„Pulverfaß“ Syrien

DER DURCH UND DURCH VERLOGENE IMPERIALISTISCHE AUFMARSCH GEGEN DEN IS
Wenn es denn wirklich so wäre, daß der IS „unsere Werte“ gefährdet, „unsere Sicherheit“ bedroht und überhaupt alles repräsentiert, was die westliche Wertegemeinschaft als verwerflich brandmarkt, so wäre die Sache ja einfach: alle Staaten, die den IS in irgendeiner Form unterstützen, mit Sanktionen belegen und gegenbenenfalls militärisch bekämpfen. Also einen „regime change“ in Saudi Arabien, Katar, der Türkei und möglicherweise andere Golfstaaten in die Wegen leiten und diese Länder zu Parias der internationalen Staatengemeinde erklären.
Ob das effizient wäre und das Ende des IS bedeuten würde, sei dahingestellt. Es ist zumindest dasjenige Instrumentarium, das „der Westen“ bisher gegen Staaten und Regierungen in Anschlag gebracht hat, die ihnen aus irgendeinem Grund nicht in den Kram gepaßt haben.
Daß dergleichen nicht einmal angedacht wurde, weist darauf hin, daß es mit der Ablehnung des IS nicht gar so ernst gemeint sein kann, daß diese ungemütlichen Halsabschneider zwar manchen Regierungen und Interessen störend auffallen, aber daß es andere Interessen gibt, die keineswegs eine negative Stellung zu dieser Kriegspartei einnehmen, und daß diese Interessen weltweit anerkannt sind.
An der Stellung verschiedener Staaten zum IS kann man erkennen, daß sich hier sehr deutliche Interessensgegensätze zwischen den Staaten auftun, die aber nicht in eine offene Konfrontation münden sollen – zumindest vorerst einmal.
1. Die EU unter sich
Frankreich hat nach den letzten Pariser Attentaten behauptet, angegriffen worden zu sein, einen EU-internen Bündnisfall ausrufen zu können und gemeint, sich ab jetzt im Krieg gegen den IS zu befinden. Damit hat es der Halsabschneider-Truppe mehr oder weniger bescheinigt, was diese schon länger über sich selbst verkündet, nämlich ein Staat zu sein.
Hollande hat also mit seiner Kriegserklärung den IS enorm aufgewertet. Es ist wichtig, sich das vor Augen zu halten, weil es vermutlich das weltweite Lager der IS-Anhänger verstärken wird, die sich jetzt einer wirklich machtvollen und als solche anerkannten Organisation zugehörig fühlen können. Es sind also nicht nur die Attentate selbst, sondern auch die Reaktion darauf, die die Attraktivität des IS erhöht.
Das war zwar nicht Absicht des französischen Präsidenten, es war aber nötig, um den Bündnisfall auszurufen, der irgendwo in den Konvoluten des EU-Schrifttums festgelegt ist: wird ein Mitglied angegriffen, so müssen ihm die anderen beistehen. Die französische Führung wollte so eine Art Kreuzzug gegen den IS zustandebringen und anführen.
Das ging gründlich in die Hose. Einige Staaten reagierten nicht, Finnland sagte „nein, danke“, und die einzigen, die bereit waren, diesem Schlachtruf überhaupt zu folgen – GB und Deutschland – stellten von Anfang an klar, daß sie aus eigenem Gutdünken tätig werden wollen, aber keineswegs unter französischer Führung oder nach Vorgaben Frankreichs.
Frankreich steht also ziemlich allein da, weder von den USA noch von seinen eigenen vermeintlichen Verbündeten erhält es Unterstützung für seinen eigenen Dschihad für die europäischen Werte. Aufgrund seines Engagements in Westafrika und im Inland – die Militärpräsenz in Frankreich selbst wurde erhöht, sowohl wegen der Terroranschläge als auch wegen der Flüchtlinge – hat es jedoch kaum mehr personelle Kapazitäten, um den Einsatz in Syrien auszuweiten.
