Pressespiegel El País, 15.11.: Aufmarsch gegen Venezuela

„TRUMP BEREITET DIE US-TRUPPEN FÜR DIE NÄCHSTE PHASE SEINES MILITÄREINSATZES IN DER KARIBIK VOR

Der US-Präsident und Maduro steuern auf eine Konfrontation zu, in der der Republikaner seine Glaubwürdigkeit und der Venezolaner seine Machtposition riskiert“

Die ganze Überschrift und Aufmache ist ein Beispiel für den Verfall des Journalismus heute: Der Aufmarsch gegen Venezuela wird als eine Art Duell zwischen zwei unsympathischen Personen dargestellt. Die bisherigen Toten dieser Machtdemonstration – Fischer, nach dem, was man so mitkriegt – sind sozusagen Kollateralschäden, ebenso wie die Opfer eines möglichen US-Militärschlages.

„Der Moment der Wahrheit scheint immer näher zu rücken. Donald Trump kennt – nach einer Woche intensiver Beratungen, wie er am Freitag an Bord der Air Force One erklärte – nach eigenen Angaben bereits »mehr oder weniger« die Ziele des massiven US-Militäreinsatzes in der Karibik.
Lateinamerika – und der Rest der Welt – halten unterdessen den Atem an angesichts einer Entscheidung, die ein schweres geopolitisches Erdbeben auf einem Kontinent auslösen könnte, der polarisierter ist denn je.

Es ist weiterhin unklar, was Trump in der Region erreichen will. Vertreter seiner Regierung, wie etwa Außenminister Marco Rubio, betonen, dass der Militäreinsatz – bei dem in zweieinhalb Monaten rund zwanzig mutmaßliche Drogenboote angegriffen und mindestens 80 Menschen in der Karibik und im östlichen Pazifik getötet wurden – lediglich eine Anti-Drogen-Operation sei. Während vor der Küste Venezuelas eine Marineeinheit aufgebaut wird, wie es in der Region seit Jahrzehnten beispiellos ist, sprach der Präsident selbst öffentlich von einer »zweiten Phase« der Operation, die auch landgestützte Ziele umfassen würde.

Das Rätsel liegt im Ziel dieser neuen Phase: Wird sie sich auf ein begrenztes Ziel gegen die Interessen von Drogenkartellen beschränken oder – wie der venezolanische Präsident Nicolás Maduro selbst behauptet und viele in Washington glauben – ein offener Versuch sein, ihn zu entmachten? Die US-Regierung wirft dem Regime und Maduro selbst vor, ihr Überleben mit den Einnahmen aus dem Drogenhandel zu sichern, und erkennt ihn, wie andere Regierungen weltweit, nicht als legitimen Staatschef an. (…)“

Es ist überhaupt kein Rätsel, daß die USA Maduro und seine Regierung stürzen und ihre eigene Marionette, Frau Machado, installieren wollen.
Das El País drückt sich um diese offensichtliche Absicht herum, weil es zwar Trump nicht recht geben will, aber Maduro gerne gestürzt sehen würde.

„Eskalierende Aggression

In einer rhetorischen und kriegerischen Eskalation, in der die USA den größten und modernsten Flugzeugträger der Welt, die Gerald Ford, in der Region stationiert und Venezuela 200.000 Soldaten mobilisiert hat, um einer hypothetischen Invasion entgegenzutreten, scheinen Trump und Maduro auf ein persönliches Duell zuzusteuern, in dem derjenige verliert, der zuerst nachgibt.“

Die USA wissen sehr gut, daß sie sich einen Einmarsch in Venezuela nicht leisten können und damit genau in die Art von Krieg verwickelt werden würden, die Trump als die Fehler seiner Vorgänger gebrandmarkt hat – einen Ende nie-Krieg mit großen Verlusten für die USA.
Venezuela könnte sich zu einer Art Afghanistan für die USA entwickeln, mit großen Zerstörungen im Land selbst und einer Art offener Wunde für ganz Lateinamerika.

„»Die USA behaupten, es ginge hier um Drogen. Das ist die offizielle Position. Wir könnten also im Februar verkünden, dass die Drogenlieferungen zurückgegangen sind und wir somit gewonnen haben. Aber das ist falsch«, argumentierte Elliott Abrams, Trumps ehemaliger Sondergesandter für Venezuela, diese Woche in einem Vortrag beim Thinktank Atlantic Council.“

Warum im Februar?
Was haben sie bis dahin vor?

„»Wenn Nicolás Maduro am Ende all dessen noch an der Macht ist, hat er gewonnen. Er muss nur überleben. Und ich hoffe, [Trump] erkennt, dass es zu spät ist, nachzugeben. Entweder gewinnt Trump oder Maduro. Dieser Machtkampf hat bereits begonnen.«
Es wäre das zweite Mal, dass der venezolanische Präsident einen Sieg über Trump für sich beanspruchen könnte: Der Republikaner hatte bereits 2019 versucht, den chavistischen Führer durch die Unterstützung von Juan Guaidó zu stürzen – eine immer noch sehr präsente Erfahrung, so ungern er sich auch an Fehlschläge erinnert.“

– und auch die EU, die immerhin Guiadó anerkannt hat, ebenso wie heute Gonzalez und Machado.

„Die Ereignisse haben sich mit dem Eintreffen der USS Gerald Ford – die im Juni letzten Jahres eine Schlüsselrolle beim US-Angriff auf iranische Atomziele spielte – beschleunigt. Sie schloss sich zusammen mit ihrer Kampfgruppe der Flottille von 12 Schiffen an, die die USA seit August in internationalen Gewässern der Karibik, nahe der venezolanischen Hoheitsgewässer, stationiert haben.
Diese Flottille repräsentiert 20 % der weltweit mobilisierten US-Seestreitkräfte: 15.000 Soldaten, F-35-Kampfjets (die modernsten Flugzeugtypen), Hubschrauber und Langstreckenraketen, darunter die Tomahawk-Marschflugkörper, die die Ukraine so dringend benötigt und die Trump ihr verweigerte, weil auch er sie braucht.“

Nicht nur deshalb.
Er hatte nie vor, sie der Ukraine zu geben.

