FIDEL CASTRO RUZ, 1926 – 2016
Die Reaktion der westlichen Leitmedien auf das Ableben des Máximo Lider ist gemischt und eine gewisse Unzufriedenheit klingt aus den Meldungen hervor.
Sich so richtig freuen und eine große Fiesta machen wie die Exilkubaner in Miami, schickt sich erstens nicht für pietätvolle Schmierfinken, und die Freude ist auch getrübt, weil eben mit Fidel Castros Tod das System, das er mit aufgebaut hat, nicht verschwindet. Im Gegenteil. Sein allem Anschein nach recht rüstiger Bruder bekräftigt seine Entschlossenheit, so weiterzumachen wie bisher, und er hat offenbar ein Team, das ihn dabei kräftig unterstützt.
Der sehr kindische, aber demokratisch durchgesetzte Führerkult blamiert sich hier wieder einmal. Es hängt nicht an einer Person, ob in Kuba Kommunismus, Versorgungswirtschaft oder Marktwirtschaft herrscht. Die kubanische Form Staat zu machen beruht auf einem relativ breiten Konsens in Regierung und Bevölkerung und war nicht ein Spleen eines durchgeknallten Alleinherrschers. Nicht nur, daß die Führungsmannschaft kein Zeichen von Schwäche zeigt – auch in der Bevölkerung bahnt sich offenbar kein Aufruhr an, obwohl die Medienfuzis mit Taschenlampe und Lupe nach Zeichen von „Widerstand“ suchen.
Diese Enttäuschung darüber, daß sich mit Fidels Abgang gar nix ändert, prägt die Schlagzeilen.
Castro tot – Kuba leider immer noch sozialistisch
„Und was jetzt, Kuba? Immer noch „Sozialismus oder Tod“? titelt „Die Welt“ vor 4 Tagen. Ärgerlich ist dabei, daß die Frage beantwortet ist, und zwar nicht im Sinne der „Welt“: Der Sensenmann hat nur Castro geholt, den Sozialismus hat er dortgelassen.
In der gleichen Diktion geht es weiter:
„Es ist die Stunde Null in Havanna.“
Zum Leidewesen der „Welt“ eben nicht.
„Fidel Castro wurde von vielen Kubanern vergöttert“
– völlig zu Unrecht, wie die „Welt“ weiß.
„ – doch er war auch das größte Hindernis für einen Neubeginn.“
Vielleicht wurde er genau dafür so geschätzt?
„Doch über einem neuen Anfang liegen bereits Schatten.“
Womöglich wird aus diesem angestrebten „neuen Anfang“ gar nix.
Besondere Anstrengungen, Castro und sein Kuba schlechtzureden, macht das „El País“, dessen Korrespondent bereits vor Jahren wegen seiner regierungsfeindlichen Ansichten und Tätigkeit der Insel verwiesen worden war.
„Fidel ist ein Mythos, eine Erfindung, deren Schöpfer und Darsteller er in einem ist.“
Leider verschwindet dieser vom „El País“ geschmähte Mythos nicht mit seinem Darsteller …
„Sein Sozialismus ist ein Mythos: wir sehen den Zusammenbruch des sowjetischen Modells.“
Leider ist er in Kuba nicht zusammengebrochen …
„Genauso ist es mit demjenigen vom souveränen Vaterland: um dieses von der US-Abhängigkeit zu lösen, unterwarf er es der sowjetischen Abhängigkeit“,
die der kubanische Sozialismus leider auch überlebt hat.
„Fidel Castro: ein disproportioniertes ökonomisches Erbe“
Man fragt sich nur, disproportioniert für wen?
„Cuba ist eine seltene Kombination von sozialen Indikatoren der 1. Welt mit wirtschaftlichen Indikatoren der 3. Welt“
So kann man es ausdrücken, daß die Kubaner nicht so arm sind, wie sie laut „El País“ eigentlich sein müßten.
„Laut dem vom UNO-Programm für Entwicklung (UNDP) erstellten Index für Menschliche Entwicklung steht Kuba in ganz Lateinamerika und der Karibik immer noch an erster Stelle, was Erziehung betrifft, und an zweiter bezüglich der Lebenserwartung.“
Na super, sollte man meinen. Von wegen Mythos, Abhängigkeit, Zusammenbruch usw.!
„Nun ja, diese Erfolgsstory kann man auch als Scheitern betrachten, wenn man einen anderen Gesichtspunkt einnimmt und sich fragt: wieso ist ein Land mit solchen außerordentlichen Fortschritten auf sozialem Gebiet wirtschaftlich so arm?“
Wir von „El País“ wollen es auf jeden Fall als Ungehörigkeit betrachten, wenn ein Land wie Kuba sich ein Unterrichts- und Gesundheitssystem leistet, von dem manche Armen in Spanien nur träumen können.
