Pressespiegel Komsomolskaja Prawda, 6.7.: Kiew bereitet eine nukleare Provokation im AKW Zaporozhje vor

WIE DAS KRAFTWERK VOR EINER EXPLOSION UND DIE WELT VOR EINER KATASTROPHE GESCHÜTZT WIRD

Politikwissenschaftler Baschirov: Kiew will im AKW eine Explosion veranstalten, um die NATO zu mobilisieren.“

So ein Schritt ist irgendwo logisch, da sich inzwischen herausgestellt hat, daß die ukrainische Armee gegen Rußland keine Chance hat.

„Kiew bereitet einen Angriff auf das Kernkraftwerk Zaporozhje vor.

Renat Kartschaa, Berater des Generaldirektors des Rosenergoatom-Konzerns, sagte: »Die Streitkräfte der Ukraine werden versuchen, das Kernkraftwerk mit Langstrecken-Präzisionswaffen sowie unbemannten Kamikaze-Luftfahrzeugen anzugreifen.«“

An und für sich sind die Reaktoren so gebaut, daß sie auch dem Einschlag von Flugzeugen widerstehen können. Aber das Lager für verbrauchte Brennstäbe könnte dabei zerstört werden. Und vielleicht ist irgendeine Rakete aus dem Westen vielleicht doch stark genug für die Zerstörung eines Reaktors.

„Aber der Beschuß des AKW wird nicht das einzige sein. … »Gleichzeitig ist geplant, aus einem Flugzeug mit radioaktivem Abfall versehene Munition abzuwerfen. Dieser Abfall wurde am 3. Juli aus dem AKW Südukraine“ (bei Juzhnoukrainsk) „auf einen der Militärflugplätze der Ukraine gebracht,« fügte Kartschaa hinzu.“

Das ist offenbar, um sicherzustellen, daß ordentlich Radioaktivität freigesetzt wird – damit sich das Ganze sozusagen auszahlt.
Man fragt sich, in welchen Behältern dieser wie immer geartete „Abfall“ transportiert wurde? Welchen Risiken wurden die an der Aktion Beteiligten ausgesetzt?

„Es gibt auch einen Plan B: Wenn es mit Drohnen und einem Luftangriff nicht klappt, haben die Provokateure eine Totschka-U-Rakete mit einem ebenfalls mit radioaktivem Müll gefüllten Sprengkopf bereit.

Kartschaa warnte, dass der Angriff in der Nacht zum 5. Juli stattfinden werde. Aber das ist, Gott sei Dank, nicht geschehen.
Die Experten haben bereits erklärt, warum – die Informationswelle unsererseits hat die Hitzköpfe im Westen abgekühlt. Macron und andere Staats- und Regierungschefs riefen den ganzen Abend des 4. Juli in Kiew an. Sie konnten sie offenbar davon abbringen.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass Zelenskij seine Pläne aufgegeben hat – es ist möglich, dass der Angriff einfach verschoben wurde.

Warum möchte Zelenskij das AKW in die Luft sprengen?

Es ist ganz einfach: Zelenskij will seine Kuratoren und Sponsoren »aufrütteln«. Schließlich findet vom 11. bis 12. Juli in Vilnius ein NATO-Gipfel statt, bei dem die Anwesenden sich erneut über das Schicksal der Ukraine entscheiden werden. Bisher ist nicht absehbar, wie es weitergehen soll.

Sie müssen dem NATO-Gipfel etwas darbringen – entweder einen Sieg“

– was offensichtlich nicht möglich ist –

„oder eine schreckliche Geschichte, um diejenigen zu einigen, die hinter ihnen stehen. Bei der NATO haben sie auch Meinungsverschiedenheiten – sogar Stoltenberg als NATO-Generalsekretär wurde für ein weiteres Jahr auf dem Vorsitz belassen, weil sie sich untereinander nicht“ (auf einen Nachfolger) „einigen konnten – erklärte Marat Baschirov, Politikwissenschaftler und Autor des Telegrammkanals »Politjoystick«, in einem Interview mit der KP.

Zunächst plante Zelenskij, die Nato mithilfe einer Sommeroffensive in südlicher Richtung aufzurütteln. Und obwohl sie noch andauert, ist sie im Wesentlichen gescheitert – es gibt keine gewünschten Ergebnisse (Durchbruch der russischen Verteidigung, Eroberung großer Gebiete, Zugang zum Asowschen Meer oder sogar zur Krim). Man muss sich also etwas einfallen lassen.