Es präsentiert sich also nicht nur politisch recht ohnmächtig, sondern auch noch dazu militärisch relativ bescheiden. Der Versuch, sich durch sein Schicksal als Terrorziel in der imperialistischen Hierarchie als Führungsmacht ins Spiel zu bringen, ist kläglich gescheitert.
Großbritannien und Deutschland hingegen wissen zwar gar nicht so genau, was sie dort in Syrien jetzt eigentlich erreichen bzw. machen wollen, aber ihnen ist klar, daß man da als halbwegs ernst zu nehmende politische Macht unbedingt mitmischen muß.
Das alles gibt reichlich Stoff für politische und militärische Konfrontationen – erstere weltweit, letztere in und über Syrien. Da sich die EU-Mächte so gar nicht von ihren Kollegen führen lassen wollen, ist eine Kollision oder ein Abschuß eines Flugzeugs keineswegs ausgeschlossen.
Dadurch definiert sich auch das Verhältnis zu Rußland neu.
2. Die EU, die USA und Rußland
Während Frankreich, um seine Schlappe irgendwie wieder auszugleichen und seinen Terrorismus-Rechtstitel doch noch irgendwie zu verwerten, sehr unernsthaft mit Rußland verhandelt – nie könnte es sich Frankreich leisten, aus EU und NATO derartig auszuscheren – vollführen Deutschland und Großbritannien Säbelgerassel, das zwar von ihrem unverbrüchlichen Entschluß Zeugnis ablegt, ebenfalls mit Militär vor Ort zu sein, aber keinerlei Kriegsziele ins Auge faßt. Die Absichtserklärung „Bekämpfung des IS“ bleibt ebenso vage wie die Definition irgendwelcher Bündnisse und Bündnispartner. Es ist nur klar, daß Rußland und Assad Feinde sind und bleiben, – IS-Schreckgespenst hin und her –, auf die man aber doch notgedrungen irgendwie Rücksicht nehmen muß, wenn man nicht den Abschuß eines eigenen Flugzeugs riskieren will.
Nach Studium der Medien erscheint es dem unbefangenen Beobachter so, als ob das russische Waffenarsenal und die immer noch halbwegs intakte syrische Armee die wirklichen Hindernisse sind, an denen sich die kriegsgeile EU-Führungsmannschaft abarbeitet, während IS, Al Kaida, die Terroristen und Halsabschneider und der schreckliche islamische Fanatismus, der unsere Werte bedroht, nur unter ferner liefen figurieren.
Rußland, das wegen seines Engagements in Syrien in letzter Zeit zwei Flugzeuge verloren hat, steht auf dem Standpunkt, daß die syrische Regierung legitim ist – diesen Standpunkt teilt es mit der UNO – und deshalb gestärkt gehört, um die Souveränität über ihr Territorium wiederzuerlangen. Dabei steht es der syrischen Regierung bei.
Mit diesem Anliegen und dem dafür eingesetzten Gewaltapparat gerät es in Gegensatz zu den Vertretern von Freiheit und Demokratie. Deren Interessen sind zwar unterschiedlich, die Einheit und Befriedung Syriens steht jedoch nirgends auf der Agenda. Es ist auch nicht Freiheit und Demokratie, die die Häuptlinge der USA und der dickeren EU-Brummer in erster Linie beseelt, was man daran sieht, daß sie sich problemlos mit einem Staat gemein machen, ihn sogar hofieren, in dem regelmäßig Ehebrecherinnen gesteinigt, Hände abgehackt und Leute ausgepeitscht werden, und in dem weder Frauenrechte noch freie Wahlen existieren.
3. Die feinen Verbündeten des Freien Westens