Letztlich, so dieser luzide Artikel, gibt es dort weder Kapital noch Eigeninitiative und das ist unerhört.
Auch ein Nachruf im „Spiegel“ windet sich und wirft ihm Betrug an seinen Idealen vor – der übliche billige Trick derer, die meinen, Gesellschaftskritik sei schön, hätte aber folgenlos zu bleiben:
„Er galt als moderner Revolutionär, der Kuba von der Diktatur befreit hatte und in ganz Lateinamerika zum Vorbild wurde mit seinem Versprechen einer gerechteren Gesellschaft. Doch seine moralische Weste hatte längst Risse bekommen: In seinem Land wurden Dissidenten verfolgt, Bürger bespitzelt, wurde Mangel verwaltet.“
Na und? möchte man fragen. Das ist offenbar kein Widerspruch gegenüber dem ohnehin zweifelhaften Ideal von „Gerechtigkeit“.
„Über den Golf von Mexiko hinweg beteiligte Castro sich an der großen Auseinandersetzung seiner Zeit: Kommunismus gegen Kapitalismus, das kleine Kuba mittendrin.“
Und immer noch kommunistisch, obwohl nicht mehr mittendrin!
„Seiner Ideologie schwor er nie ab, auch wenn sie sein Land zurückwarf.“
„Zurück“ gegenüber was? Haiti? Oder dem Glamour, das Puff der USA zu sein, wie unter Batista? Der Ärger darüber, daß in Kuba nicht marktwirtschaftlich produziert und kalkuliert wird, ist unüberhörbar.
Auch die „New York Times“ läßt sich nicht lumpen und erinnert daran, daß sie seit 1959 auf einen Nachruf für Fidel Castro vorbereitet hat, x Entwürfe verfaßt wurden, und jetzt können sie ihn endlich schreiben.
„Es gab eine Menge Prophezeiungen auf Unruhen, die bei Fidels Tod ausbrechen würden, aber diese Aussichten verblaßten, als er die Amtsgeschäfte erfolgreich seinem Bruder Raúl übergab.“
Wieder nix! Kein Hoffnungsschimmer!
„Castros Tod entblößt einen Generationskonflikt in Havanna.“
Man wartet auf Enthüllungen. Allerdings vergeblich.
„Nach Jahrzehnten von nicht eingelösten Versprechen bezüglich Wirtschaftswachstum könnte Castros Tod inner- und außerhalb Kubas Gräben bezüglich des einzuschlagenden Weges aufreißen.“
Der Wunsch ist unüberhörbar, daß es doch so kommen möge, obwohl nichts dafür spricht.
„Eine unabhängige Bloggerin … erwartet, daß Fidels Tod zu mehr Meinungsvielfalt bei der Führung führen könnte.“
Wow, die aufständische Jugend meldet sich zu Wort!
„Viele junge Leute zeigten keine sichtliche Regung, als Fidels Tod bekannt wurde. Am Sonntag verbrachten sie den Tag wie gewöhnlich und meinten, daß sich mit Fidels Abgang wenig ändern würde.“
Das befürchtet die NYT auch.
Also, die Begeisterung der Journaille hält sich in Grenzen. Fidel ist alt geworden und in Ehren gestorben, und das „Regime“ in Kuba wankt nicht.
Man kann zur Tagesordnung übergehen und sich anderen Themen widmen.
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Siehe dazu auch noch:
DEMOKRATISCHER PERSONENKULT 2014
Kategorie: Ideologie
Trumps Triumph
„EIN VERRÜCKTER ALS VORSTAND DES IRRENHAUSES“ (1)
Es ist schon bemerkenswert, wie die westlichen Leitmedien den neuen Präsidenten der USA in seinem Amt willkommen heißen – vor allem, wenn man sich an die Euphorie erinnert, mit der sein Vorgänger seinerzeit begrüßt worden ist.
„Ein traumatischer Wahlkampf zeitigt ein erschreckendes Ergebnis“ (Washington Post)
„Die Nacht bricht herein über Washington“ (El País, Redaktion)
„USA-Wahlen: Die Wut hat gewonnen“ (Le Monde)
„Schockierende Verstörung, da ein Außenseiter die Unzufriedenheit der Wähler für sich nutzen konnte“ (New York Times)
„Für jeden neuen Präsidenten gilt zunächst einmal die Unschuldsvermutung“ (Kommentator im ORF)
„Eine Welt bricht vor unseren Augen zusammen“ (Spiegel)
„Trumps Sieg ist ein Donnerschlag“ (Kommentar in der SZ)
„Trumps Sieg ist ein dunkler Tag für die Welt … eine amerikanische Katastrophe“ (Guardian, Redaktion)
Einzig die italienischen Zeitungen geben sich gelassen, mit dem Tenor: ein USA-Berlusconi, das läßt sich überleben.