Und sie erfanden eine Provokation, gefolgt von einer Anklage gegen Russland, die zeigen sollte, dass Moskau angeblich zur Eskalation bereit sei und auch bereit, Zivilisten zu opfern. Diese Provokation war die Sprengung des Staudamms des Wasserkraftwerks Kachowka. Doch dann reagierte der Westen nicht – also ist etwas Ernsthafteres nötig. Und was könnte schlimmer sein als eine Explosion in einem Atomkraftwerk?

»Sie verwenden immer die gleichen Doppelzüge. So war es im Sommer 2014. Ukrainische Truppen begannen einzumarschieren und schossen ein Flugzeug ab – eine malaysische Boeing. Und dann war die ganze Welt entsetzt und begann großen Druck auf Russland auszuüben«, erinnert sich Baschirow.

Nukleare Provokation im AKW Zaporozhje

Unterdessen begann Kiew, das Publikum »aufzuwärmen«. Blogger haben einen solchen Begriff – Aufwärmen ist eine informative Vorbereitung auf die Einführung eines Produkts.

Fingerzeichen …

1. Es wurde ein Interview mit einem ehemaligen Berater von Zelenskijs Büro, Alexej Arestovitsch, veröffentlicht,

– ah ja, den gibts auch noch –

in dem er erstens versichert, dass »sie [= die Russen] versuchen werden, es in die Luft zu jagen oder vielmehr mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % in die Luft jagen werden«, und zweitens: Er versicherte den Ukrainern sofort, dass bei einer Explosion im AKW nichts Schlimmes passieren wird – nur ein kleines Leck mit einem Radius von einem Kilometer.“

!!!

„2. Ukrainische Telegrammkanäle verbreiten die Nachricht, dass »Russland das Kernkraftwerk in die Luft sprengen wird«. Darüber hinaus erklärten die Streitkräfte der Ukraine offiziell, daß angeblich russische Streitkräfte Sprengstoff »auf dem Außendach des dritten und vierten Blocks« plaziert hätten.

3. Einigen Berichten zufolge besuchte der Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Ukraine, Zaluzhnyj, Anfang dieser Woche das Kernkraftwerk Rowno, wo er sich über die möglichen Folgen der Explosion dieses Kraftwerks informierte.

4. Und seit einigen Tagen werden in ukrainischen Fernsehsendern Zeichentrickfilmchen darüber gezeigt, was im Falle einer nuklearen Kontamination zu tun ist.

So biegt man in die Zielgerade ein: Zelenskij erklärt am Abend des 4. Juli, dass »die Welt bereit ist, auf alle Zwischenfälle zu reagieren« und wiederholt die These, dass auf dem Dach der Kraftwerke etwas Ähnliches wie Sprengstoff plaziert wurde. Parallel dazu gibt das Gesundheitsministerium der Ukraine dringend Anweisungen heraus, was im Falle einer nuklearen Katastrophe zu tun ist, und die Medien veröffentlichen eine Infektionskarte.

»Hier wird es eindeutig wärmer. Ein Versuch, auf die Bevölkerung einzuwirken. Zumal dies für die Ukrainer ein wunder Punkt ist. Sie haben eine Phobie vor Tschernobyl. Und im Westen wurde dafür bereits eine Medienkampagne vorbereitet. Dort sind sie bereit, zu schreiben und anzuschwärzen«, sagt Baschirov.

Unerwartete Unterstützung

Aber wir bekommen auch Unterstützung von dort, wo wir sie nicht erwartet hätten. Seltsamerweise ist dies der Chef der IAEA, Rafael Grossi. Im AKW Zaporozhje gibt es immer Beobachter, die mit eigenen Augen sehen, was wirklich passiert. Und er steht mit ihnen in Kontakt.
»Dort sind tatsächlich unabhängig agierende Ausländer und sie haben eine direkte Verbindung zu Grossi. Und wenn die Ukrainer sagen, dass unseres angeblich etwas auf das Dach von zwei Häuserblocks gelegt hat, können diese Inspektoren in 5 Minuten dorthin gehen und nachsehen. Niemand wird sie daran hindern«, bemerkt Baschirov.

