszutreten, wenn sie unbedingt wollen.“ (Standard, 16.2.)
und wie jetzt von Schäuble und Merkel erneut betont wurde,
„müsse auch die Möglichkeit einer staatlichen Insolvenz weiter bestehen. Als Ultima Ratio solle zudem das Ausscheiden aus der Währungsunion möglich sein.“ (FT Deutschland, 7.3.)
auf den Punkt gebracht vom Standard vor einigen Tagen:
„Wer nicht spart, fliegt aus Eurozone“
Der Austritt oder Hinauswurf aus der Währungsunion wird hier dargestellt als
1. ein gutes Recht jedes Staates, sofern seine Regierung sich diesen Beschluß durch eine Volksabstimmung bestätigen lassen würde, und
2. eine Disziplinarmaßnahme der braven Euro-Länder gegen schlimme Mitglieder, die irgendwelche Regeln verletzen.
Ob freiwilliger Austritt, oder Hinauswurf durch andere Musterknaben: Beides ist in den ganzen EU- und Eurozone-Grundlagen und Richtlinien nicht vorgesehen. Es gibt zwar einen Haufen Vorschriften über die Bedingungen des Beitritts zur gemeinsamen Währung, aber keinerlei Richtlinien für ein Verlassen derselben. Und zwar nicht deswegen, weil die Schöpfer der Währungsunion drauf vergessen, oder da etwas übersehen hätten. Sondern weil das ganze Projekt als Einbahnstraße eingerichtet worden ist: Unter Einbeziehung aller möglichen Vorsichtsmaßnahmen sollte alles schöner, größer, besser werden. Die Erwägung der Möglichkeit eines Austritts, also eines Rückgängig-Machens des freiwilligen Anschlusses hätte ja so etwas wie das Eingeständnis eines möglichen Scheiterns dieses ehrgeizigen Projektes beinhaltet. Es wäre ein Zugeständnis gewesen, daß der Königsweg zu einem imperialistischen Block des geeinten Europa auch schiefgehen, an seinen inneren Widersprüchen zerbrechen könnte. Und würde heute so ein Austrittsparagraph formuliert und in die EU-Statuten aufgenommen, so wäre es ein Eingeständnis, daß dieses Projekt gescheitert ist.
Abgesehen von der prinzipiellen Unvereinbarkeit eines Austritts bzw. Ausschlusses mit dem Konzept des EU-Staatenbundes würde sich auch die Abwicklung eines solchen schwierig gestalten und das ganze Währungssystem durcheinanderbringen.
Gesetzt der Fall, Griechenland würde aus der Euro-Zone ausscheiden und die Drachme wieder einführen: Was würde aus seinen ganzen im Laufe der letzten 9 Jahre eingegangenen Zahlungsverpflichtungen, die allesamt auf Euro lauten? Die Staatsanleihen, und offene Rechnungen privater sowie staatlicher Stellen mit ausländischen Unternehmen und Institutionen? Wie würden die Banken mit ihren im Ausland – in Eurozone- und nicht Eurozone-Staaten – eingegangenen Verbindlichkeiten umgehen? Wie würde die die Drachme konvertibel gemacht? Wie eine Bindung zu Weltgeld herstellen, wenn die Spekulantenwelt – man kennt diese Leute ja zur Genüge! – ihr den gleichen Stellenwert zugestehen würden wie außereuropäischen Exoten, sagen wir z.B. dem argentinischen Peso?
Also, ein rundum unmöglich einzuschlagender Weg, wenn man den Euro nicht überhaupt auf den Misthaufen der Geschichte werfen möchte.
Diese Option des Austritts wird eigentlich nur als rein hypothetische erwogen, um nicht für „undisziplinierte“ Regierungen und gierige Spekulanten ein negatives Zeichen zu setzen, so in der Art: Everything goes! Wir holen ein jedes Mitglied ohne Wenn und Aber aus der Scheiße, koste es was es wolle.
Womit die zweite Variante, die etwas seriösere, ins Blickfeld rückt.
2. Der europäische Krisenfonds
„Den Berliner Überlegungen zufolge könnte es in künftigen Schuldenkrisen Liquiditätshilfen für Euro-Mitgliedsstaaten geben. Diese wären an strikte Auflagen gebunden. Ob und unter welchen Bedingungen geholfen wird, müsste die Euro-Gruppe einstimmig entscheiden – unter Ausschluss des betroffenen Mitglieds. Euro-Länder würden sich zudem verpflichten, kein Geld vom Internationalen Währungsfonds (IWF) anzunehmen. Damit soll vermieden werden, dass etwa die USA oder China Einfluss auf innere Euro-Angelegenheiten nehmen.“ (FT Deutschland, 7.3.)