Ein Teil der in der Karibik aufmarschierten US-Flotte und Luftwaffe

„Signale

Die Ankunft des »Gerald Ford« war das erste Anzeichen dafür, dass eine Bewegung unmittelbar bevorstehen könnte. Das Kronjuwel der US-Marine wird nicht stationiert, um lange untätig an einem Ort zu liegen oder einfache Überwachungsaufgaben zu erfüllen – das ursprüngliche Argument des Pentagons zur Rechtfertigung ihrer Verlegung aus dem Nahen Osten.
Sein Einsatz kostet bis zu 8,4 Millionen Dollar (7,2 Millionen Euro) pro Tag, und seine Abschreckungskraft wird in vielen anderen Krisenherden weltweit benötigt, in denen die USA Interessen haben. »Die Seestreitkräfte können nicht ewig dort herumlungern«, betont Abrams.

Das zweite Anzeichen kam am Donnerstag. Verteidigungsminister Pete Hegseth verkündete in den sozialen Medien den Beginn einer Großoperation namens Southern Spear zur »Eliminierung von Drogenhändlern und Terroristen«.

Trump traf keine sofortige Entscheidung. Er musste – und muss immer noch – seine Optionen sorgfältig abwägen. Der Präsident, der sich der Welt als großer Friedensstifter präsentiert und offen den Friedensnobelpreis für sich beansprucht, benötigt einerseits eine rechtliche Grundlage für die Intervention. Andererseits befürchtet er ein peinliches Scheitern oder die Gefährdung amerikanischer Truppen. Schließlich hatte er im Wahlkampf versprochen – und seine Wählerbasis forderte es –, dass die USA unter seiner Führung nie wieder, wie er es nannte, »dumme Kriege« anzetteln würden.“

Kriege, die nicht gewonnen werden können, viel Schaden anrichten und die USA viel Geld kosten …

Weitere Geräte, die in der Karibik aufmarschieren. El País gibt leider nicht an, wieviele von diesen Flugzeugen, Schiffen und Drohnen vor Ort sind

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„Öffentliche Ablehnung

Die US-Bürger lehnen eine Intervention ab. Laut einer am Freitag von Reuters/Ipsos veröffentlichten Umfrage sprechen sich 51 Prozent der Amerikaner gegen tödliche Angriffe auf Drogenboote aus, während 29 Prozent sie befürworten. 35 Prozent verurteilen den Einsatz militärischer Gewalt in Venezuela ohne Zustimmung der venezolanischen Behörden, während 31 Prozent einen Sturz Maduros mit nichtmilitärischen Mitteln unterstützen. Lediglich 21 Prozent befürworten einen Putsch gegen den chavistischen Präsidenten.“

Eine eigenartige Umfrage.
Die Fragen wurden offenbar so gestellt, daß eine eindeutige Ablehnung nicht herauskommt. Die dürfte allerdings Tatsache sein. Weil MAGA hat sich ja u.a. gegen derartige Kriege gebildet.

„Trump stehen verschiedene Optionen für Angriffe auf Ziele in Venezuela zur Verfügung. Diese könnten in Form direkter Angriffe von Schiffen oder gezielter Missionen von Spezialeinsatzkräften erfolgen. Sie könnten sich gegen die Interessen von Drogenkartellen richten oder militärische Ziele angreifen. Auch Angriffe auf Maduros engsten Kreis sind denkbar.“

Nicht nur „denkbar“, das ist offensichtlich das Ziel.
Nur ist die Frage: Selbst wenn es gelingen sollte, Maduro und seinen engsten Kreis auszuschalten, was folgt danach?
Libyen läßt grüßen …

„Der Einsatz in der Karibik ist nicht die einzige US-Militärbewegung in der Region. Das Pentagon hat seine Streitkräfte auf Stützpunkten in Puerto Rico verstärkt. Zusätzlich zum Druck durch Angriffe auf mutmaßliche Drogenboote gab es Trainingsflüge von B-52- und B-1-Bombern nahe der venezolanischen Küste sowie Trumps Genehmigung für die CIA, verdeckte Operationen in Venezuela durchzuführen.

Das Pentagon hat außerdem Bodentruppen nach Panama verlegt, jenes Land, das es 1989 überfallen hatte, um das Regime von Manuel Noriega zu stürzen, und das Trump vor seinem Amtsantritt mit einer Intervention bedroht hatte, um die Kontrolle über einen wichtigen Kanal, der den Pazifik und den Atlantik verbindet, zurückzuerlangen.“

Venezuela kann man nicht mit Panama vergleichen – das Land hat eine andere Größe und eine staatstreue, große und gut ausgerüstete Armee, sowie bewaffnete Milizen. Eine Intervention mit Bodentruppen in Venezuela wäre vergleichbar mit dem Vietnamkrieg.

„Zudem wurden großangelegte Militärübungen in Trinidad und Tobago angekündigt, ebenfalls nahe der venezolanischen Küste.

»Das ist ganz klar eine Kampagne, um Druck auszuüben«, erklärte die pensionierte Generalin Laura Richardson, die bis vor einem Jahr das Südkommando leitete, das für die US-Militäroperationen in Lateinamerika zuständig ist.“

Na sowas!
Welch eine scharfsinnige Analyse!

„Eine Kampagne, die laut US-Regierung auf lange Sicht angelegt ist. Sie ist Teil einer Neuausrichtung der Außen- und Verteidigungspolitik, die den Fokus von Europa und Asien auf Amerika verlagert – anderthalb Jahrhunderte nach der Monroe-Doktrin.“

Das alles gibt aber keinen Fahrplan vor, wie die USA in der konkreten Frage mit Venezuela verfahren wollen.
Eines ist klar: Ein Scheitern in Venezuela würde die ganze Trump-Außenpolitik umwerfen.