An der unverbrüchlichen Freundschaft der USA und der EU mit Saudi-Arabien zeigen die Obermacher des Freien Westens sehr deutlich, daß die ganze „Wertegemeinschaft“ und das Getue um Fortschritt, Menschenrechte usw. nur ein ideologischer Zirkus ist, mit dem die eigenen politischen und ökonomischen Interessen verbrämt werden und somit eine höhere Weihe erhalten. Während den Flüchtlingen dauernd um die Ohren geschlagen wird, sich doch gefälligst zu integrieren und die Demokratie als höchstes Gut anzuerkennen, muß Saudi-Arabien sich bei Staatsbesuchen nicht einmal Menschenrechtsgesäusel anhorchen, womit z.B. chinesische Politiker regelmäßig genervt werden. Es ist offensichtlich, daß dieser Staat sich alles erlauben kann, auch das durch keinerlei UNO-Resolutionen gedeckte, seit Monaten stattfindende Bombardement des Jemen.
Ähnlich verhält es sich mit der Türkei. Während die Medien in den letzten Jahren in den letzten Jahren voll waren mit Berichten über gewaltsam niedergeschlagene Demonstrationen, verfolgte, verhaftete und ermordete Oppositionelle und Journalisten, und dem zumindest mit EU-Standards nicht kompatiblen Umgang mit Minderheiten, wird der Türkei gegenüber inzwischen von offizieller Seite kein kritisches Wort mehr laut – ihre Regierung wird hofiert, ihr wird Geld versprochen, bei allen möglichen Gipfeln werden Hände geschüttelt, ideell wird den türkischen Kollegen auf die Schulter geklopft, und der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß die Türkei erstens die Flüchtlinge nicht mehr nach Europa durchlassen und zweitens Rußland in seine Schranken weisen wird.
Die Türkei soll sich also als Vorposten der EU und USA bewähren, und dafür hat sie alle Freiheiten.
Fazit
Was in nächster Zeit in Syrien, Irak und Umgebung passieren wird, steht in den Sternen. Es gibt dort die syrische Regierung und ihre Armee, kurdische Organisationen bzw. Milizen, die untereinander gespalten sind (syrische Kurden & PKK versus irakische Kurden unter der Führung des Barzani-Clans), den IS, die Al-Nusra-Front, – beide ziemlich aufgefettet durch internationale Unterstützung – und andere „moderate“ Rebellen, die entweder bedeutungslos oder untereinander zerstritten sind, dem Ganzen übergeordnet die Rivalität zwischen Iran und Saudi-Arabien um die Führung in der islamischen Welt; ferner die USA, Rußland und einige europäische Mächte, schließlich die Anrainerstaaten Syriens und des Irak, die teilweise von Flüchtlingen überrannt sind und wo sich ebenso ambitiöse wie verrückte Kalküle auftun über die Möglichkeit, ihr Territorium oder ihren Einfluß zu erweitern. Zu all diesen politisch-strategischen Interessen gesellen sich noch energiepolitische Überlegungen und das Interesse, einmal die eigenen Waffen auszuprobieren.
Wer immer noch glaubt, hier ginge es um Werte oder auch nur um Demokratie, also die hier übliche Staatsform, ist mit pro-EU-Verblödung geschlagen, die jedoch gerade unter kritischen Menschen fröhliche Urständ feiert, weil sie durch Festhalten an den Rechtstiteln fürs staatliche Zuschlagen ihre inhaltsleere Distanz zu Rassismus und religiös verbrämten Fanatismus zum Ausdruck bringen wollen – also diejenige Gewalttätigkeit ablehnen können, die unmittelbarer vorgeht und über weniger schöne Rechtfertigungsideologien verfügt.
Was ist schon ein von einer Drohne verursachtes Gemetzel in Afghanistan gegen ein paar abgeschnittene Köpfe im Internet!

