Pressespiegel Komsomolskaja Pravda, 1.12.: Die NATO und Rußland

„DIE RUSSEN AUS EUROPA FERNHALTEN“: DAS NANNTE SERGEJ LAWROW ALS DAS HAUPTZIEL DER EXISTENZ DER NATO

Über die Philosophie der NATO Erinnern wir uns an die Entstehung der NATO. Der erste Generalsekretär der NATO, Hastings Ismay, entwickelte die Formel: „to keep the Russians out, the Americans in, and the Germans down“.
Was jetzt passiert, heißt nichts anderes, als daß die NATO zu den konzeptionellen Prioritäten zurückkehrt, die vor 73 Jahren entwickelt wurden. Sie wollen die Russen außerhalb Europas halten. Die Amerikaner wollen ganz Europa versklaven und haben das bereits erreicht. Sie halten inzwischen nicht nur die Deutschen, sondern die gesamte Europäische Union unter Kontrolle.
Die Philosophie der Dominanz und der einseitigen Vorteile waren also nach dem Ende des Kalten Krieges nie verschwunden.

Über die zerstörerische Tätigkeit der NATO Während ihres Bestehens kann sich die NATO keine einzige tatsächliche Erfolgsgeschichte zuschreiben – sie bringt Verwüstung und Leid.
So geschen mit den Aggressionen gegen Serbien und Libyen, der Zerstörung der libyschen Staatlichkeit, dem Irak, oder Afghanistan, dem das Bündnis 20 Jahre lang Demokratie nach seinem Verständnis beizubringen versuchte.
Für sich spricht auch die Tatsache, dass die Sicherheitsfrage in der serbischen Provinz Kosovo, wo die NATO seit mehr als zwei Jahrzehnten zugegen ist, nicht gelöst werden kann.

Zu den NATO-Manövern Die Manöver der NATO wurden in den letzten Jahren intensiver und zielten offen darauf ab, Russland einzudämmen. Sie versuchten, die antirussische Ausrichtung zu beschönigen, aber sie ist offensichtlich. Und immer näher an unseren Grenzen – sowohl in der Ostsee und dem Schwarzen Meer als auch bei Manövern zu Land in Polen.
All dies widerspricht dem 1997 unterzeichneten Grundsatz-Abkommen zwischen Russland und der NATO. Ein Schlüsselelement dieses Dokuments war die Zusage der NATO, auf die dauerhafte Stationierung bedeutender Kampftruppen auf dem Territorium der neuen Mitglieder des Bündnisses zu verzichten. Ein schönes Versprechen. Es war ein Kompromiß. Nach einer Weile schlugen wir vor, das Konzept der „bedeutenden Kampftruppen“ genauer zu definieren.
Die NATO lehnte dies kategorisch ab. Und uns wurde gesagt, dass sie sich verpflichtet haben, dies nicht dauerhaft zu tun, aber mittels Rotation sei die Stationierung möglich.

Zu den März-Gesprächen zwischen Moskau und Kiew Wir waren bereit, das Thema Sicherheit nach dem Beginn der Spezialoperation (= Einmarsch) zu diskutieren. Als die Ukrainer im März um Verhandlungen baten, gingen wir zu diesen Verhandlungen. Nach mehreren Runden, am 29. März in Istanbul, überreichten uns die Ukrainer ein Dokument, wo wir mit den darin enthaltenen Prinzipien einverstanden waren.
Die Gewährleistung der Sicherheit der Ukraine durch die Achtung ihres Nichtblockstatus (sie würde der NATO nicht beitreten), durch die Achtung ihres nichtnuklearen Status (keine Bemühung um atomare Bewaffnung) und die Bereitstellung von Garantien für sie auf kollektiver Basis – von den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates wurden namentlich die Türkei und Deutschland erwähnt.
Wir stimmten zu, aber anscheinend wurde den Ukrainern ein oder zwei Tage später von ihren amerikanischen Kollegen gesagt: Warum macht ihr sowas? Mit euch müssen wir die russische Armee schwächen, durch euch müssen wir die maximale Menge an Waffen verbrauchen, die die europäischen Länder haben, damit sie später neue Waffen von uns, den USA, kaufen müssen – um unseren Waffenproduzenten Einnahmen zu verschaffen.

