LANGE GESICHTER BEI POLITIKERN UND MEDIEN DER EU
Es ist auffällig, wie das Thema Syrien aus den Schlagzeilen verschwunden ist. Sozusagen unter ferner liefen wird verkündet, daß Rakka und Deir-El-Zor in Kürze vom IS befreit sein dürften, daß andere islamische Kämpfer mit Hilfe der libanesischen Armee aus dem Grenzgebiet vertrieben worden sind, und daß das Kriegsglück sich ziemlich eindeutig auf der Seite des „Regimes“ und seiner Verbündeten befindet.
Die Politik „Assad muß weg!“, der sich die Politiker diverser EU-Staaten verschrieben haben, ist offensichtlich gescheitert. Der Versuch, um jeden Preis Einfluß in Syrien zu gewinnen, ist zwar noch nicht ganz aufgegeben, aber doch mehr oder weniger aussichtslos.
Die Medien versuchen sich auf die Gegebenheiten einzustellen. Der Verbleib Assads wird säuerlich kommentiert. Z.B. am Beispiel der syrischen Fußballmannschaft, die vermutlich – im Unterschied zur österreichischen – die WM-Qualifikation schaffen könnte:
„Die Mannschaft selbst sieht sich als »Mannschaft aller Syrer«, so betonen sie immer wieder. Fakt aber ist: Das Geld kommt aus Damaskus.“ (Die Zeit, 6.9. 2017)
Na so eine Überraschung! Wer hätte das gedacht! In Deutschland kommt das Geld vermutlich nicht aus der Hauptstadt, sondern die Fußballmannschaft wird aus Gelsenkirchen oder Freiburg im Breisgau finanziert … Oder gar aus dem Ausland?
Es gibt bittere Einsichten:
„Der UN-Beauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, rechnet damit, dass die IS-Hochburgen bis Ende Oktober allesamt gefallen sein werden. Laut Mistura sollte dann der politische Prozess beginnen, der nach einem Jahr zu Wahlen in Syrien führen sollte. Der syrischen Opposition wird von ihren internationalen Gesprächspartnern immer öfter und deutlicher beschieden, dass sie mit dem syrischen Regime unter Bashar al-Assad zusammenarbeiten müssen wird, will sie im Spiel bleiben.“ (Gudrun Harrer, Der Standard, 5.9. 2017)
Die Hisbollah geht gestärkt aus dem Konflikt hervor, was vor allem Israel höchst unangenehm ist. Auch die Golan-Höhen könnten wieder Thema werden, wenn in Syrien die Zentralregierung wieder fest im Sattel sitzt. Aus der Traum, daß die Israel mit Hilfe von Dschihadisten übernehmen könnte, als Kollateral-Nutzen aus dem syrischen Bürger- bzw. Söldnerkrieg. In solchen Fällen wäre die israelische Führung nämlich gar nicht heikel in der Wahl ihrer Verbündeten.
Wie schaut es aus mit der Türkei? Ihre Hoffnung, sich ein Stück aus Syrien herauszubrechen oder gar eine künftige syrische Regierung mitbestimmen zu können, verschwinden langsam am Horizont … Und nicht genug damit: die kurdischen YPG-Milizen werden nach wie vor von den USA unterstützt, sind die treibende Kraft bei der Eroberung von Rakka und können vermutlich auch in Zukunft, in einem befriedeten Syrien, mit weitgehendem Wohlwollen und weitreichender Autonomie seitens des „Regimes“ in Damaskus rechnen.
Abgesehen von den Ölgeschäften, die mit dem IS gemacht wurden, und der Beute aus der Plünderung Syriens bleibt als unterm Strich nicht viel übrig für den Sultan …
Rußland hat zwar einen Haufen Kosten gehabt, an Gerät, Geld und Menschenleben, aber es hat gezeigt, wozu sein Militär fähig ist und daß es eine Macht ist, an der keine andere vorbei kann.
Das ärgert die Politiker der EU und der USA gewaltig, weil es beweist ihre Schwäche als imperialistische Mächte. Chaos und Zerstörung, Mord und Totschlag zu stiften – das gelingt zwar ausgezeichnet. Aber dann eigene Agenten zu inthronisieren, die nach ihrer Pfeife tanzen, das bleibt ein frommer Wunsch. Entweder sie haben keine Macht, wie Aschraf Ghani in Afghanistan, und verursachen kostspielige Dauerbaustellen. Oder sie lassen sich nicht so kommandieren, wie sie es gerne hätten, – wie im Irak und in Ägypten. Oder aber, es kommt gar keine Regierung mehr zustande, wie in Libyen.
Und in Syrien ist nicht einmal der Sturz der alten Ordnung gelungen, alles nur wegen dieser Russen!