„US-Nachbarschaft

»Die westliche Hemisphäre ist Amerikas Nachbarschaft, und wir werden sie schützen«, schrieb Hegseth in seiner Ankündigung der Operation Southern Spear. Sein Ministerium bereitet die Veröffentlichung einer neuen Nationalen Sicherheitsstrategie vor – eines Prioritätenkatalogs, den jede Regierung nach Amtsantritt erstellt –, die Lateinamerika und den Schutz des nationalen Territoriums in den Vordergrund stellt.

Schon in den Monaten vor seiner Amtseinführung im Januar hatte Trump sein Interesse an dem Kontinent deutlich gemacht, indem er Panama mit einer Intervention drohte, um die Kontrolle über den Panamakanal zurückzuerlangen, und die USA aufforderte, Grönland zu annektieren.

Der Republikaner verfolgt die Entwicklungen in Lateinamerika aufmerksam und hat die Führungswechsel in den Ländern der Region, die Regierungen hervorgebracht haben und möglicherweise auch weiterhin hervorbringen werden, die dem Trumpismus nahestehen, lobend erwähnt. »Marco [Rubio] sagt mir, dass immer mehr Länder der Region auf unserer Seite stehen«, erklärte er im August bei einer Kabinettssitzung überschwänglich. Und er zögert nicht, sie offen zu unterstützen, wie etwa im Oktober während Javier Mileis Besuch im Weißen Haus, als er die Hilfe für Argentinien an den Wahlsieg des Präsidenten bei den Wahlen am 26. Oktober knüpfte.“

Allerdings könnte eine US-Intervention in Venezuela diese Tendenz kippen …

„Umgekehrt hat die Operation gegen die Drogenboote die Beziehungen zwischen den USA und Kolumbien sowie dessen Präsidenten Gustavo Petro belastet, den Trump als »Killer« und »Drogenhändler« bezeichnet und gegen den er Wirtschaftssanktionen verhängt hat.
Der kolumbianische Präsident wiederum hat die Angriffe auf die Boote als »außergerichtliche Hinrichtungen« bezeichnet, ein Begriff, der auch vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte verwendet wird.“

Daß der kolumbianische Präsident und sogar die UNO das Kind beim Namen benennen, wird hier als eine Art Meinung hingestellt, die man haben kann oder auch nicht.

„Diese Woche kündigte Bogotá aus diesem Grund die Aussetzung der Zusammenarbeit mit den US-Geheimdiensten an und folgte damit dem Beispiel Großbritanniens – vielleicht Washingtons wichtigstem historischen Verbündeten –, das diese Art der Zusammenarbeit mit der führenden Weltmacht ebenfalls teilweise eingestellt hat.“

Diese Entscheidung des UK weist darauf hin, daß der Operation der USA keine Rückendeckung gegeben wird, sollte sie dennoch Venezuela angreifen.
Die britische Regierung will sich diesbezüglich gegenüber einer etwaigen weiteren Aggression fernhalten.

„Die Trump-Regierung macht aus ihrem Wunsch nach einem Führungswechsel in Kolumbien kein Geheimnis. »Gott sei Dank finden nächstes Jahr Wahlen in Kolumbien statt. Ich nehme an, das kolumbianische Volk wird in seiner Weisheit diesen Weg, der zu Elend und Hass führt, ablehnen und einen neuen Kurs zum Wohle dieser großartigen Nation einschlagen«, erklärte der stellvertretende US-Außenminister Christopher Landau am Montag bei einer Zeremonie zu Ehren des kubanischen Dissidenten José Daniel Ferrer in Washington.

Laut Elkins »dürfen wir nicht vergessen, dass Trump nicht in seiner zweiten, sondern in seiner dritten Amtszeit ist«, da er zwischen 2021 und 2025 ununterbrochen überlegt habe, welche Maßnahmen er ergreifen werde. »Was wir hier erleben, ist ein sehr ausgeklügeltes, kalkuliertes und koordiniertes Vorgehen, um die Vorherrschaft in der westlichen Hemisphäre zu sichern«, so der Experte.“

Nur: Wie soll das gehen?
Als Dauerpräsenz in der Karibik, um alle Wahlen im Sinne der USA ausgehen zu lassen?
Das „Problem Venezuela“ löst diese Präsenz allerdings nicht.

Die USA befinden sich in einer selbst geschaffenen Zwickmühle:
Falls sie Venezuela großflächig bombardieren – was anscheinend geplant ist – so richten sie zwar viel Schaden an, bringen jedoch ganz Lateinamerika gegen sich auf.
Ein Rückzug ohne irgendetwas geht jedoch auch nicht.

Aktuell: ein Staat wird geboren (?)

ANERKENNUNGSPOLITIK

Angesichts der Zerstörung und des Massenmordes, den die israelische Regierung und Armee in Gaza veranstalten, wollen immer mehr Staaten einen palästinensischen Staat anerkennen.
Würde das jemandem in Gaza helfen?

Was geht da vor, wenn ein Staat anerkannt wird?

Zur Anerkennung überhaupt

Annerkennung ist eine Gepflogenheit in der Staatenwelt ebenso wie im individuellen Verkehr der Staatsbürger demokratischer Staaten.
Rein formell bzw. juristisch ist die Anerkennung als selbstbestimmtes Subjekt notwendig, damit ein Mensch überhaupt als Person agieren kann. Also Verträge unterschreiben, Prüfungen ablegen, Käufe und Verkäufe tätigen kann, usw.
Das war eine Leistung der französischen Revolution, die sich dann schrittweise in Europa und später auf der ganzen Welt durchsetzte. Die Gleichheit vor dem Gesetz, unabhängig von Vermögensverhältnissen und sozialer Herkunft ermöglicht nämlich erst die Konkurrenz aller gegen alle und verschafft dem Eigentum Gültigkeit.

Das betrifft, noch einmal wiederholt, die formelle Anerkennung durch den Staat, die Behörden, also die Obrigkeit bzw. das Gewaltmonopol.