Zu den „Anträgen“ Russlands auf Verhandlungen mit Kiew Wenn wir beschuldigt werden, irgendeine Art von Verhandlungen zu fordern, um Zeit zu gewinnen, um zusätzliche Kräfte für die Spezialoperation zu sammeln, ist das sowohl lächerlich als auch unangenehm. Weil Menschen lügen, und offen lügen. Weil wir nie um Verhandlungen gebeten haben. Aber sie haben immer gesagt: Wenn jemand Interesse an einer Verhandlungslösung hat, hören wir zu.

Über europäische Aufrufe zu Verhandlungen Papst Franziskus spricht schon seit langem davon. Macron sprach aus denselben allgemeinen Positionen, Bundeskanzler Scholz sagte, er werde weiter mit Putin sprechen. Der türkische Präsident Erdogan hat mehr als einmal darüber gesprochen. Aus Italien erinnere ich mich nicht an solche Initiativen, außer vom Heiligen Stuhl. Aber niemand bietet etwas Konkretes an.
Papst Franziskus ruft zu Verhandlungen auf, aber er hat auch eine unverständliche, ganz und gar nicht christliche Erklärung abgegeben, in der er zwei Nationalitäten der Russischen Föderation hervorhebt, von denen während der NWO Gräueltaten zu erwarten sind.*) Der Vatikan sagte, das werde nicht wieder vorkommen, es habe ein Missverständnis gegeben. Aber das hilft der Sache nicht und trägt nicht zur Autorität des Heiligen Stuhls bei.

Über die Möglichkeit, einen Atomkrieg zu beginnen Unserer gemeinsamen Verantwortung – mitsamt den USA als beiden größten Atommächten – können wir uns nicht entziehen. Wir haben eine gemeinsame Erklärung der Präsidenten vom Juni 2021, dass ein Atomkrieg von niemandem gewonnen werden kann, also darf er nicht begonnen werden.
Eine ähnliche Erklärung gibt es von den fünf Atommächten.**) Wir waren bereit, weiter zu gehen und zu sagen, dass nicht nur ein Atomkrieg entfesselt werden sollte, sondern jeder Krieg zwischen Atommächten inakzeptabel ist, selbst wenn jemand beschließt, ihn mit konventionellen Mitteln zu beginnen, das Risiko einer Eskalation zu einem Atomkrieg enorm wäre.

Über die Sicherheit Russlands Wenn die kollektive Sicherheit nicht zustandekommt, sorgen sich alle um ihre eigene Sicherheit. Für uns ist die Bedrohung, die die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten von der Ukraine aus für Russland geschaffen haben, real.
Brzezinski sagte schon 1998: Die Ukraine muss von Russland getrennt werden, weil Russland mit der Ukraine ein Imperium ist und ohne die Ukraine ein regionaler Akteur. Das Ziel ist seit langem gesetzt.

Über die Ziele des Westens in der Ukraine Das in der Ukraine erklärte Ziel ist nicht, die Demokratie in der Ukraine zu retten, sondern Rußland auf dem Schlachtfeld zu besiegen. Und in Folge Rußland zu zerstören. Aber das Ziel, Rußland zu besiegen – das hat für die strategische Stabilität große Bedeutung, weil einer der Schlüsselspieler zerstört werden soll.
Gleichzeitig sagen sie uns: Über die Ukraine soll mit den Ukrainern gesprochen werden, wann immer diese es wollen, und mit Ihnen werden wir über die nukleare Stabilität sprechen – das ist irgendwie naiv.

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*) Lawrow bezieht sich auf ein Interview, das der Papst am 22. November gegeben hat und in dem er Tschetschenen und Burjaten als besonders grausam bezeichnet.

**) Lawrow bezieht sich hier auf die 5 Atommächte, die Kernwaffen besitzen und den Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet haben: USA, Rußland, China, Großbritannien, Frankreich.
Darüber hinaus verfügen Indien, Pakistan und Nordkorea eingestandenerweise und anerkanntermaßen über Atomwaffen, unterzeichnen aber den Vertrag nicht, ebenso wie Israel, dessen Atomwaffen streng geheim sind (siehe Fall Vanunu).