Es soll also so etwas wie der IWF exklusiv für die EU eingerichtet werden.
Damit wird schon einmal zugegeben, daß man sich in Zukunft auf eine Art 3.-Welt-Länder im eigenen Haus einrichtet – also Schluß mit dem modernen Märchen: Lauter potente und kapitalstarke Länder schließen sich zusammen und machen einander auf diese Weise noch stärker. Bzw. in „noch nicht“ so ganz erfolgreichen Standorten wird durch Kapitalimport eine Akkumulation angeleiert, selbstverständlich zum Wohle aller Beteiligten!
Zweitens soll damit verhindert werden, daß das feindliche Ausland einem hineinpfuscht und womöglich die internationale Konkurrenz zum Schaden der EU gestaltet. Austerity-Programme über unsere gestrauchelten Mitglieder verhängen wir selbst! Unsere Argentiniens und Mexikos richten wir selbst zugrunde, wenn wir es für zielführend halten!
Ob mit der Einrichtung eines solchen Krisenfonds dem Euro gedient ist, bleibt erst abzuwarten. Das ist jedoch das erklärte Ziel dieser Maßnahme. Wer sicher den Schaden davon hat, sind die Staaten und deren Bevölkerung, die in Zukunft zu Zielobjekten einer solchen Institution werden, und da wird Griechenland bald noch Gesellschaft bekommen.

Die EU und Griechenland

Nationalismus und Supranationalismus
Die EWG/EU ist seit ihrer Gründung ein widersprüchliches Projekt: Sie verspricht ihren Mitgliedern die Aussicht auf Stärkung ihrer nationalen Macht, unter gleichzeitiger teilweiser Aufgabe derselben. Die Staaten, die sich der EU anschließen, sollen einen Teil ihrer Souveränität aufgeben, um sich im Rahmen eines größeren Ganzen zu stärken. Sie sollen Teil eines imperialistischen Blockes werden, sozusagen als Vereinigte Staaten von Europa die Schranken ihrer nationalen Produktion und Akkumulation überwinden und durch den Zusammenschluß mit anderen Nationen ihre eigene kapitalistische Prosperität voranbringen.
Mit diesem Zusammenschluß, und noch mehr durch die Einführung einer gemeinsamen Währung sollten einheitliche Konkurrenz- und Ausbeutungsbedingungen hergestellt werden, nach dem Ideal, das würde den nationalen Nutzen aller beteiligten Staaten befördern.
Nach einigen Jahrzehnten, Erweiterungen und der Einführung der Gemeinschaftswährung hat sich dieser Widerspruch zugespitzt, der auf dem Konzept der Nation beruht, als einer Gemeinsamkeit, die nach innen alle Gegensätze aufhebt, nach außen aber jede Menge Gegensätze schafft. Die Unternehmer der verschiedenen Nationen nahmen die vereinfachten Ausbeutungsbedingungen innerhalb der EU wahr und gingen dorthin, wo die Löhne am niedrigsten waren, bzw. warben Arbeiter derjenigen Nationen an, die sich zum billigsten Tarif zur Verfügung stellten. Das Lohnniveau, und das war auch so beabsichtigt, nivellierte sich nach unten, bei gleichbleibenden Preisen. Die Arbeitskraft verbilligte sich, die Kaufkraft schrumpfte, das Preisniveau erhöhte sich gleichzeitig, da die Anbieter der verschiedensten Produkte auf die Kaufkraft aller EU-Staaten zurückgreifen konnten. Die Arbeiterklasse als ganze wurde ärmer: Das Verhältnis von Löhnen und Preisen veränderte sich zu ihren Ungunsten.
Die Geschädigten dieser Veranstaltung interpretierten ihren Mißerfolg – entweder sie wurden arbeitslos, oder als Arbeitende wurden sie ärmer – als eine Schwäche ihrer Nation gegenüber den anderen. Sie appellierten – über Gewerkschaften, Wahlen und andere Transmissionsriemen der Staatsmacht – an ihre Führung, doch die anderen Staaten – und deren Bürger! – in ihre Schranken zu weisen, um ihre eigene Sache zu befördern. Der ständig wachsende Nationalismus innerhalb der EU war ein Ergebnis der schrankenlosen Konkurrenz zwischen den Lohnabhängigen der verschiedenen Staaten, die von der EU-Führung gewünscht war.