Auf die Beschimpfung des Siegers folgt sofort tiefes Mitgefühl für die Verliererin, die für den Job doch soooo viel besser gewesen wäre! Killary und ihre „Tragik“ nehmen in der Berichterstattung des „Tages danach“ viel mehr Raum ein als der strahlende Sieger, der sonst in einem solchen Fall im Scheinwerferlicht steht.
Kann sich jemand erinnern, daß die Medien Mitt Romney oder John McCain oder sonst irgendeinem Kandidaten die Tränen getrocknet hätten, als selbige bei den Präsidentschaftswahlen unterlegen sind?
Aus dem allen kann man mehreres entnehmen.
1. über die Demokratie, die angeblich durch Donalds Wahlsieg gefährdet ist.
Demokratie ist, wenn der Kandidat (oder die Kandidatin) gewinnt, die die Medien als Königsmacher haben wollen, und es geht gar nicht um das übliche Prozedere, das zur Ermächtigung führt.
So werden die amerikanischen Wähler hier indirekt beschimpft, den Falschen gewählt zu haben
– sie hätten sich von Emotionen bewegen lassen, und zwar nur bei der Wahl Trumps, denn die „Vernunft“ hätte ja für Clinton gesprochen (man sieht weinende Clinton-Wähler)
– sie hätten sich von einem Politclown übertölpeln lassen
– die Frauen seien verantwortungslos zu Hause geblieben und hätten ihre eigenen Interessen verleugnet
– sie seien auf falsche Versprechungen hereingefallen (bei gleichzeitigem Zittern der Kommentatoren, daß Trump diese Versprechen wahr machen könnte)
2. über die Art von Macht, die sich ihr Personal durch dieses Wahlverfahren bestellen läßt: Die Repräsentanten dieser Macht müssen der Wirtschaft, d.h. dem Kapital dienen und für die Durchsetzung der Kapitalinteressen auch zu Kriegen ohne Wenn und Aber bereit sein – sobald sich hier Zweifel regen, ist der Kandidat in der gewichtigsten Demokratie der Welt eine Fehlbesetzung.
3. über die imperialistische Staatenkonkurrenz in Zeiten der Krise
Es ist vor allem die Kriegstreiberei gegen Rußland und seine Verbündete, die die feindlichen Brüder in EU und USA zusammenhält – Risse in dieser Front führen zu einem Zittern und Zagen über mögliche neue Fronten, neue Feinde und Unwegsamkeiten von ohnehin wackligen Bündnissen.
So fordert Merkel vom neuen Präsidenten Achtung vor der Menschenwürde, wenn er mit ihr zusammenarbeiten möchte, und stellt dadurch in den Raum, daß sie die Zusammenarbeit mit der Weltmacht Nr. 1 ja auch verweigern könnte. Eine ganz leere Drohung, mit der aber auch der Anspruch einhergeht, selbst als Führungsmacht auftreten zu wollen.
In Polen wird gar die Gefahr einer neuen Jalta-Konferenz heraufbeschworen, wo Osteuropa wieder an Rußland ausgeliefert werden könnte. Polens Politiker fürchten um ihre Aufwertung zum Frontstaat, die mit der Gegnerschaft zu Rußland steht und fällt.
Neben dem Zorn der professionellen Meinungsmacher darüber, daß sie doch keine sind, ist den Reaktionen von Journalisten und Politikern auch zu entnehmen, daß sie um den Bestand der gültigen Weltordnung bangen. Sie sprechen damit die Wahrheit aus, daß die Führungsmacht der USA auch die Grundlage ihrer Stellung in der Hierarchie der Nationen ist, und daß die Rolle der USA als Weltpolizist nicht in Stein gemeißelt ist.
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(1) Titel einer Kolumne in „El País“.
Abgesehen von der wenig schmeichelhaften Charakterisierung des neuen Amtsinhabers werden hier gleich die ganzen USA zu einem Käfig voller Narren erklärt – schon etwas frech von dem Schreiberling.
Rückerinnerung:
WAS IST EIGENTLICH POPULISMUS?
Das Märchen vom Steuerzahler
DER BANKENRETTER
Steuern sind eine Notwendigkeit des modernen bürgerlichen Staates. Der Staat nimmt sie seinen Bürgern weg, weil er sich an ihrer Tätigkeit bereichern will. Die Staatsgewalt betreibt mit ihrem Gewaltmonopol eine Klassengesellschaft und verpflichtet seine Bürger auf die Konkurrenz, damit sie sich aneinander bereichern – als Fabrikanten, als Kaufleute, als Landwirte, usw. Die, die nichts haben, müssen für andere nützlich sein und von ihrem Gehalt auch etwas an den Staat abliefern.