Daraus hat sich jedoch die Gewohnheit, um nicht zu sagen Unart, entwickelt, derzufolge viele Menschen diese Anerkennung nicht nur im Geschäftsverkehr und bei den oben beschriebenen Transaktionen begehren und verlangen, sondern immer und von jedem, der ihnen über den Weg läuft. Gute Noten, Erfolge in der Konkurrenz, im Sport und auch bei der Partnersuche werden diesbezüglich über einen Kamm geschoren: Alles fällt unter erhaltene Anerkennung. Alle Mißerfolge auf diesem Gebiet werden folglich als mangelnde Anerkennung aufgefaßt, die einem die Umwelt gemeinerweise verweigert, obwohl sie einem doch zustünde.

Das Streben solcher Individuen nach Anerkennung ist ebenso inhaltsleer wie universell, weil eben an alle zwischenmenschlichen Kontakte darauf abgeklopft werden, ob sie diesem Bedürfnis entsprechen. Erfolg und Mißerfolg messen sich an diesem trostlosen Drehen um die eigene Achse: Wie komme ICH als Person an? bzw. wie komme ich bei anderen vor?
Die mangelnde Anerkennung können die als „Verlierer“ eingestuften und sich auch als solche empfindenen Personen gegen sich kehren oder gegen die anderen. Amokläufe, Schul-Schießereien und hohe Selbstmordraten sind nicht rätselhaft, wenn man das Streben nach Anerkennung zur Kenntnis nimmt und seine Folgen begreift. Das nach Anerkennung strebende Individuum will ja nicht einzelne Leistungen gewürdigt wissen, sondern diese, sofern tatsächlich vorhanden, dienen immer nur zur Bestätigung seiner eigenen Vortrefflichkeit.
Mehr noch soll diese anerkannt werden, wenn gar keine Leistungen da sind. In diesem Fall ist das Verlangen nach Anerkennung die Kompensation für Leute der Abteilung „Hat nix, kann nix, is nix“.

Unterhalb der Schwelle der unmittelbaren Gewalt stellt sich heute diese Abteilung: Ich werde nicht genügend anerkannt! – als frauenfeidliche Blogger, Incels oder überhaupt Haß-Verbreiter im Internet dar, die auf irgendwelche Personengruppen seine Wut und Verachtung abladen – und darüber dann von gleichermaßen Frustrierten in Form von Likes oder durch sonstige Anhängerschaft diejenige Anerkennung erhalten, auf die diese Subjekte so scharf sind.

Für den Staat und die Behörden ist diese Überhöhung der gewöhnlichen juristischen Anerkennung sehr angenehm, auch wenn sie sich in unschönen Formen und Tragödien entlädt: Wer von anderen Leuten anerkannt werden will und sich in dieser leeren Selbstbespiegelung herumtreibt, ist ein guter Untertan. Er wird sich nie gegen die Grundlagen der Konkurrenz und der Klassengesellschaft wenden, läßt sich aber leicht für alle möglichen staatlichen Vorgaben und Ziele einsetzen, sofern sie seinem Anerkennungsbedürfnis entsprechen.

Das psychologische Bedürfnis nach Anerkennung ist übrigens genauso bei dem vorhanden, der Anerkennung ausspricht bzw. sonstwie spendet – er stellt sich dabei, wie ein Lehrer, der einen Schüler lobt, ein Stück weit über den anderen und stellt sich damit gleichzeitig als jemanden dar, der um die Wichtigkeit dieses hohen Gutes weiß und es daher maßvoll verteilt. Meine Anerkennung zählt was, weil ich bin der große Zampano!
In gewisser Weise reproduziert sich diese zwischenmenschliche Dynamik auch auf der staatlichen Ebene.

2. Anerkennung von Staaten und Regierungen

Die Anerkennung einer Regierung bzw. eines Staates ist in einer fertig eingerichteten imperialistischen Staatenkonkurrenz, wie sie nach dem II. Weltkrieg endgültig eingerichtet wurde, eine Notwendigkeit, damit diese Regierung diplomatische Beziehungen zu anderen Staaten aufnehmen, in Handelsbeziehungen treten und sich verschulden kann.

Umgekehrt ist die Anerkennung eines anderen Staates bzw. einer Regierung ein probates Mittel, das eigene Gewicht in der Welt zu betonen.

An einigen Beispielen läßt sich das erläutern: Es war Montenegro 2008 sehr wichtig, den Kosovo anzuerkennen – weil es damit SICH SELBST als Staat und seine Regierung als Teil der Staatengemeinschaft etablierte – der Staat war noch keine 2 Jahre alt! – und seinen Gönnern gegenüber als verantwortungsvolles Mitglied der NATO-Wertegemeinschaft präsentierte.

Damit sicherte sich auch der Langzeit-Chef dieses Staates, Milo Đukanović, das Wohlwollen der EU-Politiker und die Straffreiheit gegenüber all seinen trüben Geschäften.

Als das marokkanische – bis heute existierende – Königshaus als erster Staat überhaupt 1777 die USA anerkannte, bewies es Gespür für die sich anbahnenden Veränderungen im kolonialen Gefüge. Bis heute kann es auf den Schutz der inzwischen zur Weltmacht gewordenen USA zählen, ohne dafür besonders viel leisten zu müssen, was den Interessen des Königs und der herrschenden Eliten widerspräche.

Als in Haití nach 13 Jahren der Kämpfe gegen die eigenen Eliten und gegen Invasionsheere 1804 die Unabhängigkeit verkündet wurde, gab es kaum Staaten, die diesen Staat anerkannten. Die Sklaverei war damals in den Kolonien noch ziemlich üblich und ein erfolgreicher Sklavenaufstand war nichts, was die sklavenhaltenden Eliten der Alten und Neuen Welt begrüßten. Es war für sie im Gegenteil angesagt, ein Exempel zu statuieren: So nicht!
Unter allgemeinem Beifall europäischer Staaten und der USA nötigte Frankreich die haitianische Regierung 1825 (mit Blockade und Einmarschdrohungen) dazu, anzuerkennen, daß sie das Eigentum ihrer ehemaligen Sklavenhalter entschädigen mußte.
Die enorme Schuld, die dieser Staat damit auf sich nahm und die erst Mitte des 20. Jahrhunderts abgezahlt wurde, sorgte dafür, daß Haití nie eine Ökonomie entwickeln und prosperieren konnte. Alle wirtschaftliche Tätigkeit stand im Schatten dieses Schuldendienstes.
Hier war die staatliche Anerkennung das Mittel, Haití in diesen Strudel der Verschuldung hineinzuziehen.