Pressespiegel El País 17.11.: Russische Offensive in der Ukraine

DIE VEREINIGTEN STAATEN HALTEN EINEN MILITÄRISCHEN SIEG DER UKRAINE IN DEM KRIEG KURZFRISTIG FÜR UNWAHRSCHEINLICH

Russland verliert an allen Fronten und in allen Aspekten des Krieges – operativ, taktisch und strategisch –, aber das bedeutet nicht, dass die Ukraine in absehbarer Zeit große Chancen auf einen militärischen Sieg hat, sagte an diesem Mittwoch der Chef des US-Generalstabs, General Markus Milley.

Das höchste US-Militärkommando und Verteidigungsminister Lloyd Austin veranstalteten eine Pressekonferenz nach einem virtuellen Notfalltreffen der Kontaktgruppe für die Verteidigung der Ukraine – die aus mehr als fünfzig Ländern besteht –, 24 Stunden nach der Explosion eines Projektils in einem an die Ukraine grenzenden Gebiet in Polen, bei der zwei Menschen getötet wurden. Bis zum Abschluß einer Untersuchung sind die polnische Regierung und die NATO, mit den Vereinigten Staaten an vorderster Front, der Ansicht, dass es sich um eine ukrainische Flugabwehrrakete handelte, die abgefeuert wurde, um eine russische Rakete zu neutralisieren, und dass die Rakete zufällig auf der anderen Seite der Grenze landete. Allein an diesem Tag feuerte Moskau in der bisher intensivsten Bombardierung des Konflikts Dutzende von Raketen auf Ziele in dem Land, dessen Teile es seit Februar besetzt hat.
Die Ukraine hingegen besteht darauf, dass es sich um ein russisches Projektil gehandelt hat.

Washington ist der Ansicht, daß „unabhängig von den endgültigen Schlussfolgerungen klar ist, dass die letztendliche Verantwortung für diesen Vorfall bei Russland liegt, das eine Raketenlawine auf die Ukraine abgefeuert hat, die speziell darauf abzielt, ihre zivile Infrastruktur zu treffen. Die Ukraine hat jedes Recht, sich zu verteidigen.“ Diese Botschaft wurde im Sicherheitsrat des Weißen Hauses, im Außenministerium und im Pentagon immer wieder wiederholt.

„Was wir wissen, ist der Kontext, in dem all dies passiert ist. Russland häuft Rückschläge auf dem Schlachtfeld an und hat ukrainische Zivilisten und zivile Infrastruktur ins Visier genommen“, erklärte Austin bei der Eröffnung eines virtuellen Dringlichkeitstreffens der Kontaktgruppe für die Verteidigung der Ukraine, die für mehr als fünfzig Länder gebildet wurde.

Dieses Sperrfeuer von Angriffen auf das Stromnetz und andere grundlegende Infrastrukturen stellt eine Kampagne des „Terrors“ dar, die von Moskau gestartet wurde, nachdem es beim Erreichen seiner Ziele eine Reihe von Rückschlägen einstecken mußte. Nach dem russischen Rückzug aus Cherson, seiner beschämendsten Niederlage in den neun Monaten des Krieges, nutzt die Armee „die Zeit, um zu versuchen, ihre Streitkräfte neu zu formieren, und hat der ukrainischen Zivilbevölkerung eine Kampagne des Terrors mit maximalem Leid aufgezwungen, um sie zu demoralisieren“, fügte der oberste US-Militärchef hinzu. Seiner Meinung nach stellen diese Handlungen „Kriegsverbrechen“ dar.

Die Häufung russischer Niederlagen ging Hand in Hand mit den Erfolgen der ukrainischen Armee. Während seine defensive Reaktion in den ersten Monaten die Kommandeure anderer verbündeter Länder aufgrund seiner Stärke überraschte, wie Milley selbst zugab, hat die seit September unternommene Gegenoffensive es ihm ermöglicht, Tausende von Quadratkilometern zurückzuerobern, die von Russland besetzt waren. Kiew hat versprochen, den Druck auf die russischen Streitkräfte fortzusetzen, bis es gelingt, das gesamte von Moskau eingenommene Territorium zurückzuerobern. Einschließlich der Halbinsel Krim, die die Regierung von Wladimir Putin 2014 illegal annektierte.