Folgen einer Explosion im AKW

Was könnten die Folgen einer Explosion im AKW Zaporozhje sein? Tatsächlich wird nichts sehr Schlimmes passieren. Wie Alexej Tolkatschev, ehemaliger Ratsvorsitzender des der Staatlichen Aufsichtsbehörde für nukleare Regulierung der Ukraine, in seinen sozialen Netzwerken schrieb: »Eine Sprengung der Reaktoren im Kernkraftwerk Zaporozhje ist praktisch unmöglich, weil Reaktoren dieses Typs durch eine hermetisch abgeschlossene Hülle aus anderthalb Metern Stahlbeton geschützt sind.«
Sie »können daher dem Absturz eines Kleinflugzeugs, einer internen Explosion, einem Unfall standhalten.« Es kann nur durch die Explosion einiger superstarker Bomben zerstört werden. Aber auch danach muss der Reaktorbehälter noch zerstört werden.“

Man kann nur das beste hoffen.
Aber auch bei einem geringfügigeren Sabotageakt werden diejenigen russischen Armeeangehörigen, die das AKW bewachen und die Mitarbeiter des AKW selbst verstrahlt und dadurch geschädigt, soviel ist auf jeden Fall sicher.

„Eine ernsthafte Bedrohung stellt jedoch die Lagerung abgebrannter Kernbrennstoffe dar. Das sind hundert Stahlbetonbehälter direkt im Freien. Diese sind nicht für Bombardierungen ausgelegt.“

Sie wurden nämlich erst nach der Auflösung der SU, in der unabhängigen Ukraine angelegt, nachdem die Ukraine die Verträge für die Lieferung und Abholung von Brennstäben aus Rußland kündigte – oder auslaufen ließ.

Wie schützen wir das AKW? – jedenfalls mit allen Mitteln

Um die Hülle irgendwie zu beschädigen, muß sie von mehreren Raketen getroffen werden. Die Streitkräfte der Ukraine verfügen über sowjetische Raketen wie Totschka-U. Aber sie sind groß und die russische Luftabwehr ist in der Lage, sie abzufangen.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, mit HIMARS oder Storm Shadow zuzuschlagen. Aber dann wird klar sein, dass Kiew westliche Waffen einsetzt, um eine Katastrophe herbeizuführen. Und es könnte sein, daß die westlichen Kuratoren das nicht erlauben.“

Das Wort von Herrn Baschirov in Gottes Ohr.

„Sie können von einem Flugzeug aus mit einem gelenkten Sprengkopf zuschlagen. Aber die russische elektronische Kriegsführung hat gelernt, ihren Lenkmechanismus zu stören. Und dann kann diese Bombe überall einschlagen und nicht dort, wo sie treffen sollte.

»Das AKW ist recht gut geschützt. Es gibt auch Luftverteidigungs- und elektronische Kriegsausrüstung. Die Luftabwehr wird wahrscheinlich funktionieren. Alle dort sind jetzt in höchster Alarmbereitschaft«, schloss Marat Baschirov.“

Pressespiegel El País, 27.6.: Einheit in Gefahr?

DER WAGNER-AUFSTAND VERSCHÄRFT DIE SPALTUNG DER RUSSISCHEN STREITKRÄFTE

Das Wagner-Logo, ein Totenkopf an der Spitze eines roten Zielfernrohrs, erfreute sich auf den russischen Straßen bis zum Aufstand der Söldnerkompanie am vergangenen Wochenende großer Beliebtheit. So unterschiedliche Menschen wie der Manager eines billigen Hostels in Moskau, ein junger Mann in einem noblen Fitnessstudio und ein verkrüppelter Mann auf der Straße einte in diesem unklaren Krieg das Symbol von Jevgenij Prigozhin, dem neuen russischen Alpha-Mann, der seine eigenen Wahrheiten verkündet und kein gutes Haar an den Siegesbotschaften des Verteidigungsministeriums läßt.
Eine neue Form der Dissidenz, die auf ihrem Weg in die russische Hauptstadt den Beifall des Volkes und die Passivität der Streitkräfte fand. »Unser Ziel war es, diejenigen vor Gericht zu stellen, die während der militärischen Sonderoperation Fehler gemacht haben«, sagte Prigozhin am Montag durch eine Audioaufnahme, aus der hervorgeht, dass er noch am Leben ist.
Sein Überleben – politisch und physisch – stellt nun eine neue Bedrohung für das Regime dar, aber Putin kann nicht ohne seine Söldner auskommen.
Einen Tag, nachdem Russland durch Wagner in seinen Grundfesten erschüttert worden war, waren die Anstecknadeln und T-Shirts dieser Truppe wieder in den Geschäften erhältlich.

»Die Experten sind sich einig, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass Alexej Djumin – Putins ehemaliger Leibwächter und derzeitiger Gouverneur von Tula – neuer Verteidigungsminister und General Sergej Surowikin Chef des Generalstabs wird«, meinte Sergej Markow am Montag. Er ist ein ehemaliger Putin-Berater, der zum inneren Kreis des Präsidenten gehört.“

Warum dann „ehemalig“?
Vielleicht ist er doch nicht so eingeweiht, wie der Verfasser des Artikels meint.