Man muß hier einmal festhalten, angesichts der Tatsache, daß das Proletariat aller Staaten nationalistisch ist: Der von den Regierungen – und Gewerkschaften! – erwünschte nationale Schulterschluß mit der eigenen Staatsmacht und die ständigen Appelle an sie, doch die Interessen des eigenen Landes vor Augen zu halten, ist eine zerstörerische Macht innerhalb der EU: Diejenigen Staaten, die sich als Verlierer des EU-Projektes herauskristallisieren, genauso wie diejenigen, deren nationales Kapital dabei gewonnen hat, sehen in den anderen EU-Staaten unrechtmäßige Betrüger und Schmarotzer des EU-Projektes. Während einzelne Unternehmer von den vereinheitlichten EU-Konkurrenzbedingungen profitieren, sieht ein großer Teil der Bevölkerung sich als Verlierer – und interpretiert das nicht als Klassenfrage, sondern als nationale Niederlage, mit den entsprechenden Schuldzuweisungen nach außen, aber auch an die Adresse ihrer eigenen Führung.
Die herablassende Bemerkung deutscher Politiker, Griechenland sollte doch sein Territorium abverkaufen, um seine Schulden zu begleichen, hat den Nationalismus innerhalb der EU entfesselt: Nicht nur zwischen Deutschland und Griechenland, auch bei anderen Mitgliedsstaaten der EU und der Eurozone, die ebenfalls mit Schwierigkeiten beim Absatz ihrer Staatspapiere kämpfen. Eine weitere mögliche Verlaufsform des Konfliktes mit Griechenland könnte die sein, daß die griechische Bevölkerung ihrer Regierung die Botmäßigkeit aufkündigt, weil sie sie als Verräter an der nationalen Sache betrachtet. Das servile Auftreten Papandreus gegenüber der EU, der versucht, sein sinkendes Schiff vor dem Untergang zu bewahren, hat seine eigenen Untertanen jedenfalls sehr gegen ihn aufgebracht.
Der Versuch diverser, vor allem deutscher EU-Politiker, eine Schadensbegrenzung für den Euro vorzunehmen, indem sie Griechenland zu einem Ausnahmefall erklärt, und sehr eindeutige Schuldzuweisungen in Richtung Griechenland – Staat und Individuen, also ganz gewöhnlicher Rassismus – verkündet haben, könnte sehr nach hinten losgehen.
Weil was geschieht, wenn Griechenland seine Anleihen nicht mehr international plazieren kann? Und wenn es sie national, also seinen eigenen Banken verkaufen kann, sie aber von der EZB nicht mehr angenommen werden? Dann wird es nach außen wie nach innen zahlungsunfähig. Es kann seine vorigen Anleihen nicht mehr bedienen, diese sind dadurch entwertet. Angesichts der großen Mengen von griechischen Staatsanleihen, die Teil des Staatsschatzes anderer EU-Länder sind, käme es damit zu einer Entwertung des gesamten EU-Haushaltes.
Wenn der Staat sich keine finanziellen Mittel mehr beschaffen kann, so kann er seine eigenen Ausgaben nicht mehr tätigen: Die Staatsangestellten, die ganze Infrastruktur stünde ohne Zahlungsfähigkeit da. Gut, in Jugoslawien und Rußland wurde in den 90-er Jahren vorgeführt, wie man sich dann irgendwie durchwurstelt, unter großen Opfern für die Bevölkerung, aber diese Länder waren nicht Mitglieder einer Gemeinschaftswährung.
Im Falle Griechenlands würde der griechische Markt zusammenbrechen, Zahlungsverpflichtungen von Firmen für Lieferungen würden nicht mehr erfüllt, Privatschulden nicht mehr beglichen, der griechische Banksektor würde krachen, und wahrscheinlich den anderer Balkanstaaten mit sich reißen.
Was das für den Euro bedeuten würde, läßt sich noch gar nicht absehen.

Das Weltwährungssystem, Fortsetzung

Rußland und der Euro
Ein Artikel in der „Izvestija“ vom 15.2. befaßt sich mit der Frage: Wie geht es weiter mit dem Euro und was bedeutet das für Rußland?
„Der Kollaps des Euro ist unausweichlich“ – so wird zunächst ein Bericht der französischen Bank „Société Générale“ zitiert.
Was heißt das, erstens für „uns“ und zweitens allgemein? fragt sich die Izvestija.
Sollte man seine Ersparnisse jetzt schnell in $ oder gar in Rubel umwechseln?
Hurra, Reisen nach Europa verbilligen sich?!
Im „think positive“-Denken setzt der Artikel fort: Solange der Euro mäßig fällt, so könnte das die Konkurrenzfähigkeit der Eurozone erhöhen, der EU neue Exportmärkte öffnen und so einen Aufschwung einleiten.