Der Schrei nach Inflation

GELDVERMEHRUNG ALS WACHSTUMSHEBEL?

Erinnert sich noch wer an die Maastricht-Kriterien? 60 % Gesamtschulden, 3 % Neuverschuldung pro Jahr, alles im Verhältnis zum BIP.

Heute liegt der ganze Euroraum bei über 90 % Gesamtverschuldung, manche Mitgliedsstaaten weit darüber. Bei der Neuverschuldung der Eurozone wird zwar behauptet, sie sei unter 3% gesunken, aber weder das eine noch das andere sind eigentlich mehr Thema in der Öffentlichkeit.

Die Inflationsrate darf nach diesen Konvergenzkriterien nicht mehr als 1,5 Prozentpunkte über derjenigen der drei preisstabilsten Mitgliedstaaten liegen.

Dabei wären die Währungshüter von der EZB heute heilfroh, wenn sie 1,5 % oder mehr hinkriegen. Damals, in Maastricht und später, sollte eine zu hohe Inflationsrate verhindert werden. Verantwortungsloses „Gelddrucken“ sollte unterbunden werden, mit Zinssätzen und Zugangsbeschränkungen zu EZB-Krediten.

Heute hat die EZB ganz andere Probleme, es gibt praktisch keine Inflation:

„Im Oktober waren die Preise in der Währungsunion lediglich um 0,1 Prozent gestiegen. Die Europäische Zentralbank strebt als idealen Wert für die Wirtschaft eine Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an …“ (Standard, 20.11.)

„Draghi will Inflation mit allen Mitteln anheizen … Mario Draghi hat wegen der hartnäckig niedrigen Inflation in der Euro-Zone seine Bereitschaft zu einer weiteren Öffnung der Geldschleusen bekräftigt. … »Wir werden das tun, was wir machen müssen, um die Inflation so schnell wie möglich zu erhöhen.«“ (HB, 20.11.)

Wer vor 15 Jahren auch nur vermutet hätte, daß sich die EZB einmal mit solchen Problemen würde herumschlagen müssen, wäre für narrisch erklärt worden. Es geht gegen jedes Ökonomie-Lehrbuch, und mutet auch sonst reichlich absurd an, was der oberste Währungshüter Europas hier vermeldet.

Das alles, nachdem schon seit geraumer Zeit jede Menge Geld von der EZB in die Ökonomie gepumpt wurde, so eine Billion zwischen November 2011 und April 2012.
Außerdem wurden voriges Jahr die Zinsen gegen Null gesenkt, und der Wirtschaft weiteres Geld billig zur Verfügung gestellt.

Gebracht hat das bisher wenig:

„Die EZB und die nationalen Zentralbanken pumpen bereits seit gut neun Monaten Woche für Woche Milliarden in das Bankensystem, um Geldhäuser zur Vergabe von mehr Krediten an die Wirtschaft zu bewegen. Das würde die Konjunktur anschieben und für steigende Preise sorgen. Die Auswirkungen auf die Preisentwicklung blieben bisher aber mager.“ (ebd.)

Die Antwort der EZB: noch mehr davon!

„Bisher sollen die Käufe bis September 2016 laufen und alles in allem einen Umfang von mehr als einer Billion Euro erreichen.“ (ebd.)

Also, wieder 1000 Milliarden ins Geldsystem, und dann noch Straf- = Negativzinsen für Einlagen:

„Der Einlagenzins liegt aktuell bei minus 0,2 Prozent – Banken müssen also eine Strafe bezahlen, wenn sie über Nacht Geld bei der EZB parken. Der Einlagesatz ist also eines der Mittel, mit denen die EZB die Kreditvergabe an die Wirtschaft ankurbeln will.“ (ebd.)

Der Euro gab gleich nach der Bekanntgabe dieser Beschlüsse nach, was davon zeugt, daß diese Perspektiven die Akteure der Finanzmärkte nicht vom Stockerl hauen.

Warum setzt der Euro-Bankchef auf eine Methode, die gegen alle bisherigen Gepflogenheiten geht und deren Wirkungslosigkeit eigentlich schon überdeutlich ist? Zumindest was die von der EZB angegebenen Ziele betrifft.
Die Antwort ist erstens: weil sie für die Ziele, die sie verfolgen, keine anderen Möglichkeiten haben. Außer mehr oder weniger Geld und höhere oder niedrigere Zinsen kann die EZB – oder auch die Fed – nicht allzuviel machen. Sie stellt ja nur Geld – Maß der Werte, Zahlungsmittel, Zirkulationsmittel – zur Verfügung, es ist die Aufgabe der Privatwirtschaft, damit Profit zu machen und deswegen zum Wachstum beizutragen.
Und da dergleichen nur beschränkt geschieht, kommt das Wachstum nicht auf Touren. Die Profiterzeugung scheitert an der mangelnden Zahlungsfähigkeit, sodaß das p.t. Publikum teilweise als Konsumverweigerer beschimpft wird, wenn es seiner obersten Pflicht als Käufer nicht nachkommt. Gleichzeitig wird durch Sparprogramme, Pensions- und Sozialkürzungen die allgemeine Zahlungsfähigkeit europaweit eingeschränkt. Die Kreditvergabe der Banken ist von den schlechten Erfahrungen des letzten Jahrzehnts gezeichnet, als jede Menge Kunden erst mit allen Mitteln gewonnen wurde und dann die Kredite nicht mehr bedienen konnte. Die Ausweitung der Zahlungsfähigkeit durch Kredit ist also auch stark eingeschränkt. Und die Stagnation im Konsumentenbereich hat natürlich seine Ergebnisse auf die Produktionsgüterindustrie.