„Der derzeitige Minister Sergej Schoigu befindet sich in einer so schwachen Position, dass die russischen Kriegsbefürworter selbst anprangerten, dass das Video, in dem er drei Tage nach dem Aufstand auftauchte, bereits früher aufgenommen worden sei.
»Aber ihre Entlassungen werden nicht sofort erfolgen, damit es nicht so aussieht, als ob Schoigu und Gerassimow – der derzeitige Chef des Generalstabs – auf Wunsch des Rebellen entlassen wurden«, fügt Markow hinzu.

Nach den ersten Rückschlägen im Herbst 2022, als die Ukraine Teile von Charkow und Cherson zurückeroberte, kam es zu Machtkämpfen innerhalb der russischen Streitkräfte.“

Es waren allerdings weder die ersten Rückschläge – man denke an die teilweise sehr hohen russischen Verluste bei Kiew und den Rückzug von dort – noch die ersten Meinungsverschiedenheiten in der Armee Rußlands. Man erinnere sich an Dvornikov und seine Abberufung.

„Surowikin wurde unter dem Beifall von Prigozhin und dem tschetschenischen Präsidenten Ramzan Kadyrow, der mit seiner Prätorianergarde, den Kadyrowtsy, ebenfalls Protagonist dieses Krieges war, zum alleinigen Befehlshaber der Offensive befördert. Doch die Freude währte nur kurz: Schoigu ernannte im Januar Gerassimow zum Chef seiner Streitkräfte und Surowikin wurde in die zweite Reihe gestellt.
Der gescheiterte Aufstand offenbarte auch die Zweifel vieler kreml-naher Persönlichkeiten. Der tschetschenische Präsident brauchte mehr als einen halben Tag, um sich öffentlich für Putin auszusprechen, während die Direktorin des Medienunternehmens Russia Today, Margarita Simonján, bis vor kurzem eine glühende Anhängerin von Wagner, am Montag erklärte, sie habe nichts von der ganzen Sache mitbekommen, weil »sie befand sich auf einem Schiff auf der Wolga.«“,

– wo es anscheinend kein Netz gibt? Auf dem größten Fluß Rußlands?

„Die Strategie des Kremls angesichts des Aufstands von Prigozhin bestand darin, an die Einigkeit um den Präsidenten zu appellieren. Die Abgeordneten (der Duma) forderten bereits von Montag an blinde Unterstützung für Putin, und andere Sektoren schlossen sich dieser Botschaft an. »In schwierigen Zeiten hat uns die Loyalität des russischen Volkes gegenüber seinen Führern immer geholfen«, las der Sprecher von Last.FM ohne jede Leidenschaft, »auf Wunsch der Musikabteilung.«“

Recht neckisch, wenn man weiß, daß die Wagner-Truppe oft auch als „Musiker“ bezeichnet wird.

„Hierbei handelt es sich übrigens um einen Radiosender, der rund um die Uhr in Taxis im ganzen Land zu hören ist.

Ohne Wagner geht es nicht

Prigozhins Paramilitärs waren als bloßes „Kanonenfutter“ für an Selbstmord grenzende Offensivaktionen bezeichnet worden,“

– allerdings kam diese Einschätzung nur bei den erbitterten Kämpfen in Bachmut vor, nicht in anderen Einsatzgebieten –

„doch die Debatte um ihre Existenz zeigte am Montag, dass der Unternehmer immer noch diese Karte ausspielen kann.“

Der Satz ist unklar. Welche Karte? Immerhin hatten die Wagner-Truppen Bachmut eingenommen, sich also nicht dabei aufgerieben. Es war schon seit einiger Zeit klar, daß es Probleme geben würde.

„Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der Duma (…) Andrej Kartapolow, verteidigte die Existenz Wagners, obwohl er einen Gesetzentwurf zur Regulierung von Söldnerfirmen vorlegte.“

Warum „obwohl“? Der Gesetzesentwurf war wohl überfällig, um der Wagner-Truppe einen legalen Rahmen zu geben.