Die Entwicklung in Syrien beweist wieder einmal, daß der wahre Feind der westlichen Werte in Moskau sitzt. Der IS, Al Qaida und deren Terrorattentate, die diese westliche Wertegemeinschaft selbst herangezüchtet hat, sind dagegen Kleinigkeiten, so etwas wie Naturkatastrophen: tragisch, aber unabänderlich.
Daran merkt man wieder einmal: Die größte Gefahr für Leib und Leben der EU-Bürger sind nicht Terroristen oder andere Regierungen, sondern die eigene Herrschaft. Die verheizt nämlich eigene wie fremde Untertanen für ihre imperialistischen Ziele und jammert dann, daß sie die Fackel der Menschenrechte nicht überall hintragen kann.
Kategorie: Imperialismus
Die mediale Aufarbeitung von terroristischen Anschlägen
ATTENTATE
Irgendwie gehören Anschläge in der EU inzwischen zum Alltag. Man gewinnt den Eindruck, sie können immer und überall passieren. Die meisten Medien berichten darüber, als handle es sich um Naturkatastrophen. Die Frage nach dem Warum? verbietet sich mehr oder weniger. Die Attentäter sind verrückt, unmenschlich, Fanatiker, ihre Motivation liegt im Dunkeln. Den Gerichten bleibt es überlassen, nach Motiven zu suchen, die mediale Öffentlichkeit will von ihnen nichts wissen. Barack Obama hat es anläßlich einer Schießerei in einer Schule seinerzeit programmatisch formuliert: die Tat sei unerklärlich. Damit war ein Befehl bzw. Verbot ausgesprochen: Nachforschungen nicht erwünscht! Sie könnten ein schlechtes Licht auf den Zustand der Gesellschaft, die Tätigkeit der Institutionen usw. werfen.
Seither folgt die Berichterstattung über Anschläge einer Art Drehbuch, das von verschiedenen Zeitungen, Radios und Fernsehsendern eingehalten wird. Mit Entsetzen und Aufregung wird berichtet, was geschehen ist. Die Wortwahl tropft vor Betroffenheit und moralischer Entrüstung. Dann werden Augenzeugen vors Mikrofon gebeten, die stammeln: Es war schrecklich! Wenn sie noch möglichst unter Schock stehen oder ihnen die Tränen herunterlaufen – um so besser! Das wirkt authentisch.
Der Rest der Berichterstattung ist den Opfern gewidmet. Ihre Nationalität, ihr Alter, ihre Lebensläufe werden aufgearbeitet, Angehörige interviewt. Man sieht Kerzen- und Kranzmeere – ganz fremde Leute zeigen ihre Ergriffenheit. Wie rührend!
Die Politik hat natürlich ihre Sternstunden. Verschiedene Politiker überbieten sich darin, den Anschlag / die Anschläge / alle Anschläge / alle Fanatiker zu verurteilen.
Was soll man sich davon kaufen? – wäre eine angebrachte Frage. Es hat ja wirklich niemand erwartet, daß sie Beifall klatschen. Dieses entrüstete Blabla ist völlig folgenlos und kann den aufmerksamen Beobachter nicht darüber hinwegtäuschen, daß die hohen Herrschaften jedenfalls keine ernsthaften Maßnahmen zur Vermeidung von dergleichen Anschlägen vorhaben.
Das ganze Theater, mit dem die mediale Aufarbeitung dann abgeschlossen ist, erspart jedem lästiges Stirnrunzeln über die Innen- und Außenpolitik der diversen EU-Staaten.
Ersteres betrifft den Zustand der Ökonomie, die immer mehr Leute für überflüssig erklärt, und die sozialstaatliche Behandlung der Betreffenden.
Die inzwischen auch medial abgesegnete Armutsverwaltung in der EU folgt der 3-Schritt-Betrachtungsweise: 1. ist jeder selber schuld, wenn er keinen Job und kein Geld hat. 2. kümmert sich die Demokratie dennoch vorbildlich um diese Nichtsnutze. 3. sind die dann oftmals so undankbar und verblödet, daß sie die falschen Herren wählen, den falschen Gott anbeten und weitere unerklärliche und störende Verhaltensweisen an den Tag legen. Eigentlich ein ziemlicher Abschaum, „gefährliche Klassen“, die sich hier „bei uns“ breitmachen, und zusätzlich auch noch diese ganzen Wirtschaftsflüchtlinge, die es auf „unseren Wohlstand“ abgesehen haben!
Aus diesem Konglomerat von Unerwünschten, die die reife Demokratie leider! leider! nicht einfach vernichten oder in die Wüste schicken kann, stammen dann auch die Attentäter, und jedes Attentat wird von den Medien dafür benützt, weiter gegen die Armen, die Banlieue, die bildungsfernen Schichten, islamische Mitbürger usw. zu hetzen.