Im 20. Jahrhundert war vor allem die Anerkennung der Sowjetunion ein strittiges Thema. Die europäischen Siegermächte waren aus verschiedenen Gründen sauer auf die SU, rangen sich aber doch 1924 zu einer Anerkennung hin, um Handelsbeziehungen wieder aufleben zu lassen und der SU Kreditwürdigkeit zu verleihen – da Europa ohne die russischen bzw. sowjetischen Ressourcen den Wiederaufbau nach dem I. Weltkrieg nicht stemmen konnte.
Die Anerkennung durch die USA 1933 eröffnete der Regierung von F. D. Roosevelt schließlich die Möglichkeit, außenpolitisch mit Hilfe der Sowjetunion auf die Auflösung der europäischen Kolonialreiche hinzuarbeiten.

Das aktuelleste Beispiel für die Widersprüche um Anerkennung oder Nicht-Anerkennung einer Regierung sind die Taliban. Seit ihrer Machtübernahme 2022 hat nur ein einziges Land sie anerkannt: Rußland im Juli 2025. Weder Pakistan, das sie groß gemacht hat noch irgendein anderes Nachbarland oder ein anderer muslimischer Staat erkennt sie an.
Dadurch können die europäischen Staaten keine Verhandlungen aufnehmen, um ein Schubabkommen zu erzielen, wie es mit der Vorgängerregierung von Ashraf Ghani bestanden hat.
Auch sonst gibt es keine Möglichkeiten, auf die Regierung Einfluß zu nehmen, oder andere Verträge abzuschließen, solange es keine diplomatischen Beziehungen gibt.
Die Taliban selber erhalten das eingefrorene Auslandsvermögen Afghanistans nicht zurück und können auch keine Handels- oder Schulden-Regelungs-Abkommen abschließen.

Die Liste der Beispiele für die vielen Kriterien, die von Seiten der anerkennenden Mächte an die anerkannten oder anzuerkennenden Staaten und Regierungen angelegt wurden und werden, ließe sich noch lange fortsetzen.
Sie ändern sich mit den weltpolitischen Konstellationen und hatten seit der Gründung der UNO eine gewisse Transparenz der Kriterien – die aber inzwischen abhanden gekommen zu sein scheint.

Die Anerkennung des palästinensischen Staates

ist eigentlich eine Absurdität, weil es geht ja um einen Staat, den es nicht gibt – und den Israel niemals zulassen würde.
Um einen rein virtuellen Staat also.

Diesem imaginären Staat fehlt alles, was einen Staat ausmacht: Er verfügt über kein Territorium, keine Grenzen und vor allem kein Gewaltmonopol. Die Bevölkerung, auf die sich dieser Staat beziehen könnte, ist neben Gaza und dem Westjordanland über die ganze Welt verstreut. Palästinensische Flüchtlinge und deren Nachfahren leben in den Nachbarstaaten Israels, in anderen muslimischen und arabischen Staaten und auch sonst überall, in Europa, in Rußland, in Australien und den USA. Gerade in den USA gibt es, wie man den letzten Protesten entnehmen konnte, eine große palästinensische Gemeinde.
Es gibt auch im engeren Territorium Israels selbst Palästinenser, die israelische Staatsbürger sind, wie z.B. die Christen von Nazareth, die sich um die Weihnachtszeit stets über Pilger aus aller Welt freuten und mit ihnen schöne Geschäfte machten – was inzwischen alles der Vergangenheit angehört.

Die Palästinenser in Syrien, in Jordanien und in Ägypten sind teilweise immer noch nicht als Staatsbürger dieser Staaten anerkannt – weil sich diese Staaten erstens nicht zu Befehlempfängern der israelischen Vertreibungspolitik machen wollten, aber auch, um den Einfluß dieser Migranten durch deren dauerhaft prekären Status kleinzuhalten.

In Syrien hat die jetzige Regierung ebenfalls das Problem, wie sie es mit den Palästinensern halten will. Man erinnere sich an den großen Stadtteil Jarmuk in Damaskus, wo sich verschiedene aufständische Gruppen und die Assad-Regierung heftige Kämpfe lieferten und das ganze Stadtviertel in Schutt und Asche legten.
Man hat fast den Eindruck, die Zerstörung Gazas sei hier in kleineren Dimensionen vorweggenommen worden.

Was bewegt also diverse europäische Staaten dazu, einen palästinensischen Staat anzuerkennen und was für Folgen hat bzw. hätte das?

Grün: Staaten, die Palästina anerkannt haben

1. Die Geschichte dieses Staatsgedankens und seiner internationalen Anerkennung

Wenn man sich im Internet kundig macht, welche Staaten Palästina bereits anerkannt haben, so ist das Überraschende: Die überwiegende Mehrheit.

„Von den 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben aktuell 157 (d. h. etwa 81 %) den Staat Palästina als unabhängigen Staat anerkannt, darunter mit China, Russland, Frankreich und Großbritannien vier der fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat.“ (Wikipedia, Palästina)

Sehr viele Staaten Asiens, Afrikas und des damaligen sozialistischen Blocks haben Palästina 1988 anerkannt, nach seiner Ausrufung durch die PLO. Damals wurde das Westjordanland, der Gazastreifen und Ostjerusalem als Staatsgebiet dieses erst zu schaffenden Staates beansprucht. Auch Saudi-Arabien, Katar und die VAE erkannten damals Palästina an.

Nach 1990 erfolgte eine weitere Welle der Anerkennung durch neue, aus dem Zerfall der SU und des Warschauer Paktes hervorgegangene Staaten, aber auch Südafrikas, das nach Beendigung des Apartheid-Regimes auch außenpolitisch zu neuen Ufern aufbrechen wollte.
Montenegro erkannte Palästina noch vor dem Kosovo an, kurz nach seiner Unabhängigkeitserklärung 2006!