„»Josif Vissarionovich Stalin sagte, dass Kinder nicht für ihre Eltern verantwortlich sind. Derjenige, der den Aufstand ausgelöst hat, muss reagieren (…) Wagner ist die am besten ausgebildete Einheit in Russland und sogar die Streitkräfte erkennen das an. »Man kann sich kein besseres Geschenk für die NATO und die Ukrainer vorstellen, als sie zu entwaffnen«, behauptete Kartapolow an diesem Montag und begründete damit, dass sein neues Gesetz »noch genau studiert und möglicherweise modifiziert werden muß«, was seine Annahme bis zum Herbst verzögern könnte. Ein bemerkenswertes Bemühen um Gesetzeskonformität angesichts der Tatsache, dass diese Art von Unternehmen seit geraumer Zeit, also schon vor Wagners Gründung, gesetzlich verboten war.

Angesichts dieser Lage plädiert das Verteidigungsministerium für die Entwaffnung der Söldner. Weitere einflussreiche Persönlichkeiten der russischen Politik erwärmen sich ebenfalls für siese Option. Der bereits in sowjetischen Zeiten aktive Militär und Abgeordnete Viktor Alksnis, bekannt als »der schwarze Oberst«, erinnerte die Parlamentarier daran, dass sie kürzlich ein Gesetz verabschiedet hatten, das Kritik an der Wagner-Truppe mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft.“

In der Tat bemerkenswert für eine illegale Vereinigung, von der ein guter Teil abgeurteilte Schwerbrecher sind.

„»Es kann nicht zwei (drei, vier usw.) Armeen in einem Staat geben! Alle militärischen Auftragnehmer und andere bewaffnete Formationen müssen verboten und entwaffnet werden!« Er schrieb auf Telegram und erinnerte dort an eine weitere Bedrohung: »Ich frage mich, was Präsident Putin jetzt mit Kadyrows tschetschenischer Armee machen wird, die über mehr als 70.000 Bajonette verfügt.«“

Ein Teil dieser 70.000 Kämpfer machte sich angeblich nach Rostov auf, um der Spuk ein Ende zu bereiten.
Das kann einer der Gründe sein, warum Prigozhin schnell einlenkte, weil Kadyrows Armee ist im In- und Ausland gefürchtet.
Zur allgemeinen Erleichterung, weil ein Zusammenstoß dieser beiden Formationen hätte in Rußland wirklich eine fatale Wirkung.

Ein weiterer einflussreicher Putin-Berater, sein Bevollmächtigter im Donbass und anderen besetzten Gebieten zwischen 2014 und 2020 – eine römische Richterposition, die der Kreml für seine inoffiziellen Unterführer eingerichtet hat –, Wladislaw Surkow, forderte ebenfalls die Entwaffnung der Wagnerianer. »In Russland ist es unmöglich, ein privates Atomkraftwerk zu haben. Aber eine private Sturmtruppe? Wieso das? »Diese Privatarmeen sind in Russland nur in Zeiten der Unruhen und des Bürgerkriegs von 1920 entstanden«, sagte er in einem Interview mit dem Politikwissenschaftler Alexei Tschesnakow.
Wer einmal als einer von Putins möglichen Nachfolgern galt, gab in dem Interview jedoch zu, dass Wagner“ (seinerzeit, 2014 ff.) „im Donbass eingesetzt wurde, um die Anheizung dieses Krieges durch den Kreml zu verbergen: »Warum brauchen wir diese Leute jetzt, wo wir offen am Kampf um die Ukraine teilnehmen?«“

Surkow meint anscheinend, die Wagner-Truppen seien inzwischen obsolet. Na ja. Wenn das so war, warum wurden sie dann in Bachmut – erfolgreich – eingesetzt? War das vielleicht ein Versuch, sich ihrer zu entledigen?
Wenn ja, so ist dieser Versuch gründlich gescheitert.

„Die Bilder von Zivilisten, die Prigozhins Truppen in Rostow am Don hochleben ließen, haben bei der russischen Elite Angst ausgelöst, der nun bewußt wird, wie sehr sich der Chef der Wagners in den letzten Monaten durch seine Kritik an Schoigu beliebt gemacht hat. Die gefürchtete russische Internet-Kontrollinstanz Roskomnadzor sperrte sofort den Zugang zu seinen Mitteilungen auf Vkontakte (VK) und dem russischen Facebook, während die wichtigsten Online-Verkaufsplattformen Ozon und Wildberries die Fan-Produkte von Wagner während des Aufstands versteckten und versprachen, »sie in naher Zukunft vollständig vom Markt verschwinden zu lassen«.
Die Angst davor, Wagner zu unterstützen, hielt kaum länger an als sein gescheiterter Vormarsch auf Moskau.
Wildberries bot an diesem Montag 11.565 Produkte der „Musiker“ an. Zu den beliebtesten Artikeln gehörten Autoschlüsselanhänger, Aufnäher, Macheten und Mützen. Viele davon sind bereits ausverkauft und haben Lieferzeiten von mehr als einer Woche.