Die Zeiten sind übrigens lang vorbei, als dergleichen Propaganda nur bei den bei Intellektuellen übel beleumundeten Massenblättern üblich war. Inzwischen konkurrieren die Intellektuellenblattln mit Bild und Krone und die staatlichen Medien mit den kommerziellen darum, wer hier die Nase vorn hat.
Der zweite Themenkomplex, der bei dergleichen Betroffenheitsgedusel fein heraußen ist, ist die Außenpolitik der EU. Unterstützung von Regimes, die ihr Nachbarland mit Krieg überziehen, den islamischen Terror unterstützen, bei sich zu Hause die Todesstrafe für Ehebruch anwenden usw., wie Saudi Arabien – kein Problem für die europäische Wertegemeinschaft! Ein Kniefall vor dem Sultan, der einen Teil des eigenen Landes mit Krieg überzieht, jahrelang die Plünderung und Zerstörung Syriens aktiv betrieben hat – eine realpolitische Notwendigkeit angesichts des „Flüchtlingsproblems“, das die EU tatkräftig in die Wege geleitet hat, und wo nur Erdogan helfen konnte. Die Zerstörung Syriens und Libyens, der Ende-Nie-Krieg in Afghanistan – da wollte und will die EU unbedingt dabei sein. Aber wenn die Geschädigten all dieser Unternehmungen bei ihr an die Tür klopfen, dann hat sie ein Problem.
Afrika wiederum wird seit Jahrzehnten als Rohstoff- und Agrarlieferant zugerichtet, bei großer Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Natur. Aber die Hungerleider, die wir geschaffen haben, die wollen wir nicht! Das sind doch nur faule Hunde, die es auf unsere Frauen abgesehen haben!
So schließt sich der Kreis. Das unerklärliche Böse, der per se aggressive Islam, die fremde Kultur verbündet sich mit der gemeinen Berechnung und kriminellen Energie der armen Leute und gefährdet unseren Wohlstand und unsere Lebensart.
Die Bewohner Barcelonas, oder zumindest einige von ihnen, spielen auch brav ihren Part. Sie geben ihr Einverständnis in die ganze Berichterstattung, marschieren auf und verkünden: Wir haben keine Angst!!
Kritik des Artikels aus GSP 2/17, Teil 2
KOMMUNISMUS ODER DOCH NICHT?
Schon der erste Satz hats in sich:
„Gut 70 Jahre waren in Rußland, ca. 45 Jahre in etlichen osteuropäischen Ländern Kommunisten an der Macht.“
In manchen Ländern nannten sie sich gar nicht Kommunisten, wie in Ungarn oder der DDR. Gerade Honecker mit seiner SED prägte den Begriff des „Realen Sozialismus“, um sich nicht immer an irgendwelchen kommunistischen Idealen messen zu müssen. Es gab also sowohl in der jüngeren Vergangenheit als auch in den Anfängen eine begrenzte Begeisterung gegenüber dem Kommunismus.
Ursprünglich startete die KPdSU als „Russische Sozialdemokratische Partei (Mehrheitler)“ in die Revolution. Später war dann die Rede von einem „Übergang zum Kommunismus“, den dann Chrustschow für beendet erklärte. Man konnte den Politikern und Ideologen der entsprechenden Staaten immer ein gewisses Unbehagen mit dem Begriff Kommunismus anmerken. „Sozialismus“ war ihnen auf jeden Fall lieber, das ist ein schwammiger Begriff, in den man viel hineinfüllen kann. „Kommunismus“ enthält jedenfalls immer einen Hinweis auf Gemeineigentum und damit eine Gegnerschaft gegenüber dem Privateigentum.
Wer jedoch immer gegen den „Kommunismus“ dort drüben wetterte, waren die imperialistischen Gegner und die ihnen ergebene Presse.
Man kann also sagen, diese Bezeichnung entspricht mehr einer Definition der Gegner als dem eigenen Selbstverständnis. Das gleich an den Anfang zu stellen, sich damit also einerseits mit ihnen auf eine Stufe zu stellen, nachdem man sich vorher von ihnen distanziert hat, und gleichzeitig die Wortwahl von Reagan & Co. zu übernehmen, der die letzte Seite im Buch des Kommunismus schreiben wollte und das, wenn man sich seiner Definition anschließt, auch getan hat – was erfährt der Leser hier eigentlich?
Im Weiteren wird ihm mitgeteilt, dieses System da drüben sei eine „Alternative“ gewesen. Alternative zu was? Zur Marktwirtschaft bzw. dem westlichen System von Geschäft und Gewalt?
Das unterstellt einerseits ein Gemeinsames. Das gleiche wird gemacht, nur auf andere Art. Was ist also das Gleiche? und was ist das andere?