Über die verschiedenen Steuern kann man hier was nachlesen.
Es wird also keinem Staatsbürger freigestellt, ob er Steuern zahlen will und wieviel – das sind Vorschriften, die er zu befolgen hat und ihre Verweigerung, die Steuerhinterziehung, wird gesetzlich geahndet.
Hier hört sich also das ganze Herumgerede um demokratische Mitbestimmung und Interessensausgleich auf. Steuern sind zu zahlen und basta – denn
„Die Steuern sind die wirtschaftliche Grundlage der Regierungsmaschinerie und von sonst nichts.“ (K. Marx, Kritik des Gothaer Programms, MEW 19, S. 30.)
Dennoch, und vielleicht gerade deswegen hält sich hartnäckig die Vorstellung, Steuern seien eine Art freiwillige Abgabe, die dem Ablieferer derselben jede Menge imaginäre Rechte verschaffen, die er dann empört fordert – ohne diesen Forderungen je Nachdruck verleihen zu können.
Jede Menge Staatsausgaben wird bejammert, weil „unsere“ Steuergelder dabei verpulvert werden. Dabei gehört die Steuer ja nie dem, der sie zahlt, sondern immer dem, der sie kassiert. Kein Steuerzahler, nicht einmal ein großer Unternehmer, kann auf sein abgeliefertes Geld ein Mascherl geben und verfügen, wie es zu verwenden sei. Die Steuer ist ein Souveränitätsrecht, über ihre Verwendung entscheidet allein die Staatsgewalt.
Bezüglich der Höhe sind dem Souverän jedoch Grenzen gesetzt, wenn er die Quelle, aus der die Steuer sprudelt, nicht ruinieren will. Die Staatsgewalt kann sich nicht unbegrenzt am Vermögen der Bürger bedienen, nicht die gesamten Einkünfte der Menschen einkassieren.
Deswegen sind die Staatsgewalten schon in vorbürgerlichen Zeiten darauf verfallen, Zahlungsversprechen auszugeben, in denen sie ihre zukünftigen Steuereinnahmen verpfändeten. Das Anleihensystem ist alt, hat sich aber in neuerer Zeit sehr gründlich von den Steuereinnahmen emanzipiert, wie Staatsbankrotte und Währungskrisen jedem deutlich vor Augen führen.
Anläßlich der Wirtschaftskrise 2008 ff. ging erst recht das Gezeter los, daß Banken, womöglich sogar ausländische! und nichtsnutzige fremde Völker mit „unseren“ Steuergeldern gerettet werden. Dieses treu-dumme Geschwätz, dessen Protagonisten sich als Kritiker gebärden, ist derartig staatsnützlich, daß die Politik inzwischen gerne darauf zurückgreift, wenn sie irgendwelche Ausgaben nicht tätigen will: für italienische Banken oder griechische Beamtengehälter oder deutsche Sozialfälle darf das Geld der Steuerzahler nicht verpulvert werden!
Dabei ist das auch noch darin verlogen, daß die staatlichen Garantien und das Geld der EZB, mit denen Banken und Staaten gerettet und Anleihenstützungsprogramme durchgeführt werden, gerade nicht die Steuergelder sind, die eifrig für „richtige“ Ausgaben wie Bildungssystem oder Militär verwendet werden. Der moderne Staat findet an den Steuereinnahmen nicht sein Genügen, deswegen verschuldet er sich.
Mit der Konstruktion des Euro und der Einrichtung der EZB wurden Verfahren und Institutionen geschaffen, die die Abkoppelung der Geldschöpfung und staatlichen Finanzierung von den Steuern und der eigenen Ökonomie eigenständig repräsentieren. So war das ursprünglich auch gedacht: frei von den Schranken und Fesseln der eigenen Micker-Produktion sollten auch die weniger erfolgreichen Staaten mittels des Zauberstabes des Kredits zu prosperierenden Wirtschaftsstandorten werden. Daß das Gegenteil davon eingetreten ist, liegt am Kredit und der kapitalistischen Konkurrenz, die unter dem Stichwort „Wettbewerbsfähigkeit“ nach wie vor hohes Ansehen genießt.
Es liegt im Bewußtsein des modernen Untertanen, des Staatsbürgers begründet, sich die Welt verkehrt zu erklären und die eigene Bedeutungslosigkeit in eine wichtige Rolle umzudeuten, die er für das Gemeinwesen erfüllt. Das läßt die armselige Figur des Steuerzahlers in einem moralisch glänzendem Licht erscheinen: als die des ewig Betrogenen, des eigentlichen Subjektes der ganzen Veranstaltung, das von dunklen Mächten immer und immer mißbraucht wird.