»Wagner, die Musiker, den die ganze Welt kennt«, lautete das Motto einer Fahne, die ein Model zwischen Flammen hochhielt. Im Hintergrund ein Paramilitär, bewaffnet mit einer Geige, einem Gewehr und einem Raketenwerfer. Eine Vision der Söldner, die Prigozhin idealisiert hat – derselbe, der die verstümmelten Leichen von Dutzenden der von ihm in Bachmut eingesetzten Ex-Gefangenen zur Schau gestellt hat, um Shoigu dafür zu kritisieren, dass er ihm keine Munition gegeben hat.
Mit seiner Kritik hat Prigozhin in den letzten Monaten Sympathien bei den Russen erworben. Laut einer Umfrage des unabhängigen Soziologiezentrums Levada stand der Geschäftsmann im Mai erstmals auf dem Podium der am höchsten bewerteten Persönlichkeiten. Die Umfrage ergab, dass ihm 4% der Bürger vertrauten, verglichen mit 11% für Shoigu.“

???
Schoigu ist offensichtlich weitaus populärer, sofern man dieser Umfrage überhaupt vertrauen kann.

„Gegen den Wagner-Chef spricht die Vergangenheit seiner Helden. Das letzte Verbrechen der freigekommenen Häftlinge ereignete sich am selben Tag wie ihr Aufstand: Am 23. Juni betranken sich drei ehemalige Söldner in der Stadt Kurgan“

– im südlichen Ural, was machen sie dort?

„und eröffneten das Feuer auf ein Gebiet mit Ferienhäusern. Diesmal ohne Opfer, im Gegensatz zu anderen ähnlichen Vorfällen in den letzten Monaten.“

Pressespiegel El País, 25.6.: Prigozhins Rebellion

RUSSLAND ZWISCHEN DER »LANGEN NACHT« PUTINS UND DEM »FLÜCHTIGEN PHÄNOMEN DES BÜRGERKRIEGES«

Pilar Bonet

„Der Aufstand wurde offenbar beschleunigt, weil Prigozhin durch den systematischen Versuch von Präsident Putin und dem Verteidigungsministerium, dem Mann die Flügel zu stutzen, dessen Truppen bis vor kurzem für ihre entscheidenden Siege im Krieg in der Ukraine verherrlicht und von Kreml-Propagandisten gelobt wurden, schikaniert und in eine Sackgasse geführt wurde.“

Die Analystin meint also, der Aufstand wurde absichtlich p r o v o z i e r t .

„Diese Belästigungen hatten sich in den letzten Wochen verschärft. Diesen Monat hat die russische Duma ein Gesetz verabschiedet, das auf die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols abzielt.
Demnach müssen sich alle Kombattanten, ob mobilisiert, freiwillig oder aus dem Gefängnis rekrutiert, der Hierarchie des Verteidigungsministeriums unterwerfen. Die Armee des tschetschenischen Führers Ramsan Kadyrow hat sich der Maßnahme diszipliniert unterworfen. Wagner nicht.
Dieses Unterhaus des russischen Parlaments hat außerdem Regelungen zur Rekrutierung (und auch zur Begnadigung) von Kriminellen während der Verbüßung ihrer Strafe verabschiedet.

Diese beiden Maßnahmen führten dazu, dass Wagner keine Möglichkeit mehr hatte, eine Privatarmee von Söldnern aufzustellen. Diese benützte bisher eine gewisse Grauzone, die Putin (in vielen Bereichen) unterhält, um den Subjekten – Verbündeten oder für ihn konjunkturell nützlichen – das Handeln zu erleichtern: Sie können hiermit nicht mehr im Rahmen des Rechts der Russischen Föderation handeln. Söldner sind somit in Russland verboten und alle Versuche des Parlaments, den Status und die Befugnisse von Wagner und privaten Militärunternehmen zu regeln, waren bisher erfolglos.“

Man muß hier ergänzen, daß diverse rechtliche Grauzonen dieser Art zwar vielleicht absichtlich
aufrechterhalten
, aber keineswegs in der Aera Putin e i n g e r i c h t e t wurden. Sie ergaben sich aus dem ganzen Zerfall der SU und dem Übergang zur Marktwirtschaft, bei dem der Staat viele Sphären aus der Hand gab und den Privatsubjekten überantwortete.