Dazu kommen Sanktionen gegen Rußland, Strukturwandel und deshalb geringerer Importbedarf in China und überhaupt unerfreuliche Entwicklungen am Weltmarkt, die eine Exportoffensive wenig perspektivenreich erscheinen lassen.

Es läßt sich also – auf die Erfahrungen der letzten Jahre bauend – vorhersagen, daß den Maßnahmen der EZB in Sachen Inflationsbelebung und Wachstum kein Erfolg beschieden sein wird. Das wissen die obersten Währungshüter selber, ihre Aussagen klingen nicht überzeugt und überzeugen auch niemanden.

Warum also handeln sie trotzdem so?

Die Antwort ist zweitens: um Schlimmeres zu vermeiden. Mit dieser fortgesetzten Geldschwemme ermöglichen sie es den Banken, Staatsanleihen in großem Umfang auszukaufen und dadurch zwar von der Rate her eher geringe, von der Masse her jedoch letzlich profitable Geschäfte mit Staatsanleihen zu machen. Dadurch bleibt der Kredit der Pleitestaaten aufrecht, die Banken haben ein Geschäftsfeld und der Euro wird am Leben gehalten.

Das ist auch wichtig im Auge zu behalten angesichts der Politik, die gegenüber Griechenland und vielleicht auch bald Portugal betrieben wird, die von dieser unbeschränkten Geldversorgung ausgeschlossen sind.