Von 2009-2011 erkannten auch die meisten Staaten Lateinamerikas Palästina an.
Was Europa angeht, so zog fast keiner der ehemals sozialistischen Staaten seine Anerkennung zurück. Island erkannte 2011 und Schweden 2014 als erster West-EU-Staat Palästina an.
Nach dem Beginn des Gaza-Kriegs folgten Spanien, Norwegen und Irland im Mai 2024, gefolgt von Slowenien im Juni. Schließlich folgten im September 2025 Australien, Kanada und wichtige europäische Staaten wie das UK und Frankreich, gefolgt von einigen kleineren Staaten.

Das Erste, was man daran erkennen kann, ist, daß die Anerkennung für die Palästinenser selbst offenbar nicht viel bringt, weil auch vor 2023 schon viele Staaten, sogar aus dem arabischen Raum, den Staat anerkannt hatten, aber sich an der Lage der Palästinenser dadurch nicht viel zum Besseren gewendet hat.
Umgekehrt zementierte die reichliche Anerkennung das brüchige Verhältnis zwischen palästinensischer Selbstverwaltung und israelischer Ordnungsmacht und band bis zu einem gewissen Grad auch Israel die Hände.

Für beide Seiten des Konfliktes war der Zustand unbefriedigend.

2. Anerkennung als Akt der Souveränität

Warum erkannten alle diese Staaten Palästina an?

Hier sind die Ursachen ganz verschieden. Kleine unbedeutende Staaten wie Burundi, Swasiland oder Suriname betätigten sich durch ihr Votum als richtige Staaten und gaben kund, daß sie auch noch da waren.
Frischgebackene Staaten wie Montenegro oder Bosnien gaben zu Protokoll, daß sie auch in der Staatengemeinschaft eingetroffen waren, ebenso wie vor ihnen bereits die Ukraine oder Georgien.
Bei vielen Staaten Afrikas oder Lateinamerikas spielte sicher auch die koloniale Vergangenheit mit und die Anerkennung Palästinas war für sie ein Akt der Solidarität gegenüber neueren Kolonialisierten.
Schließlich war es auch in der muslimischen Welt ein Versuch, Außenpolitik zu machen und sich gegen die Präsenz der USA im nahen Osten zu positionieren.

In allen diesen Fällen geht es jedoch den betreffenden Staaten erst einmal um sich, die Palästinenser oder ihr imaginärer Staat sind nur Material, an dem die eigene Staatsräson betont wird und die jeweilige Regierung sich darstellt und beweist als eine, die zu solchen außenpolitischen Schritten fähig und willens ist.

3. Die neuesten Entwicklungen

Bis zum Überfall der HAMAS am 7.10. 2023 hatten jedoch in Europa nur rund 10 Staaten den Palästinenserstaat anerkannt, davon nur einige der EU und dies – mit Ausnahme Schwedens – vor ihrem EU-Beitritt.
Seit Mai 2024 sind jedoch 12 weitere dieser Palästina-Gemeinde beigetreten – warum und warum jetzt?

Erstens, um unabhängige Außenpolitik gegenüber der EU-Führung zu betreiben. Immerhin konnte sich die EU als Ganzes bisher nicht zu diesem Schritt durchringen.
Zweitens, um in der Weltpolitik angesichts des Gemetzels in Gaza nicht ganz in Bedeutungslosigkeit – als bloße Beobachter – unterzugehen, da sich andere Schritte in EU- und Euro-Europa nicht so einfach verwirklichen lassen.
Drittens, um Deutschland als Möchtegern-Führungsmacht der EU eins auszuwischen.

Was bedeutet das für Israel?

Hier fallen nicht so sehr die vielen Staaten der Welt und auch nicht diejenigen in Europa, die sich erst kürzlich zu diesem Schritt entschlossen haben, ins Gewicht, sondern die ständigen Sicherheitsratsmitglieder China, Rußland, Frankreich und das UK, denen gegenüber nur noch die USA als einzige Unterstützung Israels steht.

Es mag sein, daß das der Grund für den Trump’schen Friedensplan war – die Situation drohte unübersichtlich zu werden.

Auf weitere Entwicklungen darf man gespannt sein.

Pressespiegel Rebelión, 27.9.: Veränderungen am Geldmarkt

„DAS GOLD ENTTHRONT DIE US-ANLEIHEN: URSACHEN UND BESORGNISERREGENDE FOLGEN

Juan Torres López

Vor wenigen Tagen veröffentlichte der renommierte Marktanalyst Octavio Costa ein Diagramm, das zeigt, dass Gold in den Bilanzen der Zentralbanken erstmals seit 30 Jahren die US-Staatsanleihen überholt hat.

Ein Artikel der Financial Times stellte fest, dass diese Beobachtung nicht ganz zutrifft, da das Phänomen eher auf steigende Goldpreise als auf erhöhte Käufe zurückzuführen sei.
Zudem seien Reserveberechnungen sehr komplex, was darauf hindeuten könne, dass in den Bilanzen tatsächlich nicht so viel Gold vorhanden sei wie behauptet. Bloomberg behauptete jedoch dagegen, dass die Zentralbanken viel mehr Gold kaufen, als sie deklarieren.

In den Grundzügen stimmen alle Analysen überein: US-Anleihen und der Dollar sind als Reserveanlagen zunehmend unattraktiv, und ihre Nachfrage sinkt zugunsten von Gold, das sie überholt, wie es vor einiger Zeit beim Euro der Fall war. Alles deutet darauf hin, dass das Volumen der Goldkäufe der Zentralbanken bis Ende 2025 das höchste seit 1967 erreichen und in wenigen Monaten die Anleihekäufe deutlich übertreffen wird.

Dieses Phänomen ist äußerst relevant und bedeutsam, hat eindeutige Ursachen und potenziell dramatische Folgen, insbesondere für Europa, wenn sie nicht vermieden werden.

Frage: Warum steigt der Goldpreis immer mehr an, zum Nachteil des Dollars und der US-Anleihen?