„In dieser Grauzone, außerhalb des Gesetzes, operierte Wagner, während er den russischen Behörden nützlich war, und dort verblieb er solange, bis er aufhörte, es zu sein – als Prigoschin nämlich eine Eskalation von Anschuldigungen und Verwünschungen gegen das Verteidigungsministerium und die herrschende Elite Russlands losließ und die Grundlagen und offiziellen Erklärungen zur Kriegsursache in Zweifel zog.

Vom Augenblick an, als der Kreml bei der Invasion in der Ukraine sich der Unterstützung Wagners bediente, bis zu dem Zeitpunkt, als er durch Prigozhins Selbstermächtigung alarmiert wurde, hat der sogenannte »Kremlkoch« seine eigene Armee mit mehreren Zehntausend Männern und Tausenden von Ex-Häftlingen aufgestellt, die von der Front zurückgekehrt sind und dank ihm begnadigt wurden.“

Damit hat Prigozhin sich sozusagen Hoheitsakte angemaßt und das ging zu weit.

„Von außerhalb der Szene, in der Prigozhin, der Kreml und russische Staatsinstitutionen agieren, ist es noch nicht möglich zu erkennen, ob der Aufstand dieses unflätigen Populisten die konkrete Tat eines trotzigen Putschisten ist oder ob er als Galionsfigur eines (oder mehrerer) Familien des Kremls operiert, oder beides gleichzeitig.

Im letzteren Fall wäre es notwendig zu wissen, welches Element das Gleichgewicht zwischen Prigozhins persönlichen Interessen und seinen Verbindungen zur Elite aus dem Gleichgewicht brachte. In seiner kurzen Ansprache bezeichnete Präsident Wladimir Putin die Meuterei als Verrat, und nur diejenigen, denen man vertraut, begehen Verrat. Putin erwähnte weder Prigozhins Namen noch den Namen von Verteidigungsminister Sergej Schoigu.

Am Samstagnachmittag versuchte Prigozhin, die Spannungen abzubauen, gratulierte sich selbst dazu, kein Blut vergossen zu haben und behauptete, den „Marsch für Gerechtigkeit“, der seine Männer nach Moskau führen sollte, aus Verantwortungsbewusstsein abgesagt zu haben.
Unabhängig vom Ausgang des Kampfes, der sich in seiner ganzen Härte manifestiert, wird die Situation in Russland jedoch nicht mehr dieselbe sein, denn wenn bis zu diesem 23. Juni das Epizentrum der Geschichte im Krieg gegen die Ukraine lag, konzentriert sich die Perspektive nun auf die Gespenst des innerrussischen Bürgerkriegs.

Die Tatsache, dass der Marsch auf seinem Weg in die Hauptstadt auf so wenig Widerstand gestoßen ist, lässt Zweifel an der Verteidigung des Staatsgebiets aufkommen und könnte Präsident Putin schwächen, berichten russische Medien in Moskau.

Wenn Prigozhin das Anhängsel einer der Kreml-Familien ist, fragt man sich, ob diese Familien zustimmen könnten, den unbequemen Meuterer zu opfern (und vielleicht andere Szenarien für das Ende des Konflikts in Betracht zu ziehen). Oder vielleicht würde sich eine dieser Familien gegen die anderen durchsetzen.

Neben diesen theoretischen Hypothesen lohnt es sich zu fragen, wie sich Wagners Rückzug von der ukrainischen Front auf die Kampffähigkeit der russischen Truppen und auch auf die bereits sinkende Moral der Männer auswirken wird, die im Namen der Wahnvorstellungen ihrer Vorgesetzten in den Kampf geschickt werden.“

Hier kommt die Propagandaabteilung Marke West zum Zug, der die Invasion und den Einmarsch als eine Art Wahnvorstellung abtut.
Aber es gibt natürlich Erklärungsbedarf für das Fallenlassen Prigozhins, der ja immerhin vor 2 Monaten noch als „unser Kämpfer an vorderster Front“ hochgehalten wurde.

„Wird es zu Spaltungen in den russischen Streitkräften kommen oder werden die Truppen im Gegenteil zusammenhalten?“

Es ist anzunehmen, daß dafür Vorsorge getroffen wurde, weil überraschend kam der Aufruhr ja nicht.

„Auswirkungen auf die Situation in der Ukraine

Es lohnt sich auch zu fragen, wie (oder ob) die Ukraine die aktuelle Situation in Russland ausnutzen wird (oder wissen wird, wie sie ausnutzen kann).