Das internationale Finanzkapital

DAS SCHWANKEN DER GIGANTEN
Bis 2008 floß Kredit reichlich und wurde als Wachstumsmotor geschätzt, befördert und gelobt. Und ganz verabschiedet haben sich die Politiker und Ideologen in Medien, Universitäten und Think Tanks von dieser Vorstellung noch immer nicht. Kredit soll sein und muß sein, und alle sind seit 7 Jahren damit beschäftigt, weiterhin den Kredit schönzureden und sich Kredit für ihre Ziele zu beschaffen, während man die Unkosten des gescheiterten Kredits gerne auf andere abwälzen möchte.
Kredit ist Anspruch auf zukünftigen Gewinn, der seit geraumer Zeit nur mehr durch weiteren Kredit generiert wird, nicht durch wirklich gelungene Geschäfte.
Den ständig wachsenden Kreditberg schieben Staaten, Banken und Finanzdienstleister in immer schlechterem Einverständnis miteinander vor sich her, und hofften lange Zeit vermutlich, daß irgendein Wunder geschehen und die Konjunkturlokomotive von irgendwoher hereinrattern würde, oder sich in einer Felswand ein Safe öffnen, die ganzen faulen Kredite inhalieren und als Gold oder Diamanten, also echte und wahre Werte wieder ausspucken möge.
Man verzeihe das blumige Bild, aber die Verlautbarungen von Bankchefs, Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern klangen in den letzten Jahren alle so, als ob so ein Wunder geschehen, ein deus ex machina den ganzen Schulden-Saustall auskehren würde.
Ewig läßt sich dieser naive Kinderglaube aber nicht aufrechterhalten und auch nicht endlos der Menschheit solchermaßen ein X für ein U vormachen. Irgendwann glaubt niemand mehr den Experten und schon gar nicht glauben die Akteure des Finanzsektors die Zwecklügen, die einem die Kollegen auftischen.
Es steht also eine Bereinigung an, und die wird nun von verschiedenen Institutionen und Geldinstituten in Angriff genommen. Was dabei herauskommt, läßt sich nicht abschätzen, klar ist jedoch, daß irgendwo abstrakter Reichtum = Zahlen auf Konten gestrichen werden müssen, weil sich die Behauptung, sie würden Wert repräsentieren, nicht länger aufrechterhalten läßt. Und dadurch alle Reichtumstitel, Aktiva, sogar das Geld selbst in Verruf geraten ist und jetzt irgendwie wieder vertrauenswürdig gemacht werden sollen.
1. Schuldenstreichung – für Griechenland nein, für die Hypo Alpe Adria schon?
So steht in Österreich seit geraumer Zeit eine Bankruine namens Hypo Alpe Adria herum, die irgendwie abgebaut werden soll. Das Hauptproblem ist, daß diese Bank in ihren besseren Zeiten Bankanleihen ausgegeben hat, die – weil sie etwas höher verzinst waren als vergleichbare Anleihen im deutschsprachigen Raum, aber als völlig solid galten – von diversen großen deutschen Banken und anderen Instituten gekauft wurden. Entweder diese Anleihen werden vom österreichischen Staat, der inzwischen Eigentümer der Hypo ist, bedient, d.h. der österreichische Staat muß aus seinem Budget die Gewinnansprüche von aus- und inländischen privaten Geldinstituten bedienen und dafür seinen eigenen Staatskredit strapazieren.
Um das zu vermeiden, soll hier eine Schuldenstreichung und ein Vergleich stattfinden. Verhandlungen und Klagen sind unterwegs. Es handelt sich um eine Summe von 10-15 Milliarden, und um einen Präzedenzfall: Eine mit Garantien des Bundeslandes versehene und von der staatlichen Aufsicht als gesund eingestufte Bank gibt Anleihen aus, die sie einige Jahre später nicht mehr bedienen kann und die der Staat nicht übernehmen will. Da die Hypo nicht die einzige Bank ist, die dergleichen gemacht hat, könnten andere Institute bzw. Regierungen ebenfalls einen solchen Haircut vornehmen, was die Aktiva der Banken, die aus solchen von anderen Banken ausgegebenen Wertpapieren bestehen, ziemlich alt aussehen ließe. Und man täusche sich nicht über den Umfang solcher Bankanleihen in den Depots: sie wurden munter ausgegeben, und ebenso heftig gekauft und den Bankschätzen einverleibt, weil sie neben Staatsanleihen als sicherste AAA-Anlage galten.
2. Die UniCredit verändert sich
Die größte bzw. zweitgrößte italienische Bank, die sich vor der Krise mit der deutschen Hypo-Vereinsbank auch die größte österreichische Bank einverleibt hat, will diese mehr oder weniger zusperren. Außerdem machen Gerüchte die Runde, daß sich die UniCredit in Italien mit der anderen Großbank, Intesa Sanpaolo und einem dritten Geldinstitut fusionieren will.