Dass der Dollar die wichtigste Reservewährung auf den internationalen Märkten war (und ist), verdankt er der Wirtschaftskraft des Landes, das ihn emittiert – den USA. Und dass seine Anleihen die begehrteste Anlage waren, lag daran, dass sie als die sichersten galten.
Dass sie nicht mehr im gleichen Maße begehrt sind, liegt daran, dass dies aus folgenden, neben einigen weniger wichtigen Gründen, nicht mehr der Fall ist:

– Die US-Wirtschaft ist nicht mehr die unangefochtene und mächtigste Industrie- und Handelsmacht der Welt, weshalb ihre Währung leidet, egal wie weit Trump mit seinen Zöllen gehen will.

– Die USA haben zu verschiedenen Zeiten und gegen verschiedene Länder Finanzsanktionen verhängt, die möglich waren, weil diese in Dollar denominierte Vermögenswerte hielten. Sie könnten diese leichter umgehen, wenn ihre Reserven in anderen sicheren Häfen, wie beispielsweise Gold, lägen. Viele von den USA bedrohte Länder fliehen deshalb aus dem Dollar.

– Die USA finanzieren ihre Schulden durch die Ausgabe von Anleihen. Diese haben jedoch bereits die 37,5 Billionen Dollar-Marke überschritten, und das Risiko, dass sie nicht mehr tragbar sind, steigt täglich.
Vielleicht weniger wegen des Risikos eines Zahlungsausfalls, sondern vielmehr wegen der Wahrscheinlichkeit, dass ein derart hohes Schuldenvolumen zu hoher Inflation und einem Wertverlust des Dollars und der Anleihen führt.

– Bekanntlich und trotz Trumps Drohungen wenden sich die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sowie einige andere Länder rasch vom Dollar ab und versuchen, ein eigenes Währungssystem und sogar eine neue Währung zu schaffen. So langsam dieser Prozess auch sein mag, die De-Dollarisierung ist eine strategische Option, die immer mehr Länder ganz vorn auf die Tagesordnung setzen.

– Die neuen Funktionsweisen des Finanzsystems machen Gold zu einem sehr leicht austauschbaren und liquiden Vermögenswert, was seine Nutzung erleichtert.

– Zudem schreitet international ein Prozess des Währungswandels voran, der die Entstehung neuer Währungen mit sich bringen wird: digital, rohstoffbasiert oder von privaten Unternehmen ausgegeben. Und die Zentralbanken versuchen zu verhindern, die falschen Reserven anzuhäufen, die sich bei diesen Veränderungen an den Märkten entwerten könnten.

– Der Prozess der Ersetzung von Dollar und Anleihen durch Gold ist so offensichtlich, so grundlegend und so dringend, dass viele Zentralbanken sogar das Gold repatriieren, das sie in den Tresoren anderer Institutionen gelagert haben. Bloomberg berichtete vor einigen Tagen, dass China nicht nur massiv Gold kauft und Dollar und Anleihen abstößt, sondern auch die Shanghaier Goldbörse nutzt, um die Zentralbanken befreundeter Länder, die Gold kaufen, davon zu überzeugen, dieses innerhalb ihrer Grenzen zu lagern.“

Gemeint ist anscheinend, innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen, nicht innerhalb derer Chinas.

„– Die Anfälligkeit des privaten Bankensystems hat sich nicht nur nicht verringert, sondern nimmt sogar zu (vor allem, weil die Zentralbanken sich weigern, den Banken restriktive Auflagen aufzuerlegen). Die Möglichkeit einer neuen und schweren Finanzkrise wird als sehr real angesehen, was auch zu einer verstärkten Goldakkumulation führt. Es ist bekannt, dass Gold in Zeiten wirtschaftlicher Verwerfungen und Krisen eine Anlage darstellt, die bessere Erträge verspricht.

Eine ernste Konsequenz

Der Bedeutungsverlust des Dollars und von Anleihen als Währungsreserven hat vielfältige Auswirkungen auf Handel, Zinsen, Preise und andere wirtschaftliche Variablen, die ich hier nicht näher analysieren werde. Ich möchte mich auf eine Konsequenz konzentrieren, die in der Analyse von Ökonomen weit weniger diskutiert wird.

Die USA sind eine imperiale Macht. Ich sage das weder im negativen noch im positiven Sinne. Es ist eine Tatsache.
Jahrzehntelang waren sie die mächtigste Nation der Welt und haben diese Macht – seit dem Ende der ehemaligen Sowjetunion – konkurrenzlos und zu ihrem eigenen Vorteil ausgeübt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass die Aussage, etwas sei vorteilhaft für die USA, gleichbedeutend damit ist, zu sagen, es sei gut für Großkonzerne: »Was gut für unser Land ist, ist gut für General Motors und umgekehrt«, sagte Charles Erwin Wilson, Präsident dieses multinationalen Konzerns und später US-Verteidigungsminister unter Präsident Dwight D. Eisenhower.“

Also auch für nicht-US-Konzerne, scheint die Aussage zu sein.
Nur kamen die lange Zeit nie in solchen Größen zustande wie in den USA …

„Nun, diese imperiale Macht der USA basierte auf drei Grundpfeilern. Erstens die beispiellose Stärke ihrer Wirtschaft, Industrie, Dienstleistungen, seines Handels, Finanzwesens und seiner Technologie weltweit. Zweitens die Existenz des Dollars als Reservewährung und Maßstab für die gesamte Weltwirtschaft. Drittens ihre militärische Hegemonie. Hinzu kommt die kulturelle und mediale Macht, die nicht weniger wichtig ist, auf die ich hier aber nicht eingehen werde.

Die Entwicklungen der letzten Jahre sind gut erforscht. Die US-Wirtschaft hat sich deindustrialisiert und ist auf milliardenschwere Auslandskäufe angewiesen, was ihre In- und Auslandsverschuldung stetig erhöht hat. Und Chinas Wirtschaft ist auf dem besten Weg, sie in Bezug auf technologischen Fortschritt und industrielle Entwicklung zu überholen, wenn das nicht ohnehin schon geschehen ist. Die erste Säule seiner imperialen Hegemonie besteht also noch, schwächt sich aber rapide ab.