Ein weiterer Punkt, der geklärt werden muss – und der sich auf die Prozesse auswirkt, die hinter den Kulissen in Russland ablaufen könnten – sind die möglichen Versuche, Allianzen zwischen exilierten Oligarchen, die das ihnen vom Putin-Regime abgenommene Geld zurückerhalten wollen, und Teilen der russischen Regierung zu schmieden, die sie mit ihnen zusammenarbeiten und zu einem angenehmeren und weniger kriegerischen Leben mit der Welt zurückkehren möchten.“

Die sogenannten „Westler“ oder die marktwirtschaftsfreundliche Fraktion sind ja noch nicht ganz ausgestorben in Rußland.

„Interessant ist die Reaktion des Oligarchen Michail Chodorkowski, des ehemaligen Chefs des Jukos-Ölimperiums, der nach zehn Jahren Gefängnis aus Russland verbannt wurde.
Chodorkowski hatte den inzwischen abgesagten Marsch der Wagners von Rostow am Don nach Moskau unterstützt. Für den Fall, dass Prigoschin auf Moskau marschierte, empfahl Chodorkowski, »zu verhindern, dass er aufgehalten wird«, mit Treibstoff zu helfen und »diejenigen, die ihn aufhalten, davon zu überzeugen, dass man jetzt einen gemeinsamen Feind hat«.

Putins Rede zu dem Aufstand sollte als Drehbuch und Orientierung für die Regionalverwaltungen Russlands dienen und das Verhalten ihrer Führer bestimmen. Der Alltag in Moskau und St. Petersburg ist bereits verändert und in der russischen Hauptstadt, deren Sicherheit seit einigen Tagen sichtbar erhöht wurde, wurden die Werbetafeln und Straßenbanner, mit denen Wagner zur Rekrutierung aufrief, hastig entfernt.

In Provinzen wie Rostow am Don, Woronesch und Lipezk hingegen schien die Lage zunächst nicht so klar zu sein. Und für die russische Bevölkerung könnte es schwer zu verdauen sein, dass die Helden der Schlachten von Bachmut oder Soledar nun auf magische Weise aus dem offiziellen Gedächtnis verschwinden.“

Einmal sehen, ob sie retuschiert werden wie die in Ungnade gefallenen sowjetischen Führer von den offiziellen Fotos.

„»Der Bürgerkrieg in Russland ist eine Norm und kann in latenter Form und im Wechsel mit akuten Phasen jahrzehntelang andauern«, schreibt der Analyst Wladimir Pastuchow, der der Ansicht ist, daß der letzte Zyklus der Verschärfung dieses Bürgerkriegs 1989 begonnen hat und noch nicht beendet ist.
»Die Prigoschin-Meuterei ist nur eine der Episoden dieses Bürgerkriegs, der fast ein halbes Jahrhundert andauert«, schreibt Pastuchov. Und der Politikwissenschaftler erinnert daran, dass es im Bürgerkrieg keine Zwischentöne und Schattierungen gebe und man »entweder bei den Roten oder bei den Weißen« sei. Die Wahl ist schmerzhaft. »Zwischen Putin und der langen Nacht Russlands« und »dem flüchtigen Phänomen von Prigozhins Bürgerkrieg«, so sieht er die Möglichkeiten.“

Womit der Ausgang ja schon bestimmt ist, wenn die Wahl zwischen „lang“ und „flüchtig“ ist.

In Rußland selbst wird nämlich von vielen Personen die Herrschaft Putins nicht als „Nacht“ empfunden. Das ist die Sichtweise der „Westler“, deren Zahl sich von Jahr zu Jahr verringert. Viele der ehemaligen Anhänger westlicher Kultur und Werte sind inzwischen im eurasischen Dunstkreis Dugins gelandet. Für diese Leute ging mehr oder weniger mit Putin die Sonne auf.

Bei diesem Vokabel fällt einem als historisch geschultem Geist eher die „Nacht der Langen Messer“ ein, mit dem sich Hitlerdeutschland der lästig gewordenen SA entledigte, die zwar bei der Machtergreifung nützlich gewesen, aber dann lästig geworden war.

Abgesehen vom weiteren Schicksal Prigozhins stellt sich auch die Frage nach seiner Wagner-Truppe – erstens sind sie sicher nicht ohne weiteres den regulären Einheiten einzugliedern. Zweitens sind sie auch außerhalb Rußlands im Einsatz – in Mali, in Libyen, in der Zentralafrikanischen Republik. Die ganze Außenpolitik Rußlands muß neu organisiert werden.