Das wäre eine Elefantenhochzeit, der nicht wie vor 10 Jahren eine Expansionsstrategie zugrundeliegt, sondern im Gegenteil, ein (vermeintliches) Gesundschrumpfen mit jeder Menge Entlassungen, Filialschließungen usw. So in der Art, aus 2 Elefanten wird 1 Nashorn. Das wird schon den Kredit in Italien selber stark einschränken.
Was die vom Abbau bedrohte Bank Austria betrifft, so hatte die viel Engagement in den ehemals sozialistischen Staaten, das in Zukunft von Italien aus betreut und vermutlich auch stark reduziert wird. Das bedeutet, daß der Kredit dort ziemlich auf die heimischen Kreditquellen beschränkt werden wird. Das heißt wiederum, daß die allgemeine Zahlungsfähigkeit in Staaten wie Ungarn, Rumänien, der Slowakei, den Nachfolgestaaten Jugoslawiens usw. weiter zurückgehen wird, was sie als Märkte wenig leistungsfähig machen wird, – was wiederum diverse EU-Firmen vor allem in der Sphäre des Handelskapitals spüren werden, die dort präsent sind.
3. Die Deutsche Bank will abspecken
Die Deutsche Bank, immerhin auch eines der größten Finanzinstitute Europas, gab unlängst einen Rekordverlust von 6 Milliarden Euro nur für das noch gar nicht zu Ende gegangene Jahr 2015 bekannt, Streichung der Dividendenauszahlung und eine drastische Einschränkung der Geschäftstätigkeit, was Filialschließungen, Entlassungen und den Rückzug aus 10 Ländern beinhaltet, darunter auch denjenigen aus dem EU-Mitglied und Nachbarstaat Dänemark.
Die DB war eine der Stützen des Euro – dank ihrer Kreditierung innerhalb der EU wurde Zahlungsfähigkeit, Immobilienblasen und Vertrauen in diese Währung geschaffen.
Ihr Rückzug bedeutet daher einen Volumens- und Prestigeverlust für die europäische Einheitswährung.
4. Der IWF weiß nicht, was er mit der Ukraine machen soll
Die Ukraine ist praktisch pleite, wird aber mit IWF- und anderen Krediten über Wasser gehalten, weil sich einen Bankrott der Ukraine aus politischen Gründen niemand leisten will. Daraus könnte man ersehen, was es einem Land bringt, sich der EU und den USA um den Hals zu werfen, was das weltweite Prestige und damit auch den Einfluß dieser Mächte sehr einschränken könnte.
Das Über-Wasser-Halten der Ukraine um jeden Preis hat aber auch ökonomische Gründe, weil viele europäische, vor allem deutsche und österreichische Banken ukrainische Staatspapiere halten, die nach der Orangen Revolution und dem IWF-Kredit von 2008 als vergleichsweise hoch verzinste Wertpapiere von vielen Instituten gekauft wurden.
Manche IWF-Mitglieder, vor allem aus den BRICS-Staaten, aber auch Kanada, sind eher ungehalten über die Kreditierung von Pleitestaaten wie Griechenland und der Ukraine, und der IWF verliert mit dieser Politik zusehends an Boden, weil er als Garantiemacht der Kreditwürdigkeit von Staaten nicht mehr glaubwürdig ist.
Wenn jetzt die Ukraine ihren im Dezember fälligen Kredit an Rußland nicht tilgt und der IWF das nicht als Bankrott einstuft, sondern meint: Schwamm drüber! – so kommt das einer Bankrotterklärung des IWF gleich, und was das wieder für Folgen für die Eurokrise haben könnte – schließlich garantiert der IWF mit seiner Aufsicht für die Gültigkeit der griechischen und portugiesischen Staatsschuld …
5. Null- und Negativzinsen und Geldschwemme allerorten
Mit der Niedrig- bis Nullzins-Politik der EZB und Fed haben die großen Notenbanken klargestellt, daß ihre Geldinstitute sich bei ihnen unbegrenzt Kredit holen können. Diese Geldpolitik führt einerseits dazu, daß es unbegrenzte Mittel zum Ankauf von Staatsanleihen gibt, wovon in der EU Krisenstaaten wie Spanien, Italien oder auch Frankreich profitieren, von deren Kreditnöten man in letzter Zeit nichts liest. Es führt aber auch dazu, daß sich Banken, Versicherungen und Pensionsfonds in sehr riskante Spekulationen einlassen, weil man nur dort halbwegs gute Renditen erzielen kann.
Der Umstand, daß der Geldhahn so weit geöffnet wurde und vor allem zum Ankauf öffentlicher Schuld geführt hat, hat Besorgnis hervorgerufen, ob das nicht wieder die Banken destabilisieren könnte, die in ihren Portfolios soviel Staatsanleihen herumliegen haben. Die Wackelstaaten wollen keine Regulierung, um sich weiter verschulden zu können. Deutschland, unterstützt von Schweden hingegen versucht seinen Einfluß bei den Basel-Richtlinien geltend zu machen, um den Anteil der Staatsanleihen in den Bankportfolios zu beschränken – sie sehen einen hohen Anteil an Staatsanleihen als „riskant“ an.
Man fragt sich, welche Art von Wertpapieren das Risiko für die Banken verringern sollen?
VW-Aktien?