In den letzten Jahren gab es jedoch große Investitionen aus dem Euro-Raum in Rußland. Kommt der Euro unter Druck, so ist zu erwarten, daß sich die Direktinvestitionen erheblich verringern werden und außerdem Kapital aus Rußland abgezogen wird.
Der Rubel wird also nicht unbedingt gegenüber dem Euro zulegen, und Probleme der Eurozone könnten die Wirtschaftsentwicklung Rußlands deutlich beeinträchtigen.
Nicht zu vergessen die ehemaligen sozialistischen Staaten, (also EU-Mitglieder ohne Euro,) mit denen ja Rußland auch mehr oder weniger intensive Wirtschaftsbeziehungen hat – wenn die jetzt auf einmal selbst zu Sanierungsfällen werden, so versetzt das der Ökonomie Rußlands einen weiteren Schlag.
Noch einmal kehrt die Autorin des Artikels zum Bericht der „Société Générale“ zurück: Demzufolge seien alle Maßnahmen, die zur Stützung Griechenlands ergriffen würden, nur ein vergeblicher Klebstoff für ein Kartenhaus, das bald zusammenbrechen werde. Sie stellen nur eine Verzögerung des unausweichlichen Zusammenbruchs des Europäischen Währungssystems dar.
Ganz so schlimm wird es schon nicht sein, meint die Autorin in der Izvestija. Und ergeht sich weiter in Vorstellungen eines möglichen guten Ausganges: Wenn die Spekulanten zu viel Druck auf den Euro machen sollten, so wird die EZB Stützungskäufe machen, d.h. ihre $-Bestände abverkaufen und € einkaufen, und dann wird sich der Euro wieder stabilisieren.
Es kann natürlich sein, daß das alles nichts nützt, und daß die wackeligen Staatshaushalte der Problemländer schließlich auch die Kernstaaten der EU, wie Frankreich, in Schwierigkeiten bringen könnten.
Es gibt, so der Schluß des Artikels, nur zwei Möglichkeiten: Entweder eine Menge Euro wird auf den Markt geworfen, oder die Eurozone wird verkleinert. Beides führt auf jeden Fall zu einer Schwächung des Euro.
Was kann man alles aus diesen Ausführungen folgern?
Erstens, es gibt offenbar auch innerhalb der EU und Eurozone Geldhändler (und vielleicht auch Politiker), die an einer Schwächung und Abwertung des Euro interessiert sind. Was sonst veranlaßt eine große europäische Bank dazu, den Euro gleichsam zu Grabe zu tragen? Sie setzt mit einer solchen „Analyse“ ja bewußt ein Datum, um Mißtrauen in diese Währung auszulösen.
Zweitens, in Rußland werden möglicherweise sowohl die Zentralbank als auch Privatbanken anfangen, Euro gegen $ zu verkaufen und dadurch einen Kursverfall des Euro in die Wege leiten. Es handelt sich bei Rußland ja nicht gerade um eine kleine Ökonomie und da lagert einiges an Geldmengen in den Kellern der Banken.
Drittens, Rußland ist inzwischen so gründlich in den weltweiten Kapitalismus eingebunden, daß bis nach Sibirien Produktion, Gewinn, Arbeitsplätze und Zahlungsfähigkeit wackeln, wenn in der Eurozone jemand hustet. Oder ernsthafter: Die Eckpfeiler der Ökonomie Rußlamnds sind nach wie vor die Weltwährungen $ und Euro, von denen ein guter Teil der eigenen Wirtschaftsleistung abhängt.
Rußland ist inzwischen ein interessanter Markt für europäische Investoren und Spekulanten, die dort Kredite plazieren.
Dadurch ist die Abhängigkeit des Rubel von Euro und $ aber auch wieder nicht ganz einseitig: Euroverkäufe in großer Menge sind in Rußland möglich und werden, sofern sie stattfinden, Wirkung auf den Euro haben.
(Es ist natürlich auch nicht ausgeschlossen, daß russische Banken mit den Euro-Hütern in Verhandlungen eintreten und sich eine eventuelle Stützung des Euro zu bestimmten Bedingungen abkaufen lassen.)
Staaten und Normalverbraucher sehen gleichermaßen, sollte eine Währung ins Gerede geraden, ihren Ausweg nur in einer anderen Währung. Es wird nicht angedacht, Gold zu horten, sondern $ gegen Euro zu tauschen. Das Vertrauen in die Geldausgabe- und Garantiefähigkeit gewisser Staatsgewalten bestimmt die Berechnungen aller „Marktteilnehmer“, von ganz oben bis ganz unten.