Doch das US-Kommando hat davor gewarnt, einen militärischen Sieg in dem Konflikt zu erwarten. Trotz der Tatsache, dass Moskau in den Kriegsmonaten große Mengen an Ausrüstung, Fahrzeugen und Waffen verloren hat – „ich kann nicht sagen, wie viele, es handelt sich um geheime Informationen, aber es sind beträchtliche Zahlen“, erklärte der Militäroffizier –, ist seine Armee immer noch da und mächtig.

„Die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Sieges der Ukraine, definiert als der Rauswurf der Russen aus ihrem gesamten Territorium, einschließlich des Teils, den sie mit der Krim beanspruchen – die Wahrscheinlichkeit, dass dies in naher Zukunft geschieht, ist aus militärischer Sicht nicht sehr hoch“, erklärte der General. Milley hat sich öffentlich dafür ausgesprochen, die kommenden Wintermonate, in denen voraussichtlich weniger Aktivitäten auf dem Schlachtfeld stattfinden, zu nutzen, um zu versuchen, einen Weg für Verhandlungen zu ebnen, die eine diplomatische Lösung des Konflikts ermöglichen.

„Und zwar aus politischen Gründen: Es könnte eine politische Lösung geben, wo sich die Russen aus politischen Gründen zurückziehen. Das ist möglich“, betonte Milley auf der Pressekonferenz im Pentagon. Russland „steht jetzt an der Wand“ und die Ukraine in einer Position der Stärke, die ideal für Verhandlungen ist.

Aber sowohl Militärführer als auch die US-Regierung haben wiederholt betont, dass die Entscheidung, „wann, wie und ob verhandelt wird“, von der Ukraine, dem angegriffenen Land, getroffen werden muß. Und Kiew ist im Moment nicht interessiert. Unterdessen beharrt Washington darauf, dass es der Ukraine jede notwendige Hilfe leisten werde, um sich zu verteidigen, „so lange es nötig ist“. Bisher haben die Vereinigten Staaten der Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr als 18 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe zur Verfügung gestellt. „Die Ukraine wird weiterhin Widerstand leisten. Die Ukraine wird nicht klein beigeben“, meinte der US-General.

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Sowohl die ukrainische Provokation als auch die Äußerungen der US-Militärs sind offensichtlich ein Ergebnis des Treffens der Geheimdienstchefs Rußlands und der USA in Istanbul. Da wurden die Claims anscheinend abgesteckt und jeder legte seine Karten auf den Tisch.  

Die USA geben damit erstens der Ukraine zu verstehen, daß sie auf False Flag-Operationen nicht hereinfallen. Mit den USA kann die ukrainische Führung nicht wedeln wie der Schwanz mit dem Hund.
Zweitens schätzen sie die Erfolge der Ukraine als temporär ein und signalisieren auch, daß sich die USA für die ukrainischen – sehr maximalen – Kriegsziele nicht sehr weit aus dem Fenster hängen wird.
Mit dem Hinweis, Rußland stünde „mit dem Rücken zur Wand“ – der gleichzeitig in der ganzen Pressekonferenz dementiert wird – signalisieren sie der Ukraine, daß in ein paar Monaten die Bedingungen möglicherweise weitaus ungünstiger für die Ukraine wären.

Rußland gegenüber signalisieren sie Verhandlungsbereitschaft und stellen etwaige Gebietsabtretungen in Aussicht.

Gleichzeitig ist aber auch mit dem Hinweis auf Kriegsverbrechen ausgesprochen, daß an eine Rückkehr zum Status Quo Ante nicht zu denken ist. Rußland bleibt der Feind, auch wenn in der Ukraine die Waffen schweigen.
Wahrscheinlich ist auch kein dauerhafter Frieden angedacht, sondern lediglich ein Waffenstillstand.
Die Finanzministerin Janet Jellen hat vor einigen Tagen angekündigt, daß die Sanktionen bestehen bleiben werden, auch wenn der Krieg endet.

Allerdings wird auch anerkannt, daß Rußland in Zukunft – wenn das Training der derzeit Mobilisierten abgeschlossen ist – durchaus über militärische Schlagkraft verfügt. Diese Botschaft ist sowohl für die Verbündeten – Polen, Ukraine, UK – bestimmt als auch für Rußland selbst.