Die zweite Säule, die Vorherrschaft des Dollars, ist zwar nicht vollständig verschwunden, bröckelt aber, wie wir gerade gesehen haben, ebenfalls rapide.
Zumindest wird sie sich nicht mit der nötigen Stärke behaupten können, um mit ihrer Währung die Welt zu dominieren, wie es die USA bisher getan haben.

Das bedeutet, dass den USA nur noch eine Säule bleibt, um ihre imperiale Hegemonie durchzusetzen: ihre militärische Macht.

Diese Säule kann jedoch nur dann eine wirksame Grundlage ihrer Macht sein, wenn sie erstens nicht zu demonstrativ zur Schau gestellt wird. Sie muss ihre Wirksamkeit ausweisen und klar und deutlich zum Ausdruck bringen.
Zweitens muss sie ausreichend finanziert werden. Waffen sind sehr teuer (insbesondere, weil sie von Monopolen verkauft werden, die Regierungen korrumpieren und ihnen ihre Bedingungen aufzwingen können).“

Man denke z.B. an die Patriot-Abwehrraketen-Systeme mit einer Milliarde $ pro Stück …

„Um die astronomischen Militärausgaben zu finanzieren, die sie benötigen (im Jahr 2024 gaben sie 997 Milliarden Dollar aus), waren die USA bisher auf die Nachfrage anderer Länder nach Dollar angewiesen. Nur so konnten die USA die immensen Schulden finanzieren, die durch ihre Militärstruktur entstanden waren, und auch eine Wirtschaft, die, wie ich gerade erwähnte, immer schwächer wird, obwohl sie anderen Ländern nach wie vor überlegen ist.“

Um so mehr, als viele dieser „anderen Länder“– in Europa – wirtschaftlich auch den Bach hinuntergehen.

„Anders ausgedrückt, leichter verständlich: Um ihren Militärapparat zu finanzieren, sind die USA darauf angewiesen, dass andere Volkswirtschaften ihre Währung brauchen.

Wenn das, was wir analysiert haben, eintritt – die sinkende Nachfrage nach Dollar und US-Staatsanleihen –, stehen die USA vor einem existenziellen Problem: Sie erhalten weniger Finanzierung, gerade wenn sie diese am dringendsten benötigen, um die einzige Säule aufrechtzuerhalten, mit der sie ihre Weltherrschaft fortsetzen können.

Sie sind darauf angewiesen, daß andere Staaten ihnen Dollars abkaufen (in Form von Staatsanleihen), und das wird mit den derzeitigen Mitteln nicht möglich sein. Darüber hinaus benötigen sie dringend Ressourcen, denn mit jedem Tag, der vergeht, verlieren sie ihren Vorsprung gegenüber China. Obwohl sie derzeit noch über die militärische Überlegenheit verfügen, bleibt ihnen nur noch wenig Zeit, bis die aufstrebende Macht im Osten auch hinsichtlich ihrer Waffenkapazität das Du-Wort antragen kann.“

Chinas und Rußlands gemeinsame militärische Kapazität kann es vermutlich mit der NATO aufnehmen.
Um so wichtiger ist es, diejenige Rußlands im Ukraine-Krieg zu binden.

„All das, was ich gerade skizziert habe, erklärt meiner Meinung nach die Eile der USA (nicht nur Trumps, sondern ihres gesamten Wirtschafts-, Technologie- und Finanzestablishments), Ressourcen von anderen Ländern zu erhalten, selbst wenn dies Drohungen, Erpressungen, den Bruch mit ehemaligen Verbündeten und sogar die Demütigung ehemaliger Verbündeter bedeutet.

Trump hat gerade 550 Milliarden Dollar von Japan erpresst und könnte diese tatsächlich in bar erhalten, da Japan über einen 1,6 Billionen Dollar schweren Pensionsfonds verfügt, den die Regierung verwalten kann.
Von der EU forderte er 600 Milliarden Dollar, zusätzlich zu weiteren, ebenso hohen Summen. In diesem Fall ist der Beitrag jedoch nicht garantiert, da er von Unternehmen geleistet werden müsste, die nicht immer gezwungen werden können, dort zu investieren, wo Trump es wünscht.

Und hier liegt die gewaltige Konsequenz aus all diesen Ausführungen, die ich zu vermuten wage und die ich hier als Hypothese präsentiere. Die USA brauchen Europa, damit es Dollars nachfragt, und das können sie heute nur auf eine Weise erreichen: indem sie Europa in den Krieg zwischen der Ukraine und Russland einbeziehen.“

Auf gut Deutsch: weiter hineintreiben.
Weil „einbezogen“ sind sie ja bereits.

„Nur so können die zig Milliarden Dollar, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer militärischen Hegemonie benötigen, in die USA fließen. Andererseits würde dies dazu beitragen, Russland zu schwächen und China möglicherweise stärker in den Konflikt einzubeziehen. Und so würde möglicherweise das beschleunigt, was die USA so schnell wie möglich erreichen wollen: einen Zusammenstoß mit dem asiatischen Riesen, bevor es völlig unmöglich wird, ihn in irgendeiner Region zu besiegen.“

Der III. Weltkrieg steht also tatsächlich vor der Tür.

„Wenn ich recht habe, wird Europa schon bald, auf die eine oder andere Weise, mit mehr oder weniger Intensität und mit mehr oder weniger beteiligten Ländern im Krieg sein. Vielleicht schon in den nächsten 6 Monaten.

Er ließe sich vermeiden, wenn die europäischen Staats- und Regierungschefs aufwachen und aufhören würden, unverantwortlich auf die Provokationen hereinzufallen, die die USA, ihr angeblich wichtigster Verbündeter, seit einiger Zeit und mit der von mir gerade erwähnten Absicht für sie vorbereiten.

Ich weiß es, Sie brauchen es mir nicht sagen: Ein Strategiewechsel von von der Leyen, Kallas, Merz und Co. ist höchst unwahrscheinlich.
Wir brauchen ein Wunder.“