Die Verwendung des Begriffes Alternative ist deswegen seltsam, weil es ein bekannter Einwand gegen jede Gesellschaftskritik ist, man hätte ja keine „Alternative“. Der Begriff gehört in die bürgerliche Parteienkonkurrenz, wo sich jede Partei als bessere Alternative zu den anderen präsentiert. Für Sowjetunion & Co. wäre eher „Gegenentwurf“ oder „praktische Kritik“ oder „staatlich gelenkte Wirtschaft“ oder so etwas in der Richtung angebracht.
Dann erfährt man, dieses Staatssystem war als Alternative „ziemlich haltbar“. Was soll eigentlich damit gesagt werden? Sie hats gegeben, Honecker läßt grüßen? Immerhin war es da, das andere System!
Umgekehrt ist es jetzt weg, also könnte man auch sagen – und so sieht es ja die triumphierende bürgerliche Welt – es war eben unhaltbar.
Dann erfährt man, die Alternative sei „radikal“ gewesen. Was heißt denn das? Es gab doch kein Gemeinsames? Ja, dann war es auch keine „Alternative“! Oder soll damit ausgedrückt werden, daß sie weiter links waren als die SPD? Sind damit die SU und die mit ihr verbundenen Staaten irgendwie befriedigend charakterisiert?
In dieser Wischiwaschi-Wortwahl geht es dann weiter, immer entlang an dem schon in der Überschrift angekündigten Widerspruch. Im Hauptsatz werden die Genossen da drüben umarmt, im Nebensatz werden sie abgewatscht. Einmal wird ihnen zugestanden, sie wären schon in der richtigen Richtung unterwegs gewesen, dann kommt unweigerlich die Distanzierung.
Das Perestroika-Buch wird beworben mit den Worten, in ihm erhielte man „Auskunft über die absolute Untauglichkeit des Ideals der Gerechtigkeit als Motiv und Leitfaden für die Beseitigung des Regimes der Privatmacht des Kapitals und der öffentlichen Gewalt, die sich deren systematisches Gelingen zum Anlaß macht.“ (S 100)
Pfff!
Das Ideal der Gerechtigkeit ist also angeblich untauglich für irgendetwas. Ist es dann für etwas anderes tauglich? Und wenn es „absolut“ untauglich ist, so ist es vielleicht relativ tauglich?
Gibt es eigentlich ein Ideal, das für irgendetwas Vernünftiges tauglich ist?
Umgekehrt, um Staat zu machen, ist dieses Ideal offenbar sehr tauglich.
Und dafür, die Privatmacht des Kapitals in der SU abzuschaffen, hat es offensichtlich auch getaugt.
Ich würde mir das Buch nach so einer Bewerbung nicht kaufen.
Der Rest des Artikels ist eine aufgewärmte Variation eines Abschnitts aus dem Polen-Buch von 1982. Da kann zwar einerseits nicht viel schiefgehen. Damals waren die Einsichten der MG wirklich bahnbrechend und stellten gegenüber der marxistisch-leninistischen Apologetik oder Anklage etwas Neues und Aufklärendes dar. Sie bezogen sich aber eben auf das fertige System des Realsozialismus. Man drückt sich also um eine Analyse des Ausgangspunktes herum, wenn man mit so einem alten Hadern anrückt, und ein rundes Datum als Aufhänger verwendet – noch dazu im Frühjahr!
Der Satz
„Die Staatsräson des realen Sozialismus galt der Herstellung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse“
ist irreführend, weil als die Verhälnisse neu waren, gab es den Realen Sozialismus noch nicht, und als es ihn gab, waren sie nicht mehr neu,
„– einer Wirtschaftsordnung, die in ihren Zielsetzungen und Verkehrsformen ausdrücklich in Gegensatz zu den ökonomischen Maßstäben des Kapitalismus steht.“ (S 106)
Aha. Da merkt man, so toll wurde der nicht „redaktionell überarbeitet“, weil da müßte hier stehen: „stand“. Da wurde doch eher mit Copy-Paste gearbeitet. 😉
In so einem ausdrücklichen Gegensatz stand sie vielleicht doch nicht zum Kapitalismus, weil da hätte sie sich nicht immer mit ihm gemessen.
Das Polen-Buch erschien 3 Jahre vor dem Amtsantritt Gorbatschows, da war noch nicht absehbar, daß die SU sich selbst demontieren würde. Aber die Polen-Krise zeigte schon auf, daß der Handel mit dem Westen dieses angeblich so gegensätzliche Wirtschaftssystem aufweichte, ökonomisch als auch ideologisch.
Auf einen aufklärenden Artikel zur Oktoberrevolution selbst wartet das gespannte Publikum nach wie vor.