Was waren eigentlich die Kriegsziele der USA?

Das offizielle Ziel, Rußland zu schwächen, ist nur ein Teil der Strategie, derjenige, mit dem die NATO hinter den USA versammelt wurde.
Der Konflikt hat auch dazu gedient, die europäischen Verbündeten auf Linie zu bringen, die Geschäftsbeziehungen zu Rußland zu zerstören und die EU-Staaten in verstärkte Abhängigkeit von den USA zu bringen. Auf diesem Gebiet war die Politik der USA sehr erfolgreich, und das ist auch einer der Gründe, warum die letzten US-Wahlen sehr zugunsten der Regierung Biden ausgefallen sind.
Im Rest der Welt wurden auch Verbündete auf Linie gebracht.

Die USA bereiten sich langsam für das nächste Szenario vor, nämlich die Beziehungen Chinas zur EU zu unterbinden. Der Ukraine-Konflikt ist da im Weg. Deshalb wird der ukrainischen Regierung signalisiert: Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.

Der Wiederaufbau des zerstörten Landes wird mit Sicherheit der EU überlassen werden.

Ein neuer Akteur im Ukraine-Krieg / 3. Weltkrieg

DER IRAN – BOMBENLIEFERANT, UND ÜBERHAUPT, STÖRENFRIED PER SE

Ganz so neu ist der Iran natürlich nicht in diesem ganzen Szenario. Immerhin kooperiert der Gottesstaat seit Rußlands Eingreifen in den Krieg in Syrien mit Moskau, und die Zusammenarbeit erstreckt sich auch auf militärische Kooperation und Rüstungsindustrie.

Durch die Feindschaft des Wertewestens werden seit geraumer Zeit die verschiedensten Staats- und Gesellschaftssysteme einander förmlich in die Arme getrieben. Für die westliche Meinungsmacherei sind das natürlich alles „Autokraten“, die sich gegen die Demokratie zusammentun, um ihre miesen Spiele weitertreiben zu können. Aber wenn man sich diesem einfachen und dümmlichem Freund-Feind-Schema nicht verschreibt, so ist unschwer festzustellen, daß in Rußland, im Iran, Nordkorea, Venezuela, Kuba, China oder Syrien sehr unterschiedliche Prinzipien von Herrschaft und überhaupt dem Verhältnis von Oben und Unten herrschen.

Der Iran und Rußland – lange Zeit eine unfriedliche Geschichte

Das Verhältnis des Iran zu Moskau war lange sehr schlecht. Zu Zeiten der Sowjetunion sahen die Mullahs da ein atheistisches System am Werk, das genauso abzulehnen sei wie das des großen Teufels USA.
Aber auch nach dem Zerfall der SU wurde man lange nicht warm miteinander. Dazu mögen historische Ressentiments ihren Teil beigetragen haben.

Immerhin war ein guter Teil des Transkaukasus persisches Staatsgebiet, bevor es der damaligen Safawiden-Dynastie von Rußland abgeknöpft worden war. Mit Berufung auf Hilfegesuche der christlichen Kaukasus-Völker wurden so unter Peter dem Großen und seinen Nachfolgern Georgien, Aserbaidschan und Armenien Teil Rußlands. Eine Zeitlang besetzten russische Truppen sogar die ganze kaspische Küste des damaligen persischen Reiches. Der einzige Grund, sich dann hin und wieder doch zu einigen, war der gemeinsame Feind Türkei – Persien war als Verbündeter gegen das Osmanische Reich gefragt.

Im Zuge des „Great Game“ zwischen dem British Empire und dem Zarenreich um den Einfluß in Mittelasien wurde Persien zu einem Pufferstaat, von dem beide Seiten auch gerne Stücke abbissen. Während des I. Weltkriegs nutzten diese beiden Mächte die Gunst der Stunde, um Persien zu besetzen – offiziell natürlich nur mit den besten Absichten, um es nicht dem Feind in die Hände fallen zu lassen. Ähnlich trieben es die beiden Mächte (bzw. statt des Zarenreiches eben die SU) im 2. Weltkrieg, und zogen erst nach dessen Ende wieder ab. Um die SU zum Abzug zu bewegen, schalteten sich die USA unter Truman ein, angeblich sogar mit einer Atombombendrohung. (Damals besaß die SU diese Waffe noch nicht.)

Damit begann der Einfluß der USA auf den Iran, die SU war ausgemischt. Um nicht ganz im Abseits zu landen, arrangierte sie sich im Laufe der Jahre mit dem Schah und ließ ihre persischen Anhänger der Tudeh-Partei mehr oder weniger im Stich. Die Unterstützung des Schah war einer der Gründe, warum die Islamische Republik mit der SU von Anfang an kein gutes Verhältnis hatte.

Der Zerfall der SU änderte zunächst an dem Verhältnis zwischen Moskau und Teheran wenig. Aber verschiedene Veränderungen in Rußland leiteten ein Tauwetter ein.

Man kommt einander näher

Unter Jelzin wurde 1997 ein Religionsgesetz erlassen, das den Islam als autochthone Religion Rußlands anerkannte (– zum Ärger des Wertewestens wurden Katholizismus und Protestantismus nicht als solche eingestuft, sondern als Importware betrachtet).

Als nächstes wurde der islamische Terrorismus zu einem Problem, das beide Seiten betraf. Immerhin war der sunnitische Fanatismus lange von den USA als Waffe gegen ihre Gegner eingesetzt worden, was Rußland im Kaukasus und der Iran an seinen Grenzen zu spüren bekam.

Schließlich brachten Krieg und Bürgerkrieg in Syrien die beiden Staaten näher zusammen. Die ersten, die Assad unterstützten, waren der Iran und die Hisbollah. Erst auf das ausdrückliche Hilfeersuchen Assads griff Rußland in Syrien ein. Das war weiten Kreisen der syrischen Bevölkerung sehr recht, weil damit eine säkuläre Macht dem iranischen Gottesstaat ein Gegengewicht entgegensetzte. Aber die Kooperation zwischen Rußland und dem Iran hat darunter nicht gelitten, man einigte sich auf gedeihliche Arbeitsteilung.

Ein sanktionsresistenter Staat

Was man vom Iran wirklich lernen kann, ist der Umgang mit Sanktionen. Die iranische Führung sieht sich seit Jahrzehnten der Feindschaft des Westens gegenüber und hat das alles ausgesessen.

In zwei Nachbarstaaten war US-Besatzung, auch das schwächte die Mullahs nicht. Im Gegenteil, der Einfluß des Iran im Irak und auch in Syrien ist gewachsen. Man wird sehen, wie sich das Verhältnis zu den Taliban entwickelt, da ist noch Luft nach oben.

Israel führt Terrorakte auf iranischem Gebiet aus, mit Stuxnet wurde ein sehr effizienter Computervirus auf die iranische Atomwaffenproduktion losgelassen. Auch das hat der Iran bewältigt, vermutlich auch mit Hilfe Chinas und Rußlands.

Der sanktionsbedingte Boykott der iranischen Energieträger hat dazu geführt, daß der Iran Methoden gefunden hat, ihn zu umgehen.

Jetzt schreien alle Zeter Mordio, weil der Iran Waffen an Rußland verkauft. Die EU erwägt neue Sanktionen.

Aber man fragt sich, womit kann der Westen diesem Land eigentlich noch drohen?

Regime-Change-Versuche durch unschuldige Opfer

Die Proteste wegen der angeblich in Polizeigewahrsam gestorbenen jungen Frau kurdischer Herkunft flauen allmählich ab, obwohl viele Akteure im Ausland versuchen, sie mit Telegram und anderen Diensten weiter anzufeuern.

Man muß hier daran erinnern, daß es nicht der erste Versuch war, im Iran einen Regime-Change durch Straßenproteste zu erreichen. Bereits 2009 gab es ähnliche Versuche nach dem Tod einer Demonstrantin, die unter dem Namen Neda zu einem Symbol für die angeblich nach Freiheit lechzende iranische weibliche Bevölkerung wurde.

Das Drehbuch ist gleich geblieben, die technische Ausführung der Anstachelung der Proteste hat Fortschritte gemacht.